Triggerwarnung - Schwer zu verarbeitender Kaiserschnitt

Hallo zusammen,

ich habe lange überlegt ob ich meinen Geburtsbericht teilen soll oder nicht. Ich will keinem Angst machen. Aber ich denke es würde mir gut tun einfach mal alles niederzuschreiben. Wird lang 😌

Es war meine erste Schwangerschaft und ich wünschte mir von Anfang an eine natürliche/vaginale Geburt. Ich versuchte mich fit zu halten, zog 3 Monate die Louwen Ernährung durch, machte jeden Tag Yoga und Pilates Übungen, meditierte, setzte mich mit Hypnobirthing auseinander und vieles mehr. Ich freute mich total darauf diese Erfahrung einer Geburt zu machen und das zu erleben wofür der weibliche Körper „geschaffen“ ist.

Nun ja, mein Kind wurde von Anfang an immer sehr groß geschätzt, vor allem der Kopf. Es hielt sich aber immer im Rahmen, bis ungefähr zur 35. ssw. Da war der Kopfdurchmesser dann immer 4 Wochen weiter als die eigentliche Woche in der ich mich befand. Meine Ärztin redete mir gut zu und sagte, wenn der Kopf tiefer im Becken sitzt kann es gut sein dass das rasante Wachstum aufhört und er durchschnittlich groß wird. Dem war leider nicht so. An 38+6 hatte ich meinen letzten FA Termin und hoffte so sehr auf gute Neuigkeiten, aber da hatte der Kopfdurchmesser nun die 100. Perzentile geknackt und meine Ärztin riet mir von einer natürlichen Geburt ab. Mir liefen die Tränen eine Stunde lang nur so über die Wangen, ich war so enttäuscht. Sie sagte zwar, ich könne es versuchen, aber das Risiko dass der Muttermund reißt oder das Baby stecken bleibt wäre sehr hoch. Schweren Herzens entschieden mein Mann und ich uns dann für einen KS und vereinbarten einen Termin in unserem ausgewählten Krankenhaus für in 5 Tagen.

In der selben Nacht allerdings, entschied sich mein Baby jetzt schon kommen zu wollen und mir platzte die Fruchtblase um 2 Uhr morgens. Ich rief meine Ärztin an und diese sagte mir wir sollten uns direkt auf den Weg ins Krankenhaus machen (3 std Fahrt)
Ich muss dazu sagen dass wir aktuell im Ausland leben und es hier üblich ist dass die Gynäkologen auch die Geburten durchführen, egal ob KS oder vaginal. Meine Ärztin fuhr also in ihrem Auto hinter uns zum KH.

Ich merkte wie nervös ich war. Ich hatte einem KS zugestimmt, aber damit gerechnet noch ein paar Tage Zeit zu haben und mich seelisch darauf vorzubereiten, nun ging aber alles so schnell. Wir fuhren in der Morgendämmerung und ich hatte zum Glück keine Wehen.

Im Krankenhaus angekommen wurde direkt ein CTG gemacht welches nicht sehr gut war. Ich wurde sofort auf die OP vorbereitet. Die Angst schlich sich immer mehr ein.

Ich wurde in OP Kittel zur OP Station gefahren, kurz vor der Tür dann der Schock. Mein Mann durfte nicht mit. Wir versuchten zu diskutieren, aber nein, angeblich seit Corona eine neue Regelung, keine Begleitperson erlaubt. Das hatte uns vorher keiner gesagt.

Ich merkte, wie ich Panik bekam. Sie schoben mich weiter, ich sah meinem Mann angsterfüllt hinterher und wusste nicht wie ich reagieren sollte. Hinzu kommt, dass ich die Sprache hier nicht gut beherrsche, ich konnte also auch nicht viel argumentieren.

Im OP Saal angekommen, war ich irgendwie resigniert. Die Atmosphäre war kalt, alle wuselten um mich herum, und sprachen in gebrochenem Englisch auf mich ein. Ich sollte mich schnell umdrehen für die Spinalanästhesie. Anschließend wurde ich direkt und ohne richtige Vorwarnung auf den Op Tisch gelegt, meine Beine wurden gespreizt und der Katheter in meine Blase geschoben. Ich spürte es kaum, aber empfand den Vorgang irgendwie als erniedrigend. Als wäre ich ein Stück Fleisch, und kein Mensch mehr, den man empathisch behandelt und aufklärt.

Die Op ging los und alle Emotionen prasselten auf mich ein. Ich war gar nicht bereit. Null. Ich hatte Angst, ich war enttäuscht, traurig, einsam, allein gelassen, verzweifelt. Mein Kreislauf sackte ab und ich dachte ich bin gleich weg, aber mit einer Sauerstoffzufuhr wurde es dann etwas besser.

Nach ungefähr 2-3 Minuten rüttelten sie an mir herum, mein Baby lag ungünstig und sie bekamen es kaum heraus. Eine der OP Assistenten drückte so dermaßen auf meinen Bauch, um das Baby aus mir rauszuschieben, dass ich trotz Betäubung unfassbare Schmerzen spürte. Ich hatte das Gefühl dass mir gleich die Rippen brechen würden und bekam keine Luft.
Ich wurde panisch, rief dass ich schmerzen hätte, keine Luft bekam, aber dies wurde ignoriert. Ich versuchte es noch ein paar mal, aber sie hörten nicht auf und lächelten mir immer wieder kurz über das OP Tuch zu, ich solle mir keine Sorgen machen und entspannen. Sehr witzig…

Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an und ich dachte ich müsste an den Schmerzen sterben, aber dann war mein Baby endlich da. Es kam aber kein Schrei. Ich fragte wieder mehrmals wo mein Baby sei, ob alles ok ist, ich weinte, keine Antwort. Nach ungefähr 5-10 Minuten die sich anfühlten wie Stunden, brachten sie es mir und legten es an meine Brust an. Ich konnte es überhaupt nicht genießen. Irgendwie, und ich kann es mir bis heute nicht erklären, hatte ich weiterhin extreme Schmerzen obwohl ich „nur“ noch genäht wurde. Mein ganzer Körper schrie vor Schmerzen. Die restliche Zeit lag ich dann dort und sah die grelle Decke an, mein Geist zog sich zurück und ich versuchte einfach nur noch das ganze zu „überstehen“.

Zurück im Zimmer bekam ich erstmal Opioide gegen die Schmerzen. Gottseidank, war ich überglücklich mit meinem Baby im Arm. Die Liebe durchflutete mich. Erst als wir zuhause ankamen holte mich das Erlebte wieder ein.

Bis heute kann ich es irgendwie nicht akzeptieren. Ich bin so enttäuscht und fühle mich als hätte ich versagt. Vor allem auch weil nach der Geburt von Bekannten gefragt wurde wie groß denn nun der Kopf gewesen sei (37,5cm KU) und dann wurde gesagt „naja sooo groß ist das aber nicht“ , als wäre der KS total umsonst gewesen. Dabei meinte meine Ärztin im Nachhinein auch, dass sie während der OP froh war dass wir den KS durchführten da sie den Schnitt größer als normal machen mussten und ja auch extrem drücken mussten um das Baby überhaupt rauszubekommen…Ich frage mich, hätte ich es trotzdem normal versuchen sollen? Habe ich versagt?? Ich bin immer noch verstört von dem Erlebten und habe Angst vor einer zweiten Geburt.

Abgesehen davon liebe ich mein Baby über alles und bin froh dass wir beide gesund aus der Sache rausgekommen sind. Ich danke euch fürs Lesen 🩷

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Es tut mir sehr leid, was Du durchmachen musstest.
Da es sehr oft zu „traumatischen Erlebnissen“ durch Kaiserschnitte kommt, hier mal ein kleiner Erfahrungsbericht von der anderen Seite.

Ich selbst hatte auch einen sehr dramatischen und unschönen Kaiserschnitt, aufgrund der plötzlichen und kompletten Plazentalösung hadere ich aber mit gar nichts. Ich bin einfach froh und dankbar, dass viele Zufälle und natürlich auch schnelle Entscheidungen (über meinen Kopf hinweg) mein Leben und v.a. das Leben meines Kindes gerettet haben. Mir völlig egal, ob spontan oder Kaiserschnitt, mein Kind lebt - nichts steht über dem und schon gar nicht mein Egoismus bzgl. Geburtserlebnis.

Leider war ich bei einigen Säuglingsnotfällen zugegen und kann wirklich sagen: nichts versetzt mich noch in der Notfallmedizin in Panik oder gar Stress - außer Kinder. Es ist jedes Mal der pure Horror. Wenn Ärzte aus Sicherheitsgründen dazu raten, etwas anders zu machen, dann wirklich nicht, weil das Personal eh nichts besseres zu tun hat, oder wie hier im Forum gerne behauptet wird, damit mehr Geld gemacht wird. Ich z.B. kann bei 100 Sectios im Monat beteiligt sein, mehr Geld bekomme ich absolut nicht. Dafür trage ich wesentlich mehr Risiko. Kaiserschnittbabys haben sehr oft Anpassungsstörungen, eben weil es sehr schnell gehen muss. Der Stress des Babys, wenn es z.B. wie in Deinem Fall so sehr aus dem Becken gedreht und gedrückt werden muss, ist enorm und führt leider nicht selten zu Komplikationen, daher (zu Deiner Erklärung, warum keiner auf Deine Luftnot geachtet hat) darf keinesfalls eine Pause gemacht werden. Das Kind muss SOFORT raus. Wenn ein zu großes Kind so fest im Becken sitzt und auf normalem Weg zur Welt kommt, kommt es leider gerne mal zur Schulterdystokie. Auch diesen Fall hatte ich vor kurzem und hoffe, dass der Sauerstoffmangel keine weiteren Folgen für den kleinen Kerl hat. Zum Glück wurde in diesem Fall die Lage sehr schnell (binnen 2 Minuten) richtig erkannt und wir hatten ihn schnell wieder. Es ist aber nicht immer so „leicht“ zu erkennen, dass es schnell dramatisch werden kann.
Ich möchte gar nichts weiter ausführen, für mich ist es auch nach vielen Jahren noch immer der Horror, wenn ich mich als Teil des Notfallteams um ein Kind/Säugling kümmern muss und ich kann aus Erfahrung sagen: je kleiner die Kinder, desto rascher die Dramatik und desto größer die Probleme.

Ich kann also nur an alle appellieren, nehmt einen Kaiserschnitt gelassener ! Es ist gut für uns und unsere Babys, dass wir diese Möglichkeit haben.

Sehr wichtig finde ich auch, dass Du die Sprachbarriere ansprichst. Das sehe ich auch schon immer als Problem, eben weil ich mir die Angst vorstelle, wenn man nicht weiß, was als nächstes geschieht. Wir durchleben das schon sehr lange, aber seit dem Krieg in der Ukraine momentan wieder gehäuft. Dank neuartiger Apps versuchen wir möglichst viel Kommunikation durchzuführen, leider nicht überall so möglich.

Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute 🍀

Bearbeitet von -lynx-
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Hey

es tut mir sehr sehr leid, dass du das durchmachen mußtest ...
also ich weiß hier in Österreich gibt es keine Corona Regeln mehr, und ich find es echt schlimm , dass du da allein reingeschoben wurdest !

im Wochenbett hast du dann natürlich auch noch , dass du völlig durcheinander bist !

DEINE Gefühle sind völlig normal - aber bitte versuch nicht , dass alleine durchzustehen
such dir jemanden zum reden
Gesprächstherapie oder eine Hebamme oder Psychiater , jemand der dir hilft das zu verarbeiten !!

LG Manu

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Bist du inzwischen wieder in Deutschland? Hast du versucht Hilfe zur Aufarbeitung der Geburt zu kommen?

Das liest sich sehr traumatisch. Aber du hast nicht versagt, sondern auf die Expertenmeinung vertraut und das ging schief. Aber zu einem Punkt und mit einer Gewchwindigkeit wo du nicht mehr wirklich aktiv handeln konntest. Es wird dir leider auch nie jemand sagen können, ob vaginal geklappt hätte oder ob in einer anderen Klinik in einem anderen Land die Geburt anders verlaufen wäre. Ich denke es kam viel zusammen, die vermutlich komplizierte Geburt, das generelle hadern mit dem Kaiserschnitt und dass du alleine warst und das in einem Land in dem du die Sprache nicht richtig sprechen konntest. Daher würde ich über deinen Frauenarzt oder auch den Hausarzt versuchen Hilfe zur Aufarbeitung zu bekommen. Evt auch direkt auf einen Psychotherapeuten zugehen. Oder auch eine Hebamme.

Ich hatte eine für mich auch unschöne 1. Geburt und erst in der 2. Schwangerschaft gemerkt dass ich da noch was aufarbeiten muss. Habe das mit meiner Hebamme gemacht. Wir haben den Geburtsbericht angefordert, darüber gesprochen und dann überlegt was ich aktiv anders machen kann. Hartmut sehr geholfen. Aber alleine hätte ich das nie geschafft.

Wünsche dir alles Gute und dass du dein Trauma überwinden kannst.

Bearbeitet von tigermum
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Ich danke dir ☺️ nein, wir sind nicht wieder in DE und werden die nächsten Jahre auch noch hier leben. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht wie ich mit der Sprachbarriere hier das Erlebte professionell aufarbeiten kann.

Ich hatte einige Wochen später ein langes Gespräch mit meiner Ärztin, was mir auch sehr gut getan hat. Allerdings merkt man an meinem Text vermutlich auch, dass ich noch daran zu knabbern habe.

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Vielleicht gibt es die Möglichkeit online therpiestunden zu machen. Ich weiß von einer Bekannten Psychotherapeuin, dass sie das immer mal wieder macht, wenn sie einen Patienten hat der temporär nicht vor Ort ist. Sie arbeitet zum Teil mit Studenten die auch mal ein Auslandssemester machen oder ein Praktikum in einer anderen Stadt. Aber ich habe keine Ahnung wie das dann finanziell läuft oder was eine Therapie Stunde kostet wenn man sie privat bezahlt.

Ja dass du noch zu knabbern hast merkt man sehr. Das ist aber keine Schande sondern ich finde es gut, wenn du es erkannt hast und angehst und nicht verdrängst.

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Es tut sehr sehr Leid, dass du diese traumatische Erfahrung machen müsstest. Ich habe selbst keine Erfahrung mit KS und kann zu deinem Erlebnis wenig beitragen. Ich möchte mich aber zu deinem vorletzten Absatz und dem Gefühl, du hättest "versagt" gehabt, weil es vielleicht doch vaginal gegangen wäre äußern:

Eine Freundin von mir hatte ebenfalls ein Baby auf der 98. Perzentile. Ihr hat niemand von einer vaginalen Geburt abgeraten. Im Zuge der Geburt stecke das Baby dann aber fest, Herztöne fielen ab, zu spät für einen KS. Das Kind wurde dann wohl ähnlich "gewaltsam" vaginal geholt. Musste sehr schnell gehen, um eine Unterversorgung zu verhindern. Meine Freundin erlitt einen Gebärmutterhalsriss und auch sonst zahlreiche, teils heftige Geburtsverletzungen. Das Reanimationteam wurde schon fürs Kind geholt (wurde dann aber Gott sei Dank nicht gebraucht). Not-OP und 10 Tage stationär im KH für meine Freundin. Sie hatte danach dann auch noch eine Infektion. Dem Kind geht es gut, es dürfte zwischenzeitlich aber kritisch gewesen sein.

Selbstverständlich kann niemand sagen, wie es bei dir verlaufen wäre. Wenn dir aber ein Facharzt sagt, das Risiko für eine vaginale Geburt ist zu groß, ist die einzig richtige Entscheidung ein KS. Du hast hier keinesfalls versagt!

Fahrlässig finde ich wenn dann nur, dass man den Termin erst für 39+4 geplant hat, schon überhaupt wenn das KH 3 Std. entfernt liegt. Dass es da zu einer Spontangeburt vorab kommen kann, schon überhaupt bei einem so großen Kind, finde ich jetzt nicht überraschend.

Wie meine Vorposter schon gesagt haben, versuche vl das Trauma mit jemandem zu verarbeiten. Aber lasse dir gesagt sein, dass du sicher die in der Situation beste Entscheidung für dein Kind getroffen hast.

Alles Gute und LG

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Liebe Savia,

ich danke dir SEHR für diesen Bericht. Genau das war es, wovor meine Ärztin Angst hatte… wenn ich das lese, bin ich wirklich froh um den Kaiserschnitt.

Oft habe ich auch gedacht, was wäre wenn ich es auf Teufelkommraus natürlich versucht hätte und das dann das Ergebnis gewesen wäre? Oder das Baby dauerhafte Schäden davon getragen hätte? Das hätte ich mir sicherlich niemals verziehen. Trotzdem ist da immer diese kleine Stimme die sagt „hättest du es doch nur versucht“ „alle anderen schaffen das doch auch“… was natürlich Blödsinn ist, aber abstellen kann man die Gedanken nur schwer.

Ja jetzt im Nachhinein denke ich auch man hätte den Termin früher legen müssen. Es sah halt alles noch überhaupt nicht geburtsreif aus, weshalb wir dachten wir hätten genug Zeit. Pustekuchen. Jedenfalls nochmal vielen Dank 🩷

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Ich hab deinen Bericht erst gerade gelesen. Und ich wollte dir sagen das du natürlich nicht versagt hast.
Bei meiner Freundin war es so das bei ihr unten rum alles gerissen ist. Sie musst nach der Geburt in den OP Saal. Und könnte Wochenlang nicht sitzen und hatte Schmerzen bei jedem Toiletten Gang. Ihr Kind hatte große Schürfwunden an der Stirn.
Nach diesem Erlebnis will sie mehr kein 2tes Kind, auch nicht mit Kaiserschnitt