Gefangen in der Arbeit ... wem geht es auch so?

Hallo,
ich brauche mal etwas Rat, Input oder ich muss halt einfach mal meine Gedanken aufschreiben, vielleicht hat ja jemand Ähnliches erlebt.

Ich arbeite jetzt insgesamt 23 Jahre bei meinem Arbeitgeber, ich habe dort meine Ausbildung gemacht und dann hat er mich übernommen. Etwas anderes wie mein Büro kenne ich nicht (...und täglich grüßt das Murmeltier...)
Ich habe in den letzten 23 Jahre zwei Azubis ausgebildet und 5 Kolleginnen kommen und gehen sehen. Ich bin immer geblieben. Ich mache hier alles, ich weiß über alle Sachen Bescheid, ich kenne mich mit allem sehr gut aus. Ich arbeite in einer Anwaltskanzlei, wir haben uns jedoch auf ein Gebiet sehr spezialisiert. Ich könnte unsere Akten so ziemlich selber abarbeiten, ich mache die Buchhaltung in der Kanzlei, den Zahlungsverkehr usw.

Ich bin alleine, habe keine Kollegin, ich kann nie mit jemandem sprechen, wirklich jede Arbeit bleibt an mir hängen. Ich habe Unmengen zu tun weil alles auf meinem Tisch landet. Ich kann nicht einfach mal krank sein, ich schleppe mich mit allem auf Arbeit. Es ist schon eine Katastrophe wenn ich mal einen Tag ungeplant nicht auf Arbeit kommen kann weil es entweder mir nicht gut geht oder einem meiner Kinder. Es bleibt alles liegen, ich will gar nicht erzählen was los ist wenn ich zwei Wochen Urlaub habe. Dieses Jahr hat sich am Tag meiner Rückkehr mein Schreibtisch gebogen. Es ist ja niemand da, der mir etwas abnehmen kann oder bei dem ich mich wenigstens mal auskotzen kann. Auf mir lastet ein unheimlicher Druck, dass ich das alles schaffen muss, und nicht mal ausfallen kann weil irgendwas ist. Ich könnt nichtmal spontan tot umfallen. Mich zermürbt dieser Druck einfach unheimlich in letzter Zeit.
Ich kenne nun meinen Chef und seine Frau schon seit so vielen Jahren, bin quasi mit ihnen fast aufgewachsen, wir pflegen eigentlich ein gutes Chef-Angestelltenverhältnis.. Vielleicht fühle ich mich deswegen immer so verpflichtet. Ich verdiene nicht die Welt, vor allem dafür, dass hier wirklich alles an mir hängen bleibt. Mein Chef sagt immer wenn ich mal aufhöre, dann weiß er nicht was er machen soll und er macht den Laden sofort zu und haut ab (er hat von vielen Abläufen keine Ahnung, verlässt sich komplett auf mich, kennt nichtmal das Passwort vom Onlinebanking). Das setzt mich natürlich noch mehr unter Druck. Ich komme mir vor, als wäre das hier mein Laden, nur dass ich nicht so viel verdiene wie der Inhaber;-) Ich habe in den letzten Jahren zwei Kinder bekommen, auch während meiner Elternzeit bin ich immer mal auf Arbeit und hab nebenbei was gemacht, zum Beispiel weil ich die Einzige bin, die die Buchhaltung kann.

Keine Ahnung was ich mir für einen Rat erwarte, mein Mann hört sich immer mein Gejammer an aber hat keine richtige Meinung. Meine Eltern sagen immer nur ich soll froh sein, dass ich einen Job habe. #augen

Ich schaue immer nach Stellenanzeigen, bekomme es aber nicht hin, mich hier zu trennen, abgesehen davon finde ich auch nichts, was auf mich passt. Das stellt mich vor eine riesen Herausforderung. Allgemein mache ich die Arbeit ja gerne, wer weiß wie es woanders ist. Ich habe zwar Rechtsanwaltsfachangestellte gelernt, aber vom Prinzip keine Ahnung mehr davon, weil wir hier in der Kanzlei uns auf eine Sache spezialisiert haben. Das was ich hier mache kann ich sehr gut aber sonst? Bei einem Anwalt möchte ich nicht mehr arbeiten, es ist anstrengend für einen geringen Lohn zu arbeiten und zuzusehen wie der Chef ständig mit neuen Autos oder Immobilien um die Ecke kommt (Anwälte eben). Ach es ist zum verzweifeln grade :-(

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Ich meine das nicht böse, aber das ist das Fleißbienchen-Problem. Oftmals wurde man so ja schon erzogen, dass man immer lieb, brav und artig seine Arbeit macht ohne sich zu beschweren, damit alle einen mögen. Ein typisches Frauenproblem. Hast du jemals mit deinem Chef gesprochen? Er geht wahrscheinlich davon aus, dass alles toll und prima ist, du hast dich ja noch nie beschwert. Jetzt hast du zwei Möglichkeiten. Entweder du sprichst Klartext mit deinem Chef, bestehst auf weitere Kollegen und mehr Geld oder du gehst. Von selbst, ohne etwas zu tun wird sich nichts ändern, außer du landest irgendwann im Burn-out. Dafür bedankt sich dann keiner bei dir. Alles Gute!

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Wenn ich eins gelernt habe (arbeite auch beim Einzelanwalt), dann, dass es einem keiner dankt! Du könntest am Tag nicht tot umfallen? Na klar und dann wäre es das Problem deines Chefs und nicht deins. Bei mir kam die Einsicht mit den Kindern. Seitdem weiß ich, dass es Wichtigeres gibt. Ich mache meine Arbeit und die mache ich Gewissenhaft und gut, aber mehr wir arbeiten geht eben auch nicht 🤷🏼‍♀️ Am Ende ist dein Chef verantwortlich. Ist nur die Frage, wie man das ganze nach Jahren ändern möchte. Darauf habe ich aber leider auch keine Antwort. Die Herren Anwälte gewöhnen sich ja auch sehr schnell daran, dass da jemand ist, der es halt schon macht. Ich hab da so richtig auch noch keine Lösung. Mein Chef reißt auch gerne den ganzen Arm ab, wenn man ihm nur einen Finger reicht. Muss da immer sehr aufpassen. Sage es dann aber deutlich, dass das dann zu viel wird.

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Ich bin zwar keine Anwaltsgehilfin aber ich kenne das Gefühl zu glaube unersetzbar zu sein. Jahrelang war ich die Einzige, die viele Prozesse konnte, Kontozugang hatte oder einfach alleine über gewisse Dinge bescheid wusste. Niemand konnte mich vertreten. Ich hab mich halb tot gearbeitet und dachte ohne mich würde nichts gehen.

Dann wurde ich plötzlich schwanger und musste von jetzt auf gleich ins Krankenhaus. Das Ende vom Lied: Es hat niemanden interessiert: 3 Anrufe, das Wichtigste wurde an externe Agenturen outgesourct und der Rest blieb einfach liegen.

Jeder ist irgendwie ersetzbar und ich rate Dir daher auch mit deinen Chef zu sprechen.

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Hallo,

lass Dich doch mal coachen/beraten und schau ob eventuell eine Weiterbildung/Fortbildung Sinn macht. Vielleicht sogar ein kleines Aufbaustudium?
Und bitte mach Dich nicht nieder, Du hast eine Menge Wissen. Einiges mag vielleicht eingerostet sein, aber Du wirst auch schnell wieder reinkommen.
Die Möglichkeiten sind groß und ich verstehe Dich, irgendwann hat man genug von diesem immer gleichen Alltag.

Und bewirb Dich einfach mal.
Oft ist es auch so, dass den Personalern die Persönlichkeit eines Menschen auch gut gefällt und es nicht nur nach dem genau gestrickten Anforderungskatalog geht.


Ich denke, es liegt eher an dem "Bekannten" bei Dir. Du hast in der Firma Deinen Rhythmus, kennst die Leute, die Abläufe, das Gebäude, die Mandanten, und und und.
Und es ist dann etwas unbequem aus der Komfortzone auszubrechen und sich in neues unbekanntes Terrain zu begeben, mit neuen Kollegen usw.
Aber was kann passieren? Schlimmer kann es doch auch nicht werden, oder?

Ich erkenne mich in Deinem Text sehr gut, allerdings habe ich es irgendwann geschafft die Reißleine zu ziehen, weil ich definitiv kurz vor dem Burnout stand.
Mein Chef war nicht erfreut und wir haben noch heute guten Kontakt, auch zu einigen Kollegen. Er meinte auch mal, dass ich jederzeit wieder zurückkommen kann.
Aber das möchte ich nicht wirklich, am schluss ging es echt an meine Grenzen und auch hier bog sich mein Schreibtisch. Dazu kam auch ein großer Druck, weil sich viele auf mich verlassen haben.

Und ich weiß eins: als ich meinen letzten Tag hatte, da gab es eine Verabschiedung und ich stand an der Rezeption und habe mit dem Chef und zwei Kolleginnen noch ein paar letzte Sätze gewechselt. Da sah ich schon, wie ein Kollege aus einer anderen Abteilung den Computer aus meinem Büro rüber in sein Zimmer schleppte und seinen älteren an meinen Platz stellte, für meine Nachfolgerin.. (Ich hatte einige Wochen vorher einen neuen Rechner bekommen).
Das war für mich so ein kleines Symbol, wie austauschbar Menschen in Unternehmen sind.

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Hallo und guten Morgen, auch ich habe jahrelang Erfahrung beim Anwalt. Und ich bin sehr froh, dass ich den Absprung geschafft habe. Und ich weiß, wie schwer es ist, daran etwas zu ändern.
Ich möchte dir empfehlen, einen Coach, mentor oder so etwas in der Richtung zu finden. Damit hast du einen verbündeten und kannst darüber reden ohne, dass unqualifizierte Kommentare kommen. Daraus kann sich dann eine Richtung entwickeln.
Alles Gute für dich 🙂

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Hey,
auch ich meine es wirklich nicht böse, aber: das wird dir niemand danken und irgendwann kommt die Quittung in Form von Gesundheitsproblemen.
Sich krank auf die Arbeit zu schleppen ist dumm.

Was sagt denn dein Chef dazu, wenn du es ansprichst?

Warum hat er die Daten vom Onlinebanking nicht? Warum ist da keine Vertretung bestellt?

Und noch eines: auch wenn es dir anders vorkommt, wirklich jede Arbeitskraft ist ersetzbar.
Ich kenne keinen Rechtsanwalt, der schlecht verdient. Also lass dich nicht weiter ausbeuten und dränge darauf, dass jemand eingestellt wird, der Aufgaben übernimmt.

So lange immer alles klappt, meint dein Chef sicher er muss nicht tätig werden. Soll er doch mal „auf die Schnauze fliegen“. Und ich sage das wirklich als pflichtbewusste Beamtin in Führungsposition. Krank ist krank und die Geschäftsverteilung/Personaleinsatz sein Problem.

Bei dir klingt es angestrengt und gelangweilt. Vielleicht noch einmal umorientieren? Etwas anderes probieren? Alternativ dort bleiben, ernstes Gespräch mit dem Chef führen, Grenzen aufzeigen, mehr Gehalt verlangen…. Möglichkeiten hast du genug, dein Leben zu verändern.

LG

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"Ich kann nicht einfach mal krank sein, ich schleppe mich mit allem auf Arbeit."
"Vielleicht fühle ich mich deswegen immer so verpflichtet."

Dein Chef weiß das und nutzt es voll aus. Er braucht ja nichts ändern, du springst ja.

Handeln müsste er erst, wenn du wirklich mal ausfällst.
WIE ist dann seine Sache, nicht deine. Auch wenn du vielleicht noch vom OP-Tisch hüpfst und per Online-Meeting versuchst ihm die Akten zu reichen. Das wird nicht funktionieren.

Entweder du änderst was oder machst dich weiter so kaputt.
Möglichkeiten sind
- mit ihm reden: jemanden neuen dazu einstellen
- dich woanders hinbewerben. Das machst du nicht, das weiß dein Chef, deswegen ändert er auch nichts
- tot umfallen / im Burn Out landen. Na ja, so wie ich dich verstanden habe, rennst du trotzdem noch zur Arbeit
- Therapie (Burn Out Therapie bevor der Burn Out dich komplett ausknockt): herausfinden, warum du dich so verpflichtet fühlst, ob du schon als Kind zum kuschen, funktionieren, Arbeitstier, du bist nichts wert - na ja grade mal so geduldet, wenn du Höchstleistung bringst - erzogen wurdest, anderes .... um dann im nächsten Schritt herauszufinden, was du ändern kannst und auch ändern würdest.

Jammern von Freunden höre ich mir durchaus an.
Wer aber immer das gleiche jammert und NICHTS versucht zu ändern, da sag ich dann STOPP.
Jammern nach gescheiterten Versuchen, jammern, weil es man einen Durchhänger gibt, ok.
Wer auf alles ein NEIN hat und sich trotzdem weiter zu Grunde richtet, sorry, da lass ich mich nicht mit runter ziehen. Selbstzerstörerische Muster muss jeder für sich aufbrechen. Unterstützen kann ich bei Therapeutensuche. Aber ich bin kein Therapeut.
Wer immer wieder was versucht, aktiv ändern versucht (Bewerbungen schreibt, mit dem Chef redet usw. da höre ich mir auch das 203453452 jammern an).