Geburt in Schweden

Hejhej!

Ich muß zugeben, dass ich eigentlich nicht so ganz in dieses Forum gehöre, hoffe aber, dass ihr ein Auge zudrückt ;)

Ich studere Medizin und zwar als Austauschstudentin (für zwei Semester) in Südschweden.
Momentan belege ich den Kurs "Akute Geburtshilfe", der supergut ist - wir werden zu halben Hebammen ausgebildet! Heute kam es allerdings zu einer kleinen Diskussion unter den schwedischen Studenten, die mich doch etwas nachdenklich gemacht hat.
Ausgangspunkt war ein Film, den eine der Hebammen gezeigt hat. Dieser Film war in Österreich produziert worden und hat den Verlauf einer normalen Geburt gezeigt. Mir ist daran zunächst nichts besonderes aufgefallen, sondern bin eigentlich erst durch die Kommentare einer schwedischen Komilitonin stutzig geworden. Diese war absolut irritiert von dem gezeigten Kreissaal und dem Geburtsverlauf - "das sieht ja aus wie in einem Turnsaal mit der Sprossenwand und den Gymnastikbällen - und wie schaffen es die Frauen komplett ohne Schmerzmittel die Geburt zu überstehen??"
Daraufhin entbrannte eine Diskussion über das Für und Wieder einer "natürlichen" Geburt und der Rolle der modernen Gerätemedizin.

Ja, und es stimmt wirklich, dass hier in Schweden die Grundeinstellung zur Geburt eine andere zu sein scheint.
Hausgeburten sind extrem (!) ungewöhnlich, Geburtshäuser oder selbständige Hebammen gibt es üblicherweise nicht. Die Kreissääle sind im Vergleich zu deutschen recht spartanisch und beinhalten ausser einem kleinem Bad, einem Klappbett und einem Sessel für den Vater nur das Bett für die werdende Mutter. Ohne Schmerzmittel geht eigentlich keine Geburt von statten und quasi an der Türschwelle bekommen die Frauen schon die Maske mit dem Lachgas (hoffentlich richtig über setzt, "lustgas" auf Schwedisch) in die Hand gedrückt. Kaum eine Frau entbindet anders als in Rückenlage oder halbsitzend (eigentlich eine der eher "unnatürlichen" Varianten - aber natürlich bequemer für Ärzte und Hebammen).
Als ich im Gespräch mit einer Hebamme angedeutet habe, dass es in Deutschland durchaus nicht unüblich sei während der Geburt zu baden oder auch in der Wanne zu entbinden, war die Antwort "das ist aber auch nicht ganz ohne Risko und ich muss ja auch sehen, dass ich meinen Rücken schone". Den Punkt sehe ich durchaus, aber trotzdem ist es schade, dass in einem so großen Haus mit insegsamt 10 Kreissäälen nicht einmal die Möglichkeit für eine Wassergeburt existiert...
Natürlich bin ich hier in einem Unikrankenhaus, wo manches per se sicher mehr technisierter ist als ausserhalb. Andererseits gibt es hier in der Stadt und auch in der Region keine kleineren Krankenhäuser, so dass es eigentlich keine Alternativen gibt, zwischen denen man wählen könnte.
Die ganze Eintellung zur Geburt scheint zu sein "möglichst schnell, möglichst schmerzfrei, möglichst sicher"... aber Geburten sind doch bitte keine Krankheit, die es so schnell wie möglich zu heilen gilt??

So dieser Text ist negativer geworden als eigentlich beabsichtigt, denn an sich haben uns die Schweden in vielen Bereichen einiges voraus. Ein Land zum Wohlfühlen.
Umso mehr hat es mich geschockt, wie rückständig es in diesem Bereich zugeht.

Über Meinungen und Kommentare freu ich mich :)

Einen schönen Resttag und viele sonnige Grüße aus Schweden,

Charlotte

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na, dann haeng doch ein praktikum in holland dran, da kommen fast alle kinder zu hause oder im geburtshaus zur welt, und nur risikofaelle muessen ins kh.
ansonsten kommt mir deine beschreibung vor, wie deutschland vor 30 jahren. zum glueck ist das hier jetzt anders!

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genau!#herzlich
lg

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Hallo,

weißt du, in Schweden ist man wenigstens ehrlich.

Natürlich gibt es hier tolle, hübsche Kreißsäle mit allem drum und dran. Aber die Frage ist leider, wie oft diese Möglichkeiten genutzt werden.

was meinst du, wieviele Frauen sich eine tolle natürliche Geburt vorstellen und dann bekommen sie quasi einen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht, weil ganz plötzlich Komplikationen auftreten (z.B. Geburtsstillstand, weil der Mumu sich einfach eine Stunde länger Zeit lässt als geplant)? Hier werden oft Dinge zu Komplikationen gemacht die keine sind. Ein Kaiserschnitt ist eben rentabler, schneller, besser planbar.
Natürlich gibt es hier Geburtshäuser, aber die werden doch von den Frauenärzten meist boikottiert,sie raten den Frauen ab, erzählen Horrormärchen und teuer ist es auch.

Ein praktikum in Holland ist bestimmt toll, würde ich dir auch vorschlagen.

LG Denise

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Hejhej!

Ja, du hast sicher recht - auch in Deutschland geht es nicht immer so zu wie man es sich vorstellt oder wünscht. Ich muß auch gestehen, dass ich aus Deutschland Kreissääle bisher nur "vom Sehen" und nicht "in Betrieb" kenne.
Naja, mal schauen, ob ich in Zukunft meine Kinder in Detschland oder Schweden zur Welt bringe. ;-)

Hälsingar,

Charlotte

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#pro

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Hallo,

da kann man mal sehen wie unterschiedlich der "Fortschritt" in den einzelnen Ländern ist. In manchen Bereichen sind uns die Schweden (Skandinavier) haushoch überlegen, und in anderen dann wieder sowas.

Der schon genannte Kontrast zu den Niederländern könnte da wohl kaum größer sein. Und beidenen währen (Geburts)Hausgeburten sicher nicht standard, wenn dabei jedes zweite Baby und jede zweite Mutter
"hopps gehen" würde.

Sicher ist es für die Hebamme angenehmer, wenn die Frau ihr Kind in "Arbeitshöhe" bekommt, aber was das unter Umständen für die Frau bedeutet , da gruselt es mir echt bei.

Und mal ehrlich, auch wenn der ganze medizinische "Schnickschnack" einem eine große Sicherheit vorgaukelt, in den wenigsten Fällen ist er wirklich nötig.
Und auch wenn ich froh bin, dass es im Notfall Schmerzmittel, KS, Intensivstation,... gibt, es ist noch nicht lange her, da war all das kein Standard und trotzdem sind die allermeisetn Kinder völlig gesund und komplikationslos zur Welt gekommen und tun es in den meisten Ländern der Welt heute noch ohne das die Frau in der SS auch nur einen Arzt zu sehen bekommen hat.

ich geb zu, wenn ich mich an den Bericht meiner Mutter von meiner Geburt erinnere, dann würde wohl auch ich um einen KS oder wenigstens eine PDA betteln auch wenn das beides für mich die schlimmsten Dinge sind, die ich mir vorstellen kann (in absoluter Kurzform: 36 Stunden Wehen, Geburtsstillstand, letztendlich per Saugglocke und so ziemlich alles gerissen was Frau reißen kann. Das ich noch zwei Schwestern hab finde ich absolut bewundernswert).

Liebe Grüße
qrupa

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Hejhej!

Ja, im Grunde war das auch der Tenor der (erfahrenen - nach 34 Jahren im Beruf) Hebamme, die uns den Film gezeigt hat. Auch ohne die intensive Überwachung geht es meistens gut.
Klar, dass es Komplikationen geben kann und man dann um die moderne Medizin heilfroh ist, aber an sich ist eine Geburt etwas normales, in das möglichst wenigst eingeriffen werden sollte.
Vielleicht ist ein Teil des "Problems", dass die Hebammenausbildung hier eine Zusatzausbildung zur Krankenschwesterausbildung ist. Damit haben natürlich alle Hebammen den Backround die Patienten erst mal als "krank" anzusehen.
Viele Grüße,

Charlotte

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Hej Charlotte!

Först: Jag känner Sverige, men jag känner inte hur barnmorskor arbete.

Ich kenne den Film, der in einem Österreichischen Geburtshaus gedreht wurde durch meine Ausbildung.

Die Problematik sicher, einfach, planbar greift hier immer weiter um sich.
Ich habe meinen ersten Sohn 2005 mit 3930g, 36cm Kopf spontan im Geburtshaus zur Welt gebracht.

Nun bin ich wieder schwanger und lasse nur die 3 Pflichtultraschalls beim Doch machen und habe mich auch geweigert die 10€ Praxisgebühr zu bezahlen, die ja bei Vorsorgen nicht bezahlt werden müssen...
Nun bin ich die "Böse" und ich könnte ja nicht erwarten, dass mein Gyn zum Nähen ins Geburtshaus kommt. (Haha, das machen dort ebenfalls die Hebammen)


Ich bin der Meinung, dass in einer Gesellschaft, die der Frau Ureigene Instinkte abspricht

Beispiel:
1.
Ich hatte z.B. um 9.33 die erste Wehe und um 11.30 einen Vorsorgetermin bei meiner Hebamme. Warum sollte ich sie vorher anrufen, wenn ich weiß, dass es sowiso noch dauert?
2.
Ich bin nach der Vorsorge gefragt worden (Muttermund 3cm, Wehen alle 3-4 Minuten) ob ich gleich dableiben wolle. Habe abgelehnt, da ich merkte es dauert noch. Was soll ich da rumsitzen???
Im Krankenhaus hätten sie so eine "Hysterische Erstpara" bestimmt angekettet! (Sie müssen ans Kind denken.)

Letztlich: Muttermund vollständig 18.30, Blasensprung 18.45, Geburt 23.48!!!
Es ist MEIN Gefühl!
Ich habe die Geburt auch nicht verpasst!:-p

Viele Mitmenschen haben mich als verantwortungslos betitelt, als ich äußerte im Geburtshaus zu entbinden.
Eine hat mich sogar als Kindsmörderin beschimpft.
Das hat nun zur Folge, dass ich wenigen Leuten erzähle, dass unser 2. Kind eine Hausgeburt wird.

So, würde mich gerne noch Stundenlang über Geburten in Schweden, austauschen.
Wenn Du Lust dazu hast, mir zu schreiben (gerne auch auf schwedisch zum Üben...)
Dann gerne über die VK

Hälsningar fra°n Kiel
Silke
sjuksköterska

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Hallo

ich denke, du hast völlig Recht. Hab mich auch schon sehr intensiv mit meiner hebamme darüber unterhalten, die auch meinte, im Grunde weiß jede Frau wie man ein Kind auf die Welt bringt, wenn man sie nur lassen würde.
Und die meisten Probleme und komplikationen entstehen erst dann wenn man versucht die ganz natürlichen Abläufe zu beschleunigen oder anderweitig unnötig eingreift.

Liebe grüße
qrupa

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Hej Charlotte :-)

Hälsninger från Berlin!

Meine Meinung nach zwei Geburten (einer sehr schweren und einer leichten): die Schweden haben völlig recht. Zuviel Brimborium um die Geburt hilft auch nicht weiter, wenn die Geburt schwer ist. Ist sie leicht, ist das Brimborium völlig schnurz.

Also: Schmerzmittel, spartanischer Kreissaal und optimale medizinische Erstversorgung von Mutter und Kind ist der richtige Ansatz. Wenn ich schon höre, daß sich jemand Duftkerzen und Musik mit den Kreissaal nimmt ... #augen

Ich beneide dich um ganze zwei Semester in Schweden. Jag har läst Svenska (Skandinavistik), aber war nie so lange in Sverige. #schmoll

Alles Gute für dein Studium!

Joulins #klee

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hallo,
möchte dir mit deiner meinung zum teil recht geben. man braucht nicht das ganze equipment und schon gar nicht nur zum anguken, wenn man es dann sowieso nicht nutzen kann. aber warum die vielen schmerzmittel, wenn alles so spartanisch ist, sollte der einsatz davon doch auch spartanisch sein oder. also lieber pda statt musik und duftkerzen#kratz
ich hatte bei der geburt meines sohnes weder das eine noch das andere. aber viel liebevolle zuwendung und unterstützung. ich glaube das ist das wichtigste mit dabei. und eben nicht methoden aus dem ma und schmerzmittel von heute.
lg

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Oh Mann! ich will gar nicht erst wissen, was hier in Italien auf mich zu kommt!!!!!!!!!! #schock
Auch wenn ich nicht in Schweden bin: Dass ich in Deutschland nicht nur nicht gebaeren werde habe ich schon laaange als sehr schade empfinden koennen.#schmoll

LG! Janele

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Hi Charlotte,
das was du von Schweden erzählst, passt genauso gut nach Frankreich. Hier hat mich die Hebamme im GVK ausgelacht, als ich sagte, ich könnte mir vorstellen, ohne PDA zu entbinden...

Allerdings nach meiner französischen Entbindung muss ich sagen, so schlimm war das nun auch nicht, dass der Kreißsaal etwas karg war, und ich keinen Schnickschnack wie Badewanne etc. angeboten bekommen habe. Rumlaufen wollte ich sowieso nicht, und ich empfand die Gebärhaltung im Liegen als angenehm. Manchmal mache ich mir jetzt Gedanken, ob in Deutschland nicht ein bisschen viel Hickhack gemacht wird...

LG aus Paris
Hannah

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"mußtest" du dann mit pda gebären. ich habe meinen kleine ja zu hause bekommen. der vorteil dabei war eben das ich machen konnte was ich wollte. ich hab verschiedene dinge ausprobiert, stand aber überwiegend und war dann zum schluß in der hocke. klar waren das schmerzen ohne ende, aber ich hatte nie das dringende bedürfnis nach beteubung und kam ohne alles gut zurecht. ich weiss aber nicht ob ich mich im kh jemals so gut hätte entspannen können.
lg

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Hallo :-)

Ich habe mein Baby in England bekommen, und fand auch immer, dass die Dinge in Deutschland sooo viel besser sind.

Letztendlich ging es mir wie meiner Vorschreiberin: Habe mit PDA im Liegen auf dem Bett entbunden und alles andere war mir schnurz. Es war echt null Luxus oder hübsche Atmosphäre im Kreißsaal, aber in dem Moment hätte mir das herzlich wenig geholfen --- wenn Du verstehst...
Manchen hilft das bestimmt, aber ich bin kein Schmuse-Musik-Kerzenschein-Typ #cool

Also, in Deutschland werden viele Dinge immer super streng genommen, so und nicht anders, das muss doch so sein etc. Am Ende geht es aber auch ohne.

LG,
Anke