Sind hier Eltern drogenabhängiger Kinder?

Vorab, ich bitte um reine Erfahrungswerte. Ich habe derzeit mit meinen Schuldgefühlen soviel zu tun, dass ich Ratschläge von Nichtbetroffenen, bei denen alles super läuft, noch nicht gut aushalten kann.

Wie haltet ihr das aus? Gibt es Hoffnung? Was hat euch geholfen?

Mein Sohn (24), nimmt Drogen. Crystal mehrfach die Woche, Canabis jeden Tag. Noch hat er einen Teilzeitjob in einem Lager, aber insgesamt hat er keine Interessen, kein wirkliches Ziel, keine Wünsche an sich oder das Leben. Sehr sehr wenig Selbstwertgefühl, findet Kapitalismus blöd, die Gesellschaft als gierig und neidisch, da will er nicht mitmachen.

Die Drogen helfen ihm, nicht nachdenken zu müssen. Sagt er.

Er kifft seit der 10. Klasse, Crystal wohl seit er 18 ist. Immer etwas mehr. Ich habe so Angst.

Angst, dass er auf der Straße landet und an Drogen stirbt.

Wir können gut über den Konsum reden (wenn er nicht gerade drauf ist), ändern will er erstmal nichts.

Da er wieder bei uns wohnt, finanzieren wir ihm quasi sein Sucht (Schulden hat er auch), er muss hier nur wohnen. Haushalt macht er nur, wenn ich ihm genau sage was. Durch Crystal ist er viel wach, isst wenig und sieht entsprechend mager aus. Und lange will ich ihn nicht mehr wohnen lassen, eben weil wir das alles querfinanzieren.

Ich mache mir so Vorwürfe. Als er klein war, war ich mega streng. Als er 12 war und in ein Zimmer in der unteren Etage zog, war ich ehrlich gesagt froh, dass er lieber in seinem Zimmer war und nichts wollte (kein Hobby, keine Freunde, ...) weil ich selbst mit schweren Depressionen zu kämpfen hatte. Mir geht es durch viele Jahre Therapie wieder gut, ich bin stabil. Aber dass ich mich in seinen jüngeren Jahren so wenig mit ihm beschäftigt habe, quält mich.

Er hatte nie Ansprüche, wir haben uns in der Pubertät nie gestritten, weil es keine Streitthemen gab. Klar, er war mal hier und da etwas spät zu Hause, aber das fand ich damals nicht wirklich schlimm.


Was habt ihr für Erfahrungen gemacht? Wie hält man es als Eltern aus, dass das eigene Kind abrutscht bzw abgerutscht ist?

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Ich kann nur von meinem Bruder und meiner Mutter berichten.

Mein Bruder ist seit gut 18-20 Jahren Drogenabhängig.
Es fing mit Joints an, dann Alkohol, später kamen Crystal Meth, LSD und was nicht noch alles dazu.

Er ist völlig abgestürzt und kriminell geworden, um an sein Zeug zu kommen. Seine Ausbildung hat er verloren, den Führerschein ebenfalls und darf ihn die nächsten Jahre auch nicht neu machen.
Mittlerweile sitzt er eine mehrjährige Haftstrafe ab.

Meine Mutter hat lange um ihn gekämpft, bei sich aufgenommen und versucht zu unterstützen - er hat sich darauf ausgeruht und sie auch bestohlen.
Schlussendlich hat sie ihn raus geworfen. Dadurch rutschte er noch weiter ab, wie gesagt - Kriminalität und sitzt nun.
Und was soll ich sagen? JETZT ist er endlich aufgewacht. Er ist in einem zusätzlichen Programm und aktuell Clean. Arbeitet in Haft auch, hat die Möglichkeit nochmal eine Ausbildung zu machen.
Langsam entwickelt er auch Träume und Wünsche und es ist das erste Mal seit Jahren, dass man mit ihm sprechen kann und ihn auch versteht.

Meine Mutter hat sich schwer getan, ihn rauszuwerfen, aber es ging nicht mehr. Und auch der völlige Absturz danach, war nur schwer ertragbar. Aber sie musste diese Grenze ziehen.
Noch heute hat sie Kummer wegen ihm und er geht auf die 40 zu. Aber, sie schöpft nun auch wieder Hoffnung und hofft wirklich, dass er es jetzt endlich kapiert hat.
Denn im Gefängnis wollte er nie landen.

Ihr könnt euch wirklich nur abgrenzen. Aufwachen müssen sie von alleine.
Finanziert seine Drogen nicht mehr, lasst ihn auflaufen und ich weiß, wie schwer das ist. Ich habe viele Stunden mit meiner Mutter zusammengesessen und sie getröstet.
Aber den Absprung kann nur er alleine schaffen. Solange er Hilfen hat und es keine wirklichen Konsequenzen gibt, wird er nicht aufwachen.

Schlagt ihm eine Suchtberatung vor, aber solange er es nicht einsieht, wie ja aktuell der Fall ist, wird er das wohl nicht annehmen.
Grenzt euch ab und ja, werft ihn raus, wenn er weiter konsumieren will.
Es zieht euch sonst mit in seinen Abgrund.

Bearbeitet von SchwestereinesJunkie
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Stimme hier vollkommen zu.

Hoffnung, dass mein Bruder jemals zu einer Einsicht kommt oder meine Mutter es endlich aus der Co-Abhängigkeit schafft, habe ich keine mehr.

Mein Bruder geht auf die 50 zu. Drogen kann er sich wohl nur hin und wieder leisten, mittlerweile beschränkt es sich auf Alkohol. Davon brauchts auch nicht viel, weil seine Leber es einfach nicht mehr schafft.

Trotz 1-jähriger Haftstrafe hat er dadurch überhaupt keine Einsicht gezeigt. Warum auch? Mutter nimmt ihn ja auf, hält ihn in seiner Abhängigkeit. Drückt ständig Augen zu.

Er lebt seit Jahren von einem Tag in den nächsten. Und wenn was schief läuft sind immer die anderen die Schuldigen. Er lebt in seiner eigenen Welt, in der sich alles um ihn dreht und alle ihm zu Füße liegen müssen.

Als Familienmitglied gibt's da kein rankommen. Und ehrlich gesagt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er ohne Einsicht verstirbt als zur Einsicht zu gelangen und etwas zu ändern.

Ich drücke dir die Daumen, dass dein Sohn die Einsicht bekommt und du die Stärke hast ihn abzuweisen trotz Schuldgefühlen.

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Es tut mir sehr leid, was du durchmachen musst!
Meine Kinder sind noch klein, habe also keine Erfahrungswerte diesbezüglich. Bin aber in einer Sucht-Familie aufgewachsen. Alkohol, Spiel- und Kaufsüchte und emotionale Abhängigkeiten. In meiner Jugend wäre ich beinahe selbst abgerutscht, Alkohol und Hasch waren auch ein Thema, habe aber den Schritt zu den harten Drogen nie gewagt, weil die mir eher Angst gemacht haben. Zum Glück!
Ich habe so viele Menschen den Bach runter gehen sehen.... Keinem konnte geholfen werden, wenn er es nicht selbst wollte. Solange dein Sohn in so einer beschützten Umgebung ist und ja eigentlich alles läuft, nach seinen Vorstellungen, wird er keinen Anreiz haben, etwas zu ändern. Ich würde ihn auffordern zu gehen und selbstständig zu werden.
Was ich dir, aber auch deinem Sohn empfehlen und/oder nahelegen kann, sind Selbsthilfegruppen für Suchtkranke und Angehörige. Das hat mir sehr geholfen zur Verarbeitung vor einigen Jahren.
Ich wünsche dir alles Gute.

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Hast du jemanden, mit dem du dich real austausche kannst? Eine Beratungstelle, wie die Drobs, ist nicht nur für Konsumenten. Als Angehörige findet man dort auch immer ein offenes Ohr und das bei Menschen, die wissen wovon sie reden.

Hier wirst du kaum die Unterstützung finden, nach der du suchst. Vereinzelt kommen hier mal Stimmen von Elternteilen, die an demselben Punkt sind, wie du sind.

Als Ex-Konsumentin kann ich dir nur dalassen, das sich für mich niemals die Frage gestellt hat, ob meine Eltern daran auch nur den Hauch einer Schuld getragen haben. Mach sein Problem nicht zu deinem, dafür trägt er alleine die Verantwortung, nicht du. Und übertrage deine damaligen Probleme nicht auf seine heutigen. Ich weiß, das ist verdammt schwer, aber wirklich nötig. Jetzt ist dafür der falsche zeitpunkt.

Er hat in einem Alter angefangen (genau wie ich), wo man der Schwelle zum Erwachsenenleben steht und die Zeit kann einen mächtig durchschütteln, so sehr das man zumindest gedanklich flüchten will. Und genau das erreicht man mit der Kifferei.
Jetzt mischt er zwei Substanzen, die völlig gegensätzlich wirken, für mich bedeutet das, das er unbedingt gegensteuern will....aber eben zu einer weiteren Substanz gegriffen hat, anstatt sich seinen Problemen zu stellen.

Bitte geh zu den Drobs, und hol dir dort die für dich passende Unterstützung....auch wenn dort niemand eine Lösung für dich hat. Auch wenn dir dort niemand sagen kann, wohin der Weg geht. Aber viel wichtiger als die Vergangenheit ist im Moment die Gegenwart und die Zukunft. Auch wenn ich als Mutter deine Angst und die Schuldfrage nachvollziehen kann, beides hilft euch nicht weiter.....weder dir, noch ihm.

Schon die ersten beiden Antworten passen überhaupt nicht zu dir, sie helfen dir kein Stück weiter. Ich kann es auch nicht wirklich.

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Hallo,

kurz gesagt: Mir geht es besser, seit wir unseren Sohn endgültig vor die Tür gesetzt haben. Er hat mit 13 mit Cannabis und Alkohol angefangen, sich schnell in Menge und Art der Drogen gesteigert und seitdem nur noch Ärger gemacht, das Familienleben massiv beeinträchtigt, Geschwister und Eltern bestohlen und angegriffen und immer wieder Straftaten begangen mit Polizeikontakt und Gerichtsverfahren. Er hat jedes Hilfsangebot - Jugendamt mit dessen Hilfeerbringern, Jugendpsychiatrie, sozialpädagogische Therapie... - sabotiert, weil er extrem manipulativ ist und die Profis das zu spät gemerkt haben (ich hatte davor in den Elterngesprächen gewarnt, wurde aber nie ernst genommen).

Mit Anfang 20, nachdem der Kontakt längst abgebrochen war, habe ich einen Anruf seiner Anwältin erhalten: Er saß in U-Haft, hatte keine Wohnung mehr und buchstäblich nichtmal mehr Wäsche zum Wechseln. Er konnte aus der U-Haft entlassen werden, aber nicht in die Wohnungslosigkeit hinein. Also haben wir ihn aufgenommen - böser Fehler! Es folgte die schlimmste Zeit meines Lebens, die in einem traumatischen Polizeieinsatz endete.

Mein Fazit: Wer sich nicht helfen lassen und nichts ändern will, so wie dein Sohn, darf so leben wie er will. Ich will das hier nicht zu weit ausufern lassen, nur noch ein paar Stichworte: Er ist verantwortlich für seine Entscheidungen. Du musst nicht zuschauen, wie er sich auf Raten umbringt. Ich habe kein Mitleid mehr mit Drogenkonsumenten - die kannten vor der ersten Dosis das Risiko.

Mein Sohn ist jetzt Anfang 30. Und so erleichtert ich nach dem völligen Kontaktabbruch bin, weine ich doch um ihn. Das wird vermutlich erst besser, wenn wir ihn eines Tages beerdigt haben werden und die echte Trauer ohne Hoffnung auf seine Umkehr durchlaufen können. Ich bemühe mich zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann, und das ist harte Arbeit. Das Fazit der Profis bei uns war, dass mein Sohn keine Hilfe wollte und bewusst früh sehenden Auges seine jetzige Situation gewählt hat. Erziehungsfehler oder schlechte Faniliendynamiken konnte keiner der Profis benennen (unsere anderen Kinder sind völlig normal erwachsen geworden).

Dein Sohn entscheidet über sein Leben. Du entscheidest, wie du damit umgehst. Werde da für dich, in DEINEM Interesse, aktiv! Und ich glaube daran, dass die größte Chance auf Änderung darin liegt, ihn, wie es so schön heißt, "in Liebe fallen zu lassen". Auf die eigene Verantwortung zurückgeworfen, kommt er auf die Füße oder eben nicht. Und falls er zugrunde geht, musst du wenigstens nicht zugucken. Ich habe mich für diese Härte entschieden.

Es gibt Selbsthilfegruppen für Eltern drogenabhängiger Kinder, vielleicht wäre das was für dich?

Alles Gute!

Bearbeitet von TraurigAberHart
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Das tut mir so leid zu hören aber ihr habt absolut richtig gehandelt.

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Danke! Es tut unendlich weh.

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Ich weiß, dass es um Erfahrungswerte ging, die gewünscht sind, ich kann keine Familiengeschichte dazu erzählen und ich verstehe, dass es schwer auszuhalten ist, wenn da ein vermeintlich kluger Rat kommt. Ich sehe, dass er nicht bereit ist, wie du sagst, er sieht sich als gesellschaftskritisch aber sein Leben geht dabei kaputt. Nach insgesamt 6 Jahren rgm Chrystal mit Abmagerung und Schlafstörungen kann nur eine Entzugsklinik (mehrmonatig) helfen, danach vielleicht zusätzlich eine Selbsthilfegruppe. Aber nicht als erster Ansatzpunkt. Es tut mir sehr sehr leid, es muss echt furchtbar sein, wenn jemand das schreibt, es nicht gefragt war und man vor allem weiß, der Sohn müsste sich aktiv selbst für den Entzug entscheiden, man kann ihn ja nicht zwingen. Das einzige: wenn man sowieso seine Grenzen bald erreicht sieht, und darüber nachdenkt, ihn vor die Tür zu setzen, könnte man schon versuchen, erst da anzusetzen, ihn mal zu bitten, darüber nachzudenken, ob es nicht einen Mehrwert haben könnte für ihn selbst, es zumindest zu versuchen, mit Hilfe, davon loszukommen. Auch das Thema "damit man nicht über die Welt nachdenken muss/ sie besser aushalten kann" kann man bearbeiten mit Unterstützung, so lächerlich es vielleicht für ihn klingen mag, wenn er insgesamt vieles als schlecht wahrnimmt. Dass er den Job hat, ist ein gutes Zeichen, grundsätzlich.

Bearbeitet von entzugsklinik
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Läuft. Verbiete einem 16Jährigen das Kiffen. Der denkt sich so "Mist, hab Bock drauf. Aber Mama hat gesagt, ich darf das nicht. OK, lese ich eben etwas in neiner Latein-Grammatik.". Wer je mit einem auf Regelbruch gepolten 16Jährigen zu tun hatte, weiß, dass Verbote eine Schneeflocke im Saharasand sind. Glaubst du ernsthaft, dass normale Eltern ihre Teenager einfach machen lassen, wenn die Drogen nehmen? Noch ist auch Cannabis nicht legalisiert. Wer es kauft, tritt also immer mit einem Kriminellen, dem Dealer, in Kontakt. Du glaubst ernsthaft, Eltern würden das nicht zu verbieten versuchen oder wenigstens davor warnen?

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Was mich an der ganzen Diskussion hier wundert ist, dass noch niemand davon gesprochen hat, dass es sich um eine schwere chronische Erkrankung handelt. Der Begriff suchtkrank ist mittlerweile ziemlich gängig. Und auch auf die Straße setzen und nicht mehr helfen ist nicht unbedingt eine Hilfe. Schaut euch all die Cracksüchtigen an, die obdachlos auf der Straße dahin vegetieren, inmitten von Müll schlafen und völlig verwahrlost sind. Denen ist mit "Hilfe-durch Nichthilfe" bestimmt nicht geholfen.

Schaut euch das Elend an https://www.youtube.com/watch?v=sYb82w1R5Qw

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Und wie wird Ihnen geholfen, wenn sie das nicht wollen? Erzähl!

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An wen richtet sich deine Frage? An mich? Wenn sie nicht wollen (oder können), dass ihnen geholfen wird, dann kann ihnen nicht geholfen werden. Sie können sich nur selber helfen. Dabei können und sollen sie natürlich unterstützt werden.

Nur ein geringer Prozentsatz schafft es dauerhaft, ihr Leben lang, clean zu sein. Es ist eine chronische Krankheit, mit der die Betroffenen und ihre Angehörigen leben müssen, so schmerzhaft das für alle Beteiligten ist.

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Bei mir war es der umgekehrte Fall, also ich war als Kind betroffen und mein Vater hatte Probleme, die hauptsächlich begannen, als ich bereits erwachsen war.
Schwere Alkoholsucht und auch Drogenmissbrauch, vor allem Kokain und verschreibungspflichtige Beruhigungsmittel.
Es war über Jahre die Hölle, ich fühlte mich stets verantwortlich für ihn.
Mehrmals ließ ich ihn ins KH einliefern, einmal sogar mit Polizeibegleitung.
Er wär ein paar Mal fast gestorben, bekam auch die Diagnose, nur noch ein paar Jahre zu haben, wenn er seinen Lebensstil nicht drastisch ändert, aufgrund von Leberwerten und Nervenschädigungen.
Ich hab mich jahrelang gekümmert, alles geregelt, sein Haus geputzt, so viele mühsame Gespräche geführt.
Es wurde immer schlimmer, je mehr ich ihm half.
Aber es ist so verdammt schwer, jemanden los zu lassen, den man liebt.
Vielleicht sogar zu riskieren, dass diese Person stirbt.
Ein Psychologe sagte mir dann die Worte, die ich hören musste:
Er gab mir eine Metapher, dass wir alle Schwimmer an der Wasseroberfläche sind und uns normalerweise mit eigener Kraft gut über Wasser halten können.
Mein Vater war am Ertrinken und hat sich an den nächsten Schwimmer in seiner Nähe, also mich, geklammert, um nicht unter zu gehen. Er sagte mir, dass ich es eine Zeit lang mit meiner Kraft schaffen werde, und beide über Wasser zu halten, dass aber am Ende vermutlich wir beide unter gehen werden.
In so einem Fall braucht es nämlich Rettungsschwimmer, die den nötigen Abstand und die nötige Ausrüstung haben.
Das hat mir so die Augen geöffnet, ich war nämlich tatsächlich am Ertrinken, genauso wie mein Vater.
Er sagte mir, dass jeder Erwachsene für sich selbst verantwortlich ist und auch jeder genau weiß, dass er professionelle Hilfe bekommen kann, wenn er sie wirklich möchte.
Ich sollte meine Hilfe einstellen und nicht mehr seine Feuer löschen und endlich mein eigenes Leben leben.
Das hab ich getan- und es war die beste Entscheidung. Ich hab nicht den Kontakt abgebrochen, aber gesagt, dass ich mich nicht mehr kümmere und er ab jetzt ganz alleine für sein Leben verantwortlich ist.
Anfangs war es hart, mein Vater war total sauer und ist nochmal richtig schlimm abgestürzt.
Aber als er merkte, dass ich nicht mehr einspringe, hat er sein Leben radikal geändert.
Heute trinkt er nicht mehr, Drogen sind kein Thema.
Er putzt selbst und hat sein Leben gut im Griff.
Und wir haben eine sehr gute Beziehung.

Wenn es um das eigene Kind geht, gepaart mit Schuldgefühlen wie in deinem Fall, würde ich dir ganz dringend einen Psychologen und Selbsthilfegruppen ans Herz legen.
Schuldgefühle sind irrational.
Du bist ganz objektiv gesehen nämlich natürlich nicht schuld am Drogenkonsum deines Kindes.
Ich kenne so viele mit richtig schlimmer Kindheit, die trotzdem nicht drogensüchtig Wurden.
In meinem Freundeskreis konsumierten auch viele Drogen Im Jugendalter, die meisten hörten wieder auf.
Das ist halt eine Typfrage:
Ist man eher risikofreudiger, neigt man mehr zu Süchten, lernt man die falschen Leute kennen, etc.
Aber wie gesagt, Schuldgefühle sind irrational.
Ich hatte sie wegen meinem Vater auch jahrelang - aus heutiger Sicht für mich nicht mehr nachzuvollziehen - aber genau so ist es halt, wenn man co-abhängig ist.
Schau gut auf dich!
Alles Liebe!

Bearbeitet von Schwimmer
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Ich habe jetzt etwas überlegt, ob ich "unsere" Geschichte hier erzählen soll.
Mich aber jetzt dazu entschlossen, weil die Realität in den meisten Fällen so aussieht wie bei uns.

Hier war es mein Cousin.
Er hat mit 13 angefangen zu kiffen, mit 16 kam er auf sämtliche kalte Drogen, die er in die Hände bekam. Ein paar Jahre lief das ähnlich wie bei deinem Sohn. Er schmiss zwar seine Ausbildung, hatte aber einen kleinen teilzeit Job im tierheim. Was ihm auch gut getan hat. Trotz Konsum konnte man sich mit ihm unterhalten und irgendwie war der doch noch er, auch wenn er da bereits stark suchtkrank war. Auf das "system" und den Kapitalismus angenervt zu sein, ist so ein Phänomen, das sehr viele in diesem Stadium der Erkrankung haben.
Ein paar wenige Jahre war er in diesem Zustand stabil. Bis er merkte, warme Drogen kicken in anders, fühlen sich besser an für ihn. So kam er zu Heroin. Dann begann eine unfassbar schreckliche Zeit. Er hat uns alle bestohlen, permanent belogen und brauchte uns aber trotzdem. Die methapher mit dem Schwimmer weiter oben, finde ich sehr passend. Meine Tante setzte ihn irgendwann auch vor die Tür, weil es nicht mehr anders ging. Wenn der gewünschte Spiegel nicht zu erreichen war, wurde er sehr aggressiv.
Dann kam gezwungenermaßen die beschaffungskriminalität dazu. Oft bekamen wir monatelang nur durch seinen Anwalt mit, ob er überhaupt noch lebt. Bis er wieder vor der Tür von einem stand und für ein paar Wochen präsent war. Letztendlich hat er im Rausch jemand anderen aus der Szene extrem schwer mit einem Messer verletzt. Er musste für 6 Jahre ins Gefängnis. Dort kam er zumindest an keine harten Drogen mehr. Konsumiert wurde aber auch dort. Nach der Entlassung harte er große Pläne, wollte in ein betreutes wohnen und unbedingt einen Job. Ein letztes Mal wollte er seine neu gewonnene Freiheit "feiern" nach der haft. Er war sofort rückfällig. Diesmal Medikamente, hauptsächlich fentanyl. Eben diese Sachen, an die er im Gefängnis kam.
Man konnte sehen, wie die Sucht wieder mehr und mehr Besitz von ihm nahm.
Bis er eines Tages den Rest eines ausgekochten fentanyl pflasters unterschätzte. Er spritzte sich eine überdosis an der er im Haus meiner Tante verstarb. Wir fanden ihn mit spritzen in beiden Armen. Keiner von uns wird dieses Bild jemals vergessen. Auch wenn es tröstlich ist, dass er zuhause gestorben ist und nicht irgendwo draußen in der Kälte zwischen Mülltonnen.

Warum ich dir das erzähle?
Weil fast alle dieses Schicksal ereilt. So schrecklich es klingt. Ab einem gewissen Punkt, gibt es kein Zurück.
Dein Sohn hat diesen denke ich, noch nicht erreicht. Aber er allein entscheidet, wie weit er geht. Mein Cousin hatte eine wunderbare, behütete Kindheit, mit Eltern die immer da waren und ihm Rückhalt gegeben haben. Sein Bruder hat in seinem ganzen Leben noch nicht mal eine Zigarette geraucht. Hier war es einfach der falsche Freundeskreis.
Ich habe meinen Cousin immer sehr geliebt, wir sind aufgewachsen wie Geschwister. Von seinem einst wunderbaren Charakter war aber irgendwann nichts mehr übrig. Die Sucht hatte ihn vollständig übernommen. Für ihn war der Tod sicherlich eine Erlösung. Er ist nun nicht mehr getrieben und gefangen in der Spirale zwischen Konsum und das Geld dafür beschaffen zu müssen. Für uns Hinterbliebenen ist es natürlich schwer.

Ich wünsche dir und deinem Sohn von Herzen, dass er die Kraft für den richtigen Weg findet!

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Es tut mir sehr leid um eure Erfahrungen und euren Verlust.

Was Drogen aus einem Menschen machen können, ist so schlimm, dass es dafür gar keine Worte gibt. Mein Beileid.


Darf ich vielleicht fragen, was "kalte" und "warme" Drogen sind?

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Diese Erfahrungen wünscht man tatsächlich keinem. Seit ich selbst Mutter bin, sehe ich den Schmerz meiner Tante nochmal aus einem anderen Blickwinkel. Es heißt immer so abgedroschen, es ist Selbstmord auf Raten. Aber es stimmt. Die immense Hilflosigkeit mit der man daneben steht, ist das schlimmste. Zu sehen, wie der Mensch den man liebt zusehends verschwindet, von der Sucht regelrecht aufgefressen wird, bis kaum mehr etwas übrig ist, was man erkennt.

Ich versuche es in den worten meines Cousins wiederzugeben.
Kalte Drogen, wie Speed, MDMA's (wie Ecstasy) machen dich wach, verdrängen Müdigkeit und schwächegefühl, typische feierdrogen um nächtlang durchtanzen zu können und auf Hochtouren zu laufen.

Warme Drogen wie Heroin und andere opiate, ebenso wie benzos, verschaffen keinen kick. Sie wirken extrem entspannend, (natürlich auch schmerzlindernd). Sie vermitteln dir ein Gefühl der Geborgenheit.

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