Kind ohne Vater

Hallo ihr Lieben,
ich muss mir etwas von der Seele scheiben, was mich extrem quält. Ich versuche mich ob der Komplexität der Gesamtsituation kurz zu halten.
Ich bin alleinerziehend mit 2 Söhnen (8 Jahr und 1 1/2 Jahre). Der Vater des Großen und ich trennten uns kurz nach der Geburt relativ einvernehmlich. Kind und Vater hatten und haben immer viel Kontakt. Etwa ein Jahr später trat mein Exmann in mein Leben. Wir heirateten und er wurde ein 2., sozialer Vater für meinen Großen. Irgendwann wünschte er sich ein eigenes Kind, ich natürlich auch und nach einiger Zeit wurde ich schwanger mit meinem 2. Sohn. Als ich im 6. Monat schwanger war trennte er sich von mir. Er hatte seit 2 Jahren eine Affäre mit seiner Kollegin und diese auch geschwängert. Ich blieb zurück, schwanger, einem Haus voller Müll, Schulden und einem verstörten 7-jährigen (hatte dazu hier einige Male geschrieben).
Also biss ich die Zähne zusammen und kämpfte. Bekam meinen 2. Sohn, reichte die Scheidung ein, erstritt Unterhalt. Mein Exmann wollte beide Kinder nicht mehr sehen. Seinen Ziehsohn ließ er eiskalt sitzen, seinen leiblichen Sohn hat er noch nicht einmal gesehen - auf seinen eigenen Wunsch. Also beantragte ich das alleinige Sorgerecht für den Kleinen. Mein Großer hat riesiges Glück, dass sein leiblicher Vater immer für ihn da war und es immer ist.
Mittlerweile hat sich formell alles geregelt. Ich bekomme regelmäßig Unterhalt, bin geschieden und habe die alleinige Sorge für den kleinen Buben. Vor Gericht sagte mein Exmann diesbezüglich, er habe keinerlei Interesse an dem Jungen und wolle auch dauerhaft keinerlei Kontakt, weswegen er der alleinigen Sorge für mich zustimmte.

Ich für mich bin froh, dass ich diesen Mann nicht mehr sehen muss. Da bin ich ganz ehrlich. Aber jedes Mal, wenn ich überlege, was das für meinen Kleinen Mann bedeutet, kommen mir die Tränen. Ich habe keine Vorstellung davon, was ich ihm sagen soll, wenn er konkret anfängt zu fragen. Ich weiß einfach nicht, wie ich ihm erklären soll, dass sein großer Bruder einen Vater hat, er aber nicht. Zumindest keinen, der präsent ist.
Schon jetzt fängt er an nach "Papa" zu fragen. Bisher antworte ich ihm, dass er einen Vater hat, der aber nicht da sein kann.
Es zerreißt mir das Hrz, wenn ich sehe, wie er mit großen Augen daneben steht, wenn der Große von seinem Vater abgeholt oder gebracht wird und die beiden herumalbern. Oder wenn er den Mann seiner Tagesmutter "Papa" nennt. #heul

Ich weiß nicht wieviel er jetzt schon versteht, aber ich fürchte mich davor, was passiert, wenn er den Sachverhalt begreifen kann.

Wie würdet ihr mit dieser Situation umgehen? was würdet ihr eurem Kind sagen?

LG eine verzweifelte Joeri

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Oh man...schon das zu lesen treibt mir Tränen der Wut und der Trauer in die Augen. Da schämt man sich richtig, selbst ein Mann zu sein.

Helfen kann dir dabei vermutlich keiner. Den einzigen Rat, den ich weiß, ist der, ehrlich zu deinem Kind zu sein. Natürlich mit "kindgerechten" Worten. Erliege bitte nicht der Versuchung, deinem Kind irgendwelche Märchen zu erzählen, Das kommt früher oder später sowieso raus - und dann bist du die Dumme. Es kommt ja häufig vor, daß irgendwann der leibliche Vater doch angesch.... kommt. Wenn er merkt, was für ein Scheusal er war und sich sein Gewissen meldet. Dann wird er versuchen mit aller Macht die Schuld auf dich zu schieben. Dann solltest du von deinem Kind nicht mit Unwahrheiten konfrontiert werden können.

Ich wünsche dir jedenfalls alles Glück der Welt, gute Nerven...und vielleicht findest du ja doch irgendwann den Mann, der dich vorbehaltslos liebt und der die Vaterrolle für deinen Sohn zu übernehmen bereit ist. Das wünsche ich dir von ganzem Herzen!

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Danke für deine Antwort.
Natürlich werde ich dem Kleinen die Wahrheit erzählen. Kindgerecht. Mir ist einfach nur wichtig, seinen Vater dabei nicht schlecht zu reden. Je älter er wird, umso besser wird er ja auch durchschauen, was passiert ist. Aber kein Kind hat gern einen "blöden" Vater.
Ich finde diese Gratwanderung ungemein schwierig. Und ich denke sehr viel über dieses Thema aktuell nach.

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Hallo.

Ich würde Dir raten, Dich an eine Stelle zu wenden, die genau mit dem Thema "Vaterloser Junge" Erfahrung hat ...

... aus meiner Zeit in einer Alleinerziehenden-Gruppe weiß ich, dass ich eine Mutter, deren Sohn auch keinen existenten Vater hatte, genau dort Hilfe gefunden hat.

Ich denke an so etwas: http://www.winnicott-institut.de/navi/startseite/
Du müsstest mal forschen, ob es bei Euch etwas ähnliches gibt.

LG

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Hallo joermungander,

eine ähnliche Frage hatte ich hier auch schon mal gestellt, bei uns ist es die Mutter, die das Kind, jetzt 26 Monate, für Jahre nicht sehen möchte.

Die Frage nach der Mama kam bei uns auch schon. Ich habe ihm dann gesagt:"Deine Mama kann im Moment nicht hier sein, hat dich aber sehr lieb, deshalb hat sie dich hier bei Oma und Papa gelassen, damit es dir immer gut geht", dazu habe ich ihm ein Foto seiner Mutter gezeigt. Das war irgendwie ähnlich dem berühmten Aufklärungsgespräch, zu früh und ganz falsch verstanden ;-) Mit Mama meint er nämlich jede Frau, außer mir und der neuen Partnerin des Vaters, da er das von anderen Kindern hört. Den Unterschied versteht er noch gar nicht. Das ist wie mit anderen Kindern, die alle "Baby" heißen oder allen kleinen Vierbeinern, die schlicht "Katze Miau" sind :-D

Ich denke mal im Kindergarten kommen dann sicher auch gezielte Fragen. Ich bin gut vorbereitet. Wir haben eine Erinnerungsbox mit Fotos. Ich habe aber auch eine Kiste in der ich alle Gerichtsurteile incl. der Aussagen der Mutter, Gutachten und ihren Brief mit dem Umgangsverzicht aufhebe. Diese darf er später dann lesen, wenn er wirklich alt genug dafür ist. Du siehst, es sind nicht immer die Männer, die sich verantwortungslos benehmen, Frauen können das auch.

Bleibe einfach immer ehrlich, mache den Erzeuger nicht schlecht und denke dir auch nichts aus. Es ist nicht schlimm, wenn du auf Fragen keine Antwort weißt.

Ich wünsche dir viel Kraft und für die Zukunft einen Partner der es wirklich ehrlich mit euch meint.

Fühle dich einfach mal geknuddelt,
liebe Grüße
omamufu

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Ich habe meine Tochter auch allein groß gezogen. Sie hat ihren Vater nie kennen gelernt. Er hatte kein Interesse. Das einzige was von ihm kam war der Mindestunterhalt, der natürlich aber auch nicht freiwillig kam, sondern von der Beistandschaft durchgesetzt werden musste. Zu ihrem 18. Geburtstag bekam sie nicht etwa eine Glückwunschkarte vom werten Vater, sondern einen Brief seines Anwalts, der ankündigte, dass er nun absolut gar nichts mehr zahlen würde, obwohl meine Tochter studiert und echt jede Unterstützung braucht. Naja, war ja nicht anders zu erwarten.

Meine Tochter ist heute 19,5 Jahre alt und im Nachhinein froh, ihren Vater nie kennen gelernt zu haben. Die nennt ihn auch nur den Arsch oder Wichser, wenn sie von ihm spricht, was aber selten vorkommt. Er ist einfach so unwichtig. Sie hatte auch mal so eine Phase als sie klein war, in der sie andere um ihre Väter beneidet hat und nach ihrem Vater gefragt hat. Aber das geht vorbei. Sie werden älter und verstehen, wer in ihrem Leben wirklich wichtig ist und wen sie wirklich brauchen. Von dem Typen wäre sie ohnehin nur bitter enttäuscht worden, was ihre Seele sicher viel mehr angekratzt hätte als ihn nie kennen zu lernen. So blieb er nur ein unbekannter Mythos und konnte zumindest keinen weiteren Schaden anrichten.

Einen tollen Vater zu haben ist eine super Sache. Aber es ist besser gar keinen Vater zu haben als ein Arschloch, wie es mir auch dein Ex zu sein scheint. Im Moment mag es so aussehen als würde dein Kleiner etwas nicht bekommen, was er sich so sehr wünscht und braucht. Ja, aber denk daran was für ein Mensch dieser Vater ist. Von ihm würde er sicher nicht das bekommen, was er sich wünscht und so eine Situation kann er erst Recht nicht gebrauchen. Ein schlechter Vater kann so viel mehr Schäden anrichten als gar kein Vater. Du hast keinen Vater für ihn, ok. Aber damit schützt du ihn auch vor einem absoluten Idioten.

Außerdem, vielleicht lernst du einen Mann kennen, der gerne Vater für den Kleinen wäre. Kann alles noch kommen. Dann ist es ohnehin viel leichter, wenn nicht immer noch eine dritte Person mit hineinpfuscht. Sieh nach vorne und halte nach Alternativen Ausschau. Sieh nicht zurück, der Typ taugt eh nichts und es ist besser für euch alle, dass er euch zufrieden lässt.

Ohne jetzt zu feministisch klingen zu wollen, aber das wichtigste für ein Kind ist eine gute Mutter. Man kann ohne Vater sehr gut auskommen und problemlos aufwachsen und glücklich werden. Meiner Meinung nach wird die Wichtigkeit der Rolle eines Vaters stark durch die Gesellschaft aufgebauscht. De facto hat meiner Tochter nichts gefehlt. Sie ist glücklich groß geworden. Sie hat selbst auch nicht das Gefühl, ihr hätte was gefehlt. Ganz im Gegenteil. Sie ist dankbar, dass sie nicht mit dem Typen belastet wurde.

Ich wünsche dir viel Kraft weiterhin. Kopf hoch, du wirst es wunderbar meistern und allein viel besser hinkriegen. Ist auch besser für den Kleinen.

LG fruitbat (26+5)

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Zitat:"Ohne jetzt zu feministisch klingen zu wollen, aber das wichtigste für ein Kind ist eine gute Mutter. "

Wer hat dir denn diese Überzeugung vermittelt?

Es gibt ebenso genügend alleinerziehende Väter, bei denen die Kinder mindestens ebenso gut aufgehoben sind, wie bei der Mutter. Dein Rollenbild entspringt wohl noch der Mitte des vorherigen Jahrhunderts. Das hat mit der Realität lang nichts mehr zu tun.

Dann gehörst du wohl auch noch zu den ewig gestrigen Heimchen am Herd, die den ganzen Tag zuhause sitzen und brav warten, dass der Mann das Geld nach Hause trägt und ihm dann die Latschen und das Bier bringt.......

Das Wichtigste für Kinder ist, dass sie Bezugspersonen haben, die dauerhaft und verlässlich für sie da sind. Die aus ihnen starke Persönlichkeiten machen und sie fördern. Die eben auch Konflikte aushalten und an denen sie wachsen können.

DAS ist Geschlechtsunabhängig und gewiss kann da eine Mutter nichts besser als ein Vater. Nur weil die Mutter das Kind ausgetragen hat, macht es sie in keiner Weise zu dem wichtigsten Menschen für ein Kind. Das gibt es wichtigere Faktoren...

Vielleicht liegt deine Einschätzung ja auch an deinem momentanen Hormonchaos

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Hallo fruitbat,

deinen Satz "Ohne jetzt zu feministisch klingen zu wollen, aber das wichtigste für ein Kind ist eine gute Mutter. ", kann ich nicht so stehen lassen. Das hat mich sehr getroffen.

Ich habe meine drei Söhne alleine großgezogen, da der Vater 6 Wochen vor der Geburt unseres dritten Kindes starb.

Jetzt ziehe ich gemeinsam mit meinem ältesten Sohn seinen kleinen Sohn groß. Da mein Sohn arbeiten muss, bin ich also als Oma überwiegend alleine mit dem Kleinen.
Die Mutter des Kleinen wünscht auf Jahre keinerlei Kontakt.
Sind wir nun eine schlechte/falsche Familie für den Kleinen, weil keine Mutter da ist?
Mittlerweile sind ca. 25 % aller Alleinerziehenden Väter und die machen das auch prima.

Ich bin der Meinung, ein Kind braucht für seine gesunde Entwicklung, seelisch als auch körperlich, eine feste Bezugsperson auf die es sich immer verlassen kann und von der es uneingeschränkt geliebt wird. Es ist völlig unerheblich, ob das nun Mutter, Vater, Oma, Opa, Tante, Onkel oder auch liebevolle Pflege-/Adoptiveltern sind. Alle machen das toll und haben immer nur das Wohl des Kindes im Herzen.

Tut mir leid, wenn ich jetzt etwas hart rüberkommen sollte, aber dein Satz hat mich wirklich verletzt. Zum Glück sehen Richter, Jugendämter und Gutachter nicht mehr so.
Ich weiß, du hast geschrieben "gute Mutter", aber was ist eine gute Mutter? Sind alle anderen Alternativen wirklich schlechter für ein Kind?

Mir ist bewusst, dass das nichts mit dem ursprünglichen Thema zu tun hat, aber das musste jetzt einfach raus.

Nachdenkliche Grüße

omamufu

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Hallo an alle,
Danke Für eure Antworten.
Normalerweise denke ich garnicht so „konventionell“ und denke, dass es grundsätzlich viele Familienmidelle gibt, die es Kindern ermöglichen, sicher, glücklich und geborgen aufzuwachsen.
Ich knabbere auch eher daran, dass bei uns einfach der direkte Vergleich gegeben ist: der Große Junge hat einen präsenten Vater und der kleine Bub nicht. Und das finde ich schwierig.

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Hallo joermungander,

ich kann deine Gedanken nachvollziehen.
Aber oft machen wir Erwachsenen uns mehr Gedanken, als die Kinder.

Auch wenn es nicht wirklich vergleichbar ist, bei uns war es damals so. Als mein Mann starb, war der Große fast 4 Jahre, der Mittlere 1 1/2 Jahre und der Kleine im Bauch.
Der Große hatte verschwommene Erinnerungen an den Papa, dem Mittleren konnte ich wenigstens Fotos zeigen von ihm und dem Papa, für den Jüngsten gab es das alles nicht, außer Bildern mit den Brüdern und Papa und Papa mit Mama und Papa alleine.

Ich hatte oft das Gefühl den Kindern würde etwas fehlen, vor allem dem Jüngsten. Aufgrund deiner Sorgen habe ich meinen Jüngsten (27 Jahre :-D ) mal gefragt wie er das für sich empfunden hat. Er meinte, es war wichtig zu wissen dass er einen Papa hat. Es habe zwar manchmal weh getan, dass er nicht da war, aber ich hätte meine Sache prima gemacht und er hätte eine glückliche Kindheit gehabt #verliebt

Bleibe einfach autentisch und ehrlich, alles wird gut. Dafür, dass der Vater deines Kleines so doof ist, kannst weder du noch dein Kind etwas. Er kennt es ja nicht anders, hat keinen Verlust zu verarbeiten. Wahrscheinlich wird er sich später an seinem Bruder orientieren, als Vorbild, war zumindest bei uns so.

Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, dass der Vater deines Großen den Kleinen ein wenig mit einbindet in Unternehmungen, ab und zu mal, oder beide Kinder besucht. Natürlich nicht als Papaersatz für den Kleinen, aber doch ein klein wenig als männliche Bezugsperson.

Ich glaube, im Moment ist das alles für dich deutlich schwerer als für dein Kind. Lasse es auf dich zu kommen. Meistens kommt es anders als man denkt ;-)

Liebe Grüße

omamufu

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hallo,
ich bin in einer ähnlichen situation - nur eben mit einem sohn ohne anwesenden vater... der zwerg ist jetzt 5 - fast 6 - und hat seinen vater noch nicht kennen lernen dürfen, weil dieser keinerlei interesse zeigt und keinen kontakt wünscht... er hat eine neue familie und auch eine kleine tochter, die knapp ein jahr älter ist als mein sohn...
der zwerg fragt seit vielen jahren nach seinem vater und ist bei dem thema immer sehr sehr traurig, weil dieser ihn nicht kennen lernen will... es zerreißt mir jedes mal das herz, wenn das thema aufkommt und ich fühle mich so unendlich hilflos, weil ich einfach nichts machen kann... ich habe seit der trennung während der schwangerschaft auch keinen neuen partner - er kennt die vaterrolle also nur von seinen freunden...
ich hoffe, er meistert sein leben trotzdem - auch wenn es großteils "weiblich" geprägt ist... in der kita sind ein paar männliche erzieher; ich hoffe, dass gleicht ein klein wenig aus...
ich wünsche dir viel kraft für die zukunft... die gespräche über den vater sind nicht schön, müssen aber sein... vermittel deinem zwerg, dass es nicht seine schuld ist; aber das du leider auch nichts machen kannst, außer immer für ihn da zu sein...
ich habe vor längerem das buch "mondpapas" gekauft und hab es mit dem zwerg auch das ein oder andere mal angeschaut... vlt hilft es ein bisschen...