Habe ich mein Kind verzogen?

Hallo ihr Lieben,

dieser Text hier fällt mir nicht leicht. Und mir ist klar, dass sehr viel meine Schuld ist. Aber jetzt geht es um sowas wie Schadensbegrenzung oder wie man das nennen will. :(

Meine Tochter ist jetzt 6 1/2. Wir haben sie weitestgehend bedürfnisorientiert "erzogen". Ich habe sie als Baby nach Bedarf gestillt, sie hat in unserem Bett geschlafen, im Tragetuch getragen statt im Kinderwagen etc. Sie war immer sehr ausgeglichen und zufrieden. Bis zur Trotzphase wusste ich nichtmal, ob sie überhaupt schreien kann...

Als sie fast 4 war, bin ich wieder arbeiten gegangen. Leider Vollzeit. Ihr Papa arbeitet von zu Hause, war zumindest phyisch da und ansonsten wohnen seine Eltern gleich nebenan, da ist sie hauptsächlich gewesen.

Seine Eltern sind typische Großeltern, die Dinge durchgehen lassen und sehr verwöhnen. Und ich fürchte, da liegt das Problem. Meine Tochter ist Einzelkind und es hat sich bis dato immer alles um sie gedreht. Ich war immer erst abends zu Hause, von morgens an weg.

Im letzten Kindergartenjahr fing sie an, morgens ziemlich dramatisch sich dagegen zu wehren, in den Kindergarten zu müssen. Sie hat geweint, geschrien, sich mit Händen und Füßen gewehrt. Bei einem Gespräch mit den Kindergärtnerinnen kam aber nicht raus, ob es dort vielleicht irgendwas gegeben haben könnte, was das ausgelöst hat. Dies zog sich dann mit bis in die erste Klasse, in die sie aktuell geht. Jeden Morgen furchtbares Gekreische und Geschrei, dass sie nicht gehen will. Das hat mittlerweile aufgehört. Wir haben ihr sehr eindringlich erklärt, dass sie in die Schule gehen MUSS, dass das wichtig für's Leben ist und dass ALLE Kinder in die Schule gehen müssen. Was sie aber immernoch hat, ist, dass sie generell sehr viel schreit, statt normal zu reden und schon relativ krasse Kraftausdrücke verwendet, um uns und ihre Großeltern zu beleidigen. Bei uns schreit hier aber sonst niemand und wir beleidigen uns auch nicht mit Wörtern wie "Ar***loch, Depp, blöde Kuh, Spinnerin" etc. Ich frage mich wirklich, wo das herkommt. Wenn ich sie frage, warum sie immer so wütend ist, weiß sie es nicht. Sobald sie bei irgendwas ihren Willen nicht bekommt, ist sofort die Hölle los und ich weiß einfach nicht, was ich in diesen Situationen tun soll. Ich habe sie noch nie geschlagen (das kommt für mich einfach nicht in Frage, auch wenn man mir oft sagt, dass das noch niemandem geschadet hat) und eigentlich auch nicht von Bestrafung.

Ich bin mittlerweile nicht mehr sicher, ob das Verhalten zu einer normalen Entwicklungsphase gehört oder ob das schon auffälliges Verhalten ist. Ich habe sehr oft das Gefühl, dass das nicht normal ist. Mein Plan wäre, meinen Job zu kündigen, zumindest eine Teilzeitstelle zu suchen (hoch lebe unser Gesellschaftssystem, in dem man meistens ja arbeiten MUSS -_-), so mehr für sie da zu sein und so gut es geht sie eben nicht bei den Großeltern zu lassen. Sie sind wirklich nette Menschen und meinen es gut, aber ich fürchte, ein Kind (mit)-erziehen können sie nicht. Jetzt ist mein Freund nicht so begeistert von der Idee, dass ich diesen Job lasse, da das die Arbeit ist, die ich eigentlich gerne machen möchte und die Firma ziemlich gut zahlt. Stimmt eh. Aber ich habe Angst, dass mein Kind "verhunzt", wenn ich nicht selber auf es schaue. Zumindest mehr als jetzt.

Manche werden mich jetzt zerfleischen, ich weiß. Da rechne ich schon mit. Aber ich hoffe, dass auch ein paar konstruktive Ratschläge kommen, die mir (und meinem Kind) evtl. helfen können, damit mein Kind im Erwachsenenalter keine eigensinnige Tyrannin wird. :(

LG
Y.

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Ich bin Sonderschullehrerin und ich finde das Verhalten (so wie du es beschreibst) nicht mehr im Normbereich. Klappt es denn in der Schule?

Das wichtigste ist Grenzen setzen. Wenn sie dich oder jemand anderen beleidigt muss eben eine Konsequenz folgen. Setze klar Regeln und setzte diese dann auch durch. Schlagen und beleidigen geht nicht! Auch rumschreien ist kein passendes Verhalten. Wenn es gar nicht klappt würde ich mir notfalls Hilfe suchen. Es gibt Familienhelfer beim Jugendamt, die bei sowas unterstützen können. Und NEIN, die nehmen einem weder das Kind weg, noch ist es ein Eingeständnis versagt zu haben!

Ich persönlich sehe den Trend "bedürfnisorientiert" zu erziehen eher problematisch. Das bedeutet jedoch nicht das auch die Bedürfnisse des Kindes erfüllt werden. Jedoch nicht immer!

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Es gibt kein Grund, dich zu "zerfleischen", du schreibst sehr reflektiert.

Bedürfnisorientiert ist ja etwas Gutes, leider vergessen nur manche Eltern, dass es nichts damit zu tun hat, auch die Bedürfnisse anderer Menschen altersgerecht zu berücksichtigen. Ihr als Eltern habt ja auch Wünsche und Bedürfnisse und diese muß ein Kind erfahren. Schließlich sollte es das Ziel sein, soziale Menschen zu "erziehen". Natürlich ohne an ihnen zu ziehen, aber durchs Vorleben und Orientierung geben.

Wie sieht es da bei euch aus? Habt eurem Kind einen konturenhaften Erwachsenen mit Haltung, Herz und Verstand geboten? Oder habt ihr euch aus der Verantwortung zurückgezogen und seid den Weg des geringsten Widerstandes gegangen?

Was sagen Lehrkräfte und was sagten ehemalige ErzieherInnen, Freunde und Familie? Hast du da mal Feedback erhalten, welches dir "richtig" erschien?

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keinen Grund, natürlich.

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Im Kindergarten/in der Schule ist dann immer alles gut gewesen. Sobald sie einmal in der Gruppe/in der Klasse war, gab es kein Theater mehr. Sie hat ganz normal gespielt bzw. macht jetzt in der Schule ganz normal mit. Sie versteht Dinge sehr schnell und bekommt sehr viel Lob für ihre Leistungen in der Schule.

Tja, der konturenhafte Erwachsene... Mein Freund war der Meinung, dass das kein Problem wird, wenn ich Vollzeit arbeite. Das Problem ist, dass außer mir eben niemand Grenzen setzt. Mein Freund ist derjenige, der den Weg des geringsten Widerstandes geht. Er selbst wurde so erzogen, dass er sich nie um irgendwas kümmern musste, alles haben seine Eltern für ihn gemacht und das merkt man leider in jeder Situation. Ich habe schon oft versucht, mit ihm darüber zu reden, aber er nimmt das leider gar nicht so wahr. Ich bin sehr gewalttätig aufgewachsen, meine Mutter und ihr Freund waren von diversen Substanzen abhängig, weswegen ich selbst schon früh erwachsen werden und Dinge selbstständig tun musste (was mit der Grund war, warum ich schon sehr früh wusste, dass ich bei meinen Kindern alles anders machen werde). Also 2 völlig entgegengesetzte Entwürfe.

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Ich muß sagen, wie du alles beschreibst, wirkt auf mich sehr umsichtig. Habt ihr schon einmal versucht richtig mit ihr in den Konflikt zu gehen? Euch also gegen das Geschrei zu wehren, in dem ihr klar sagt: so nicht! Nicht mit Gewalt natürlich, aber mit Konsequenz. Manchmal muß man Kinder richtig umgewöhnen wie in "Kindergarten Cop"(kleiner Scherz), aber schon ein wenig vergleichbar. Ich arbeite als Erzieherin und habe da auch einiges erlebt.

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Die Arbeit kündigen würde ich nicht, aber ihr Eltern und Großeltern solltet euch zusammensetzen und darüber sprechen. Es ist total wichtig, dass ihr gemeinsam an einem Strang zieht. Ein paar Grundregeln müssen einfach her. Sogenannte Grenzen setzen an denen sich das Mädchen orientieren kann.
Die Großeltern und der Vater sind in meinen Augen besonders gefragt. Sie tun sich und dem Kind nichts Gutes, wenn sie es nicht stoppen. Wenn du es nicht schaffst die Erwachsenen davon zu überzeugen, dann bringen vielleicht klare Worte einer Familienhelferin etwas.

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Wenn es dein Bedürfnis ist den Job zu kündigen und etwas neues zu suchen, dann tu es. Dein Freund ist selbst schuld. Hätte er sich mal besser eingebracht in die Erziehung wäre es vielleicht anders gekommen. Ich denke mir für eine 4 jährige ist es ein großer Schritt wenn die Bezugsperson plötzlich Vollzeit arbeitet. Wenn das Kind auf der Strecke bleibt kann das Folgen haben. Großeltern die keine Regeln und Grenzen kennen helfen dabei nicht wirklich.
Ich würde tatsächlich soweit gehen und mein Kind fragen ob es Mama mehr zu Hause braucht. Wenn es finanziell machbar ist! Denn ich glaube schon, dass Kinder sehr lange Zeit eine gewisse Begleitung brauchen. Mein Sohn ist 8 und ich werde sicher erst in 2 oder 3 Jahren Vollzeit arbeiten gehen. Ich merke den Unterschied ganz gut zwischen meinem Kind und anderen Kindern, die nicht so viel Elternzeit genießen.

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Du machst den Job eigentlich gerne und verdienst dabei gut genug, um euch ein gutes Leben zu leisten. Irgendeine Schuld in der Gesellschaft zu suchen ist falsch. Selbstverständlich müssen die meisten arbeiten. Du willst auch einen Arzt erreichen können, wenn du krank bist. Du willst auch, dass dein Strom und die Kanalisation funktioniert. Du willst auch, dass die Straße repariert wird, wenn sie Löcher hat. Und genauso musst du eine Leistung erbringen, auf die jemand anderer angewiesen ist. So funktioniert Gesellschaft und nur so lebst du deiner Tochter vor, wie sie sich in die Gesellschaft eingliedern kann. Beginnend mit der kleinsten Gesellschaft, der Familie.

Du musst morgens arbeiten gehen, damit sie ein Dach über den Kopf hat und auch mal neue Spielzeuge bekommt. Ihr Beitrag ist noch, dass sie sich nicht quer stellt, weil gerade ein Pups drückt und dir das ermöglicht. Sie muss lernen, dass sie nicht immer ihren Willen bekommt, wenn die Interessen anderer höher gewichtet werden. Und auch dein Freund und die Großeltern müssen realisieren, dass deine Tochter ohne Grenzen jetzt, später im Leben erhebliche Probleme haben wird. Die Welt hört nicht auf sich zu drehen und ist besonders mit verzogenen Erwachsenen sehr brutal.

Jetzt weiß sie sich noch in der Schule zu fügen, aber wie lange noch, wenn sie nicht bereit ist sich in der Familie zu fügen?

Ich denke auch, dass ein klärendes Gespräch und eine Erziehungsberarung von außen helfen können.

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Hallo,

ich würde sagen, Du siehst das ganz richtig. Da muss dringend die Notbremse gezogen werden.
Ich würde auf Teilzeit reduzieren.

Das Kind schreit förmlich nach Grenzen.
Grenzen geben auch Halt, und grenzenlos erzogene Kinder sind zutiefst verunsicherte Kinder. Unsicherheit führt zu Wut.

Großeltern meinen heutzutage häufig, sie dürften grenzenlos verwöhnen. Das ist auch kein Problem, solange die Kinder dort nur zu Besuch sind. Wenn die Großeltern das Kind aber regelmäßig betreuen, müssen sie auch erziehen. Wenn sie das nicht wollen, sind sie keine geeignete Betreuung.

Nach meiner Erfahrung, sind Großeltern häufig beratungsresistent, wenn man von ihnen verlangt, dass sie Grenzen setzen. Das stört ja die angestrebte Harmonie zwischen ihnen und den Enkeln.

Mit Deinem Freund musst Du dringend ein klärendes Gespräch führen. Die Eltern müssen an einem Strang ziehen.

"Jeden Morgen furchtbares Gekreische und Geschrei, dass sie nicht gehen will. Das hat mittlerweile aufgehört. Wir haben ihr sehr eindringlich erklärt, dass sie in die Schule gehen MUSS, dass das wichtig für's Leben ist und dass ALLE Kinder in die Schule gehen müssen. "

Da habt Ihr eine Grenze gesetzt, und es hat funktioniert. Das solltest Du Deinem Freund nahe bringen.

Den meisten Kindern tut es nicht gut, wenn beide Eltern Vollzeit arbeiten, auch wenn das in der öffentlichen Diskussion zum Thema "Mütter und arbeiten gehen" nicht vorkommt.
Ich kenne kein Kind, das es im Kindergarten- und Grundschulalter wirklich gut weggesteckt hat, wenn beide Eltern Vollzeit gearbeitet haben.

Abgesehen davon laufen Kinder häufig nicht "nach Plan". ;-)

Wenn Ihr zu einer Erziehungsberatung wollt, würde ich einen freien Träger nehmen. Beim Jugendamt wollt Ihr nicht aktenkundig werden.

Es gibt auch Erziehungskurse, z.B. vom Kinderschutzbund.

LG

Heike

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Für mich klingt das nicht nach zu sehr verzogen, sondern eher nach Problem.
Meine ebenfalls bedürfnisorientiert erzogenen Kinder sind auch manchmal nicht gern in den Kindergarten gegangen und hoffen jetzt auf möglichst lange Schulschließungen.
Aber sie haben noch nie so ein Theater gemacht, wenn sie hin mussten und Kraftausdrücke (da wäre bei mir eine Grenze erreicht) gibt es hier auch nicht (oder höchstens mal von Bruder zu Bruder, damit kann ich leben, wenn es nicht überhand nimmt).

Ich selbst bin weder bedürfnisorientiert, noch grenzenlos erzogen, hab aber jeden Morgen geheult, wenn ich in den Kindergarten musste, weil ich mich dort so unwohl gefühlt habe.

Ich glaube nicht, dass sie mehr Strenge braucht. Aber vielleicht mehr Unterstützung und mehr Klarheit. Wenn du das eher bieten kannst als der Vater und die Großeltern (und danach klingt dein Text für mich), wäre es vielleicht schon sinnvoll, wenn du die Arbeitszeit etwas reduzieren würdest. Ich würde wohl auch das Kind bei Fachleuten vorstellen, ob es eine Ursache für diese Verweigerungshaltung gibt.

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Hallo, ich denke, dass deine Tochter gerade dabei ist, ihre Grenzen auszutesten. Wichtig ist auf jeden Fall, dass ihr konsequent bleibt.
Natürlich sollst du sie nicht schlagen, aber es gibt ja auch andere Konsequenzen, die man setzen kann. Fernsehverbot zum Beispiel.
Ob es viel bringt, wenn du deinen Job deswegen aufgibt, weiß ich nicht. Ich würde es an deiner Stelle nicht tun, wenn es wirklich die Arbeit ist, die dich erfüllt. Bis jetzt hat es ja auch geklappt und Betreuung habt ihr, auch wenn diese vielleicht die Kleine zuviel verwöhnen. Aber du bist ja nicht aus dem Spiel und dein Mann auch nicht. Wenn ihr euch in der Erziehung einig seid und beide konsequent agiert, dann klappt das schon 👍