Ich habe Angst wie meine Mutter zu werden

Liebe Leute,

das ist mein erstes Mal, dass ich in einem Internetforum nach einem Rat frage. Aber ich schäme mich, dies bei meinen Freunden/ Bekannten zu tun. Mein grösstes Problem ist meine eigene Mutter. Ich bin w, 32, single Mutter von einem 1 jährigen Sohn. Ich habe keine schöne Kindheit gehabt, meine Mutter hat mich, seit ich denken kann verbal und körperlich angegriffen. Highlight meiner Kindheit war mit 12 Jahren meine gebrochene Nase, weil ich etwas länger vorm Spiegel gestanden bin und etwas getrödelt habe, das hat meine Mutter sehr verärgert und sie hat mich mit meinem Gesicht gegen die Tür geschlagen. Dann sind wir ganz normal in die Ubahn eingestiegen, mit Gesicht voller Blut und sind zum Zahnarzt gefahren. Schmerzen war ich gewohnt auszuhalten, ich habe nicht mal geweint. Zum Arzt hat sie mich Tage später gebracht, dieser hat damals gefragt wie das passiert ist und meine Mutter hat gelogen, dass ich gestolpert bin. Das hat mit 14 Jahren endlich aufgehört, weil wir von Weissrusland nach Ö ausgewandert sind und meine Mutter ziemlich schnell (dank unseren Nachbarn) kapiert hat, dass ihr ein Gefängnis droht, wenn sie mich weiterhin schlagen würde. Die verbale Gewalt (und das schreibe ich bewusst so) hat bis dato nicht aufgehört. Das ist eine kleine Vorgeschichte zur eigentlichen Frage. Gestern, weil mein Sohn zu Mittag bisschen quängeling war und meine Mutter das nicht hören wollte, hat sie mich wieder lautstark vor meinem kleinen Sohn, der eh schon so unruhig war, verbal angegriffen (höflich ausgedruckt: ich sei eine Prostituierte die gerne Geschlechtsverkehr hat und dann Kinder in die Welt setzt und ihr Leben zerstört hat) habe ich wohl zum ersten Mal im Leben die Mut gefunden, meine Sachen zu packen, mein Kind zu nehmen und zur Freundin zu gehen (wir waren auf einem gemeinsamen Ausflug in einer anderen Stadt). Ich habe gewusst, das würde meine Mutter auf die Palme bringen aber ich wollte ihre Beleidigungen nicht mehr hören. Sie ist wie erwartet ausgerastet und ist auf mich losgegangen. Ich habe ihr wiederholt gesagt, sie soll mich nicht anfassen. Sie hat weiter versucht mich zu erwischen und zu schlagen, ich habe dann zum ersten Mal in meinem Leben sie zurückgeschlagen, mehrmals und sehr fest. Meine Schwester konnte uns auseinander bringen, zum Glück, denn ich glaube ich hätte meine ganze Wut aller Jahre an ihr rausgelassen. Es war beängstigend wie ruhig, zufrieden und entspannt ich danach war. Ich habe keine Reue und kein schlechtes Gewissen, das macht mir wirklich Angst! Mit meiner Mutter möchte ich keinen Kontakt mehr. Ich höre seit gestern nicht auf, dies zu analysieren, wie es dazu kommen konnte, dass ich meine eigene Mutter zurück schlage, ich habe mich so noch nie im Leben gesehen. Jetzt habe ich Angst, dass ich eines Tages auch anfange meinen Sohn zu schlagen, denn ich habe ja meine eigene Mutter geschlagen, sind jetzt meine Werte nicht mehr vorhanden? Kenne ich keine Grenzen mehr`? Ist das jetzt vorprogrammiert, dass ich selbst so eine Mutter werde, wie meine eigene? Ich möchte Eure Meinungen, Kritik, was auch immer, hören.

P.S. meine Mutter ist eine sehr fitte 48 jährige Frau, sie hat die Tritte von mir gut vertragen.

LG

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Deine Mutter hat dich dein Leben lang geschlagen und du hast dich jetzt zum ersten Mal gewehrt. Es scheint das erste Mal gewesen zu sein, dass du dich gegen ihr Verhalten zur Wehr setzen konntest, das ist ein Erfolg und fühlt sich deshalb gut aber auch ungewohnt/beunruhigend an. Natürlich wäre der noch größere Erfolg, wenn gar keine Gewalt nötig wäre und du denn Kontakt zu ihr vollkommen unterbinden könntest. Ich wünsche dir, dass du das schaffst. Wenn es dir schwer fällt, lass dich psychologisch unterstützen. Wahrscheinlich wäre eine Psychotherapie sowieso eine gute Idee. Das was du mitgemacht hast ist wirklich krass und hat sicher seelische Spuren hinterlassen. Wahrscheinlich fällt es dir leichter eine gute Mutter zu sein, wenn du dies aufarbeitest.

Damit meine ich übrigens nicht, dass ich denke, dass du deinen Sohn schlagen würdest, nur weil du dich gegen eine mächtige Angreiferin zur Wehr gesetzt hast, denn das eine hat mit dem anderen nicht viel zu tun. Trotzdem stehst du vor der schwierigen Aufgabe deinen eigenen Weg als Mutter zu finden, da deine eigene Mutter ja nun nicht alle Vorbild dienen sollte.

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Danke für Deine schnelle Antwort. Und ja, Du hast Recht, ich sollte mir ärztliche Hilfe holen, denn diese Spuren zeigen sich ja sehr deutlich in meinem Privatleben mit männlichem Geschlecht, also denke ich über die Therapie schon länger nach, seit der Geburt meines eigenen Kindes, weil ich bei ihm sämtliche Fehler in der Erziehung unbedingt vermeiden möchte. Jetzt kommt mein riesen fettes ABER.#zitter Ich schaffe es nicht in der realen Welt mit anderen Menschen darüber zu reden. Hatte schon sämtliche Versuche, dann hab ich irgend anderen erfundenen Blödsinn (Liebeskummer oder so) erzählt und bin nie wieder hin. Ich weiss nicht, wie ich mich dazu bringen soll mit einem Arzt oder egal mit wem in der realen Welt darüber zu reden.

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Wenn du dir einen Termin bei einem Psychotherapeuten bzw. einer Psychotherapeutin suchst (was ja leider etwas dauern kann, aber auf ein paar Monate kommt es jetzt auch nicht mehr an), musst du dir erstmal darüber im Klaren sein, dass diese Person weder dich noch dein Umfeld kennt und unter strenger Schweigepflicht steht. Wenn du dich unwohl fühlst und nicht nochmal hingehen möchtest, kann dich keiner zwingen und es erfährt auch niemand.
Du könntest im Vorfeld - so wie du es online bereits geschafft hast - aufschreiben, um was es geht und den Text dann zum Gespräch mitbringen oder sogar vorher hinschicken. Ein/e gute/r Psychotherapeut/in wird dafür auf jeden Fall Verständnis haben. Wenn du nicht weißt, was du schreiben sollst, nimm einfach den Text, den du hier heute geschrieben hast.

Vielleicht warst du schon bei jemandem, bei dem du dir eigentlich eine Behandlung gut vorstellen kannst, aber Ausreden erzählt hast. Dann schick da einen Brief hin, worum es eigentlich geht und bitte um einen neuen Termin.

Da du "ärztlich" geschrieben hast: Die meisten Ärzte sind nicht Psychotherapeuten, sondern Psychiater und haben oft viel weniger Zeit zum Kennenlernen und für Gespräche. Du suchst in erster Linie eine Psychotherapie und wahrscheinlich aktuell keine psychiatrische Behandlung.

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"Kenne ich keine Grenzen mehr?"
Doch, ich finde, Du kennst die Grenzen sehr gut- nämlich Deine eigenen! Deine Mutter hat wie so oft Deine Grenzen überschritten und Du hast Dich zum ersten Mal gewehrt, auch wenn es vielleicht bessere Mittel, sich zu wehren gegeben hätte, aber das reflektierst Du ja ganz gut.
Und wenn ich ehrlich bin ( auch wenn's nicht schon ist) Mein Mitleid für Deine Mutter hält sich in Grenzen, sie hat geerntet, was sie gesagt hat.

Dennoch denke auch ich, dass Du das therapeutisch aufarbeiten solltest, Du hast da ja ein schweres Päckchen aus Deiner Vergangenheit zu tragen.

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Sie hat zum ersten Mal in ihrem Leben von ihrer eigenen Medizin zu kosten bekommen. Und sie ist das Risiko eingegangen, denn wenn eine Mutter dermaßen ihr eigenes Kind drangsaliert, ist es keine Überraschung, wenn das Kind sich wehrt.
Du musst dich deiner Gefühle nicht schämen, deine Mutter sollte das tun. Es hat auch nichts mit deinem Sohn zu tun, du hast dich gegen deine gewaltige Mutter zur Wehr gesetzt - verständlich. Sie kannte keine Grenzen, sie hat keine Werte. Du hast einfach menschlich gehandelt. Was deinen Sohn betrifft, bist du deshalb nicht automatisch in Gefahr zu werden wie sie, denn du kannst selbst reflektieren.

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Ich als Außenstehender empfinde ja schon eine gewisse Befriedigung, weil du dich endlich nach 32 Jahren geschafft hast zu wehren und einen Schlußstrich gezogen hast. Wie muss es dir da erst gehen.
Du hast alles richtig gemacht, nun beginn einen neuen Abschnitt. Dein Sohn sehe ich nicht in Gefahr, das war nur eine Reaktion auf 32 Jahre Unrecht.

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Warum hast du überhaupt noch Kontakt mit ihr? An deiner Stelle würde ich doch in Erwägung ziehen, den Kontakt ganz abzubrechen. Nein, du musst nicht werden wie deine Mutter. Meine Mutter war ähnlich, wenn auch nicht ganz so körperlich aggressiv. Und ich habe es bei meinen Kindern nicht so gemacht. Es kann passieren, dass es einem nicht so 100 %ig gelingt, dass einem ein-, zweimal die Hand ausrutscht. War bei mir so. Man sollte sich dann davon nicht völlig entmutigen lassen. Man kann es besser machen als die eigene Mutter.

Was ich gemacht habe - um es besser machen zu können - ich hab sehr viel Pädagogik- und Psychologiebücher gelesen. Ich wollte optimal vorbereitet sein. Ich weiss nicht, ob das generell die Chansen wesentlich verbessert, aber ich hatte schon das Gefühl, dass es das tut.

Ich hab damals nicht den Kontakt abgebrochen, ich bin aber ausgewandert. Wenn man die Mutter dann nur so einmal im Jahr sieht, dann kann sie sich nicht so einmischen. Auch hab ich ihr, nach Therapie, nix mehr erzählt, was sie doch nur kritisieren würde.

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Nicht überall, wo Familie draufklebt, ist Familie drin...
Ja, man darf sich wehren und abgrenzen und sich auch körperlich wehren, wenn ein "NEIN" und "STOP" ignoriert werden.

Es gibt Menschen in Familienverbänden, die keine Grenzen wahrnehmen, geschweige denn einhalten können.
Ich hatte auch so eine Mutter und ich musste Ü40 werden, um zu kapieren, dass das, was sie mit mir macht, nicht normal und nicht gut für mich ist.
Ich habe 2017 den Kontakt final abgebrochen, ganz konsequent. Gespräche und Familientherapien hatten in der Vergangenheit nichts genutzt. Wir kamen nur miteinander aus, wenn es mir schlecht ging und sie über mich triumphieren konnte. Entwicklung und Abnabelung von mir war von ihr nie erwünscht. Ich war ihre Projektionsfläche, über die sie sich definierte.
Was Du von Deiner Mutter schilderst, klingt im höchsten Maße toxisch. Geh da weg. Geh nicht mehr hin. Bringe Dich und Dein Kind in Sicherheit. Schütze Dich vor diesen Demütigungen.

Und nein: Du wirst nicht wie Deine Mutter. Denn allein die Tatsache, dass Du die Sorge darüber äußerst, zeigt, dass Du reflektieren kannst. Du wirst das Drama nicht wiederholen.

Toxische Menschen sind nicht in der Lage, sich selbst zu reflektieren, deshalb ändert sich ihre Verhaltensweise nie und die Leidensschleife geht immer weiter.

Und: Man findet da draußen Menschen, die sich wie echte Familie anfühlen, ohne gemeinsame Gene. Es lohnt sich, diese zu suchen und zu finden.

Nochmal: Lauf. Ganz weit.

Alles Gute!

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Ich finde deine Reaktion in keinster Weise gefährlich für dein Kind. Du hast dich gewehrt.
Aber ich halte es für gefährlich weiter mit deiner Mutter zusammen zu wohnen.
Dein Kind sollte nicht in so einem Umfeld aufwachsen und so eine Oma braucht niemand.
Warum ziehst du nicht einfach aus?
Lebst dein Leben ohne deine Mutter.

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1. Zieh so schnell wie möglich dort aus, bevor Du vollends kaputt bist. Ganz egal, ob es finanzeiell eng wird oder nicht, Du bist alt genug, um auf eigenen Beinen zu stehen und Dein Kind soll in so einer vergifteten Atmosphäre wohl nicht aufwachsen.
2. Wurde höchste Zeit, dass Du Dich gewehrt hast, wieso macht man das als erwachsene Frau mit? Ich war ca. 15, als ich meiner dauerprügelnden Mutter zum ersten Mal beide Hände festhielt und sie anbrüllte, "hör endlich auf oder ich kann für nichts mehr garantieren." Dann schubste ich sie an die Wand, war durch meinen Sport wesentlich stärker als sie.
Mit 18 zog ich aus, obwohl man da noch nicht volljährig war, aber da hatte ich einen Job, von dem ich leben konnte- und mein Kind mit, denn natürlich wurde ich auch noch ungeplant schwanger.
3. Nein man wird garantiert nicht so wie die eigene Mutter, wenn man sich immer vor Augen hält, dass man so nicht werden WILL! Ich habe es geschafft. Ist nicht alleine meine Behauptung, sondern bestätigte mir meine Tochter schon oft und meine Nichten auch, die alle noch die schwierige Oma miterlebten. Allerdings fasste sie diese nie an, aber Psychoterror übte sie auch aus.

Es liegt in Deinen Händen - als erstes weg und Kontakt am besten abbrechen.
(Dazu rate ich extrem selten!)
LG Moni

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Ich danke Euch für die Antworten, hatte jetzt paar Tage um ein wenig den klaren Kopf zu bekommen und über eure Rückmeldungen nachzudenken. Bin auch zum Entschluss gekommen, dass es in meinem Fall besser ist, den Kontakt abzubrechen. ich wohne auch seit ich 19 bin, nicht mehr mit ihr. Bin also bei der ersten Gelegenheit ausgezogen :)