Mein Kind...

Mein Kind, 
Ich sitze hier, an einem kleinen Tisch in einem Kaffee in der Stadt und schreibe meine Gedanken auf.
Draussen regnet es in Strömen, die Leute laufen hektisch mit ihren Schirmen durch die Strassen und starren mit verbitterten Blicken auf die Pflastersteine. Die meisten von ihnen führen ein Leben, welches sie gar nicht möchten. Tag ein, Tag aus gehen sie arbeiten und funktionieren einfach, wie Roboter. Nicht weil sie das so wollen, sondern weil es von der Gesellschaft so vorgegeben wird. 

Ich habe Angst. Ich habe Angst, verurteilt und nicht ernst genommen zu werden. Die komischen Blicke und die Lästereien der Leute verletzen mich. Nur weil wir einen anderen Weg gehen, der heutzutage nicht mehr als normal gilt, werden wir von schlechten Vorurteilen und fiesen Nachrichten überhäuft.

Heutzutage wird erwartet, dass jeder arbeitet und möglichst viel Geld verdient. Wenn man nach der Ausbildung mindestens 10 Jahre gearbeitet hat, die halbe Welt bereist hat, an unzähligen Partys alkoholisierte Nächte überstanden hat, erst dann, mit 30+ ist man bereit dazu, eine eigene Familie zu gründen. Denn dann hat man genug Lebenserfahrung, kann aus dem vielen Geld ein Haus bauen, den Kindern tausende Spielsachen kaufen und verschiedene Frühförderungsangebote sicherstellen. Das ist das Bild vieler Menschen in der heutigen Zeit. Aber ist das wirklich wahr? Sind es wirklich diese Dinge, worauf es ankommt?

Mir bedeuten all diese Sachen nichts. Ich reise nicht gerne. Ich hasse es, die ganze Nacht in einem engen, nach Schweiss und Alkohol stinkenden Club zu stehen und dafür am nächsten Morgen einen riesigen Kater zu haben. Studieren wollte ich noch nie. Die Arbeit ist wichtig, aber mit den vielen verschiedenen Möglichkeiten die es heute gibt, ist das auch mit einem Kind kein Problem mehr.
Für mich ist die Familie das Wichtigste. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als im Kreise meiner Liebsten schöne Stunden Zuhause zu verbringen. Zu spielen, zu lachen, zu kuscheln. Die Familie ist immer für einander da, wenn alle Anderen sich abwenden. Ich hatte das grosse Glück, vor fast 4 Jahren die Liebe meines Lebens kennenzulernen. Nun werden wir bald heiraten und für mich ist es klar, dass ich mit diesem Mann meine Zukunft verbringen möchte, eine eigene Familie gründen möchte und mein ganzes Leben mit ihm teilen will.

So liegt es nahe, dass auch der Wunsch nach einem Kind nicht lange auf sich warten lässt. Leider verstehen so viele Leute da Draussen nicht, dass jeder Mensch anders ist. Jeder Mensch mag andere Sachen gerne, jeder hat andere Ziele und Träume im Leben. Für jeden sieht „Glück“ anders aus. Es geht niemanden was an, wie wir unser Leben gestalten.

Klar, bevor man diesen Schritt wagt, ist es wichtig, dass man einige Grundvoraussetzungen erfüllt. Dazu gehört eine gute Ausbildung, eine stabile Partnerschaft, eine Wohnung mit genug Platz, ein Auto für die nötige Mobilität und ganz viel Selbstvertrauen. Aber ganz ehrlich, in dieser Welt ist nichts sicher. Pläne ändern sich in Sekundenbruchteilen. Wenn man den Menschen gefunden hat, mit dem man den Rest seines Lebens verbringen möchte, wenn man sich sicher ist, das alles passt, wieso sollte man dann noch warten? Nur um in das scheinbar „perfekte Bild“ der heutigen Zeit zu passen? Nur um nicht „anders“ zu sein?

Mein Kind, dein Papa und ich, wir waren uns noch nie so sicher wie jetzt. Wir lieben uns über alles und haben einen gemeinsamen Herzenswunsch. Wir wünschen uns eine eigene Familie. Auch wenn wir erst 21 resp. 27 Jahre alt sind. 
Alle Grundvoraussetzungen sind bei uns gegeben. Wir haben uns oft und lange darüber unterhalten und wir sind der festen Überzeugung, dass das Wichtigste, was man einem Kind geben muss, ganz viel Liebe, Zuneigung und ein herzliches, warmes Zuhause ist. Solange man das hat und natürlich für Lebensmittel, Gesundheitskosten, Kleidung und Spielsachen aufkommen kann, ist alles für eine perfekte Kindheit vorhanden. 

Gewisse Fernsehsender wie zum Beispiel RTL, vermitteln mit ihren Inszenierungen ein völlig falsches Bild von jungen Müttern. Man wird dort als dumm, verantwortungslos und naiv dargestellt. Das es auch ganz andere, positive Beispiele von jungen Familien gibt, interessiert leider niemanden. 

Aber genug jetzt, von diesen negativen Gedanken. Ich möchte dir etwas ganz Wichtiges mit auf deinen Lebensweg geben. 
Es spielt keine Rolle, was andere Leute denken. Nur du bist wichtig, denn es ist dein eigenes Leben. Dein Papa und ich, wir haben uns gewagt. Wir haben auf unser Herz gehört und wir haben uns für dich entschieden. Obwohl viele hinter unserem Rücken über uns lästern. Obwohl einige unserer sogenannten „Freunde“ sich von uns abgewannt haben. Obwohl wenige uns zutrauen, dass wir das schaffen. 

Mein Kind, in deinem Leben wirst du viele schwierige Entscheidungen treffen müssen. Du wirst dir immer wieder die Frage stellen, wie es jetzt weitergehen soll und was du machen sollst. Bitte versprich mir, dass du immer auf dein Herz hörst. Hör in dich rein und frag dich, was du möchtest, was du brauchst, um glücklich zu sein. Du musst das tun, was du für richtig hältst, und nicht das, was alle Anderen wollen und erwarten. 
Dein Papa und ich werden immer hinter dir stehen. Wir werden dich unterstützen, ganz egal was für Entscheidungen du triffst und in welche Richtung du gehen möchtest. Du hast unser Leben schon jetzt bereichert. Obwohl du noch nicht mal bei uns bist. 
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Es ist unglaublich. Ich sitze hier, an meinem Tisch und stelle mir vor, wie du eines Tages diese Zeilen liest. Ich muss zugeben, ich habe einige Tränen in meinen Augen. Aber nicht, weil ich traurig bin. Sondern weil ich unendlich glücklich und stolz über unsere Entscheidung bin. Wir haben das Richtige gemacht. Wir lieben dich unendlich fest und freuen uns wahnsinnig darauf, dich in unsere Arme zu schliessen. 
Wenn du diesen Brief liest, sind schon viele Jahre vergangen. Du bist alt genug, das zu verstehen und dein eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Vergiss nie mein Schatz. Menschen kommen und gehen. Aber die Familie bleibt für immer. 

Ich liebe dich.
Deine Mama

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Ich kann total verstehen, dass du nicht von anderen beurteilt (oder noch schlimmer, verurteilt) werden möchtest. Schade allerdings, dass du dir ebenso anmaßt, über die Menschen zu urteilen, die du siehst.
Im Regen das Tempo zu erhöhen muss nicht unbedingt was mit Hektik zu tun haben. Und ich wage zu bezweifeln, dass wirklich alle mit “verbitterten Blicken auf die Pflastersteine“ starren. Ebenso glaube ich nicht, dass die “meisten Menschen“ ein Leben führen, das sie nicht wollen. Um genau zu sein, kenne ich nicht eine einzige Person, die ein Leben führt, das sie nicht führen will. Klar gibt es manchmal im Leben einzelne Dinge, die vielleicht nicht optimal sind, wo man vielleicht mal das kleinere Übel wählt oder Dinge, die man in Kauf nimmt, weil das Ergebnis stimmt. Aber dass nichts passt und jemand ein Leben führt, das er so nicht führen will, kenne ich aus meinem Umfeld nicht.

Insgesamt finde ich, dass du mit den Menschen, die du siehst recht hart ins Gericht gehst und sehr schnell im Urteilen bist. Ich würde dir wünschen, dass niemand so über dich urteilt und dass du vielleicht noch lernst, da auch etwas gelassener, toleranter und wertfreier zu sein.

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Danke für deinen Beitrag.
Natürlich starren nicht "alle" Leute mit verbitterten Blicken auf die Pflastersteine.

Ich habe schon immer sehr gerne geschrieben und wollte dem Text mit diesen einleitenden Worten mehr Bedeutung geben. Mir ist klar, dass sich jeder sein Leben so gestaltet, wie er es möchte. Aber der Grundgedanke in meinem Schreiben bestand darin, dass man nicht auf anderen schauen soll sondern auf sich selbst. Das es gut ist, wenn jeder anders ist und das macht, was ihm gefällt...

Wünsch dir einen schönen Tag, heute scheint ja zum Glück die Sonne. #sonne

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Ich weis nicht ob eine Antwort hier angemessen ist, aber ich bin sehr berührt. Ich habe mein Kind mir 17 bekommen. Er ist jetzt ein Jahr alt und ich liebe ihn von Herzen. Ich wusste schon immer dass mein Leben nicht nach den gesellschaftlichen Standarts verlaufen wird. Alle waren schockiert als sie davon erfuhren. Immer: „war das ein UNFALL?“. Und Verdammt noch mal, wenn ich das Kind nicht wollen würde, dann wäre es jetzt nicht mehr da! Ich liebe Herausforderungen. Auch mein Kind ist dies durchaus. Ich bin einfach froh so viele Erfahrungen sammeln zu dürfen und schon seit 1 1/2 Jahren meinen eigenen Haushalt auf die Beine zu stellen. Die Beziehung zu meinem Partner, begann erst 3 Monate bevor wir von der Schwangerschaft erfuhren, doch ein Abbruch war nie Diskussion. Wir sagen zu „das war aber nicht geplant oder?!“ als Antwort mittlerweile „doch aber der Zeitpunkt war etwas spontan, bei unserem ungeplanten Wunschkind“.

Doch viele können dies nicht akzeptieren. Es muss einen Fehler bei uns geben. Finanziell, Beziehungstechnisch, Erziehungstechnisch. Irgendwas MUSS doch schief laufen bei uns, kann ja nicht sein, dass in dem Alter und der Situation alles gut läuft!!

Ich werde in wenigen Wochen wieder die 12. Klasse besuchen. Viele sind schockiert. Wieso ich nicht was „Richtiges“ mache. Doch dass ich, als ich beim Halbjahr aus der Schule Ausstieg, einen Schnitt von 1,6 hatte wollen sie alle nicht hören. Oder was ich für tolle Pläne für die Zukunft habe. Die Sachen hätte ich ihrer Ansicht nach ja vor dem Kind erledigen MÜSSEN.

Doch ich werde es ihnen beweisen! Mein Kind wird nur eins von vielen sein, welche ich mein Leben treten werden. Und ich werde mein Leben genau so leben, wie ich das möchte.

Eine Freundin von mir ist 19 und will endlich Kinder haben. Der Mann fehlt halt noch 😅 sie findet es echt an der Zeit. Sie denkt einfach nicht nach den Regeln anderer. Das finde ich toll und das wird sie weit bringen!

Tut mir leid, dass die Antwort so ausgeartet ist, aber das musste jetzt raus! Ich finde deinen Text unglaublich toll und wünsche dir all das Glück der Welt und viele gesunde Kinder!

LG Jasmin

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Hallo liebe Jasmin

Vielen Dank für deine Antwort. Es freut mich sehr, dass ich dich berühren konnte.
Ich find es immer wahnsinnig bewundernswert, wenn solche jungen Frauen wie du das Muttersein und die Ausbildung unter einen Hut bekommen.

Wünsche dir ganz viel Erfolg bei allem was du machst und nur das Beste für deine kleine Familie:

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Wow, also so wie Du schreibst, klingt das ganz schön erwachsen und reflektiert.
Wer so schreibt, ist ganz bestimmt "reif" genug, um Mutter zu werden.

Bin das Gegenteil von Dir.
Bin schon 40 und erwarte mein erstes Kind.
Freue mich, ebenfalls auf die ganzen Kommentare. 😩😨.

Solche Leute wird es leider immer geben.

LG Sternenkind19 mit ⭐ im ❤️ und 🌈-Baby inside 13+5

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Danke für dein Kompliment! Es freut mich, dass dir der Text gefallen hat.
Ich wünsche dir ebenfalls von Herzen nur das Beste und eine wunderschöne Schwangerschaft!

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Huhu sehr toll geschrieben, wirklich der Wahnsinn. Denke auch genau so wie du und habe schon mit vielen Diskussionen zu tun gehabt. Ich bin auch mit 21 das erste Mal Wunschmami geworden und nun werde ich es mit 25 das 2.mal 😍🙏

Hibbelt ihr noch oder bist du schon am Kugeln?

Ganz liebe Grüße

Amy mit Elias an der Hand und Alexander im Bauch 💙