Kollegin im falschen Beruf

Hallo

Zur Erklärung: ich arbeite bei einem Bildungsträger, der Rehaausbildungen betreut, Maßnahmen für Langzeitarbeitslose und Jugendliche in der Berufseinstiegsbegleitung. Unser Klientel ist nicht einfach. Die Leute, die wir betreuen haben zum Großteil Schwierigkeiten sich in die Gesellschaft einzufügen, gerade die jungen Erwachsenen und Jugendlichen sind oft aufsässig, loten ständig Grenzen aus, tricksen, manche nehmen Drogen und klauen, viele haben Schwierigkeiten damit regelmäßig zur Arbeit zu kommen.
Unter uns sagen wir, dass die Teilnehmer ja nicht wegen Fußpilz da sind. Die haben alle ihre Geschichte und fast alle hatten es nie besonders leicht im Leben.
Man braucht sehr viel Verständnis für das Klientel, aber gleichzeitig Durchsetzungsfähigkeit und Konsquenz.
Jetzt haben wir seit anfang Dezember eine neue Kollegin, die aber effektiv erst seit Mitte Januar arbeitet, weil sie vorher ständig krank war.
Sie hat sich bis heute noch nicht mit den Teilnehmern bekannt gemacht und weiß prinzipiell nicht, was sie den ganzen Tag tun soll. Ich selbst bin nur ein Mal pro Woche in der Maßnahme, die sie Vollzeit betreuen soll. Letzte Woche bat mich der Personalchef, mal nen Projekttag zu planen, in dem sie mit den Teilnehmern mehr in Kontakt kommt. Habe ich gemacht und siehe da: sie hat sich geweigert mit den Jugendlichen zusammen zu arbeiten. In der Pause sagte sie mir, dass sie mit den Jugendlichen gar nicht klar kommt. Sie finde sie frech und ungezogen, außerdem seien sie dumm.
Sie ist Grundschullehrerin und wurde von ihrer (nicht meine ) Chefin von einer DAZ-Grundschulklasse einfach abgezogen und wegen Personalmangel auf die Stelle als Sozialpädagogin gesetzt.
Gestern habe ich einen zweiten Versuch gestartet und auch hier hat sie keinen Ton zu den Jugendlichen gesagt und sich nur rausgehalten.
Jetzt ist die andere Sozialpädagogin krank und ich habe der Geundschullehrerin gesagt, dass sie sich dann nächste Woche mit den Jugendlichen beschäftigen MUSS. Das hat sie offen verweigert. Sie will sich mit denen nicht streiten.
Ich mag sie gern. Sie ist wirklich ne Nette. Mit Grundschulkindern kann ich sie mir gut vorstellen. Aber sie hat absolut kein Verständnis für die Jugendlichen. Sie weiß nicht, was eine Lernbehinderung ist, sie weiß nicht was ADHS ist und auch mit Autismus kann sie nichts anfangen. Sie interessiert sich auch nicht dafür.
Das ist unfair den Teilnehmern gegenüber.
Ich habe mit dem Personalchef und der anderen Sozialpädagogin geredet und er sagte, dass ihm das Problem bewusst ist, aber seine Chefin diese Mitarbeiterin hier nun mal eingesetzt hat.
Mein Chef hat auch gesagt, dass das kein guter Zustand ist. Es ist schlimm genug, dass er mich an die Firma ausborgen muss, weil die Chefin der anderen Firma einfach keine Stelle ausschreibt (davon mal abgesehen gibts aktuell keine Bewerber, aber man kann ja trotzdem ausschreiben, finde ich), jetzt haben die auch noch die Stelle der 2. Sozialpädagogin mit jemanden besetzt, der da nicht arbeiten WILL.

Mich nervt das. Die Frau wirkt destabilisierend, weil sie ihre Aufgaben einfach nicht erkennt. Ich rede mit ihr und komme mir falsch vor, weil ich jetzt wieder zum Personalchef von denen gegangen bin und um ein Gespräch gebeten habe. Vornherum bin ich grad nett zu der Grundschullehrerin und hintenrum stecke ich gerade viel Energie dahinein, dass ich sie weg haben will.
Ich finde deren Chefin unglaublich unverschämt.
Eigentlich sollte ich mich auch raushalten. Mich tangiert das alles kaum. Aber da auch meine Firma mit drin hängt und damit auch Arnbeitsplätze von Kollegen, regt mich das auf. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Habt ihr sowas schon mal erlebt?

Übrigens hängen Sanktionen an einer falschen Dirchführung der Maßnahme, die auch unsere Firma mittragen müsste.

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Warum sprichst du nicht einfach auch Klartext mit ihr, wenn deine ganzen Hinweise über die Chefs nichts bringen? Was hast du zu verlieren? Du kannst ja höflich sein und auch klar sagen, dass es dir nicht eigentlich nicht zusteht diese Art von Gespräch mit ihr zu führen, du es dir aber auch nicht länger ansehen kannst wie die Maßnahme den Bach runter geht, weil sie die Arbeit mit den Jugendlichen verweigert.

Was macht die da noch, wenn sie offenbar unzufrieden ist? Warum sagt die dann ihrer Chefin nicht, dass sie das nicht kann/will und die jemanden anderes schicken soll?

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Ich verstehe auch gerade nicht, wieso sie nicht einfach was sagt.
Aber das hat wahrscheinlich den selben Grund, warum die Chefin sie auf dem Posten lässt: es ist bequemer.

Ich traue mich nicht, mal konkret zu werden und ihr zu sagen, dass ihr Verhalten schädlich ist. Liegt auch daran, dass ich sie ja sonst nicht arbeiten sehe. Ich bin nur sporadisch da. Wenn sie mich jetzt fragt, was sie konkret versäumt hat, kann ich nicht antworten. Da die andere Sozialpädagogin gerade nicht da ist, ist ein klärendes Gesoräch aktuell auch nicht möglich.

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Als ich nur die Überschrift gelesen habe, dachte ich, das Problem kommt mir bekannt vor. Aber als ich dann deinen Text gelesen hatte, habe ich mich sofort wiedergefunden. Wäre es nicht so traurig, es wäre fast amüsant.

Zu mir: Ich arbeite ebenfalls bei einem Bildungsträger und habe dort die Projektleitung für ein Projekt U25-Teilnehmer mit multiplen Vermittlungshemmnissen. Die Problemlagen sind vergleichbar mit den von dir beschriebenen, allerdings noch nicht Reha-spezifisch, wobei eben das bei einigen sinnvoller wäre
. Die uns übergeordnete Stelle, in unserem Fall das REZ, sieht für das Projekt u.a. eine Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin in Vollzeit vor und so bekam ich, nachdem die erste einen anderen Job angenommen hatte, eine nette ältere Damen zugewiesen. Sie war vorher schon bei uns tätig, kam aber in den anderen Projekten nicht klar. Nein, sie ist keine Sozialpädagogin, sondern hat einen ganz anderen Hochschulabschluss, aber auch unerfindlichen Gründen hat mein Chef es geschafft, sie vom REZ genehmigt zu bekommen.

Anfangs sollte sie zunächst einmal die Teilnehmer kennenlernen. In diesem Job ist es extrem wichtig, dass sie einen Draht zu den Leuten bekommt, damit diese sich wiederum auch wirklich an sie wenden mögen. Also hat sie dann kurze Gespräche mit jedem geführt und damit war die Sache erledigt. Ansonsten geht sie ihnen aus dem Weg. Kein Smalltalk, kein Vertrauensverhältnis, sie mach nur Unterricht nach Plan bzw. wird erst dann aktiv, wenn ich sie direkt darum bitte. Und auch sie kommt mit unseren Teilnehmer nicht klar. Sie ist Mitte fünfzig, aber ein Typ bei dem man sich nicht vorstellen kann, jemals jung gewesen zu sein. Sie kann sich nicht im Ansatz in unsere TN hineinversetzen, hat keine Ahnung von den Dingen, die für sie wichtig sind und ist bereits entsetzt, wenn jemand gelegentlich kifft. Und die meisten bei uns haben ganz andre Baustellen. Ihr fehlt das Gespür, mit unseren TN zu reden und ihr fehlt die Lust, sich wirklich mit ihnen zu befassen. Kommt mal ein nur leicht kritischer Unterton von den Teilnehmern, lässt sie das schon verzweifeln. Tja, in der Arbeit kommen aber auch oft ganz andere Dinge von den TN, denen sie dann gar nicht gewachsen ist.

Natürlich vermeiden auch unsere TN jeglichen Kontakt mit ihr und kommen stattdessen zu mir. Geht es um Dinge wie den Erstantrag, Wohnungssuche oder Schulden, dann verweise ich natürlich auf meine Kollegin. Ich habe ja auch noch anderes zu tun. Aber oft geht es eben um sensiblere Dinge, die ich nicht delegieren kann an eine Person, zu der die TN keine Beziehung haben. Ja, ich habe eigentlich dafür keine Zeit und genaugenommen ist das nicht mein Job, aber auch das sind Inhalte unseres Projektes und ich bin dafür verantwortlich, dass es läuft. Zudem würde ich meine TN nie derartig im Regen stehen lassen!

Das nächst ist, dass meine Kollegin nur in festen Strukturen arbeiten kann und feste Abläufe braucht. Situative Entscheidungskompetenz? Fehlanzeige! Laufend beschwert sie sich darüber, wie chaotisch alles wäre. Ich habe sie mehrfach gebeten, einmal aufzuschreiben, wie sie sich bessere Abläufe vorstellen würde, damit wir das dann u.U. umsetzen. Ist leider nicht passiert und benenne kann sie es auch nicht. Aber das Chaos wird ja nicht von uns verursacht, sondern die TN kommen natürlich dann mit wirklich wichtigen Dingen zu uns, die keinerlei Aufschub erlauben, wenn es nicht in irgendeinen Plan passt. Das liegt aber an den Teilnehmern und weil sie sind, wie sie sind, sind sie ja eben bei uns! Dafür fehlt ihr leider das Verständnis. Und so kommt es zu Situationen, in den wir mehrere Dinge gleichzeitig machen müssen. Damit ist sie absolut überfordert! (Ich darf sie noch nicht einmal ansprechen, wenn sie am Computer die Teilnehmerliste ausfüllt...)

Ich habe bereits Gespräche mit ihr geführt - viele Gespräche! Aber es geht um Dinge, die man nicht einfach lernen kann und die sicher eine Charakterfrage sind. Ich hatte anfangs die Hoffnung, sie würde in den Job hineinwachsen, allerdings wurde es über die Monate nicht ein Stück besser.

Und die Teilnehmer kommen mit immer neuen Problemlagen, die wir so noch nicht hatten und es gibt keine Bedienungsanleitung, wie genau vorzugehen ist. Aber wir sollten in der Lage sein, uns auch in neue Dinge einzuarbeiten. Dazu fehlt ihr oft die Bereitschaft und auch die Fähigkeit. Dabei reicht es oft schon, ein paar Anrufe zu tätigen, zu googeln oder sich mit einem anderen Kollegen auszutauschen. Aber es macht sie absolut nervös, nicht sofort souverän die perfekte Lösung präsentieren zu können. Sie möchte alles richtig machen und bevor sie einen Fehler riskiert, macht sie lieber nichts selbstständig und eigenverantwortlich.

Ich bin für das Projekt verantwortlich und muss meinen Kopf dafür herhalten, wenn es nicht läuft. Also übernehme ich einen Teil ihrer Aufgaben, kann aber andersrum keine meiner Aufgaben delegieren. Allerdings habe ich mit ihr vereinbart, dass sie sich um bestimmte administrative Dinge kümmert wie Fahrtkosten oder trockene Listen, weil ihr das eher liegt. Allerdings entlastet mich das kaum. Mittlerweile habe ich das Problem bei meinem Chef angesprochen. Nicht weil ich glaube, dass er es ändern könnte, aber wenn ich die Missstände heute nicht aufzeigen würde, würde ich mich später dafür rechtfertigen müssen, weshalb ich denn nie etwas gesagt hätte.

Das große Problem ist, dass in vielen Projekten Sozialarbeiter vorgeschrieben sind. Allerdings gibt es keine! So werden offenbar bei Bildungsträgern Menschen eingesetzt, die irgendwie für qualifiziert gehalten werden, tatsächlich aber meilenweit davon entfernt sind.
Mein Chef stellt lediglich sicher, dass es eine Sozialarbeiterin (oder das, was andere für halten) formal im Projekt tätig ist, damit er aus dem Schneider ist und dieses Projekt nicht verliert. Auch bei uns geht es da um viel Geld. Die Arbeit und die Teilnehmer sieht er nicht.

Ich könnte mir vorstellen, dass es bei euch ähnlich läuft. Ich versuche, mich nicht mehr zu sehr darüber zu ärgern, Missstände zu melden und meinen eigenen Anspruch, dass ich nämlich nicht nur meine Haut retten möchte, sondern vor allem dass ich möchte, das das Projekt für die TN ein Gewinn ist und gut läuft, herunterzuschrauben. Gelingt nicht immer, aber wenn die Bedingungen nicht optimal sind, kann ich nicht alles abfedern.

Ich hoffe aber, dass hier bei Urbia gleich jemand die Patentlösung präsentiert, fürchte aber, das der ganze Bereich eben sehr speziell ist.

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Ja. Genau so läuft es hier.

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Da bekommt man ja schon persönlichen Stress...da kann man selbst nervös oder krank werden oder so.... Alles Gute für dich 🙂

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Hey,

die Situation ist für beide Seiten nicht schön.
Ich arbeite im Gefängnis u.a. auch mit Jugendlichen und so haben wir wohl gleiches Klientel.
Es lag nicht einfach selbst wenn man willig ist, mit ihnen zu arbeiten. Die Jugend an sich ist ja schon eine schwierige Zeit und wenn sich dann noch eine verkorkste Kindheit, fehlende familiäre Unterstützung etc. hinzu kommen... ich brauche es dir ja nicht erklären. Manche Jugendliche sind eben nicht in der Lage bestimmte gesellschaftliche Vorgaben zu erfüllen.

Und weil wir ja so verständnisvoll ihnen gegenüber sein können, müssen wir uns auch mal in die Lage der Lehrerin versetzen. Sie wurde wahrscheinlich gegen ihren Willen einfach abgezogen und einem Arbeitsbereich zugewiesen, der absolut nichts für sie ist. Sie ist vielleicht auch einfach nicht in der Lage, sich mit Menschen im Jugendalter zu beschäftigen. Sie sagt es ja scheinbar auch offen. Die Verweigerungshaltung kann auch bedeuten, dass sie es nicht kann.

Das Problem ist natürlich mit der Sichtweise keinesfalls behoben, aber es hilft auch nicht sich nur über die Lehrerin auszulassen. Die Führung hat hier eindeutige versagt. Man setzt einen unwilligen und Unfähigen Menschen nicht auf so eine Stelle... naja.

Selbst wenn sie sich nicht weigern würde (das darf sie natürlich auch nicht einfach tun), würde sie ihre Arbeit niemals gut machen. So oder so sind die Jugendlichen die Verlierer in dem Fall...

LG

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Ja. Und das finde ich unfair.
Für mich ist sie an sich ganz OK. Ich habe auch Verständnis. Würde man mich auf den straßenbau schicken, würde ich auch völlig versagen und mich weigern zu baggern oder so.
Aber sie ist falsch am Platz und jemand anderes muss da hin.

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Mhm ja, da können nur die Chefs etwas dran drehen... wie nah sind die Führungskräfte denn an ihren Mitarbeiterinnen dran? Haben die Ahnung von Führung oder ist es wirklich nur eine kurzfristige Notlösung?

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Wer hat die Maßnahme zertifiziert? Dort einmal ansprechen. Im Notfall bei der Agentur für Arbeit bzw. Jobcenter. Diese finanzieren die Maßnahmen und haben ein Prüfrecht. Ist natürlich der letzte Weg, aber wenn es anders nicht geht 🤷🏼‍♀️

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Hast du meinem Text entnommen, dass ich damit meine eigene Firma hintergehen würde und an den Arbeitsplätzen meiner Kollegen sägen würde???

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Das ist mir schon bewusst. Nur wenn der Erfolg der Maßnahme gefährdet ist, bei erneuter Ausschreibung, was glaubst Du, wie gut die Chancen dann stehen?

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