Starke Sprachentwicklungsverzögerung oder Autismus?

Hallo,

heute möchte ich Euch von meinem Sohn Ben berichten. Er ist im September 3 Jahre alt geworden und spricht nicht viel (Mama, Papa, ja, nein, Tierlaute, vielleicht insgesamt 50 Wörter). Der einzige Zweiwortsatz ist "ja Mama", den benutzt er aber auch, wenn er etwas vom Papa will, obwohl er genau weiss, wer Mama und Papa sind.

Er kam in den USA zur Welt und wir sind erst vor kurzem wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Demnächst soll er auch in den Kiga gehen.

Bei uns zu Hause ist Ben (mal vom Sprechen abgesehen), ein völlig normales Kind. Er lacht viel, macht Blickkontakt, Grimassen, spielt mal konzentriert, mal wild, etc. Er hatte vor ca. einem Jahr eine schlimme Trotzphase, wo wir teilweise alles rückgängig machen mussten, wenn ihm etwas nicht passte. Die war aber nach ca. 3 Monaten wieder komplett vorbei.

Er hatte von Anfang an Angst vor wild spielenden, vor allen Dingen schreienden Kindern. Wir waren von Anfang an viel in Spielgruppen unterwegs, und war immer das Kind, dem das Spielzeug weggenommen wurde. Daraufhin hat er sich mehr und mehr zurückgezogen. Er liebt es, Kinder beim Spielen zu beobachten, hält sich aber selbst sehr zurück und ist schüchtern. Er interessiert sich für alles was Technik betrifft (iPad, Telefon, Lichtschalter, etc.) Motorisch war er schon immer eher vorsichtig (er unterschätzt sich eher als sich zu überschätzen). Er liebt seine kleine Schwester über alles, bringt ihr die Decke, küsst sie wenn sie weint. Aggressionen gegen sich oder andere zeigt er keine.

Wir waren vor kurzem im SPZ. Dort wurde mehrfach erwähnt, dass er in keine Schublade gesteckt werden soll, aber es wird durchaus vermutet, dass er auf dem Spektrum ist. Den Hörtest hat er einwandfrei bestanden, der Sehtest steht noch aus.

Ben ist sehr schüchtern. Sobald man mit ihm das Haus verlässt, gibt er keinen Mucks mehr von sich. Auch bei der Logopädin. Wenn man ihn dann noch mit ewas beschäftigen will, das ihn nicht interessiert, guckt er auch mal gelangweilt aus dem Fenster. Mit anderen Worten, wenn ich mein Kind nur ausserhalb des Hauses sehen würde, wäre ich davon überzeugt, dass er autistisch ist.

Wenn man mich heute nach einer Diagnose fragen würde, wäre diese, dass er eine Sprachentwicklungsverzögerung und selektiven Mutismus hat. Könnten diese beiden Dinge von Aussenstehenden, und auch den Experten als Autismus gedeutet werden?

LG
Tanja

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Huhu,

bei meinem Großen ging es mit 3,5 Jahren los mit der Testerei, erst Kinderklinik, Humangenetik und dann SPZ usw.

Bei ihm wurde doch EEG, MRT, Psychologisches Gutachten usw. alles mögliche ausgeschlossen, sowohl Autismus wie auch ADHS ( er hatte für beides diverse Anzeichen, angefangen vom Summen, über Abläufe die nach seinen Regeln gemacht werden musste bis hin zu hoher Aktivität).

Lg

P.s. unsere Therapeuten hatten bei ihm anfangs auch arge Schwierigkeiten da er unter Konzentrationsschwäche litt und die Ergo musste ihn erst sportlich eine Weile austoben lassen damit er überhaupt mitgemacht hat

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Hi,

Vielen Dank für Deine Antwort!

Interessant, kann man mit den Untersuchungen Autismus endgültig ausschliessen, wenn sie negativ ausfallen? Das wusste ich noch nicht! Und wie hat sich Dein Sohn dann weiter entwickelt?

LG
Tanja

5

Huhu,

eigentlich soweit ganz gut, momentan sind wir am Überlegen ihn noch mal durchtesten zu lassen in der Kinderklinik, der Kleine muss im November zur Frühchenuntersuchung und da werden wir das ansprechen.

Grob kann ich dir seine Geschichte ja mal aufschreiben:

Also mit 3,5 Jahren Kinderklinik wo eine kognitive Sprach- und Entwicklungsverzögerung, einen zu kleinen Kopf (frag mich nicht wie genau das heißt), Verdacht auf Hochwuchs, eine Warhnehmungsstörung sowie ein hypertoner Muskeltonus festgestellt wurde.

Frühförderung ab 3,5-4 Jahren, außerdem Kita als Integrationskind
Logopädie und Krankengymnastik
Mit 5 Jahren gab es dann einen Wechsel im Kita und er wurde runter gestuft und bekam "nur noch" eine Integrationshilfe, bekam dafür noch Ergotherapie, durch den Wechsel bekamen wir ihn auch erst von den Windeln los.

Alle 2 Jahre Humangenetikerin, also Blutuntersuchung nach Chromosonveränderung oder sonstige Auffälligkeiten, außerdem Handknochenscreening da seine Handwurzelknochen entweder nicht zeitgemäß entwickelt oder da waren und die Wachstumsfugen zu groß noch waren

Mit 5 ging es dann ins SPZ, da war er jetzt 2x.

Mit 7 ist er in eine normale Grundschule eingeschult worden, lief alles bis jetzt relativ in Ordnung. Er hat momentan wieder arge Probleme mit der Sprache und auch noch paar Probleme wegen dem Muskeltonus, da versuche ich Ende Oktober ihn wieder zur Ergotherapie und Logopädie zu bekommen (irgendwann zicken da nämlich die netten Damen und Herren von der Krankenkasse rum). Die Lehrerin in der Schule kommt so lala mit ihm klar, er summt immer noch rum (wir wissen bis heute nicht was das auslöst), er hat sozial öfters Probleme, wobei das nicht nur an ihn liegt, sondern auch an paar Idioten an der Schule.

Die Sprechblockade hat sich mehr oder minder im Kita gelöst und wurde dann immer besser, wir haben ihn ein Jahr von der Schule zurückstellen lassen, das hat er auch gebraucht und man merkt ihn an dass er in gewissen Bereichen 1 Jahr länger braucht als bei anderen.

Momentan schlagen wir uns auch mit paar Pubertären Problemen rum, wobei ich da wie gesagt nu abklären lassen muss ob er wirklich drin steckt oder ob es wieder was anderes ist, denn mein Sohnemann kommt immer auf lustige Ideen. Sobald der nämlich zu neuen Ärzten soll (vor 2 Jahren sind wir zur Endokrinologin wegen Hormoncheck und dem Hochwuchs) und dann spinnen seine Blutwerte (da zeigte er Ansätze von Zöliakaie und Diabetes) oder bei der Herzuntersuchung vom Kleinen, wollte die Ärztin den Großen nur durchchecken und stellte fest, dass er ein Loch zwischen den Hauptkammern hat und ein musikalisches Herzgeräusch.

Es waren lange und beschwerliche Jahre mit vielen Auf und Abs und vielen Arztbesuchen und nu haben wir 2 von der Sorte (der Kleine ist ein Frühchen, hatte 3Min nach der Geburt einen Herzstillstand, eine Lungenseite öffnete sich nicht und hat einen hypotonen Muskeltonus), aber unser Kinderklinik hat beim Kleinen sofort geschaltet und die Vergleichen die Beiden jetzt miteinander.

Lg

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Hallo Tanja.

Lass dich nicht irre machen. #liebdrueck

Kenne auch so eine kleine Maus, die mit 4 Jahren soviel gesprochen hat wie dein Sohn. Immer, wenn sich ein Kind nicht "nach Katalog" entwickelt, kommt der "Verdacht auf Autismus" auf (zumindest bei 90 % der Spezialisten, oder die, die sich dafür halten).

Es ist doch normal
- dass Kinder Trotzphasen haben,

- dass sie halt nunmal keine lauten Dinge (Kinder) mögen,

- dass sie sich für bestimmte Dinge interessieren (würden sie dies nicht, wären sie auch nicht "normal")
- dass sie sich oftmals auswärts völlig anders verhalten, als zuhause

Auch dass er eher vorsichtig ist hat seine Vorteile. Wäre er es nicht, hieße es doch "der ist adhs-gefährdet". Merkst du was? Egal wie sich ein Kind benimmt, man kann immer was "negatives" bzw. "unnormales" rein interpretieren.

Das o. g. Mädchen ist übrigens jetzt 6 Jahre alt und plappert den ganzen Tag über.

Bei ihr war es eine Sprachentwicklungsverzögerung, die aufgrund der Mumps-Masern-Röteln-Impfung hervorgerufen wurde. War halt bei ihr so - muss selbstverständlich bei deinem Sohn nicht zwangsläufig auch so sein...

Zudem ist es auch nicht unnormal, dass dein Sohn z.Zt. etwas "sprachlich durcheinander ist", wenn ihr erst kurz hier in Deutschland lebt und er diese neue Sprache erlebt.

Wirst sehen, der Kindergarten wird ihm diesbezüglich auch sehr gut tun und er wird sich sprachlich weiter entwickeln. Gib IHM und DIR Zeit und lass dich nicht verrückt machen.

Alles Gute!

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Hallo,

danke für Deine Antwort! Es tut gut zu wissen, dass es auch Fälle gibt, bei denen alles gut ausgeht.

Diese Ungewissheit macht einen fertig. Und das Umfeld macht es nicht leichter. Am Anfang kamen Fragen wie: "Sprichst Du denn mit ihm und liest ihm Bücher vor?" Und irgendwann sind alle ratlos.

Du hast mir echt Mut gemacht, danke!

LG
Tanja

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Huhu,

ich noch mal.

Diese Sprüche kenn ich zur Genüge, vorallem wenn du alle Möglichkeiten an Therapien auch noch hast und dein Kind im Prinzip jeden Tag eine Therapieform hat, gibt es Idioten die alles besser wissen und auch alles kennen wollen.

Lg

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Hallo,
Eure Geschichte gleicht unserer ziemlich. Kurz zu meinem Sohn. Wir sind auch erst vor kurzem wieder nach Deutschland gezogen (waren 2 Jahre in Amerika). Mein Sohn ist bald 5, spricht auch so gut wie nichts. In Amerika wurde er SOFORT in die "Schublade" Autismus gesteckt. Er hält Blickkontakt, kuschelt gerne, geht auf Fremde zu etc. Er wurde dort auch "getestet" und nach 2 Stunden wurde die Diagnose Autismus gestellt - keine spezielleren Angaben.

Hier geht er nun in einen normalen Kiga, allerdings halb in der Kleinkindergruppe und halb bei den größeren. Frühförderung läuft jetzt gerade an, dann wollen wir sehen wie es läuft. Hörtest hat er bestanden, jetzt wird weiter geschaut.

Mein Sohn fühlt sich wohl im Kiga, besonders jetzt wo er auch in der kleinen Gruppe ist und er sich auch mal zurück ziehen kann.

Ich würde sagen probiert es aus ob sich dein Sohn wohl fühlt oder ob es ihm zu Wild und laut ist im normalen Kiga. Mir wurde es auch oft gesagt dass es an den beiden Sprachen liegt und ich daran schuld wäre dass er nicht viel redet.

Kann dir eigentlich nicht wirklich weiter helfen. Hör auf dein Bauchgefühl wenn du dir Kindergärten anschaust
Liebe Grüße!!