Verhaltensauffällig???

Hallo zusammen,

bin im Moment etwas wütend und traurig.

Ich habe einen Sohn, etwas über 2,5 Jahre alt. In wenigenTagen kommt sein Bruder auf die Welt.

Mein Sohn ist sehr fordernd und trotzig, schwer lenk- und beinflußbar. Schon immer. Er neigt auch dazu, schnell aggressiv zu werden.

Ich sehe mich selbst eher als streng und versuche unseren Sohn eher in die Schranken zu weisen. Mein Mann (der sehr viel arbeitet und auch oft auf Dienstreise fährt) ist eher nachsichtig und gibt schnell nach, lässt sich auch eher "auf der Nase herumtanzen".

Daher ist die Rollenverteilung klar: böse Mama, lieber Papa.

Seit einigen Tagen ist es extrem. Mein Sohn ist nur am heulen uind meckern und schreien. Er geht seit September in den KiGa und hat sich nicht leicht getan, die dort geltenden Regeln zu akzeptieren. Momentan muss es wirklich schlimm sein. HEute Morgen hat mir die Erzieherin eine Holzschullade gezeigt, die mein SOhn gestern vor Wut auf den Boden geschmissen hat und die nun kaputt ist (der Hausmeister kann sie wieder leimen) und er hat gestern andere Kinder geschlagen.
Erschwerden kommt dazu, dass die Gruppe personaltechnisch seit mein Sohn im KiGa ist absolut unterbesetz ist, zwei der drei Erzieherinnen sind irgendwie immer krank.

Mein Mann lässt mich ziemlich hängen. Er hat mir heute eröffnet, er geht nicht mehr mit, unseren Sohn in den KiGa zu bringen wenn er sich da solchen Sachen "anhören muss". Toll - geschickt aus der Affäre gezogen.

Mein Sohn wird hauptsächlich von meinem Vater vom KiGa abgeholt. Er kommt aber mit der Erzieherin nicht so klar und benimmt sich deswegen total albern. Ignoriert einfach, wenn sie ihm etwas erzählt. Macht mir die Sache auch nicht leichter.

Ich bin nun ziemlich ratlos. Ist mein SOhn verhaltensauffällig? Wo finde ich diesbezüglich Rat und wie schaffe ich es, meinen Mann zumindst dazu zu bringen, hinter mir zu stehen und eine Linie zu fahren? Ich rede mir den Mund fusslig aber nichts passiert. Komme mir vor wie Don Quixote.

Bin für ernstgemeinte Tipps dankbar.

LG

Sakirafer

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Nein, dein Sohn ist nicht verhaltensauffällig, sondern ein Kind mitten in der Trotzphase. Den Begriff mag ich übrigens nicht, weil er es nicht trifft, also nennen wir es mal "Selbstfindungsphase".

Versuch dich mal in ihn hinein zu versetzen:
1. Er ist bereits eine kleine Persönlichkeit mit eigenen Bedürfnissen und Wünschen, dabei aber noch ziellos. Er lebt nur für den Moment, macht sich überhaupt keine Gedanken um die Zukunft und denkt nicht an Konsequenzen. Irgendwie ist das doch auch schön, so aus unserer Sicht, weil es noch "heile Welt" ist. Jetzt kommt da so eine Mama oder eine Erzieherin, die will den Moment zerstören. Er möchte gerade was malen und die blöden Großen kommen mit total bescheuerten und unwichtigen Dingen wie Zähneputzen oder Hände waschen (Was kümmert ihn Karies, den er im MOMENT nicht hat oder eine kaputte Schublade, von der er nicht weiß, dass sie kaputt gehen könnte und dass sie Geld kostet. Was ist überhaupt Geld?). Was tut er also? Er motzt und versucht alles, dass er eben doch noch malen darf. Klappt nicht = SCHEISSE!!!!! Gebrüll, Theater, Wut.

2. Diese Wut kann er noch nicht kontrollieren. Sie platzt einfach aus ihm heraus. Und während wir uns über Kinderlachen total freuen, weil es von Herzen kommt, sind wir oft erschrocken, wie wütend die Zwerge werden können. Dabei kommt diese Wut auch von Herzen. Sie ist absolut ehrlich und auch diese Unbeschwertheit ist eigentlich schön, wenn man genau darüber nachdenkt.

Was könnt Ihr tun?
Ihr könnt ihm erklären, was an seinem jeweiligen Verhalten falsch war und warum es falsch war. Viel wichtiger ist aber, dass Ihr ihm erklärt, was er hätte besser machen können und zwar möglichst konkret und situationsbezogen. Er wird nach und nach in der Lage sein, diese Erklärungen auch auf zukünftige Konflikte zu übertragen. Das dauert noch ein Weilchen, aber er wird das lernen.

Ihr könnt ihm außerdem ein Ventil für seine Wut geben. Die muss ja raus und es ist völlig OK, dass er sich ärgert. Er muss nur lernen sich "kontrolliert" und "gesellschaftsfähig" zu ärgern. Dafür gibt es ein paar Möglichkeiten: Er könnte mit dem Fuß aufstampfen, in ein Kissen boxen, ein hässliches Kuscheltier quälen, seid kreativ, lasst Euch was einfallen, gebt dem Objekt einen schicken Namen, z. B. "Wutente" oder sowas. Kinder fahren darauf ab. Meine Tochter hat sich meist nur auf den Boden geworfen und mit den Füßen dann irgendwas getreten, z. B. die Schuhe. Das habe ich durchgehen lassen, weil es immer noch besser ist als zu hauen oder zu beissen (was sie so zwischen dem 1. und 2. Geburtstag noch gemacht hat).

Und zuletzt ist es wichtig, dass Ihr ihm vorlebt wie man sich "richtig" streitet, indem Ihr Euch eben nicht gegenseitig die Köpfe einschlagt, ordinär werdet oder aus Wut irgendwas kaputt macht.

Und dann noch zu dem Konflikt mit deinem Mann:
Das ist ganz normal. Und ich denke, dass die Natur das irgendwie auch so vorgesehen hat. In einer Familie gibt es immer verschiedene Rollen. Da ist die sanftmütige Oma, die strenge Mama, der nachgiebige Papa und der verspielte Opa. Kinder können das gut trennen. Ich weiß, dass es einen manchmal wahnsinnig macht, wenn der Papa scheinbar keinen "Arsch in der Hose" hat und alles durchgehen lässt, was man selbst schon längst unterbunden hätte. Aber so sind sie wohl die Papa. Zumindest dann, wenn sie lange arbeiten müssen und wenig von ihren Kindern haben. Mein Mann sagt immer, dass er kein "Wochenend-Erzieher" sein möchte. Na ja, dann muss er eben damit leben, dass unsere Tochter IMMER auf seinen Arm will, obwohl sie mit mir kilometerweit auf ihren eigenen Füßen läuft. Oder dass sie nur bei ihm Theater beim Duschen macht und länger braucht um einzuschlafen. Ich mische mich da nicht ein, das müssen die unter sich ausmachen. Und ich sehe mich auch nicht als "böse Mama", auch wenn ich häufiger schimpfen muss als Papa. Ist ja aber logisch, ich habe ja auch mehr Zeit mit ihr.

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Herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort.

Deine Sichtweise gefällt mir und ich werde versuchen, das so zu verinnerlichen.

LG

Sara

10

Es heißt übrigens offiziell "Autonomiephase".

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Hallo,

wir haben eine ähnilche Geschichte hinter uns. Nur, dass unser Sohn nur im KIGA so war. Zuhause ist er ein Engel. Das macht die ganze Sache nicht einfacher, zumal die Erzieherinnen bei uns im KIGA da zwar nicht passiv sind, aber ich es auch nicht lenken kann, wenn ich nicht weiß, was dort passiert.

Wir haben uns auch den Mund fusselig geredet, aber er war immer so impulsiv und wollte es eigentlich auch gar nicht. Die Erzieherin sagte, er wäre mehr erschrocken über sich selbst. Egal, ich bin anfang des Jahres zu einer Psychologin gegangen - was dabei heraus kam, machte die Situation nicht besser, aber wir wussten wenigsten, wo wir ansetzen können, und wie "hart" wir ihn anpacken können. Es war echt schwer ihn für Dinge zu maßregeln, die ich selbst nicht gesehen habe.

Jetzt ist es viel besser geworden, ich habe aber das Gefühl, dass es eher ein Entwicklungsprozess war, denn geredet haben wir ja schon lange.

Ansonsten habe ich einfach versucht wieder Prioritäten zu setzen, d.h. ich habe mal Dinge durchgehen lassen, die ich nicht so mag (die aber nicht wirklich schlimm sind), habe versucht nur zu schimpfen, wenn wirklich etwas "Schlimmes" war - einfach damit er merkt, WAS mir wirklkich wichtg ist, nämlich, dass er andere Kinder nicht mehr haut.

Dein Mann macht es sich einfach, aber ich kann ihn verstehen...Ich mochte auch nicht mehr in den KIGA, denn mit der nötigen Ignoranz lebt es sich einfach besser....Mein Mann ist da viel entspannter, klar, er muss es sich auch nicht anhören.

Versuche doch mal mit den Erziehern zu reden, wann er agressiv wird. Bei uns war er z.B. so, dass es immer brenzlig wird, wenn es laut wird oder er sich in die Ecke gedrängt fühlt.

ABER Du darfst bei allem nicht vergessen, dass er ein Kind ist. Ich finde in der heutigen Zeit vergessen viele, was das heißt. Die Kinder sollen agieren und funktionieren wie kleine Erwachsene, dabei sind wir Erwachsenen selbst oftmals nicht in der Lage angemessen zu reagieren. Er ist noch so jung. Arbeite dagegen an, sieh zu, dass er schnell wieder damit aufhört, aber mach Dich nicht fertig.

LG

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"Die Kinder sollen agieren und funktionieren wie kleine Erwachsene, dabei sind wir Erwachsenen selbst oftmals nicht in der Lage angemessen zu reagieren."

Genau das ist der Punkt! Viele Erwachsene haben ein Streitverhalten wie bei "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" und verlangen von ihren Kindern, dass sie es anders (besser) machen. Aber woher sollen sie es denn lernen? Und das fängt bei der Tatsache an, dass die Kinder gemaßregelt werden, aber dabei keine Erklärung bekommen, was sie hätten besser machen können. Finde ich persönlich sehr sehr wichtig.

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Danke auch für deine Antwort.

Du weißt ja sicher auch aus eigener Erfahrung, dass man sich selbst unter Druck setzt, wenn das eigenen Kind (das man ja über alles liebt) so reagiert und sich vielleicht dadurch auch selbst ins Abseits stellt.

Wenn ich den Druck von mir nehme, entlaste ich damit vielleicht auch die Gesamtsituation und nehme Druck von meinem Sohn.

LG

SAra

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Hallo,

meine Vorschreiberinnen haben Dir ja schon sehr gute Ansatzpunkte geliefert.

Mein Sohn ist etwas über 4 und andere sehen ihn oft auch als "verhaltensauffällig". Bedingt durch eine schwierige Partnerschaft und (zu späte) Trennung im letzten Sommer (er hat leider zu viel mitbekommen) und diverse andere Dinge wurde bei ihm letztens eine Wahrnehmungsverarbeitungsstörung festgestellt. Er zeigt oft extremes Verhalten, aber wir sind dran, u. a. auch mit Ergotherapie.

Ich könnte Dir als Tipp das Buch "Smart Love" sehr ans Herz legen. Ich bin da gerade mittendrin und finde mich dort gut wieder. Seit ich bei irgendwelchen "Streitpunkten", die ich mit meinem Sohn habe, nicht nach meinem alten Muster, sondern wie in diesem Buch beschrieben verfahre, geht es uns beiden besser.

Kannst ja mal googeln und Dich vorinformieren. Hatte den Tipp hier aus dem Forum :-D und bin sehr dankbar dafür.

Alles Gute.

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Vielen Dank für deinen Tipp, werde mich mal über dieses Buch informieren.

LG

Sara

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Er ist zweieinhalb, kommt im Kiga nicht zurecht, Mama und Papa haben Erziehungsdifferenzen, Mama kriegt ein neues Baby - wie würdest du dich da fühlen? Ich würde auch mit Schubladen werfen.

Eventuell braucht er einfach mehr Klarheit, mehr Zusammenhalt von euch Eltern und mehr Exklusivzeit.

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Hallo Du,

ich würde mir Deinen Mann an Deiner Stelle nochmal in aller Ruhe "zur Brust" nehmen, denn schließlich ist es auch sein Kind. Ich finde die Haltung: ich gehe nicht mehr mit in den KIGA, weil ich mir dort "solche Sachen anhören muss" schlicht nicht akzeptabel.

Habt ihr schon darüber gesprochen, wie die erste Zeit mit Baby im Wochenbett ablaufen wird? Ist Dein Mann da eingespannt? Vielleicht ist das ja eine Möglichkeit, dass er mehr mit dem Großen "zu tun" bekommt und auch erzieherisch tätig werden muss - weil Du nicht "verfügbar" bist. Meinen Mann und meine Tochter hat das nach der Geburt des kleinen Bruders ziemlich "zusammengeschweisst" (wobei ich sagen muss, dass sich mein Mann auch schon immer für das Kind/die Kinder sehr verantwortlich gefühlt hat und immer mitgezogen hat...)

Ob das Verhalten Deines Sohnes in besonderem Maße "auffällig" ist, kann ich net beurteilen, aber immerhin ist er im besten "Trotzalter" und die Aussicht auf das Baby macht es für ihn möglicherweise nochmal extra schwierig...
Vielleicht nochmal das Gespräch mit den Erzieherinnen suchen? Die können im Vergleich mit den anderen Kindern u.U. eher abschätzen ob das Verhalten so auffällig ist, dass man sich externe Hilfe suchen müsste...

Auf jeden Fall wünsch ich Dir alles Gute - Kopf hoch!

Grüße

Jules mit Ida (4,5 Jahre) und Jan (14 Monate)

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ich denke, wenn ichs richtig verstanden habe, und sich dein MANN bei den erzieherinnen "albern" benimmt wenn er den kleinen abholt, dann ist der fall klar. wenn papa die erzieherinnen nicht ernstnehmen muss, dann muss ich - das kind - das erst recht nicht. dann kann ich mich um regeln scheren und andere hauen.

ich bin entsprechend immer sehr korrekt zu den erzieherinnen, freundlich, warm aber sehr korrekt und sehr freundlich und respektvoll.

papa muss da ran. auch wenn er mal was über seinen prinzen hört, was ihm nicht passt. vielleicht ists deinem mann einfach peinlcih, dass der prinz sich nicht benehmen kann. aber das soll er sich ruhig anhören. hat auch mit ihm zu tun.

verhaltensauffällig. nun. also meiner würde ggf. daheim was kaputt machen - aber sicher nicht in der kita. und sicher nicht hauen, schlagen - ich finde schon es kommt zu viel zusammen um einfach dem alter die schuld zu geben.
aber gleich zum psychologen rennen musst du nicht. auch wenn dein mann eine wenig erbauliche meinung der kita-erzieherinnen hat - sie wären deine erste anlaufstelle. sie können dir dein kind besser reflektieren. das geht aber nicth zwischen tür und angel. bitte um einen termin, nenn den grund und frag, ob sie im team ggf. schon vorbesprechen können, ob sie verhaltensauffälligkeiten wahrnehmen, was er besonders gut macht und woran er freude hat - aber auch wo er sich schwer tut. dann geh mit dem vater zusammen an das gespräch. ist ja kein hickhack gegen euch als erziehungsberechtigte. aber man kann hilfe annehmen.

wenn der umgang mit den erzieherinnen respektvoll ist, kann das sehr erbaulich sein. unsere krippenleiterin macht mit uns pro kind und semester ein elterngespräch, wir dürfen besondere themen anmelden, ansonsten machen sie das nach ihren punkten. das hilft sehr. und zwischendurch - für tür und angelgespräche - frage ich nach deren meinung zur entwicklung,zum tag, zur ernährung... einfach auch um zu zeigen, dass ich auf deren fachwissen gerne zurückgreife.

herablassend oder albern denen begegnen ist kontraproduktiv.

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Hallo,
ehrlich gesagt, finde ich das Verhalten der Erzieherin etwas merkwürdig! Ich bin selbst Erzieherin und finde es ganz normal, dass ein 2,5 Jahre altes Kind trotzig ist und Wutausbrüche hat. Jeder Mensch hat Agressione in sich, aber wir haben gelernt damit umzugehen. Ein Kind befindet sich erst in diesem Lernprozess und gerade in dem Alter überfordert man ihn, wenn man von ihm erwartet, sich schon beherrschen zu können. Natürlich sollte man ihm gegenüber konsquent sein, aber es auch nicht übertreiben. Lass dich nicht verrückt machen, ich hab fast noch keinen 2,5 jährigen erlebt, der sich nicht wie ein kleiner Terrorzwerg benehmen kann. Ich fände es sogar richtig unheimlich, wenn ein Kind in dem Alter schon gehorsam und angepasst wäre;-)
Nicht umsonst nennen sie in den USA dieses Alter "the terrible Two":-D
lg!