World Vision Kinderstudie

Arme Kinder bleiben benachteiligt

Bei der ersten World Vision Kinderstudie wurden knapp 1600 Kinder im Alter von acht bis elf Jahren nach ihren Werten, Wünschen und Zielen gefragt. Einige Ergebnisse der Studie lesen Sie hier.

Man braucht ein ganzes Dorf...

Junge allein vor Haus mit Ball
Foto: © iStockphoto.com/ LindaYolanda

Die soziale Herkunft hat entscheidenden Anteil an der Zukunft von Kindern. Das ist ein Ergebnis der 1. Kinderstudie des christlichen Netzwerks World Vision. Unter der Leitung der Bielefelder Wissenschaftler Klaus Hurrelmann und Sabine Andresen wurden 1592 Kinder im Alter von acht bis elf Jahren über ihre Werte, Wünsche und Ziele befragt. Die Studie wurde als Fischer Taschenbuch unter dem Titel "Kinder in Deutschland 2007" veröffentlicht.

Die World Vision Kinderstudie zeigt, dass es vielen Kindern in Deutschland gut geht und sie mit ihrem Lebensumfeld zufrieden sind. Sie zeigt aber auch, dass es entscheidend für das ganze Leben ist, in welche Gesellschaftsschicht ein Kind hineingeboren wird. „Die schlechteren Startchancen von Kindern aus den unteren Herkunftsschichten prägen alle Lebensbereiche und wirken wie ein Teufelskreis. Wie ein „roter Faden“ zieht sich eine Stigmatisierung und Benachteiligung dieser Kinder durch das ganze Leben hindurch“, so der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Hurrelmann. „Kinder aus den unteren Schichten sind häufig auf sich allein gestellt. Daher bedarf es des Engagements des ganzen Dorfes, um ein Kind stark zu machen, wie ein altes afrikanisches Sprichwort lautet. Ein schönes und anschauliches Bild, das wir als Ausgangspunkt unserer Überlegungen zur Verbesserung der Kinderpolitik in Deutschland genommen haben.“

Die Kindheitsforscherin Prof. Dr. Sabine Andresen hebt hervor: „Die 1. World Vision Kinderstudie zeigt auch sehr deutlich, dass Kinder sensible und wache junge Gesellschaftsmitglieder sind, die durchaus selbstbewusst eigene Lebensperspektiven entwickeln. Sie fühlen sich im Alltag aber oft nicht ernst genommen. So glaubt ein Großteil der Kinder, dass sich Politiker eher mangelhaft für ihre Belange einsetzen. Auch in der Schule fühlen sich viele Kinder nicht ernst genommen und bemängeln hier die ungenügende Beteiligung.“

Weitere Ergebnisse

  • Traditionelle Hausfrauenfamilie in der Minderzahl
  • Mit 42 Prozent lebt nur noch eine Minderheit der Kinder im Alter von acht bis elf Jahren in einer traditionellen "Ein-Mann-Verdiener-Familie". Bei 45 Prozent sind beide Elternteile oder das alleinerziehende Elternteil regelmäßig erwerbstätig. Acht Prozent der Kinder leben bei arbeitslosen Eltern und weitere fünf Prozent in Familien, in denen beide Elternteile aus sonstigen Gründen keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehen.

  • Nicht mehrheitlich Kinder berufstätiger Eltern beklagen sich über mangelnde Zeit und Zuwendung
  • 13 Prozent der befragten Kinder beklagen, dass sie von beiden Elternteilen zu wenig Zeit und Zuwendung erfahren. Dabei handelt es sich aber nicht in der Mehrheit um Kinder berufstätiger Eltern, sondern zu 28 Prozent um Kinder, deren Eltern arbeitslos sind und zu 35 Prozent um Kinder von erwerbstätigen Alleinerziehenden. In Familien, in denen ein Elternteil vollzeit- und das andere teilzeit-erwerbstätig ist, trifft dies nur für acht Prozent der Kinder zu.

  • Soziale Herkunft bestimmt Bildungsverlauf
  • Kinder aus der so genannten Unterschicht benennen nur zu 20 Prozent, Kinder aus der Oberschicht hingegen zu 81 Prozent das Gymnasium oder das Abitur als Bildungsziel.

  • Fernsehen: Ziemlich häufig und ebenfalls schichtgebunden
  • 97 Prozent aller Kinder konsumieren nach eigener Einschätzung täglich Fernsehen. 52 Prozent der Mädchen und 57 Prozent der Jungen schauen mehr als eine Stunde regelmäßig pro Tag fern. 41 Prozent der Kinder aus den untersten Herkunftsschichten berichten, regelmäßig am Tag mehr als zwei Stunden fernzusehen. Bei Kindern aus gehobenen Schichten trifft das nur auf etwa zehn Prozent zu.

  • Je nach Herkunftsschicht - Angst vor schlechten Noten vorherrschend
  • Kinder aus der untersten Herkunftsschicht haben am häufigsten Angst vor schlechten Noten in der Schule (62 Prozent) und vor Arbeitslosigkeit der Eltern (55 Prozent). Kinder aus der Oberschicht äußern dagegen am häufigsten Ängste vor Armut in Deutschland (59 Prozent) und vor Umweltverschmutzung (57 Prozent).

  • Kinder fühlen sich oft nicht ernst genommen
  • Von den eigenen Eltern - und da vor allem den Müttern - fühlen sich Kinder eher ernst genommen als von ihren Klassenlehrern und dem Personal in Betreuungseinrichtungen.

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