Weniger als 10% Sehvermögen - was kann ich für mein Kind tun?

Hallo,

ich hoffe, dass mir hier vielleicht jemand seine Erfahrungen mitteilen kann, was man tun kann, damit ein Kleinkind mit verminderter Sehleistung eine glückliche Kindheit haben kann.

Wir haben erst am Freitag erfahren, dass die Sehleistung unser Tochter so schlecht ist. Sie hat einen Nystagmus gekoppelt mit Albinismus (allerdings nur für die Augen) und trägt seid dem 6. Monat eine Brille. Uns war klar, dass ihre Sehleistung nicht bei 100% liegen kann, allerdings haben wir niemals mit so einem schlechten Wert gerechnet. Sie geht in eine reguläre Kinderkrippe, wo man keine Unterschiede zwischen ihr und anderen kindern feststellen kann, ausser, dass sie beim Malen immer sehr nah mit dem Kopf zum Papier geht. Sie klettert als erste auf jedes Spielgerät und hat auch beim Kinderturnen keinerlei Probleme. Sie geht Treppen alleine rauf und runter und rennt auch nicht ständig irgendwo gegen. Sie diskustiert jeden Morgen, ob sie lieber eine Hello Kitty Unterhose oder doch besser Minnie Maus anziehen soll, so dass uns im Alltag kaum auffällt, dass sie so stark sehbehindert ist.

Jetzt stellen sich allerdings folgende Fragen:

- wird es ihr möglich sein, lesen und schreiben zu lernen? was muss man beachten und welche Hilfsmittel stehen zur Verfügung?
- welche Sportarten kann man mit eingeschränkter Sehleistung gut machen?
- was sollte man auf alle Fälle meiden?

Vielen Dank für jegliches Feedback

Sonja

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Hallo,

wende dich bitte an die für euch zuständige Sehfrühförderung.

Lesen und schreiben wird dein Kind erlernen, es wird einen Schulabschluss zwischen Hauptschulabschluss und Abitur erreichen und anschließend auch einen Beruf ergreifen, der am ersten Arbeitsmarkt ist.

Auch für die Planung der Bildungslaufbahn, Blindengeld, Behindertenausweis kannst du dich an diese Frühförderstelle wenden. Hilfreich könnte die Mitgliedschaft im VdEK sein.

Die Adressen findest du im Telefonbuch bzw. die Förderstelle über die nächste Blindenschule.

LG Reina

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Liebe Reina,

vielen Dank für Deine liebe Antwort. Es remutigt mich doch sehr zu hören, dass sie lesen und schreiben lernen kann.
wir wohnen in Luxembourg, so dass ich noch nicht genau weiss, wie das System hier funktionert, aber wir haben nächste Woche einen Termin bei sehr Sehfrühförderung. Davon verspreche ich mir auch einiges.

Der Augenarzt hat direkt von einer Blindenschule bzw. ein Internat in Marburg gesprochen, wo Blinde auch Abitur machen können. Da unsere Tochter aber erst knapp 3 Jahre ist, wollen wir diesen Gedanken erst nochmal "parken".

Nochmals Dank
Sonja

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Hallo,

habe dir eine private Nachricht geschickt.

VG

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Hallo Sonja,

ich kann dir leider nicht deine Frage beantworten, will dir aber kurz schreiben.
Mein Mann hat okulären Albinismus und 20 % Sehfähigkeit auf jeweils beiden Augen. Ein Nystagmus ist ebenfalls vorhanden.
Eine Brille kann dies nicht korrigieren.

Mein Mann schwimmt, fährt Fahrrad und bewegt sich weitgehend normal im Alltag. Er ist Gymnasiallehrer. Vor kurzem war er alleine in Asien und ist umhergereist.
Er hat einen bewussten Umgang mit seiner Sehbehinderung. Das negative: er wird oft für "schusselig" gehalten, da er eben keine Brille trägt und kann viele einfache Dinge im Haus nicht erledigen, weil er sie einfach nicht sieht.
Sein Bruder hat die gleiche Behinderung im ähnlichen Ausmaß uns fühlt sich wesentlich gehandicapter.

Die Behinderung wird vererbt. Unsere Tochter trägt die Anlage dazu, hat die Behinderung aber nicht. Ihre Kinder würden je nach Geschlecht Überträger werden oder erkranken.

Dein Kind wird ganz normal behandelt und gefordert wie die anderen Kinder? Super, dass ist sicher das Beste, um einen selbstverständlichen Umgang zu normalisieren.

Ich würde mich freuen, wenn du Lust hast mir mal kurz zu schreiben. Mich würde interessieren, ob bei euch auch ein "okulärer Albinismus" o. ä. vorliegt. Habe noch niemanden dieser Besonderheit getroffen und würde mich über Erfahrungen freuen.

Liebe Grüße und alles Gute für euch, Aurora

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Hallo Aurora,

meine Tochter hat auch einen okulären Albinismus und eben zusätzlich den Nystagmus. IN unseren Familien war so etwas bisher nicht bekannt, zumindest bis zu den Generationen, wo man so etwas feststellen kann. Da man ja "normal" aussieht, ist es bis auf die Sehbehinderung auch nicht so auffällig. Wir werden aber auch noch weitere Nachforschungen anstellen, ob ihre Krankheit genetisch bedingt ist oder eine Laune der Natur.

Sie trägt zwar eine Brille, die dient aber nur dazu, die zusätzlich vorhandene Weitsichtigkeit und den Astigmatismus zu korrigieren. Allerdings frage ich mich schon, ob das wirklich etwas bringt bei 5-10% Restsehschärfe.

Es ist aber sehr ermutigend zu hören, dass Dein Mann in der Lage ist, so viel selbständig zu machen. Schwimmen haben wir auch gedacht, dass sie ein guter Sport sein köNnte, den man auch ohne perfekt sehen zu können machen kann, aber beim Fahrradfahren hätte ich bedenken, aber vielleicht auch zu Unrecht.

Unsere Tochter hat noch eine grössere Schwester, was in dem Fall vielleicht auch ein riesiges Glück ist, denn dadurch wird sie permanent gefordert. Sie möchte alles machen, was ihre Schwester auch macht und ist deswegen auch sehr gut in der Lage, in ihrem Alltag gut zu "funktionieren", so dass ihre Sehbehinderung nicht sofort auffällt. Sie geht auch in eine völlig normale Kinderkrippe, wo man mir nur gesagt hat, dass sie beim Malen näher an das Papier geht, als andere Kinder, aber das ist auch schon der einzige Unterschied, den man zwischen ihr und den anderen Kindern ausmachen kann.

sie ist zum glück ein ausgesprochen fröhliches Kind und es ist unser grösster Wunsch, ihr diese Fröhlichkeit zu erhalten. Ich habe nur grosse sorgen vor dem Zeitpunkt, wenn sie selber merkt, dass sie Dinge, die ihre Schwester macht, nicht machen kann oder nicht so gut und dann entsprechend frustriert sein wird.

nochmals vielen Dank für Deine aufmunterenden Worte.

Sonja

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Hallo Sonja,

danke für deine nette und ausführliche Mail!
Deine Tochter wird euch sicher den Weg zeigen, den sie gehen wird. Kinder haben doch ein gutes Gefühl dafür, was sie sich zu trauen können (mein Mann hat sich das Rad fahren selbst beigebracht ;-))

Alles Gute für die Maus und euch!
Liebe Grüße, Aurora

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Hallo
hast pn
LG

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Hallo Sonja!

Wir haben auch ein sehbehindertes Kind und ich kann dir da wirklich Mut machen! Unser Sohn sieht zwar etwas mehr (ca. 30 %), aber uns fällt es im Alltag auch kaum auf, dass er sehbehindert ist. Auch er hat einen Nystagmus.

Wie du selbst schreibst, macht eure Tochter alles wie die anderen Kinder auch und das ist doch schon mal ein gutes Zeichen! Bei unserem Sohn beobachte ich, dass er seine Sehbehinderung oft ausgleicht, indem er sich Sachen einfach merkt. Z. B. Bilder im Bilderbuch. Wenn er da mal eine Seite überblättert, sagt er trotzdem Bagger, obwohl der Bagger eigentlich auf der überblätterten Seite ist. Aber er weiß halt, dass der Bagger nach dem Feuerwehrauto kommt. Und so ist es auch mit Gegenständen im Haushalt. Wir haben uns angewöhnt, immer alles an den gleichen Platz zurück zu stellen, damit er es leichter wieder findet. Bekommt ihr Sehfrühförderung? Die haben uns auch viele Tipps gegeben, was z. B. Beleuchtung angeht. Man könnte auch bestimmte Möbel markieren, damit sie besser wahr genommen werden, also etwa einen quietschgrünen Klebestreifen an den Türrahmen kleben oder so. Sowas fanden wir aber nicht nötig.

Die Sehrfrühförderung hat uns auch Mut gemacht was die Schulzeit angeht. Es gibt wohl extra "Tafel-Ferngläser" und heutzutage wird ja auch viel mit Computern in der Schule gearbeitet, wo man die Schrift größer stellen kann und auch da gibt es noch spezielle Aufsätze für den Bildschirm, die alles vergrößern.

Was die Sportarten angeht, würde ich es einfach ausprobieren. Unser Sohn hat zu schmale Sehnerven, die Bilder kommen dadurch etwas später in seinem Gehirn an. Dann ist vielleicht Tischtennis nichts für ihn. Aber er kann laufen, schwimmen... Da gibt es so viel!

Ich finde es gut, wichtig und richtig die Kinder ganz normal zu behandeln. So lernen sie am ehesten, dass sie auf andere Art zurecht kommen, wie z. B. durch´s Merken oder Hören oder Fühlen.

Und eins noch zum Schluss: der Opa meines Mannes war blind und der hat Fahrräder geflickt, den Hof gefegt und und...

Liebe Grüße,

Pieruline

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Liebe Pieruline,

vielen Dank für Deine autmunternde Worte. Es tut sehr gut so etwas zu lesen und gibt einem vor allem wieder Hoffnung.

wie alt ist denn Dein Sohn?

Wir hatten gestern den ersten Termin zur Sehfrühförderung und die haben uns dort auch viel Hoffnung gemacht, dass man heutzutage viel erreichen kann, weil es so viele Hilfsmittel gibt. Im Januar wird jemand zu uns nach Hause kommen und uns dort auch beraten, was wir noch verbessern können und wie wir die Beleuchtung optimal wählen können, damit sie besser sehen kann. Dort wurde uns auch gesagt, dass blendempfindliche Kinder, was unsere Tochter durch den Albinismus ist, auf keinen Fall einen Schreibtisch am FEnster haben sollen also genau konträr zu dem, was ich gemacht habe. Das habe ich gleich schon mal umgestellt, aber ich erhoffe mir noch weiter nützliche Hilfestellungen , wenn sie bei uns sind.

Es wird wohl auch jemand in die Kinderkrippe gehen, um dort zu sehen, was man noch machen kann, damit sie mehr sieht und dort auch entsprechend gefördert wird.

Hier in Luxembourg fängt ja bereits mit 3 Jahren die vorschule an und ab 4 Jahren ist dann Kindergartenpflicht. Mal sehen, wie es da geht, aber man bekommt wohl auch Unterstützung. Eventuell werden wir sogar jetzt schon ein Lesegerät bekommen, damit sie Spielsachen und Bilderbücher dort anschauen kann.

Die beste Aussage war allerdings: selbst mit 10% Sehleistung kann man noch lesen und schreiben lernen und eine normale Schule besuchen, wenn auch mit diversen Hilfsmitteln, was uns sehr beruhigt hat. Unserer Tochter ist es ganz wichtig, dass sie alles so macht, wie ihre Schwester und so scheint es doch möglich zu sein.

Dir nochmals vielen Dank und schöne Feiertage

Sonja

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Ich kann dir nur als Lehrerin etwas zu einer Schülerin von mir sagen, die durch Albinismus auch nur in etwa die Sehkraft deiner Tochter hat. Diese Schülerin ist am Gymnasium und meistert alles ganz prima. Sie braucht für alles etwas länger, hat eine Lupe bzw. einen Laptop, auf dem sie alle Schulbücher hat, um die Materialien vergrößern zu können. Sie ist in der Klasse gut integriert und bewegt sich in der Schule ganz sicher. Zur Unterstützung hat sie eine Betreuerin, die in den meisten Fächern dabei ist und ihr zur Seite steht. Dein Kind wird seinen Interessen und Fähigkeiten entsprechend ganz viel erreichen können und ein relativ normales Leben führen können - mit der entsprechenden Unterstützung.

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Liebe Talamira,

vielen Dank für Deine Antwort, die mir auch viel Mut macht. Gerade gestern wurde mir mitgeteilt, wie wichtig es ist, dass die Lehrer mit an einem Strang ziehen, denn dann ist es wohl tatsächlich "kein Problem" , dass unsere Tochter trotz ihrer Sehbehinderung eine normale Schule besuchen kann.

Dies aus Deiner Sicht bestätigt zu hören, gibt uns allerdings auch viel Mut. Uns wurde auch erklärt, dass sie eben voll ausgerüstet, mit Lupe, eventuell Lesegerät und Laptop im Unterricht sitzt, aber so am regulären Unterricht teilnehmen kann.

Dir noch schöne Feiertage und nochmals herzlichen Dank für Deine Antwort

Sonja

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Ihr werdet eure Tochter bestimmt mit allen euch zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen. Habt viel Zuversicht und lasst euch nicht unterkriegen, dann wird eure Tochter im Leben viel erreichen können. Alles Gute für euch und schöne Weihnachten!