Schwangerschaft und eigene Kindheit

Hallo ihr Lieben,

nachdem ich jetzt doch einige Male hin und her überlegt habe, ob es Sinn macht, hier zu posten, interessiere ich mich einfach doch sehr für eure Erfahrungen mit diesem Thema.

Ich bin 33 und in der 13. SSW. Es hat lange gedauert inklusive Kinderwunschklinik und Icsi, also eine absolut gewollte und lang ersehnte Schwangerschaft. Nichts desto trotz kennen es vermutlich viele, dass man während dieser Zeit immer mal wieder Momente hat, in denen man leise Zweifel bekommt, ob das alles so richtig ist, ob man als Mutter "geeignet" ist, ob man das alles so schafft, wie man es sich grob vorstellt, ob das grad nicht einfach ganz großer Unfug ist, was man da forciert.
Nun kommt bei mir noch hinzu, dass meine Kindheit ziemlich... nunja, schwierig war. Meine Eltern waren damals bereits verhältnismäßig alt, die Erziehungsmethoden entsprechend antiquiert. So etwas wie Urvertrauen habe ich nicht mitgegeben bekommen, physische und psychische Gewalt war leider nicht selten. Ich war deswegen bereits in Therapie, habe mich, soweit es geht, mit meiner Mutter später darüber unterhalten können. Da will ich jetzt nicht so ins Detail gehen, das würde hier zu weit führen. Eine Aufarbeitung in dem Sinne ist leider nicht möglich, das kann ich nur für mich selbst versuchen. Auch ist das Verhältnis zu meinen Eltern bis heute nicht immer einfach und weiterhin sehr ambivalent. Ich gehe aber heute davon aus, dass sie das Beste wollten und es nicht besser wussten, sie sind keine 'schlechten' Menschen. Eine ganz andere Generation eben. Sie freuen sich nun sehr auf ihr Enkelkind.

Ich hatte das alles, nunja... akzeptiert, ich kann die Vergangenheit nicht ändern und möchte nach vorn schauen, wenn es mir auch oft schwer fällt. Seit ich selbst schwanger bin, liegt es aber scheinbar in der Natur der Sache, dass ich, sei es durch die Hormone oder die bevorstehende Rolle als Mutter, immer wieder massiv damit zu kämpfen habe, dass all das wieder hochkommt. Mir wird vieles ganz neu bewusst, was bei mir falsch lief, da ich mich jetzt natürlich nochmal ganz anders mit Erziehung etc auseinandersetze. Und ich habe Angst, durch das, was mich selbst geprägt hat, unbewusst oder bewusst viele Dinge falsch zu machen, dass da vielleicht auch einfach zuviel kaputt gemacht wurde oder gar nicht erst entstehen konnte . Es sind also somit gleich zwei Baustellen, die mir zu schaffen machen.

Kann ich meinem Kind überhaupt geben, was mir selbst nur bedingt bis gar nicht zuteil wurde?
Versteht mich nicht falsch, dass man mal an sich zweifelt und sogar Panik bekommt, wie man das alles schaffen soll (besonders beim ersten Kind) halte ich für relativ normal. Aber gibt es welche unter euch, die eine ähnliche Kindheit hatten und wie geht ihr damit um? Nicht nur auf den eigenen Nachwuchs bezogen, auch für euch selbst?

Vielen Dank fürs Lesen, wenn ihr bis hierher gekommen seid :-)

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Hallo,

Also ich kenne deine Zweifel... Und kann dich da auch etwas verstehen...

Meine Elter sind auch älter und ihnen ist auch öfter mal die Hand ausgerutscht. Und das hat mir damals auch Angst gemacht.

Meine Tochter ist ein absolutes Wunschkind, wird jetzt im August 5.

du machst nicht die gleichen Fehler wie deine Eltern...!!!
Du erkennst Situationen wieder, auch als du ein trotzkopf warst, kannst schmunzeln und verstehst dein Kind!!

Glaub an Dich!!! :)))

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Hallo,

ich erkenne mich bei dir wieder. Ich hatte selber eine sehr schwierige Kindheit, mit viel zu viel Gewalt, zu vielen echt krassen Ereignissen und einer viel zu freizügigen Mutter. Das alles hat mich super lange belastet, ich hab irgendwann auch eine Therapie gemacht um meine Vergangenheit aufzuarbeiten.

Als ich mit meiner Großen Maus schwanger war, hatte ich so Angst. Angst das ich genauso werde, dass ich auch nicht erziehen sondern nur schlagen kann. Aber nur du kannst diesen Kreislauf durchbrechen. Es ist deine Entscheidung es anders zu machen.

Mir ist ein einziges Mal meine Hand ausgerutscht, meine Maus hatte mich echt so zur Weißglut gebracht, dass ich ihr auf den Po gehauen habe. In diesem Moment wo es geklatscht hat ... hab ich den Schmerz gespürt. Ich selber habe mich wieder klein gefühlt. Ich selber habe diese Enttäuschung, Wut und Angst gespürt. In dem Moment bin ich zusammengebrochen und habe so unendlich geweint. Ich habe mich tausend mal bei meiner Kleinen entschuldigt und mir selber geschworen, dass das nie wieder vorkommt. Nie wieder werde ich meiner Tochter das selbe Gefühl zuteil werden lassen, dass ich erfahren musste.

Wenn ich heute merke, dass ich an meine Grenzen komme und den Drang verspüre zu schlagen (und ehrlich .... wenn man es nie anders gelernt hat, kommt es hoch), dann geh ich raus, schrei in ein Kissen, beruhige mich. Aber schlagen werde ich nie wieder! Es ist eine Entscheidung fürs Leben.

Sry für den langen Text, aber du bist nicht allein mit deiner Sorge. #winke

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#winke

Dein Post könnte von mir sein.

Auch meine Kindheit war eher schwierig.. Mutter alleinerziehend mit Alkoholproblem. Das schreit natürlich schon nach Konflikten und Problemen.

Urvertrauen kenne ich von mir überhaupt gar nicht, wurde schon als Baby mal alleine gelassen, Zuneigung gab es nur sehr spärlich und irgendwann gar nicht mehr etc. Das merkt man als Erwachsener deutlich.

Das Verhältnis heute ist sehr oberflächlich würde ich sagen. Gespräche über die Vergangenheit sind oft nach hinten los gegangen, manchmal ist meine Mutter einsichtig, manchmal nicht.

Ich war auch in Therapie und mache derzeit ambulant nochmal weiter. Heute weiß ich, dass meine Mutter es nicht besser wusste/konnte. Das hilft etwas, reicht aber auch mir nicht um damit komplett abzuschließen.

Ich zweifel auch immer wieder an mir, vor allem jetzt in der Schwangerschaft. Ich habe noch ältere Schwestern, die bereits Kinder haben. Die eine ist mit ihrer Erziehung ins komplett andere Extrem gekippt und hat heute selbst noch starke psychische Probleme und ist schlicht weg überfordert. Die andere ist sehr abwertend und gehässig zu ihren Kindern. Im Grunde läuft bei denen auch alles falsch, was nur falsch laufen kann. Das macht mir umso mehr Angst.

Ich versuche dann immer irgendwie zu helfen, zu spiegeln. Die Einsicht ist zwar da, aber geändert wird nichts.

Meiner Therapeutin habe ich auch immer wieder die Frage gestellt, wie ich meinem Kind etwas vermitteln oder geben soll, was ich selbst nie erfahren habe. Aber bei mir und meinen Schwestern gibt es einen großen Unterschied. Ich setze mich mit mir und meiner Vergangenheit auseinander. Ich will nicht sagen, dass ich weiß wie man ein Kind erziehen sollte, aber zumindest weiß ich sehr genau, was ein Kind braucht. Und das ist quasi alles, was mir immer gefehlt hat. Natürlich muss man erst lernen, das dann auch umzusetzen. Aber ich denke, dass man gerade wenn man eine Therapie gemacht hat, gut in der Lage ist, sich selbst zu reflektieren und zu hinterfragen.

Was mir persönlich sehr gut hilft ist die Arbeitsweise meiner Therapeutin. Es geht um das innere Kind (vielleicht sagt dir das ja etwas), Verhaltensmuster, wie und warum diese entstanden sind etc. Dabei schaut sie immer in die Vergangenheit aber auch in die Gegenwart und Zukunft. Vor allem durch die Arbeit mit dem inneren Kind, lernt man selbst wieder seine Bedürfnisse zu erkennen und diese zu stillen und damit ja auch, wie man den Bedürfnissen seines eigenen Kindes nachkommen kann.

Das ist alles ein harter Brocken und wird nicht einfach.

Aber ich will es einfach besser machen und das treibt mich an.

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Ganz lieben Dank für eure ehrlichen Antworten! Ich finde es wahnsinnig toll, dass ihr das hier teilt #pro

Ja, ich denke auch, dass Fehler machen ganz normal ist, da sollten wir realistisch sein. Niemand macht in der Erziehung alles richtig.

Ganz wichtig ist mir aber nochmal zu sagen, dass ich eigentlich weniger Angst habe, dass mir bei meinem Kind die Hand ausrutscht. Ich wage mich da vielleicht etwas weit hinaus, aber das ist mir so unglaublich prägend in Erinnerung geblieben, dass ich ganz stark davon ausgehe, dass mir das nicht passiert!

Was mich eher ängstigt ist, dass ich vielleicht unbewusst andere Fehler mache, die mir durch die eigene Erziehung mitgegeben wurden. Dass ich durch einen, nennen wir es mal Mangel an Urvertrauen in der eigenen Kindheit, diese Lücken bei meinem eigenen Kind nicht füllen kann. Kann man etwas weitergeben, was man selbst nie bekommen hat?
Und wie sorgt man bei all dem auch ausreichend für sich selbst?

Der Absatz mit dem inneren Kind ist sehr interessant, damit werde ich mich bei Gelegenheit beschäftigen!

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Wo ich das hier gerade noch einmal alles lese...

gibt es etwas, dass ihr für euch selbst tut, wenn diese Erinnerungen an eure Kindheit hochkommen? Wie sorgt ihr für euch? Ich glaube, das belastet mich gerade mit am meisten, diese ständigen Erinnerungen, angestoßen durch die Beschäftigung mit Erziehung bzw. Umgang und Leben mit Baby allgemein. Es zieht mich in solchen Momenten derart runter...

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Ich kann nicht aus Erfahrung sprechen aber ich denke es gibt zweierlei:

die, die es anders machen wollen und die, die es anders machen.

Ich glaube zu gehörst zu letzteren und weißt du warum. Weil du dich aktiv damit auseinandersetzt. Du warst in Therapie, du hast hinterfragt, anlasiert, akzeptiert. Du wirst eine tolle, liebevolle Mama sein!

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Kurz und knapp: das geht!

Ich hatte auch eine sehr schwere Jugend und Kindheit von Vaterwegen aus mit einer Mutter, die sich nicht immer durchsetzen konnte bzw oft arbeiten war. War deswegen auch vor über 10 Jahren in Behandlung (bin inzwischen Mitte 30).

Ich habe die Sache mit Hilfe so gut verarbeiten können, dass ich ganz normal mit meinen Eltern klar komme und sehr liebevoll zu unserer Tochter bin. Ich sehe meine Kindheit als Erfahrung, was ich meinem Kind nicht weitergeben möchte.

Man muss einfach ins reine mit seiner Vergangenheit kommen. Ich dachte auch nie, dass das funktioniert. Aber inzwischen bin ich komplett frei davon und hege weder Hass, Trauer etc gegen früher. Wenn ich an viele Geschichten zurückdenke, die wirklich schrecklich waren, habe ich oftmals sogar das Gefühl sie gar nicht erlebt zu haben, weilen ich denen total neutral gegenüber stehe.

Somit hat das alles vor über 10 Jahren wirklich viel gebracht :-) da gibt es bei mir Geschwister, die sich für einen anderen Weg entschieden haben und noch heute schwer drunter leiden und es leider genau so an ihre Kinder weitergeben :-( aber man kann ja nicht jeden zu einer professionellen Verarbeitung zwingen :-/

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Hallo du,

Ich kann deine Gedanken und Ängste, bzw. Zweifel sehr gut nachvollziehen, da es mir bei meinem ersten Kind in der Schwangerschaft, besonders im ersten Drittel ebenso ging.

Meine Kundheit und Jugend war schwierig und oft sogar richtig traurig, fehlende körperliche Zuneigung und Aufmerksamkeit, das Wissen, dass man ein Unfall war, Eltern geschieden, der Vater psychisch krank, etc...

Ich bin auch "therapiert", aber habe grade in der Schwangerschaft doch nochmal sehr viel durchlebt und damit gehadert und eben, so wie du, daran gezweifelt, meine Kinder so lieben zu können, wie sie es verdienen.

Ich kann dir sagen, dass ich sicherlich nicht perfekt bin ;), wer ist das schon, aber ich bin schonmal eine ganz andere Mutter als es meine war, und meine Kinder werden grenzenlos geliebt und bekommen die auch täglich zu spüren.

Du wirst deine eigenen Fehler machen, aber nicht die deiner Eltern! Ich bin beispielsweise oft eher ängstlich, meine Mutter hingegen so locker, dass es schon an Desinteresse grenzte oder gar WAR.

Warte noch ein paar Wichen ab, da wird die Freude aufs Baby größer als die Bedenken und wenn das Kind dann da ist, wirst du das alles können und schaffen und dein Kind unbändig lieben!

Grüße, Nora

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Meine Mama hat auch eine sehr spezielle Kindheit verlebt. Meine Oma hat ihren beiden Kindern reichlich Schläge verabreicht (bis zu absoluten Erschöpfung, mit Ausklopfer/Handfeger/Kochlöffel, aber auch so nette Dinge wie ohne Essen in ein dunkles Zimmer sperren (wegen einer 2 statt einer 1 im Diktat, Grundschule...) oder tagelanges Anschweigen (Süßigkeit gekauft vom Taschengeld, trotz Verbot) waren ihre Methoden. Echt gruselig. Gleichzeitig hat sie ihre Kinder materiell extreme verwöhnt.

Meine Mama hat mich sehr jung bekommen, mit 21 Jahren. Sie war auch fast von Anfang an allein erziehend. Und ich kann dir sagen, sie hat nichts von dem wiederholt was sie als Kind kannte! Ich habe als Kind 2-3x einen Klaps bekommen. Jedes Mal hatte ich ihn verdient, kann ich aus heutiger Sicht sagen. Mehr nicht. Also keine Sorge, man muss nicht zwangsläufig die Fehler der Eltern nachmachen.

Ich war als Kind übrigens sehr oft alleine bei meinen Großeltern. Nie hat meine Oma es gewagt, die Hand gegen mich zu erheben. Andere Dinge hat sie schon versucht (z.B. Matheheft in den Sommerferien komplett abschreiben weil nicht schön genug, 1. Klasse, am Nachmittag ins Bett schicken wegen irgendeiner Kleinigkeit...)- aber als ich 8 Jahre alt war habe ich mich einmal verbal zur Wehr gesetzt. Hab einfach gesagt: "Nö, mach ich nicht!". Das reichte aus. Sie war tief schockiert! Und hat es NIE wieder probiert.

Meine Mama hat ihre Kindheitserfahrungen leider nie aufgearbeitet. Ich halte das für einen der Gründe warum sie zeit ihres Lebens immer wieder depressive Episoden hatte.

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Ich danke euch allen wirklich sehr für eure offenen, ehrlichen Worte!

Ich habe viel zum nachdenken und genauso viel positive Bestärkung aus euren Worten mitnehmen können.

Danke!

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ich habe leider nicht viel zeit grad, aber möchte dir kurz sagen:

mir ging es als kind ähnlich wie dir. als ich selbst schwanger war, habe ich mir auch viele fragen gestellt, mir viel vorgenommen usw usf.

jetzt ist mein sohn neun monate alt. ich liebe ihn, wie ich noch nie jemanden geliebt habe. das ist wirklich unglaublich!
beinah all meine gedanken drehen sich um sein wohlergehen. ich tue alles, damit es ihm besser geht als mir damals und ich bin mittlerweile auch überzeugt, dass ich das schaffen werde!

versuch dich nicht so fertig zu machen! das wird schon alles werden! du weißt, wie es ist von den eltern "erniedrigt" zu werden und wirst genau deshalb alles tun, um deinem kind das zu ersparen!