AD(H)S, Depression und Schwangerschaft

Hallo ihr Lieben,

ich weiß seit ein paar Wochen, dass ich schwanger mit meinem ersten Kind bin. Aktuell bin ich 6+3 und meine Gefühle fahren Achterbahn.

Sehr lange haben mein Mann und ich versucht eine Familie zu gründen. Vor drei Jahren habe ich sogar eine Bauchspiegelung gemacht, um meine Angst auszuräumen, ich könnte mechanisch eingeschränkt sein. Es hat sich nicht bewahrheitet und ich war froh, aber es klappte trotzdem nicht. Vor ein paar Wochen war ich so überrascht, schwanger zu sein. Ich habe geheult vor Freude und trotzdem kommt jetzt die Panik dem Ganzen nicht gewachsen zu sein.

Seit Jahren habe ich mit Depressionen zu kämpfen und letztes Jahr habe ich die Diagnose AD(H)S bekommen. Vieles was in meinem Leben schief gelaufen ist, ergab endlich einen Sinn. Meine Medikation, die mich zum ersten Mal ansatzweise in die richtige Bahn geführt hat und dank der ich Energiereservoirs nutzen konnte, die immer leer waren - ich kann mich endlich konzentrieren! - ist nicht gut fürs Baby. Die muss also langsam raus aus meinem Körper. Das ist gut und ich mache das ohne zu murren.
Aber die Wirkung sinkt und ich kriege Panik. Ich muss wegen den Medikamenten definitiv ins Klinikum, um eine optimale Nachversorgung fürs Baby zu haben, obwohl ich für mich ein emphatisches und einfühlsames Umfeld brauche, was dort nicht wirklich so sein wird. Bin ehemalige Arbeitnehmerin von dort und das ist eine doppelte Belastung.

Ich habe niemanden im Umfeld, der schwanger ist oder bereits ein Kind hat, mit dem ich reden könnte. Meine Mutter ist Boderliner und macht mich eher verrückt, als dass sie mir eine Hilfe wäre. "Ich bin auch schon schwanger!!!" Ja. Neh... Nicht empfehlenswert. Und meine Schwiegermama ist einfach schon im gehobenen Alter.

Um das alles etwas abzufedern habe ich im Geburtshaus angerufen und hoffe, dass sich eine der Hebammen erbarmt und sie, trotzdem ich ins KH muss, meine Schwangerschaft begleitet. Das ist leider noch nicht entschieden.

Das erste Trimester fühlt sich rein körperlich ebenfalls "nicht schön" an. Ich freue mich aufs Baby, aber mir ist dauerhaft schlecht und ich fühle mich wegen der fehlenden Hilfe meiner eigenen Mutter, und auch dank Corona, ziemlich alleine auf weiter Flur.


Hat sich jemand ähnlich gefühlt oder befindet sich in einer ähnlichen Situation? Wie habt ihr die Einsamkeit während der Pandemie gemeistert, ganz ohne Ansprechpartner?


Liebe Grüße
Julia

1

Hallo,

Herzlichen Glückwunsch zu deiner Schwangerschaft, erstmal!

Ich habe einige Fragen nachdem ich deinen Beitrag gelesen habe:

- Wieso musst du ins Krankenhaus, und vor allem, wie lange? Die gesamte Schwangerschaft über oder nur die Zeit der Medikamentenentwöhnung?
- Wie steht es mit derzeitigen Therapeuten/Psychologen, ärztlicher Begleitung aus (im Hinblick auf die Depressionen und das AD(H)S, auch im Hinblick auf die bevorstehende Medikamentenentwöhnung, sprich Alternativtherapien)?

Wieso hast du das Gefühl "alleine auf weiter Flur" zu sein? Wenn ich das richtig verstehe, hast du einen Partner an deiner Seite?

Aus eigener Erfahrung, und da wird dir dieses spezielle Forum hier wahrscheinlich nur solches Feedback geben, sind diese Achterbahngefühle vor allem zu Beginn der Schwangerschaft durchaus normal. Man stellt sich viele Fragen, hat Angst wie es weitergeht, ob man das alles so meistert. Wenn dann noch Schwangerschaftsnebenwirkungen auftreten, ist es insgesamt nicht (immer) eine Zeit die man geniesst. Da muss leider jeder auf seine Weise durch. ABER: Es wird besser! Man lernt mit dem "Schwanger sein" umzugehen, so doof es auch klingt. :-D

Persönlich hatte ich jetzt während der Schwangerschaft nicht das Gefühl einsamer zu sein als davor. Ich hatte Austausch hier im Forum, mit meinem Mann, meinen Freunden, meinen Schwestern, denn Empathie kann jeder haben, dafür muss man nicht in derselben Situation stecken. Ich kenne aus dem echten Leben keinen Menschen gut, der auf künstliche Befruchtung zurückgreifen musste und weiss wie das sich anfühlt. Trotzdem habe ich von meinem Umfeld sehr viel Empathie erhalten. Vielleicht können sogar genau DIE Menschen, die nicht in deiner Situation stecken, dir neue Perspektiven aufzeigen? Denn manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr! Dann tut eine objektivere, externe Sichtweise gut.

Was deine Sorgen bezüglich Nachlassen der Medikamentenwirkung angeht: Das würde ich definitiv mit meinem Arzt/Therapeuten ansprechen an deiner Stelle!

Ich bin sicher du wirst das toll meistern! Und vor allem: Man muss nicht immer perfekt sein, man darf auch manchmal down sein-ganz ohne schlechtes Gewissen!

Und noch was: Unterschätze nie den Austausch mit dem eigenen Partner, auch wenn ER nicht schwanger ist! Meiner hat mich mit seiner deutlich anderen Einstellung aus so manchem Loch gezogen. :-)

Alles Liebe,

dragonflies #blume

7

Hallo dragonflies,

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
Mittlerweile hat sich die Panik gelegt und ich denke, dass du recht hattest, dass diese Ängste gerade zu Beginn der Schwangerschaft vollkommen normal sind. Es ist schwierig das zu unterscheiden ob es irgendwelche diffusen Ängste sind oder tatsächlich begründete.

Dass ich mich so allein fühlte hat selbstverständlich nichts mit meinem Mann zu tun. Er ist wundervoll und gibt sich redlich Mühe mir eine Stütze zu sein. Das macht er wirklich toll!
Ich meinte damit eher von der weiblichen Seite allein zu sein. Auf meine Mutter kann ich nicht zählen und eigentlich wäre sie die erste Ansprechperson in einer gesunden Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Ich würde sie gern entsprechend mit einbeziehen, aber das geht leider nicht. Mittlerweile konnte ich einen Termin bei einer Hebamme ausmachen, die glücklicherweise Beleghebamme im Klinikum ist. Ich hoffe sehr, dass sie das was mir fehlt auch während der Schwangerschaft ein bisschen ausgleichen kann - Wenn ich Fragen habe oder nicht zurecht komme.

Dass ich in Krankenhaus muss, liegt ganz simpel an der Art meiner Medikamente die ich einnehme. Die AD(H)S Medikamente können bei einem Neugeborenen Anpassungsschwierigkeiten auslösen, selbst wenn ich sie komplett absetzte. Deswegen muss ich im Krankenhaus gebären und diese Tatsache musste ich erstmal verarbeiten. Ich bin leider sehr ängstlich und komme mit neuen Situationen gar nicht zurecht. Deswegen hatte ich sofort Panik überfordert zu sein, in einer fremden Umgebung mit Menschen die ich nicht kenne und die während der Geburt wechseln. Mit dem Wissen eine Beleghebamme zu haben, konnte ich meine Angst ein wenig zügeln und bin nun beruhigter ❤️

Vielen, vielen Dank für all deine Worte. Ich schreibe zwar spät zurück, aber ich schätze deine Mühe sehr!

2

Hallo Julia,

ich kann auch von mir erzählen. Ich habe schon seit Jahren Angststörungen und zwei Therapien hinter mir. Eigentlich lebe ganz ok mit meinen Ängsten, mal besser und mal schlechter. In den letzten Jahren haben Sie aber wirklich arg zugenommen, weil ich beruflich Probleme hatte und wir viele Jahre einen unerfüllten Kinderwunsch hatten. Dieses Frühjahr konnten wir endlich unsere erste IVF machen und absolut unerwartet bin ich schwanger geworden. Als der Test positiv wurde, war ich sowohl glücklich als auch sehr verunsichert ob ich das mit meinen Ängsten schaffen werde.

Leider bin ich auch kurz danach arbeitslos geworden und beruflich geht es für mich erstmal nicht so weiter wie früher. Obwohl ich sehr glücklich über meine Schwangerschaft bin und auch sehr froh nicht mehr meinen alten Job zu haben, belastete mich die neue Situation schon sehr arg. Meine Ängste haben sich auf eine neue Art gezeigt. Ich habe eher wenig Angst um mein Kind, aber Ängste in Bezug auf meinen Körper und meine berufliche Zukunft haben schon arg zugenommen. Leider bekomme ich auch Panikattacken, insbesondere bei vielen neuen Situationen.

Inzwischen habe ich mich einigermaßen an meine Reaktionen gewöhnt und ich denke, dass das eben ein Begleiteffekt meiner Schwangerschaft ist. Ich hatte sehr viel Glück bei der Übelkeit oder der Zunahmen, auch meinem Mädchen (20+0) geht es soweit gut.

Meine bisher "schlimmste" Schwangerschaftsbeschwerde ist eben meine erhöhte Sensibilität. Ich denke auch, dass es wieder besser wird. Letztendlich kann ich nur akzeptieren, dass ich so fühle und mich auf das fokussieren, was ich positiv beeinflussen kann. Meine Hebamme hat mich dazu ermutigt meine frühere Therapeutin zu kontaktieren und ich werde das auch machen, wenn ich nicht mehr zurecht komme. Mein Mann kennt natürlich meine Ängste und lebt auch damit. Oft hilft es mir schon einfach zu äußern, dass ich mich nicht gut fühle ohne dass jemand etwas machen muss.

Lass dir helfen, wenn du nicht das Gefühl hast die Schwangerschaft zu bewältigen. Schwanger sein ist nicht immer nur Regenbögen und Schmetterlinge und das ist auch normal. Ich bin nicht so gerne schwanger, aber ich freue mich unglaublich auf mein Kind Das ist auch ok so. Jeder ist einfach anders. Gerade, weil ich weiß, dass ich psychisch nicht so belastbar bin, nehme ich mir auch Zeit und kümmere mich um mich selber.

Ich hoffe du findest den richtigen Weg für dich. Ich wünsche dir alles Gute.

3

Ich bin sogar schon bei 25 +0 #klatsch ... vertippt...

8

Liebe Zwilling.86,

vielen lieben Dank für deine Worte!
Es hilft mir sehr zu lesen, dass ich mit den ab und an negativen angefühlten bezüglich der Schwangerschaft nicht alleine bin. Mir geht es da wie dir. Ich bin aktuell nicht so gern schwanger, auch wenn ich noch nicht weit bin, aber ich freue mich auf mein Kind. Bis ich es kennen lernen darf dauert es nur noch eine Weile und irgendwie müssen wir eben da durch. Auch wenn es schwer ist.

Die arg negative Gefühlslage hat sich mittlerweile gebessert. Vor allem oder gerade weil ich eine Hebamme gefunden habe, die mich ins Krankenhaus begleiten wird und ich mich dieser Ausnahmesituation nicht allein stellen muss. Mein Mann begleitet mich zwar auch, aber wir sind eben beide ein Paar Noobs und völlig ohne Plan. Da kann eine erfahrene Hebamme natürlich punkten und uns helfen.

Deinen Rat mir Zeit für mich zu nehmen werde ich definitiv berücksichtigen. Die Situation ist schon so überwältigend, da sollte ich mich selbst nicht aus den Augen verlieren. Ich wünsche dir, dass auch du den restlichen Weg gut meisterst und am Ende dein gesundes Kind in den Armen halten kannst. Ich glaube danach wird einiges von dir abfallen!

Btw vertue ich mich auch immer in der Woche ;)

4

Hey, ich fühle mit dir. Habe ebenfalls ADHS und nehme auch Medikamente. Es ist schon eine große Belastung, darauf verzichten zu müssen. Ich habe das Problem, dass ich ohne die Medikamente eine starke Migräne entwickele.
In den ersten jeweils vier Monaten meiner Schwangerschaft war es so schlimm, dass ich kaum einen Tag ohne Migräne hatte.
Danach wurde es schlagartig besser.
Die anderen Symptome wie Unkonzentriertheit, Ungeschicklichkeit, Langsamkeit etc habe ich stoisch hingenommen. Ich war allerdings nicht mehr in der Lage zu arbeiten.
Schon aufgrund der Problematik mit der Migräne bekam ich recht früh ein absolutes Beschäftigungsverbot.
Es wäre nicht anders gegangen.
Meine Mutter war übrigens ähnlich wie deine. Sie war ein neurotisches Nervenbündel (war sie schon immer), aber in meiner Schwangerschaft ganz extrem.
Ich habe irgendwann den Kontakt aus purem Selbstschutz auf ein Minimum reduziert und ihr nie erzählt dass es mir schlecht geht, da sie ansonsten sofort einem Nervenzusammenbruch bekommen hätte.
Ich kann dir nur raten, in dieser Situation zuerst an dich zu denken und ihre Probleme nicht zu deinen zu machen...

5

Liebe Snowcrystal,

vielen Dank für deine Antwort!
Tatsächlich muss ich auch schon recht bald (bin jetzt gerade frisch in die 8.the Woche gerutscht, also 7+2) den Kontakt zu meiner Mutter reduzieren. Es ist wirklich schlimm, wie sehr sie mich und meinen Mann ausklammert und es nur noch um „ihren Enkel“ geht. Sie sagte jetzt schon am Telefon, sie ließe sich nicht abhalten die 80km zu fahren und ins Krankenhaus zu kommen, wenn das Kind geboren wird. Ich habe mich selten so bedroht gefühlt…

Bezüglich des AD(H)S ist es schön nicht alleine zu sein.
Weil ich so Angst habe irgendwann den negativen Effekten ohne die Medikamente ausgesetzt zu sein, will ich mit meiner Ärztin abklären, ob ich sie wirklich irgendwann ganz weglassen muss, oder wenigstens noch eine geringe Menge beibehalten kann. Das muss natürlich während der Schwangerschaft entschieden werden. Selbst die Dame von embryotox sagte, es sei zu beachten, dass es mir als Mutter während der Schwangerschaft nicht schlecht gehen soll, weil das natürlich auch das Kind beeinflusst. Dabei meldet sich sofort das schlechte Gewissen dem kleinen Wesen gegenüber, was ganz wundervoll wächst.

Hach ja…

6

Hey, ich verstehe deine Bedenken. Ich hatte damals noch keine Diagnose und noch keine Medis, aber jetzt wo ich die Medis habe und weiß was es für eine Erleichterung ist, kann ich dich total verstehen.
Ich habe über Jahre unter schlimmster Migräne gelitten, die ihre Ursache im ADHS hatten. Ich hatte die Migräne vor der Schwangerschaft konvenumtionell behandeln lassen, d.h. Schmerzmittel etc, die verschreibungspflichtig und extra für Migräne waren.
Zuerst hieß es, ich dürfte sie gar nicht mehr nehmen. Als ich dann ins Krankenhaus musste weil es mir so schlecht ging, hieß es, dass ein bestimmtes Medikament doch zugelassen sei.
Das hat mir sehr geholfen.
Vielleicht ist es bei dir ja ähnlich und du kannst zumindest bei Bedarf etwas nehmen, je nachdem wie sehr du unter deinen Symptomen leidest.

Das mit seiner Mutter liest sich sehr extrem und unfassbar übergriffig. Sie scheint ihre Impulse überhaupt nicht im Griff zu haben und scheint sich auch keine Gedanken darüber zu machen was sie dir damit antut.
Da ist es das absolut richtige, dass du dich abgrenzt.

Alles Liebe!

9

Hey Honigfresser!

Ich schreie mal "Hier!".

Während der Pandemie erhielt ich die Diagnose ADHS, weil meine Hyperaktivität im Lockdown ohne Sport unerträglich wurde.
Seit ein paar Monaten bin ich medikamentös eingestellt und kann auch endlich klar denken, mich strukturieren, bin geduldiger.
Ich könnte noch zig Dinge mehr aufzählen- insgesamt hat mein Leben nun eine ganz andere Qualität. Ich hielt mich vorher für dumm- nun möchte meine Therapeutin eine Hochbegabung ausschließen. Es ist völlig verrückt.

Nun.
Wir planen gerade eine 2. Schwangerschaft. Ich werde die Tabletten vermutlich irgendwann absetzen und mich dann so durchwurschteln.
Sorgen bereitet mir, dass ich nun weiß, wie unaufmerksam ich beim Autofahren bin oder unachtsam, wenn ich durch die Stadt gehe. 2 Mal wäre ich schon vor die Ubahn gelaufen, wenn die Fahrer nicht gebremst hätten.
Aber da muss ich dann wohl durch.

Zu deiner Mutter: ich würde den Kontakt dann wohl auch massiv einschränken und ihr den ET samt Zeitpunkt, zu dem wir ins Krankenhaus fahren, nicht mitteilen.

Liebe Grüße
Schoko