Von wegen Friede, Freude, Sandkuchen

Streit im Urlaub

Man hat sich so darauf gefreut, und endlich ist er da: der lang ersehnte Urlaub. Leben nach dem Lustprinzip! Oft gibt es gerade dann Zoff mit dem Partner, obwohl doch alles so schön sein sollte.

Autor: Thomas Dahm

Und plötzlich soll alles gut sein?

Paar Strand Streit panthermedia Marina Bartel
Foto: © panthermedia/ Marina Bartel

"Wir hatten uns so lange darauf gefreut...". Lang ersehnt und dann doch enttäuschend – es kracht häufiger im Urlaub als man denkt. Dabei hatten beide Partner so große Hoffnungen und Absichten. Warum geht mancher Urlaub durch Streitereien in die Hose oder ist zumindest dadurch getrübt?

Ein Faktor ist die lange Zeit von Entbehrungen und Belastungen, die dem Urlaub vorausgehen können. Lange liegt die letzte Erholung zurück. In den vergangenen Wochen hat man sich nur noch mit dem Gedanken und der Vorfreude aufrecht gehalten – "Es sind ja nur noch 14 Tage!". Dann beginnt der Urlaub, und nun soll alles nur noch gut sein: keine Auseinandersetzungen oder Verpflichtungen, nur noch Spaß und Unabhängigkeit. Eigentlich soll die freie Zeit nun alles ausgleichen, was man zuvor an Frust mit sich herumgeschleppt hat.

Partner als Blitzableiter für Frust

Möglicherweise tritt nun das "Urlaubssyndrom der ersten Tage" auf. Man wollte doch so viel Nettes machen, womit geht es jetzt los? Der Tag scheint viel zu kurz und man weiss nicht, was zuerst gut wäre. Entweder es endet in einer totalen Blockade mit unzufriedenem Abhängen oder in ausgeprägter Hektik, die den Unterschied zur Arbeitszeit auch nicht aufkommen lässt. Es ist gar nicht immer so leicht, für sich das Richtige zu tun, insbesondere nicht, wenn dafür in den letzten Monaten wenig Zeit war. Und dann kommt der Partner hinzu. Er wird zum Blitzableiter für die Frustgefühle, d. h. für die eigene Unklarheit wird er beziehungsweise sie verantwortlich gemacht.

Phantasierte Erwartungen

Oftmals sind es gar nicht wirkliche Interessenkonflikte, sondern vor allem phantasierte Erwartungen, was der andere wohl möchte, die einen selbst einengen oder behindern. Das ganze vielleicht mal zwei, da der Partner ja auch in einer solchen Situation sein kann, da ist der Streit schnell ausgebrochen und eskaliert.

Der Egoismus bricht hervor

Aber auch, wenn die eigenen Wünsche klar sind, ist der Streit selbstverständlich noch nicht vermieden. Je größer die Entbehrungen waren, desto mehr gieren wir nach dem Lohn dafür. Und woraus besteht der größte Teil der Entbehrungen? Aus Anpassungsleistungen wie regelmäßiger Arbeit, häuslichen und sozialen Pflichten, Kompromissen und und und... Alles was wir im Laufe des Erwachsenwerdens gelernt haben. Und nun Lust auf Urlaub! Leben nach dem Lustprinzip, welches wir immer weiter beiseite schieben mussten. Erlösung vom alltäglichen Stress. Der (kindliche) Egoismus bricht hervor, einfach nur das zu machen, was man möchte. Auch das (kindliche) Gefühl, dass der Partner die gleichen Bedürfnisse haben wird, bekommt großen Auftrieb. Dieser Wunsch muss natürlich in der Partnerschaft scheitern. Auch im Urlaub muss man sich anpassen und Kompromisse schließen. Frust und Streit können die Konsequenz sein.
Kinder und deren Bedürfnisse erweitern dieses Beziehungsspiel natürlich. Schließlich haben auch sie besondere Erwartungen an die lange gemeinsame Zeit mit den Eltern.

Erholung - nicht nur im Urlaub

Vielleicht scheint es selbstverständlich, dass wir auch im Urlaub Kompromisse schließen und Auseinandersetzungen führen müssen. Wichtig ist jedoch, dass wir in unserem täglichen Leben keineswegs hauptsächlich rational und logisch reagieren. Wir sind geprägt und bestimmt von Wünschen, die uns nicht immer deutlich sind. Der Streit im Urlaub ist eine typische Situation, in der Lust und Frust der Partner an die Oberfläche kommen. Vielleicht manchmal ein Anlass zu überdenken, was im Alltag vorher schon schief läuft. Ein Hinweis, dass mehr Erholung auch in den Zwischenzeiten notwendig ist.