Wie könnte ich meiner Schwester helfen?

Guten Abend miteinander,

ich hoffe, Ihr hattet alle ein schönes Weihnachtsfest. Meines war stellenweise nur semi weihnachtlich, weshalb ich mich heute an Euch wende.

Gleich vorab, ich habe selbst noch keine Kinder, sondern nur ein Sternchen, mit dem ich gut zurecht komme. Daher auch keine Erziehungserfahrung und ich möchte mir dahingehend eigentlich auch keine großen Ratschläge anmaßen.

Mein Problem ist Folgendes:
Meine Schwester und Ihr Partner haben ein Kleinkind, ihr erstes, ein Wunschkind. Wir haben Weihnachten gemeinsam Zeit verbracht. Wir sehen uns zurzeit leider nur alle paar Wochen, da wir alle beruflich wie privat stark eingespannt sind. In der Schwangerschaft und im ersten Jahr mit dem Baby haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Die Schwangerschaft war geplant, verlief entspannt und bis kurz nach der Geburt war meine Schwester ein sehr gelassener lockerer Mensch. Das änderte sich jedoch nach kurzer Zeit, auch, da sie in Bezug auf den Umgang mit dem Kind gewisse Prinzipien verfolgt, die zwangsläufig vielleicht etwas anstrengender sind. So musste das Kind noch nie im eigenen Bett schlafen, wird zu nichts gezwungen, darf von Anfang an sehr viel selbst entscheiden und Pläne werden häufig geändert, um es ihm recht zu machen. Es gibt gefühlt keine Regeln oder Grenzen. Wenn mal welche gesetzt werden und es beginnt zu weinen/schreien, wird schnell nachgegeben. Das Kind ist seither also Mittelpunkt von allem. Ich habe das offen gestanden noch nie so ganz gut gefunden, weil ich denke, dass es keine so gute Vorbereitung auf das Leben draußen ist, wenn es keinerlei Regeln oder Grenzen gibt. Das zeigte dann auch der Einstieg in den Kita-Alltag. Im Übrigen hat der Vater des Kindes kaum Einfluss auf die Situation. Sie vertraut ihm das Kind (seit der Geburt) kaum an und kritisiert ihn am laufenden Band, auch für die Art und Weise, wie er mit dem Kind interagiert, sodass er darin auch heute noch recht unsicher ist, wobei er eigentlich ein ganz liebevoller Papa ist.

Nun kamen wir an Weihnachten alle zusammen und unabhängig vom Kind, was ich im Übrigen sehr gern habe, habe ich gesehen, dass meine Schwester vollkommen fertig ist und ihr Partner das augenscheinlich auch nicht mehr lange durchsteht. Er hat dies in ihrer Abwesenheit leider auch recht deutlich vor der Familie kommuniziert und es ist gewissermaßen nachvollziehbar. Ich habe das Gefühl, sie hat sich in so einen Mama-Strudel reingesteigert, dass sie selbst gar nicht mehr erkennt, was sie da tut. Ich schreibe Euch das hier heute, weil ich gern wissen möchte, wie man ihnen helfen könnte. Wenn mal jemand aus der Familie Vorschläge dahingehend macht, werden diese von ihr leider sofort vehement abgeschmettert. Sie nimmt einem das dann wirklich übel und meint, man selbst hätte gar keine Ahnung. Das mag sogar stimmen, aber ich möchte ihr dennoch helfen. Es tut mir einfach Leid zu sehen, wie es den beiden in dieser eigentlich auch schönen Zeit ergeht und wie sie sich als Menschen und Paar verlieren. Ich bin der Meinung, es würde unheimlich viel bringen, wenn sie erkennt, wie sie sich da reingesteigert hat und einfach mal wieder etwas entspannt, ihm das Kind anvertraut und die beiden sich selbst etwas mehr Freiheiten und Zweisamkeit einräumen, sei es auch durch ein paar kleine Regeln und gemeinsame Vorgehensweisen bei der Erziehung. Nur leider kann ich ihr das nicht so offen sagen, ohne, dass sie sich direkt angegriffen fühlt.

Ich weiß, dass ein Kind vieles verändert und viel Arbeit bedeutet, aber ich sehe bei vielen anderen Paaren im Umfeld auch, dass es anders laufen kann. Daher meine Frage, wie kann man da helfen?

Schönen Abend Euch und danke vorab.

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Zunächst ein mal: sehr lieb, dass du dir Sorgen um Deine Schwester machst. Aber lass Dir gesagt sein: An dem Spruch "bekomme selbst ersteinmal Kinder" ist leider einiges dran - was ich mir selber auch erst eingestehen musste.
Ich war der Meinung, Kinder schlafen in ihrem Bett. Die Kinder passen sich dem Familienalltag an, nicht umgekehrt. Grenzen und Regeln sind in Stein gemeißelt.
Naja, dann kam mein erster Sohn zur Welt... Ich bin schon sehr konsequent, gebe klare Regeln vor, usw... aber ich habe auch akzeptiert, dass dieses kleine Wesen seinen eigenen Kopf hat und keine Puppe oder Marionette ist. Er darf auch Dinge wollen. Ich unterscheide in Wünsche und Bedürfnisse. Bedürfnisse werden erfüllt (z.B. Nähe), über Wünsche (ein Stück Schokolade) kann man diskutieren. Soviel vorab.

Hör doch mal in Dich rein, ob Du ihr gegenüber vielleicht nicht doch den ein oder anderen Ratschlag gibst, den sie eigentlich nicht hören will?
Denn: Wenn sich nun die - sorry dass ich es jetzt so überzeichne - oberschlauen Nicht-Muttis mit (Erziehungs)tips daher kommen, würde ich auch latent angesäuert reagieren. Vielleicht leidet Deine Schwester auch an einer (verschleppten) Wochenbettdepression?
Deshalb würde ich das Pferd unbedingt von hinten aufzäumen. Frag sie doch einfach (ohne mit "Besserwisservorschlägen" zu kommen), ob Du sie irgendwie unterstützen kannst? Vielleicht ist ihr ja geholfen, wenn mal jemand kurz mit dem Staubsauger durchwirbelt oder mit ner Lasagne zum Mittagessen vorbei kommt, mal ne Maschine Wäsche aufhängt, ... so dass sie sich dem Kind widmen kann? Oder einfach ein offenes Ohr für sie hat, ohne dass sie sich gleich anhören muss "selbst schuld, gib das Kind ab".

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Beste, diplomatischste und hilfreichste Antwort die ich in diesem angenehmen Ausmaß hier seit langem im Forum gelesen habe. Wort für Wort. Das wollte ich mal eben loswerden - Normalerweise wird ja hier eher aufeinander losgegangen.

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Das finde ich eine sehr wohl überlegte, empathische Antwort. Genau so würde ich es auch machen.

Bearbeitet von apfelkuchen2807
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Omg, bei so Müttern bekomme ich echt einen Anfall. Ja jeden Kind sollte sich entfalten können, trotzdem braucht jedes Kind Regeln und Grenzen.
Ich könnte niemals mit so jemandem wie mit deiner Schwester.
Am besten wäre es wenn ihr euch zusammen tut (ihr Mann und die Familienmitglieder) und euch davor Punktr aufschreibt und mit ihr darüber sprecht.

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Danke, aber das würden wir uns als Familie kaum anmaßen. Sie würde sich dann wahrscheinlich so angegriffen fühlen, dass wir alle erstmal abgemeldet wären. Sie ist ein lieber toller Mensch, wirklich, aber sie hatte auch schon immer einen starken Willen. Früher haben wir beide selbst über solche Verhaltensweisen bei Eltern gesprochen und den Kopf geschüttelt. Daher denke ich wirklich, sie erkennt es nicht. Sie wollte nie so sein, denke ich. Nur denke ich auch, dass es langsam immer schwieriger werden könnte, zu Hause Regeln einzuführen, wenn das Kind es doch nun nur so kennt.

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"Früher haben wir beide selbst über solche Verhaltensweisen bei Eltern gesprochen und den Kopf geschüttelt. Daher denke ich wirklich, sie erkennt es nicht. "

Vielleicht wäre es dann ein Ansatz, ihr das mal vor Augen zu führen. Nicht verbal. Sondern bildlich.

Ich bin ein paar mal ziemlich erschrocken, als ich mich auf Videos gesehen habe ("OMG, rede ich wirklich so? Gott, wie tussig ich hier wirke..."). Fangt doch einfach an, bei Familienfeiern und bei gemeinsamen Ausflügen mit dem Handy zu Filmen und ihr die schönen Videos zu schicken. Vielleicht fällt ihr dann selbst auf, dass sie die Typ Mama geworden ist, über die sie früher gelacht hat?

Ggf kann das ja auch ihr Mann daheim machen- immer mal wieder Alltagssituationen mitfilmen, zur Erinnerung... Und ihr dann zeigen...

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Hallo
Wenn du keinen Streit mit ihr möchtest lass es. Du kannst solchen Menschen nicht helfen. Entweder sie merkt es selbst oder eben nicht. Ich habe mir ganz böse die Zunge verbrannt als ich einer Freundin geschildert habe wohin ihre Erziehung führt. Der Kontakt zu ihr war seitdem sehr eingeschränkt. Durch Freunde von ihr weiß ich das bei Ihrer Teenie-Tochter genau das eingetreten ist was ich prophezeit habe und sie jetzt sehr verzweifelt ist und nicht mehr weiter weiß weil es auch für eine Erziehungsberatung zu spät ist. Mir tut es unendlich leid für sie aber ich denke das auch ihre eigenen Traumata aus der Kindheit zu dem geführt haben.

Du kannst deiner Schwester nicht helfen ohne die Böse zu sein.

Liebe Grüße

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Danke, das befürchte ich im Grunde genommen leider auch.

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Hallo,

das wird schwierig. Ich würde mal versuchen, mit deiner Schwester Zeit verbringen zu wollen. Sag ihr, du würdest so gern mal wieder mit ihr Kaffee trinken/shoppen/... Und da du ja weißt, wie wunderbar und liebevoll sich ihr Mann um das Kind kümmern wird, sollte das doch machbar sein.

So erlebt sie vielleicht, wie gut das funktionieren kann, mal wieder eigene Bedürfnisse zu sehen. Da auch wieder hervorheben wie toll du es findest, dass sie eine eigene Persönlichkeit geblieben ist und damit ein Vorbild für ihr Kind. Ganz egal ob das alles so stimmt, im Zweifel will sie dann vielleicht dem vorweggenommenen Lob entsprechen.

Aus meiner Erfahrung funktioniert das besser als Kritik. Einen Versuch ist es wert.

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Den Vorschlag wollte ich auch machen. Kann ja erstmal nur kurz sein und dann immer mehr ausdehnen. Vielleicht muss sie erfahren und sehen, dass die Bude nicht abgebrannt ist und Vater und Kind wohl auf. ;-)

Und je nachdem wie deine Beziehung zu dem Kind ist oder wie oft du es sehen kannst, könntest du ihnen Paarzeit schenken und einfach mal einen Nachmittag mit dem Kind auf den Spielplatz oder so.

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Leider schreibst du nicht wie alt das kind ist. Unser enkel ist auch lebens Mittelpunkt und im großen und ganzen wird er Bedürfnis orientiert.. Jaaa modewort.. Aber trifft es ganz gut, erzogen.

Soweit seh ich da bei deiner Schwester Ähnlichkeiten. Allerdings bringt auch der Papa voll ein, in der Erziehung haben sie Eltern 50/50 Mitsprache. Sie sprechen sich über alles ab auch in Kleinigkeiten.

Da sehe ich einen riesen Unterschied.. Helfen kannst du indem du ihr den kleinen mal abnimmst.. Spielen.. Buch vorlesen.. Puzzle eine halbe Stunde und die Mutter ist entlastet.

Wie die beiden ihr paarleben gestalten darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen, geht dich nichts an.

Tut mir leid wegen deinem Sternchen 😢

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Hallo,

Ich wäre da auch vorsichtig,… speziell nachdem ihr euch ja nur selten seht und du nicht alles mitbekommst.

Ratschläge würde ich als verzichtbar einordnen. „Kind muss ins eigene Bett, muss den Teller leer essen, usw,…“

Vielleicht kannst du deiner Schwester und ihrem Mann etwas Luft verschaffen indem du mit der Kleinen etwas unternimmst? So könnt ihr euch wieder etwas näher kommen und deine Schwester und ihr Mann ebenfalls.

Oder/und du unternimmst etwas mit deiner Schwester und das Kind darf mit dem Papa zum Spielplatz.

Mir hätte das mehr geholfen als: „das Kind muss unbedingt ins eigene Zimmer, den Teller leer essen, muss abgestillt werden, usw…- und dann wird alles gut werden)

Wünsche dir und deiner Familie alles Gute.

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Wie alt ist denn das Kind?

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2 Jahre

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klar, mit 2 ist man schon richtig am „Erziehen“ - ob man will oder nicht ;-)

Wenn es jetzt noch im ersten Jahr gewesen wäre, hätte ich gesagt, klar richtet sich alles bei jungen Eltern erstmal nach dem Baby und ja , man darf auch fertig sein .

Dass ein 2-jähriges noch bei den Eltern schläft, finde ich nicht so ungewöhnlich u hat für mich erstmal auch nichts mit „gut/schlecht“ erzogen zu tun.

ich muss zugeben, als ich zunächst Tante wurde, war ich auch etwas schockiert darüber, dass meine Nichten bei jedem Familientreffen komplett im Mittelpunkt standen u wirklich alles nach ihnen ausgerichtet wurde. meine schwägerin insbesondere kam mir SO gestresst vor, ich äh wollte es auf jeden Fall ganz anders machen.
Tja - meine Kinder sind wilder, lauter , impulsiver als meine Nichten es je waren und ich wahrscheinlich auch gestresster als meine Schwägerin. 😅
und meine vermeintlich so verwöhnten Nichten sind zu ganz tollen Kindern und Teenagern herangewachsen.

wichtig ist aber meiner meinung nach schon, dass man sich auch mal entlasten lässt und die anderen „ran“ lässt. sich zurücklehnt und nicht für alles versucht, die Verantwortung zu übernehmen.

aber die gut gemeinten Ratschläge von außen sind manchmal echt schwer anzunehmen. schließlich kann man sich den 24/7-Job vorher nicht wirklich vorstellen u verklärt , wenn es schon länger zurück liegt, gerne auch ein bisschen die eigenen Erfahrungen.

ich würde daher auch eher mal konkret „anpacken“, wenn es sich ergibt, und dabei so viel wie möglich signalisieren , dass man die Anstrengungen u Belastungen der Mutter wahrnimmt und würdigt.

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Ich habe bevor ich Kinder hatte auch gaaanz anders gedacht, und kann jetzt über meine eigenen Vorurteile nur den Kopf schütteln. Ich finde es schön, dass du dich um deine Schwester sorgst, aber ich glaube Kritk an ihrer Erziehung wäre das letzte, qas hilft. Das Kind ist 2 Jahre alt, das kann auch wirklich ein anstrengendes Alter sein wo Eltern ganz schön belastet sind. Stichwort Autonomiephase.
Du schreibst dass deine Schwester keine Regeln und Grenzen aufsetzt. Das sagen sicherlich aucg einige über mich, wobei das quatsch ist. Als Beispiel: ich gebe dem Kind keine Regeln, was es zu essen hat, aber ich bestimme halt das Angebot. Mein Kind wird aber niemals "erzogen" etwas zu essen, wenn es nicht will oder wann es nicht will, das heißtaber nicht dass es nur essen darf was es will.

Ich bin/war auch oft am Ende, wenn wahrscheinlich nicht so sehr wie deine Schwester. Was mir geholfen hätte? Wenn mal jemand einfach sich bemüht zu unterstützen. Alle finden das Kind immer so toll, wollen es sehen, aber dass man sich mal mit dem Kind beschäftigt, damit ich zum Beispiel in Ruhe essen kann, kam so gut wie nie vor. Dass mal jemand wirklich von sich aus anbietet, was mit den Kindern zu unternehmen, ohne dass ich partizipiere oder es aus der Situation heraus einfach macht. Das haben nur wenige getan, und die waren gold wert.
Was ich auch schön gefundeb hätte, das man mich einfach fragt, warum ich gewisse Dinge tue. Und zwar neutral und ohne versteckten Vorwurf, und offen ist für diese Sicht. Ein Gespräch auf Augenhöhe.

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Ich habe eine Buchempfehlung: "Die Muttertät - wenn sich plötzlich alles anders anfühlt".
Ich würde dir vorschlagen, es zu lesen, dann deiner Schwester zu schenken (sofern sie sich ein paar Minuten pro Tag zum Lesen einräumt) und auch ggü. ihrem Mann eine Leseempfehlung auszusprechen.
Ich dachte, ich werde eine gelassene, entspannte Mutter - dann kam mein Kind auf die Welt und ich habe mich selbst nicht wiedererkannt. Von diesem Buch habe ich erstmals seit langem verstanden gefühlt und vielleicht hilft es ja auch, ein paar Sachen besser einzuordnen, zu verstehen und mehr zueinander zu finden.
Du wirst deiner Schwester kaum durch Ratschläge helfen können. Sei ihr eine Unterstützung, indem du einfach da bist, ein liebevolles Verhältnis zu deiner Nichte/deinem Neffen pflegst, hin und wieder Essen mitbringst, mal auf dem Weg einkaufst oder den Müll mit rausnimmst.
Deinen Schwager möchte ich jetzt ungern bewerten. Deiner Schwester die Verantwortung dafür zu geben, dass er im Umgang mit seinem eigenen Kind unsicher ist, hört sich jedoch nach einem etwas vereinfachten Erklärungsmodell an