In Anlehnung an die Frage im Kindergartenforum zu pädagogischen Büchern ...

Was haltet ihr denn von Kinderbüchern, speziell Erstlesebüchern, die umgangssprachlich geschrieben sind? Das ist mir leider bei zahlreichen Büchern aufgefallen. Meine Sorge bestand immer darin, dass im Lesen noch unerfahrene Kinder sich davon beeinflussen lassen könnten. Klar, wer über eine fundierte Leseerfahrung verfügt, merkt es auf den ersten Blick. Daher wäre es mir bei Büchern für Ältere egal. Aber Leseanfänger und Leseanfängerinnen könnten es womöglich für ordnungsgemäße Schriftsprache halten und sich daran orientieren. Beispielsweise las mir meine Tochter einmal aus einem Erstlesebuch vor, in welchem folgender Satz stand: "Ich hab mir was rausgeholt." Meine Tochter las intuitiv: "Ich habe mir etwas herausgeholt." Ich befand mich dann im Zwiespalt, genaues Lesen vs. Sprachgefühl. Sollte ich korrigieren?Versteht ihr, was ich meine? Oder ist meine Sorge Quatsch? Beeinflusst es nicht den Schriftspracherwerb?

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Ich denke, bei normal intelligenten Kindern (wie ich deine Tochter einschätze) macht es nichts aus.
Sie hat sogar richtig das gelesen, was da stehen SOLLTE, damit es richtig ist. Also eigentlich hat sie nicht wie ein Erstleser gelesen, sondern wie ein erfahrener Leser, der quasi schon weiß, was da steht / stehen sollte / zu stehen hat.
Es gibt ja diese Buchstabenkauderwelsch-Sprüche, die trotzdem jeder entziffern kann…. Weißt du, was ich meine?
Ich glaube deine Tochter ist schon einen Schritt weiter als ein Erstleser, der Buchstabe für Buchstabe aneinanderreiht, dann Silben zusammenzieht und dann ganz genau liest.

So, und nun zu den richtigen Erstlesern. Wenn da steht „Ich hab mir was rausgeholt“ und die das so vorlesen, denke ich wie gesagt nicht, dass es normal intelligente Kinder verwirren wird. Denn es handelt sich ja in diesem Fall um eine direkte Rede, also gesprochene Sprache, auch wenn sie im Buch natürlich geschrieben dasteht, denn Bücher können noch nicht reden.

LG Hagelkind

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Hallo! Vielen Dank für deine Antwort! Ja, ich denke, dass das schon irgendwie bei den meisten Kindern klappt. Mir rollen sich dabei bloß gerne die Fußnägel hoch. 🙈 Und mit dem genauen Lesen hatten wir damals (mittlerweile ist meine Tochter in der dritten Klasse) tatsächlich ein Problem. Sie überflog gerne den Anfang eines Satzes und dachte sich dann den Rest dazu. Einmal stand z.B. im Text: "Er holte eine Kamera aus der Schublade." Auf dem Bild war jedoch ein Schrank mit vielen Schubladen zu sehen. Sie las: "Er holte eine Kamera aus einer der zahlreichen Schubladen." 🙈

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Deine Tochter scheint redegewandter als der Autor selbst zu sein 😉

Klar, was das lesen anbelangt, hat sie da einfach was dazu gedichtet, ABER, ich finde sie hat es dadurch besser als das Original gemacht. Sie hat also während des Lesens den Text quasi verbessert. Jaaaa, zugegeben, sie hat nicht das gelesen, was dastand, d‘accord.

Ich glaube aber dennoch, dass es Kinder nicht verwirrt, wenn in einem Buch nicht ganz korrekte Schriftsprache steht, insbesondere nicht, wenn es sich um eine wörtliche Rede handelt, wie in deinem Ursprungsbeispiel. Ich glaube, Kinder, die sich generell mit dem Lesen schwertun, also Silben nicht richtig zusammenziehen können usw. oder d und b verwechseln, die haben so oder so Probleme einen Text sinnerfassend zu lesen, egal ob da steht „Ich hab“ oder „Ich habe“.

LG

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Literatur ist Kunst, Kunst ist frei. Natürlich kann da auch Text in Umgangssprache vorkommen. Gute Sache.

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Das ist natürlich im Grundsatz richtig. Es geht hier bloß um Kinder, die erstmalig mit der Schriftsprache in Berührung kommen und bestenfalls Unterschiede kennenlernen sollen. Wir hatten in der Klasse gerade erst die Thematik, dass offenbar selbst Kinder, die Deutsch als Muttersprache sprechen, Probleme haben, durchgängig im Präteritum zu schreiben. Da wir im Präteritum höchstens im Ausnahmefall sprechen, dürfte Lesen und Vorlesen hier die Quelle zum Erwerb sein.

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Sprache wandelt sich. Das Präteritum hat nicht wirklich eine Zukunft (pun intended). Unregelmäßige Formen sind selbst in der Sek II in D eine Herausforderung. So what. Die Klagee über den Verfall der Sprache ist so alt wie diese.

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Ich finde Deinen Anspruch für Erstleserbücher und Grundschulwortschatz einfach zu hoch.

Umgangssprachliche und einfache "slang", Dialekt oder Umgangs-Sprache fördert sogar die Nähe zum Kind (siehe diese furchtbaren Greg-Bücher. Ich find die furchbar, - aber es war das einzige, was mein Sohn lesen wollte und zwar alle Teile).

Ich halte sogar einen großen Teil der Schulbücher, die so unihaft mit Fachbegriffen wissenschaftlich formuliert und gestaltet sind für die jüngeren eher ein ganz großes Hemmnis, als den Inhalt in einfacher Sprache herunterzubrechen.
Comichafte Umsetzungen, auch in einfacher Alltagssprache, die nicht ganz grammatikalisch korrekt ist, finde ich näher am Kind und finde sie sogar sehr gut.

Gerade bei Leseanfängern wäre ich um jedes Preisetikett dankbar, das sie lesen und schraube da die Ansprüche an hochgestochenen Schreibstil doch sehr gerne herunter.

Bearbeitet von tr357
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Danke für deine Antwort! Das mag sein. Meine Tochter liest auch zurzeit Greg. 😄 Sprachlich finde ich es sogar besser als manches andere (z.B. kleines böses Buch 🙈), wenngleich ich echt nicht nachvollziehen kann, warum es Kinder so gerne lesen. Ich finde es sterbenslangweilig. Sie ist jetzt aber ja auch schon älter und kann es gut einordnen. Meiner Meinung nach sollen die Bücher gar nicht hochgestochen geschrieben sein. Einfache, dafür aber korrekte Sätze würden schon reichen. "Habe" anstatt "hab" wird ja kein Kind überfordern.

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Ich kenne dieses Problem komischerweise gar nicht.
Bei Erstlesebüchern haben wir Eltern doch noch sehr eingewirkt - und da reicht ja kurzes Überfliegen um zu merken, ob der Autor einigermaßen formulieren kann.
Mich hat eher gestört, dass in einem Buch ganz selbstverständlich der "Regisseur" vorkam, genauso wie der Computer und die Jeans... das fand ich unnötig frustrierend.

Allerdings war diese Phase auch ziemlich kurz.

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Haha, ja, und die Voltigiertrainerin usw. Stimmt. 😅 Mir war die Umgangssprache in mehreren Büchern erst zu spät aufgefallen. Aber wahrscheinlich bin ich in der Hinsicht auch einfach etwas pingelig. 🙈 Der Inhalt hat mich zuweilen auch überrascht. In einem !!!-Buch verschafften sich die Detektivinnen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Zutritt zum Lehrerzimmer und durchwühlten dort den Schreibtisch ihres Lehrers. Das dort enteckte vermeintliche Beweismaterial wurde mal eben abfotografiert, als wäre es das Normalste der Welt.

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In deinem Beispiel dient diese Umgangssprache vielleicht auch der Textvereinfachung. "Was" liest sich leichter als 'etwas', "raus" leichter als 'heraus'. So kann man den Leseanspruch von Texten gut reduzieren, Kindern schneller Erfolgserlebnisse ermöglichen und es ändert sich nichts am Inhalt. Auch wenn es in den Text auch längere Wörter gibt, 'was' und 'raus' können auch von weniger erfahrenen Lesern simultan oder nahezu simultan erfasst werden und müssen nicht Stück für Stück erlesen werden, was den Leserfortschritt beschleunigt und den Inhalt leichter erfassbar macht.

Keine Ahnung, ob das für das genannte Buch gewollt ist oder nicht, aber das wäre eine mögliche Erklärung für augenscheinlich unpassende Umgangssprache in Texten für Erstleser.

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Ich wäre froh gewesen, wenn die Autoren besagter Bücher so reflektiert formuliert hätten.
Aber der Regisseur und die Voltigiertrainerin zeichnen leider ein anderes Bild :-(

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Naja, in der großen Mehrzahl der Familien sagt man Zuhause vermutlich tatsächlich: "Ich hab mir da was raus genommen", in meiner zB. Und wörtliche Rede soll ja wiedergeben, was die Charaktere im Buch tatsächlich sagen, inklusive des Sprachregisters.

Allerdings gebe ich dir Recht, dass Erstlesebücher meist richtig schlecht geschrieben sind: Flache, unattraktive Sprache, gleichzeitig aber mit Verwendung viel zu komplizierter Worte.

Aber Erstlesebücher sind eher zum Lernen als für den Lesegenuss gedacht. Die lassen die meisten Kinder ja zum Glück schnell hinter sich. Da würde mir keine Sorgen machen.

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Puh, dein Beitrag triggert mich gerade etwas und ich weiß gar nicht, ob ich das rüberbringen kann, was in mir gerade vorgeht. Das Thema ist gerade ja auch durch meine Tochter (4.Klasse) mal wieder in meinem Leben präsenter geworden.

Ich habe mich damals als Schulanfängerin unsagbar darauf gefreut, endlich Lesen und Schreiben zu lernen. Es lief am Anfang auch super, ich war voll dabei, hatte Spaß. Dann ging es langsam mit der Grammatik im Unterricht los....bis heute ein theoretisches Rätsel (eher Fragezeichen) für mich. Deutsch ist meine Muttersprache, aber diese Sprache ist nun mal auch geprägt von regionalen Unterschieden. Bei mir kam nur an, das ich "falsch" spreche und erst recht schreibe. Aber alle haben dort umgangssprachlich so gesprochen, wo ich die ersten Jahre verbracht habe. Es war leicht an meinem neuen Wohnort rauszufinden, das aus Brause Sprudel, aus Bulletten Frikadellen, sich Klieben in Mehlklöße verwandelten, Tunke eben Soße und aus Stulle eben ein belegtes Brot wurde, aber mit theoretischer Grammatik war (und bin) ich komplett überfordert. Ich verlor den Spaß am Unterricht, die Grammatik in meinen Aufsätzen war unterirdisch....aber der tolle Inhalt war komplett egal. Ich verstummte im Unterricht, machte schlußendlich dicht....ich erinnere mich an Sätze von Lehrern in die Richtung "Das ist falsch...das ist kein Präteritum, sondern klar erkennbar ein Perfekt." (Austauschbar mit allen anderen grammatikalischen Begriffen) Ich habe überhaupt nicht verstanden, was die von mir wollten. Grammatik im Unterricht wurde für mich ein rotes Tuch, das änderte sich auch nicht als Englisch dazu kam. Im Unterricht ging gar nichts, aber da bekam ich Nachhilfe und es war plötzlich ganz leicht....zumindest in Englisch, sicherlich weil es einfach Neuland war.

Was für ein Roman, sorry. Ich möchte eigentlich einfach nur dalassen, das man Schul- und Leseanfänger nicht mit den Augen eines Erwachsenen sehen sollte. Wenn in einem Erstleserbuch "Er hat was rausgeholt." steht, dann steht das da. Sollen die Kinder vorlesen, dann sollten sie lesen was da steht. Wenn sie es hinterfragen, super. Wenn man liest, dann möchte man in der Geschichte abtauchen und sich nicht über korrekte Grammatik Gedanken machen. Als Leseanfänger möchte man die Geschichte einfach verstehen udn wie gedruckt vorlesen....es geht um die Geschichte, die gedruckten Worte und nicht um die Grammatik.

Ach so, meine Tochter ist in Grammatik super....trotz grottigem Vorbild. Ihr fällt das total leicht, trotzdem war die Arbeit nicht so toll....denn sie ist eher bei Texten kurz angebunden, das passt den Lehrern auch nicht. Also genau umgekehrt, als bei mir früher....aber das Ergebnis ist dann doch irgendwie wieder dasselbe.

BTW: Vielleicht schreibe ich hier gerade absoluten Blödsinn....nimm es mir nicht übel, ich bin nur getriggert.