Moralische Bedenken bei künstlicher Befruchtung

Hallo,
ich hoffe nicht, dass ihr diese Frage hier als unpassend empfindet. Ich möchte auf keinen Fall, dass sich jemand angegriffen oder verletzt fühlt...

Unser Kiwu besteht seit ca. 4 Jahren. Ohne "künstliche" Hilfen wird es wohl nicht gehen, aber ich habe mich bisher stark dagegen gesträubt... habe gedacht, dass es schon klappt, wenn ich mich weniger unter Druck setze.
Die letzten 1 1/2 Jahre haben wir garnichts unternommen, um schwanger zu werden.
(#sex natürlich schon ;-))

Ich möchte ein Kind, aber nicht um jeden Preis! Ich bin bereit Hormone zu nehmen, aber ich möchte keinen künstlichen Eingriff!
Ich weiß nicht, ob das jemand verstehen kann, aber ich habe extreme moralische Bedenken...
Das Problem ist ein genetischer Deffekt, der zu 50% vererbt wird.

Nun habe ich dauernd das Gefühl, wenn wir in die Natur eingreifen, fordern wir das Schicksal heraus... und wie soll ich einem eventuell erkrankten Kind dann erklären, dass ich aus rein egoistischen Gründen diesen Weg gegangen bin.
Ich habe Angst, dass es mir das nie verzeiht.

Mein Mann meint, dass es ja zu 50% auch gesund ist und ich mich nur verrückt mache...
Wie seht ihr das? Bin ich wirklich zu extrem mit meinen Gedanken oder ist das ein normaler Prozess?
Ich wäre froh, eure Meinungen dazu zu hören...Danke schon mal.
LG Nessi

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Hallo,

du sprichst zwei Probleme an, also mal der Reihe nach.

Ob man eine künstliche Befruchtung machen lässt, oder nicht, muss jeder für sich entscheiden. Mein Partner lehnt dies vollkommen ab, daher habe ich mich nie näher damit beschäftigt. Wobei bei ihm eine künstliche Befruchtung erst bei IVF / ICSI losgeht. Zur Zeit stecken wir in einer IUI, das ist für ihn vollkommen ok und eher ein Nachhelfen, als eine künstliche Befruchtung. Aber auch das kann man anders sehen.

Wenn ich die Berichte hier so lese, wären IVF/ICSI wohl auch nicht mein Weg. Wobei ich dir gar nicht genau sagen kann warum, dass ist einfach so ein Bauchgefühl. Ich probiere die IUI und wenn es dann nicht sein soll, dann müssen wir damit leben.

Der Gedanke, der meinen Freund von einer künstlichen Befruchtung abhält ist der, dass er meint, die Natur denkt sich etwas dabei, wenn man nicht ss wird. Wenn es klare Ursachen gibt wie zB Hodenhochstand, dann wäre es für ihn noch ok, aber ansonsten würden eben die Erbanlagen nicht passen und das Risiko eines kranken Kindes würde steigen. Ich sehe das nicht nicht so, aber es fehlen auch Langzeitstudien.

Trotzdem, das Leben ist immer ein Risiko und die Natur regelt vieles, in dem es gar nicht zur Einnistung oder zu einer FG kommt. Insofern sollte sich das auch bei der künstlichen Befruchtung regeln.

Ein Defekt der zu 50% auftritt, ist aber schon sehr heftig. Die Wahrscheinlichkeit ist ja sehr hoch, dass das Kind krank ist. Was für eine Erkrankung ist es denn? Stirbt das Kind im Mutterleib, oder wäre es sein Leben lang schwerstbehindert?

In eurem Fall würde ich mir auch viel mehr Gedanken machen. Gäbe es nicht im Ausland die Möglichkeit, das Kind vor dem Einsetzen auf die Erkrankung hin zu untersuchen? Klar ist das Selektion, aber wenn die Möglichkeit besteht, finde ich das immer noch besser, als ein Kind schwerstbehindert ins Leben zu schicken.

Andererseits habt ihr euch für ein Kind entschieden, wenn ihr seid 4 Jahren nicht verhütet. Damit habt ihr also in Kauf genommen, dass es evtl. behindert ist. Wieso dann die Bedenken bei der künstlichen Befruchtung? Das verändert doch die Wahrscheinlichkeit nicht, oder?

Vielleicht müsst ihr es so sehen, dass niemand weiß, ob sein Kind gesund sein bzw. bleiben wird. Wir alle tragen das Riskio, so ist das Leben. Dann müssen wir es annehmen.

Sehr schwierige Frage. Die könnt ihr wohl nur für euch selbst beantworten. Auf jeden Fall wäre wichtig zu wissen, wie stark die Behinderung ausfallen würde.

Ich wünsche euch alles Gute und viel Weisheit für die richtige Entscheidung, wenn es die denn überhaupt gibt.
Wiebke

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Hallo Wibke,
ich habe deinen Beitrag gerne gelesen und finde deine Sichtweise interessant.
Ich hab schon unten geschrieben, dass es sich bei dem Deffekt nicht um eine Erkrankung handelt, die zu schweren Behinderungen führt. Das könnte ich nicht verantworten...

Ja, du hast recht, es besteht immer ein Risiko und man kann nicht alles kontrollieren... Daher bin ich froh, dass wir über den Deffekt Bescheid wissen und dementsprechend auch schon mit einer pränatalen Behandlung darauf reagieren können.

Ok, einerseits ist es ein Glück, dass wir es wissen... man kann sich ganz anders darauf vorbereiten. Aber gerade dieses Wissen macht es auch ganz schwer, zu entscheiden...

Egal wie es ist, ist es nichts #augen
LG nessi

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Hallo Nessi,

wenn es "nur" ein Defekt ist, den man auch noch (zu bestimmten Teilen) behandeln kann, ist das eine ganz andere Situation, als eine schwere Behinderung.

Keiner von uns weiß, ob die Kinder gesund geboren werden und gesund bleiben. Auch mit Behinderungen kann man sehr gut leben, wie ich bei Bekannten immer wieder erlebe. Klar ist es nicht einfach, aber kein Leben ist immer einfach und es gibt heute viele Hilfsmittel. Und die Ausgrenzung ist auch kaum noch da.

Es ist mir schon klar, dass man mit dem Wissen, dass es recht wahrscheinlich ist, anders umgeht, als mit der theoretischen Möglichkeit.

Ich wünsche euch ein gesundes, wundervolles Kind! Habt einfach Vertrauen, ohne geht es nicht!
Wiebke

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Hallo Nessi,
wenn es bei Euch auf natürlichem Wege klappen würde, könnte der Defekt doch auch mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% weiter vererbt werden. Da müsstet Ihr dann ja ebenfalls Bedenken haben. Ich denke eher, dass künstliche Befruchtung für Euch eine Chance sein kann: Ihr könntet ein gesundes Kind bekommen und würdet ihm Leiden ersparen. Im Ausland können z.T. solche Untersuchungen vor einem Embryonentransfer gemacht werden.

Künstliche Befruchtungen bekommen immer mehr Bedeutung, weil immer mehr Paare ungewollt kinderlos bleiben. Und das liegt in meinen Augen nicht an der Natur, sondern an den Chemilkalien und Umweltgiften, die uns umgeben und von denen heute noch niemand die Langzeitwirkung abschätzen kann.

Letztendlich müsst Ihr für Euch entscheiden, welchen Weg ihr geht.

Liebe Grüße
kleines Lieschen

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hallo kleines lieschen,
ja sicher wird der Deffekt auch natürlich zu 50% weitergegeben. Aber dann soll es so sein...

Wenn ich in diesen natürlichen Prozess eingreife, bekomme ich eben Gewissensbisse, weil ich dann sozusagen "vorsätzlich" handle.

Vielleicht kann man es auch so sehen, dass ich es genauso herausfordere, wenn ich überhaupt bereit bin, ein Kind zu bekommen. Das Risiko ist dann dasselbe, zumindest was den Gendeffekt betrifft!
Aber ich kann mit dem natürlichen Risiko irgendwie besser umgehen, warum weiß ich auch nicht...
LG Nessi

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Hi Nessi,

Wollt auch grad los legen zu schreiben,aber meine beiden vorschreiberinnen trafen es genau auf den Punkt.

Ich bin derselben ansicht.Man fordert das Schicksal nicht heraus man hilft ihm nur auf die Sprünge.

Lg #blume

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Hallo,

ob man eine künstliche Befruchtung macht oder nicht muss jedes Paar für sich entscheiden oder besser gesagt jeder Partner für sich.

Ich bin der Meinung bei einem Kinderwunsch sollte kein Partner einen Kompromis eingehen. Da sollten sich wirklich bei Partner 100 % einig sein welche Behandlung sie machen wollen.

Ich könnte mir vorstellen, wenn ein Partner für den anderen Partner auf eine Behandlung verzichtet dass es später mal Probleme und Anschuldigungen gibt, weil man wegen dem Partner auf den KIWU verzichtet hat.

Ich denke gerade die Entscheidung keine künstliche Befruchtung zu machen ist keine einfache. Kann man mit der Entscheidung auch noch in 30 oder 40 Jahren leben? Oder würde man sich dann Vorwürfe machen, weil man nicht alles gemacht hat?

Auch muss jeder selber wissen wie viele Versuche er macht. Einer macht halt keine Versuche und ein anderer macht 15 oder mehr Versuche. Ich denke das sollte jeder für sich entscheiden.

Wenn man jung ist hat man ja auch noch die Möglichkeit sich mit der Entscheidung ein paar Jahre zeit zulassen. Die Medizin entwickelt sich so schnell weiter.

So jetzt zu dir, habt ihr euch schonmal beraten lassen wegen dem gendefekt? Welche Folgen hätte der Defekt? Gibt es die Möglichkeit den Embryo im Ausland zu untersuchen oder besser wäre das eine Möglichkeit für euch mit der ihr leben könnte?

LG
Blume82

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Hallo Blume82,
wir haben uns schon genetisch beraten lassen und wurden sehr ausführlich aufgeklärt über medizinische Möglichkeiten.

Die Sache mit dem Ausland habe ich mir ehrlichgesagt noch garnicht überlegt, aber die käme für uns schon medizinisch gesehen nicht in Frage, da bei der genetischen Analyse meines Mannes ein Teil des deffekten Gens medizinisch noch nicht entschlüsselt werden konnte.

Aber ich könnte diese Grenze wahrscheinlich auch unter anderen Umständen nicht überschreiten...
LG Nessi

5

Hey Nessi,

erstmal Daumen hoch, dass du dir so Gedanken machst und dir nicht einfach ins Blaue hinein aller Hilfsmittel bedienst, die auf dieser Erde möglich sind.

Ich kann es nachvollziehen...wir sind auch immer wieder am Schwanken, ob es nicht "so sein soll", dass wir keinen Nachwuchs bekommen können. Warum auch immer...den Grund versteh ich nicht...ob wir es einfach akzeptieren sollen, dass unser Leben etwas anders aussehen soll...

Aber jeder muss es für sich entscheiden, denk drüber nach, bildet Euch Eure Meinung (dein Posting ist ein guter Anfang) und dann geht die Schritte, zu denen Ihr gemeinsam stehen könnt, ok?

glg,
Christina#klee

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Hallo,
ich danke euch erst mal für eure Meinungen #danke
Mein Mann lebt seit Geburt mit diesem Deffekt, ich bin nur Träger desselben Deffekts...
Es ist eine Stoffwechselerkrankung und führt nicht zu schwersten Behinderungen. Die Krankheit ist mit Medikamenten gut zu therapieren, zumindest bei Jungs. Bei Mädchen besteht die Gefahr einer Zwitterbildung und Vermännlichung.

Wir haben uns genetisch beraten lassen und uns dann für ein Kind entschieden.
Natürlich besteht das Risiko auch bei einer natürlichen Schwangerschaft... aber ich empfinde irgendwie, dass es dann die freie Entscheidung der Natur ist, wenn es klappt.

Wenn ich eine Schwangerschaft "erzwinge", dann entscheide ich es in diesem Moment selbst und übergehe die natürlichen Blockaden, die vielleicht ihren Grund haben.
Ich weiß nicht ob ihr hier meinen wirren Gedanken noch folgen könnt #hicks
Es ist schon schwierig für mich zu erklären, wie ich es meine...

Ich hätte eben Schwierigkeiten, mich vor meinem Kind später rechtfertigen zu müssen, warum ich auf Teufel komm raus und mit allen Mitteln eine Schwangerschaft künstlich herbeiführen musste, obwohl ich wusste, das ein Risiko besteht.

Ja, ich weiß, dass mir niemand diese Entscheidung abnehmen kann. Es tut mir trotzdem gut, hier verschiedene Meinungen zu lesen und mich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen.
LG Nessi

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Hallo Nessi!

Ich verstehe deine Gedanken voll und ganz, dass du nicht ein Kind um jeden Preis haben willst. Mir geht es genau so. Ich könnte mir (auch wenn der Gedanke schrecklich ist, niemals dein eigenes Kind in den Armen zu halten) eine IVF/ICSI fuer mich nicht vorstellen.
Meiner Meinung nach ist IUI doch noch in gewisser Weise natuerlich, da ja wirklich das schnellste, gesundeste Spermium seinen Weg findet. Andernfalls sitzt irgendein Angestellter der KIWU Klinik bei der Arbeit und sucht dir wahllos DEIN Kind aus. Genau diese Sachen sind die, die ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Bei IUI ist es doch immer noch der Natur ueberlassen.
Falls es bei uns wirklich mit IUI auch nicht klappen sollte, hab ich schon mit dem Gedanken einer Adoption gespielt. Aber das liegt noch in weiter Ferne. Ich hoffe ich konnte dir mit meinem Beitrag helfen zu sehen, dass du mit deinen Gedanken absolut nicht alleine bist.
Herzliche Gruesse und toi toi toi
Dany

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Hallo Dany,
ich werde mich jetzt auch mal mit einer IUI befassen und überlegen, ob ich das verantworten kann und will.

Ich kenn mich da noch nicht gut aus, weil ich bisher so sicher war, dass es schon irgendwann von selbst klappt und mich deshalb von diesen Themen distanziert habe.

Nun schießen Ängste und Bedenken wie Unkraut in mir hoch...
Beruhigend zu hören oder lesen, dass es noch mehr Menschen mit ähnlichen Gedanken hier gibt.
#danke für deinen Beitrag
LG Nessi

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Hi Necci
also warum soll uns von den Ärzten nicht geholfen werden?
Ein Herzkranker bekommt auch einen Bypass und sagt dazu nicht nein.
Ich bin froh, das man diesen Weg gehen kann, um evtl. Eltern zu werden.
Gruss

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Hi goldi,
ja, sicher ist es für viele ein unglaubliches Glück, dass man diesen Weg gehen kann...

Es geht mir ja auch mehr darum, wie ich es moralisch vor einem eventuell kranken Kind später verantworte, diesen Weg gegangen zu sein und speziell in meinem Fall eine Erkrankung bei meinem Kind bewusst zu riskieren.

Ich kann mit einer eventuellen Erkrankung meines Kindes gut leben, aber kann es das Kind später auch?!

Wenn ich von einer Erkrankung vorher nichts weiß, müssen wir auch damit leben, aber das Kind steht nicht irgendwann vor mir und sagt: "Wie konntet ihr mir so ein Leben nur zumuten, obwohl ihr das Risiko gekannt habt?"
LG Nessi