Mutmachpost: An alle mit "schwierigen" Kindern

Hallo liebe Urbianer,
ich wollte euch unsere Geschichte erzählen, insbesondere angesichts des vor einigen Tagen erschienenen Posts über das Gastkind, das nicht spielen kann (wobei mich die vielen Empfehlungen, das Kind nicht mehr einzuladen, erschreckt haben...)
Mein mittlerweile vierjähriger Sohn war vom ersten Tag an schwierig, irgendwie anders, besonders...
Kurze Beschreibung: Er konnte überhaupt nicht einschlafen, durchschlafen, entspannen und wachte alle 50 Minuten auf. Er war ein sehr anspruchsvolles Baby, weinte aber fast nie. Trotzdem brauchte er unglaublich viel Zuwendung, um sich irgendwie zurechtzufinden und an unsere Welt anzupassen. Er verschluckte sich oft, stillte unglaublich viel und hastig, wurde sieben Monate lang gepuckt, verbrachte viel Zeit im Tragetuch, war sehr früh mobil. Er erschien rast- und ruhelos. Als Kleinkind wollte er lange nichts Festes essen und fing erst mit 2,5 an zu sprechen. Er fuhr mit knapp drei ohne Stützräder Fahrrad, konnte aber überhaupt nicht spielen. Er machte nie das, was andere Kinder machen. Auf dem Spielplatz rannte er weg anstatt im Sand zu sitzen. Er fand keine ausdauernde Beschäftigung außer schaukeln und Fahrradfahren. Kurz vor seinem dritten Geburtstag begann sein auffälliges Sozialverhalten. Er provozierte, machte nirgends mit, hörte überhaupt nicht etc. Ich bin mit ihm zu KJP. Der konnte sich auch keinen Reim drauf machen: einerseits gewinnendes Wesen, andererseits hypermotorisch und zerstörerisch.
Nach standardisierten Test bekamen wir eine Diagnose: Planungsdyspraxie. Die Diagnose hat uns viel geholfen. Nicht dass das irgendetwas am Kind geändert hätte, aber WIR konnten besser damit umgehen und einfach akzeptieren, dass das Kind "anders" ist. Wir wollten ihn nicht mehr hinbiegen, dass er so wird wie die andern Kinder oder wie man glaubt, dass es richtig ist. Wir mussten nicht mehr glauben, dass wir es nicht schaffen, unser Kind zu erziehen und wussten, wo wir ansetzen müssen, um unserem Kind zu helfen.
Bis heute kann er nicht puzzeln (nicht mal 5 Teile), nicht malen (außer abstrakte Kunst), trinkt morgens noch seine Milch aus der Flasche, verlangt noch manchmal nach dem Tragetuch, um runter zu kommen. Er kann noch immer nicht spielen. Er braucht sehr strenge Strukturen und Konsequenzen. Er kann sich nicht selbst strukturieren und verlangt nach festen und engen Grenzen.
Dagegen ist er fein- und grobmotorisch sehr fit, kann super sprechen, hat einen sehr großen Wortschatz mit vielen abstrakten Wörtern, mag stundenlang Hörspiele hören und Geschichten lesen. Er mag "Erwachsenenessen" wie Muscheln und Scharfes. Er ist sehr selbständig und hilfsbereit. Er schafft es immer besser, sich zu regulieren und zu beschäftigen.
Kommt er aber in eine Umgebung, die wenig Struktur bietet, wird er unkontrollierbar und könnte "böse" oder nicht erzogen wirken.
Ich wollte euch unsere Geschichte nur mitteilen, um zu zeigen, wie wichtig es ist, Kinder so zu nehmen wie sie sind und ihnen das zu geben, was sie brauchen. Man soll nicht denken, dass man die Flasche mit 18 Monaten abgewöhnen muss, dass "wenn...dann"-Androhungen verboten sind, dass Zweijährige nicht mehr Buggy fahren dürfen etc.
Wenn ein Kind etwas braucht, dann soll es das bekommen. Und um auf den Post mit dem Gastkind, das nicht spielen kann, zurückzukommen: Nicht jedes schwierige Kind ist gleich unerzogen. Man soll als Eltern nicht locker lassen, bevor man herausgefunden hat, was dem Kind wirklich hilft!

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1

Ein sehr wertvoller post!

Danke

Liebe Grüsse und Alles Gute!
Bianca

2

Mega!!!
Vielen Dank dafür. Und alles Gute mit eurem Schatz!

3

Wirklich gut geschrieben!

Meine Tochter (4 Jahre) ist zwar nicht annähernd so "schwierig" wie dein Sohn, aber doch sehr fordernd in vieler Hinsicht und sehr eigensinning und stur. Einerseits muss man ihr viele Freiheiten und Entscheidungsräume lassen, andererseits braucht sie sehr enge Grenzen, vor allem was das Schlafengehen betrifft. Hier die Balance zu finden ist echt nicht einfach, und es braucht oft viel Feingefühl.

Ich habe gerade eben das Buch "Wie anstrengende Kinder zu grossartigen Erwachsenen werden" gelesen, ein wirklich super Buch! Es geht dort eben um temperamentvolle (oder eben "schwierige") Kinder und diese eben so zu akzeptieren wie sie sind und wie man damit umgehen kann. Hab in vielen Bereichen meine Tochter wiedererkannt und merke, dass es mir leichter fällt, mit ihrem Temperament umzugehen.