Angst vor fehlenden Vatergefühlen

Hallo liebe Community,

meine Frau ist jetzt in der zwölften Woche mit Zwillingen schwanger.

Wir haben die Schwangerschaft mithilfe eines Kinderwunschzentrums realisiert und meine Frau wird derzeit alle zwei Wochen vom Gynäkologen begleitet. Aufgrund der Corona-Pandemie ist es mir derzeit nicht möglich, an diesen Terminen teilzunehmen. Mir ist dabei aufgefallen, dass es meine Frau viel mehr beschäftigt als mich.

Bei mir ist es mehr ein "Schade, aber es ist halt leider so...". Ich habe Angst, dass meine Frau mir das irgendwann als Desinteresse an unseren Kindern ausgelegt wird, was aber definitiv nicht so ist. Ich freue mich riesig auf die Kinder, aber ich merke auch, dass es mir nichts ausmacht, nicht bei den Ultraschalluntersuchungen dabei zu sein.

Generell sind meine Frau und ich - was Emotionen betrifft - extrem verschieden. Sie ist sehr emotional in alle Richtungen (Liebe, Wut, Trauer, etc.) und ich bin eher der typische Friese. Gerade in den letzten Jahren (ich bin jetzt 33) habe ich auch gemerkt, dass mir vieles sehr egal geworden ist, wo ich vorher selbst noch sehr nah am Wasser gebaut war. Ich empfinde inzwischen selten wirklich tiefgreifende Freude, Trauer oder gar Begeisterung. Es ist alles so ein "Meh..." geworden.

Derzeit ist meine Frau aufgrund ihres Beschäftigungsverbotes dauerhaft zu Hause. Ich bin selbständig im Homeoffice und somit hocken wir eigentlich 24/7 aufeinander. Sie ist ziemlich unterbeschäftigt und fordert viel Zuwendung. Ich hingegen bin super gerne alleine, was Einiges an Streitpotenzial hervorruft. Wobei ich schon viel einfach runterschlucke und einfach ertrage, weil ich nicht möchte, dass sie sich in der Schwangerschaft allzu sehr aufregt.

Mein Freundeskreis ausschließlich auf ihren Freundeskreis beschränkt. Mir ist das selber schon sehr stark aufgefallen, als ich aus Norddeutschland für meine Frau nach Nürnberg gezogen bin. Mein "bester" Freund aus dem Norden hat sich eine Zeit lang noch um unsere Freundschaft bemüht, aber ihm zu schreiben, anzurufen oder gar hoch zu fahren, empfand ich immer mehr als emotionale harte Arbeit. Als er dann ganz theatralisch den Kontakt abzubrechen drohte, hat auch das mich nicht berührt. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Ich kenne meine Frau jetzt seit inzwischen 18 Jahren und seitdem habe ich wirklich intensive Gefühle für einen Menschen nur in ihre Richtung gehabt. Wie ein Küken, das auf das erste geprägt wird, was es nach dem Schlüpfen sieht. Mich interessieren andere Menschen erschreckend wenig. Jeder Konversation folge ich nur halbherzig und unkonzentriert, was mir von einigen inzwischen als Narzissmus ausgelegt wird. Dabei ist selbst Smalltalk für mich einfach nur harte Arbeit, vor der ich mich sträube, weil ich meine Ansichten nicht erklären kann. Auch Fachwissen, das ich habe, kann ich nicht in Worte fassen. Dafür brauche ich ewig. Ich war schon bei zwei verschiedenen Psychologen, weil ich mich teilweise schon für einen Autisten gehalten habe. Beide sagten aber, es gebe halt "sehr introvertierte und sehr extrovertierte Menschen und ganz viel dazwischen". Klar, ich wurde in meine Schule viel gemobbt, aber dass ich das so weit mit ins Erwachsenendasein ziehe, kann doch nicht wahr sein.

Ich habe wirklich Angst davor, dass ich dieses Desinteresse an meiner Umgebung auch meinen Kindern zumute oder gar vererbe.

Gibt es unter euch Väter, die auch wenig Gefühle während der Schwangerschaft ihrer Frau empfanden? Habt ihr Tipps?

Viele Grüße

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Hallo Fenrizan,

das sind doch erstmal tolle Nachrichten. Ihr hattet lange den Wunsch nach Nachwuchs und nun werden es sogar Zwillinge. Wow, gleich die doppelte Packung. 😊

Das was Du über Dich und Deine Gefühle schilderst ist völlig normal. Ich bin zweifacher Papa und bei der ersten Schwangerschaft und Geburt hatte ich ähnliche Gefühle. Meine Freunde, vor allem die etwas emotionaler veranlagten, die mit diesen Themen ein paar Jahre vor mir waren, sagten mir ständig, was alles mit mir während der Schwangerschaft passieren wird und wie sehr das ungeborene Kind mein Leben auf den Kopf stellen wird. Ich spürte nix. Gar nix. Während der Geburt war ich natürlich dabei, aber auch da, keine Regung (und ich bin kein gefühlsloser Mensch). Unsere Tochter (#1) kam spät abends zur Welt. Nach der Entbindung, als sich alles beruhigt hat und Mutter und Kind aufs Zimmer gebracht wurden, bin ich nach Hause und hab selbst gepennt wie ein Baby.

Die Gefühle als Vater und alles was damit verbunden ist, kam bei mir viel später. Heute stelle ich mich wie ein Löwe vor meine Kinder. Würde ohne mit der Wimper zu zucken mein Leben für die beiden hergeben wenn es darauf ankommt und alles was ich in meinem Leben mache, mache ich für sie.

Das deine Frau emotionaler unterwegs ist, ist simple Chemie. Ihr Körper wird von Hormonen durchflutet und sie macht eine Achterbahnfahrt mit. Sei für sie da. Höre ihr zu. Nehme sie ernst. Du musst nicht auf alles eine Antwort haben. Du musst auch nicht jeden Ultraschall Termin mitmachen. Die wichtigen solltest du trotzdem mitnehmen (du wirst herausfinden, welche die wichtigen sind). Je mehr es aufs Finale zugeht, umso mehr wird sie dich brauchen.

Alles Gute Euch beiden. Und Corona ist für alle gerade eine Qual. Das geht vorbei. Partnerschaft und Zwerge bleiben!

Liebe Grüße, falke.

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Hi Falke,

ich bin wirklich gespannt, was da noch so auf mich zukommt. Meine Frau ist per se schon ein wirklich sehr emotionaler Mensch mit sehr festen Bindungen zu ihrer Familie, weshalb wir auch noch vor der Geburt in ihre alte Heimat ziehen werden. Die Schwangerschaftshormone kommen da noch erschwerend hinzu. :-D Aber dafür liebe ich sie ja auch.

Ich kann die Zwerge selber kaum abwarten. Ich glaube, bei uns Männern ist es wahrscheinlich auch einfach die Tatsache, dass wir nicht sehen, was da im Bauch der Mutter vorgeht und uns deswegen der frühe Bezug dazu fehlt.

Danke für deine Antwort, ich werde sie mir zu Herzen nehmen.

Liebe Grüße zurück

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Ich bin zwar kein Mann aber kann mich etwas in deine Gefühls Welt hineinversetzen.

Ich denke das es bei mir aber auch eine leichte Depression war.
. Aber was ich eigentlich sagen wollte ist, daß seid dem ich Kinder habe viel mehr lache als sonst in meinem Leben und viel Emotionaler wurde.

Heute lache ich über jeden Mist und früher habe ich aus Höflichkeit mit gelacht.

Du denkst vielleicht du wirst deinen Kindern nicht gerecht, aber die werden dein Leben so auf den Kopf stellen das sich viel in die weiter entwickelt.

Alles Gute wünsche ich dir.

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Hi Patheba,

danke für deine Antwort! Das stimmt mich schon einmal positiver! :-)

Dir auch alles Gute!

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Ich bin auch eine Frau. Kann an deiner Beschreibung aber nichts finden, vor dem man Angst haben müsste. Heutzutage ist es gar nicht verkehrt, eine „Scheiß- egal- Einstellung“ zu haben. Ich bin eher wie deine Frau, recht emotional. Mein Partner ist auch eher von „deiner Sorte“ und mir tut das zum Beispiel total gut. Hätte ich einen Partner, der auch noch ausflippt, weil er vor irgendwas Angst hat oder so.... dann würden wir uns doch nur gegenseitig hochschaukeln. 😅 Und auch im Leben ist es manchmal einfacher, wenn man etwas „stumpfer“ ist. Zumindest stelle ich mir das so vor.

Der Vater unseres Kindes ist auch wieder ähnlich wie Du gestrickt. (Such mir vermutlich unterbewusst den ruhigen Anker). Und der liebt seinen Sohn sehr. Er kann zB auch nichts mit anderen Kindern anfangen. Hat er mehrfach gesagt, wenn ich ihm irgendwelche Babyvideos bei YouTube gezeigt habe. Ich war den Tränen nahe, ihn hat es nicht berührt. Ganz anders ist das bei seinem eigenen Kind. Also mach dir mal keine Sorgen und nehm es auch als positive Eigenschaft auf, dass Du nicht ständig einen Weltschmerz empfindest und dir über alles und jeden Gedanken machst. 🤪 Ich wäre lieber so wie Du, als wie ich😅

Lg

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Hi Marabuu,

da hast du sicherlich recht. Bei den ganzen Informationen, die täglich auf uns einhämmern, ist so eine LMAA-Einstellung vielleicht auch nur eine Schutzfunktion. Meine Frau sagt zwar auch, dass ich ihr Ruhepol bin, aber ich denke, manchmal würde sie sich im Bezug auf die Schwangerschaft mehr Emotionalität von mir wünschen.

Ich versuche es erst einmal mit Fürsorge und Haarehochhalten bei der immmer noch andauernden Morgenübelkeit (die gerne auch bis abends geht).

Ich denke du bist genauso richtig, wie du bist. So ergänzt du dich mit deinem Partner doch sehr gut. ;-)

Liebe Grüße

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Bei deinen Worten musste ich an die Bier- Werbung denken: „Wie das Land, so das Bier - friesisch herb.“ Passt irgendwie auch zu dir. 😄 In einer Partnerschaft ist es wie bei einem Tanz. Macht der eine einen Schritt in die eine Richtung, versucht der andere dies auszugleichen, um nicht umzufallen. Ist deine Frau also besonders emotional, versuchst du automatisch verstandesbetonter zu sein. Willst du Ruhe und Abstand, versucht sie dich mit Kontakt aus der Reserve zu locken. Seid euch dessen bewusst. Insofern deine Frau noch nicht hochschwanger ist und die Beschränkungen bald vorüber sind,solltest du unbedingt mal ein paar Tage allein in die Heimat fahren. Freundschaft ist sehr wichtig! Selbst wenn es dir jetzt emotional egal ist, aber mal pragmatisch gedacht: Im ersten Babyjahr trennen sich leider viele Paare. Bei Zwillingen ist der Stress noch erhöht. Und im blödsten Fall sitzt du dann allein da und nicht mal dein bester Freund redet mehr mit dir.