Demenz in der Nachbarschaft- akustische Höchstbelastung

Hallo.

Was ich hier nun hören möchte, weiß ich selbst nicht. Uns, nichtmal mich selbst ganz akut, belastet ein ganz sensibles Thema.

In der Nachbarschaft wird wohl (vermutlich aus finanziellen Gründen?!) seit einem halben Jahr eine demenzkranke alte Dame, die sogar vorher bereits im Pflegeheim war, nun zu Hause von Angehörigen gepflegt.

Die Dame schreit jeden Tag stundenlang in einer ganz grausigen, sehr, sehr lauten Tonlage. Wir wohnen nach vorne heraus zwei Häuser weiter und hören es nur relativ leise und nicht mehr, wenn wir die Fenster schließen. Nach hinten heraus wohnen Freunde von uns, dort schallt es durch die Häuser so sehr, dass es noch eine Strasse weiter ganz furchtbar zu hören ist.

Unsere Freunde sind natürlich ziemlich verzweifelt, den Garten kann man nicht mehr nutzen. Dieses dauerhafte Geschrei zermürbt ganz furchtbar.

Nun habe ich gegooglet, und las, dass dieses Schreien ein Ruf nach Zuneigung wäre. Das zerreißt mir ehrlich das Herz. Die Dame scheint sehr viel allein zu sein.

Es ist so ein ambivalentes Gefühl. Die Frau tut mir irrsinnig leid. Meine Freunde auch. Irgendwann hörte ich abends einen Mann wie irre über die Straße bölken "halt endlich mal die Klappe". Wer das war, weiß ich nicht. Aber auch das kann ich verstehen. Abends nach Feierabend über Stunden diese markerschütternden Schreie zu hören, grenzt schon an Folter.

Kann man da überhaupt etwas machen? Ich kenne die Familie nichtmal. Ein lockeres Gespräch neulich war nicht sehr einladend, sodass ich nachbarschaftlichen Zugang hätte knüpfen können. Einen anderen Nachbarn sprach ich mal an, er bagatellisiert das alles, so schlimm sei es ja nicht, und die Dame habe noch so oft so klare Momente. Und man müsse sie nur neu medikamentös einstellen, dann bessert es sich wieder.

Irgendwie eine sehr traurige, aber auch frustrierende Situation für alle Beteiligten.

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Schrei nach Liebe mag sein, aber wenn der alte Mensch einen sich nahestehenden Menschen sucht, den aber nicht mehr erkennt, dann fühlt er sich permanent allein und irgendwann müssen Angehörige auch mal schlafen, duschen, essen oder eben selbst mal arbeiten.

Mein Opa war in der Psychatrie, Schwerpunkt Demenz, geschlossene Einrichtung - ein wahnsinnig guter Betreuungsschlüssel und trotzdem ist da quasi jeder für sich Amok gelaufen, Frau Müller kam nackt vorbei, Frau Schmidt wollte permanent nach Hause, mein Opa hat seinen Zimmernachbarn vermöbelt (vorher seine Frau und uns), Herr Kunz hat seinen Kopf gegen die Wand gehauen.... ich will das gar nicht weiter ausführen, aber es war wirklich schlimm.
Trotzdem ist die Psychatrie eine Chance. Mein Opa wurde dort binnen 8 Wochen so medikamentös eingestellt, dass er uns nicht mehr angegangen ist und trotzdem noch nicht im dauerhaften Delirium war. Und das ist, was man den Leuten dort auch empfehlen kann. Einweisung in die Psychatrie und dann einstellen lassen.

Ich habe damals massiv auf meine Mama eingeredet, sie war völlig panisch "ich kann doch meinen Papa nicht in die Irrenanstalt bringen, in die Hoppla, weisst Du, was die da mit Menschen wie ihm machen?!?!" uralte Klischees und Ängste kamen da hoch - im Nachhinein war sie dankbar dafür, wir hätten das schon viel eher machen sollen.

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Mein Bruder wohnt gegenüber von einem Altenheim. Er erzählt auch öfters von schreien aber nicht jeden Tag und nicht durchgehend. Ich glaube daher nicht das es unbedingt normal ist. Sicher wirst du hier einige Fachleute finden die sich damit auskennen. Ich wünsche dir bis dahin starke Nerven. Ich würde das ehrlich gesagt auch nicht so einfach weg stecken wenn ich dauernd damit konfrontiert werde.

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Hallo,
ich bin seit vielen Jahren Altenpflegerin und auch ganz speziell auf einem Demenzbereich tätig.

Zunächst einmal: kein Geld der Welt ist es wert, die große Verantwortung für einen solchen Menschen zu übernehmen. Die Belastung, 24 Stunden rund um die Uhr für diese Menschen zuständig zu sein, ist unermesslich hoch.
Es gibt sehr viele Gründe, wie schlechtes Gewissen, sich nicht abgrenzen zu können, Mitleid, Liebe , warum Menschen (wieder) zuhause gepflegt werden.

Trotzdem ist dieser Zustand natürlich bedenklich.
"Der Schrei nach Aufmerksamkeit" kann es natürlich sein, aber es kommen auch Gründe wie Schmerzen, verdrängte Traumata usw. usw. in Frage.
Manchmal gibt es ganz viel Aufmerksamkeit, aber der Betroffene nimmt diese nicht oder falsch wahr...

Aber: die gute Frau leidet vermutlich selber unter diesem Zustand, denn Unruhe, Verzweiflung, Angst äußern sich dort vielleicht.
Den Angehörgen wird die Situation zusätzlich vielleicht peinlich sein....

Und ja: ich bin eigentlich Gegner von Medikamenten, aber es kann eine Hilfe für alle Beteiligten sein, um erstmal den Druck aus der Situation zu nehmen.
Dafür bedarf es allerdings Freund/ Nachbarn, die die Familie an die Hand nehmen und fragen, ob sie helfen können und einen Arzt, der entsprechend hinzugezogen wird.
Machmal hift auch nur ein Kurzaufenetahlt in der Psychiatrie, um die Menschen mit Hilfe von Medikamenten vernünftig einzustellen. Das bedeutet nicht, dass die Betroffenen nur noch vor sich hindämmern....

Schwierig, aber sicher nicht unlösbar.


Lg

Katja

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Hallo.
Wir wohnen neben einem großen Altenheim.
Hier hört man auch oft eine oder zwei ältere Damen schreien.
Meistens rufen sie hallo.
Da ich dort mal gearbeitet habe, weiß ich um wen es sich handelt.
Allerdings ist es nicht den ganzen Tag und nicht jeden Tag!
Bitte unbedingt mal hin gehen und nach fragen.
Der Dame scheint es nicht gut zu gehen..

Liebe Grüße

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Hallo, ich leite eine Tagesstätte mit Schwerpunkt Demenz. Ich habe 2 Damen die rufen permanent Hilfe Hilfe. Die Polizei war schon öfter da, weil Passanten sich Sorgen machten. Es gehört zu diesem Krankheitsbild und ist wirklich zermürbend. Mangelnde Aufmerksamkeit kann ich zumindest bei unseren Damen nicht attestieren da sie stets von meinen Mitarbeitern betreut werden. Das hindert sie nicht daran um Hilfe zu rufen.

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Du wirst nichts machen können. Wenn Du direkt nebenan wohnen würdest, könntest Du, ganz vorsichtig, die Familie ansprechen, direkt aushalten würde ich das auch kaum auf Dauer. Aber das tust Du ja nicht.
Ich kenne das, besuche in dem Altenheim, in dem meine Tochter wohnt, ab und an einen alten Herrn - dort schreit eine demente Frau auch viel, wir gehen dann immer in einen anderen Bereich.
Mal sehen, wie lange die Familie die Frau versorgen kann, Demenz ist ein 24 Stunden -Vollzeitjob und das oft nicht nur für eine Person.
Ich glaube nicht, dass Dir die Frau leidtun muss, sie lebt in ihrer eigenen Welt, zu der manchmal niemand mehr Zugang hat. Die Familie ist nicht zu beneiden, eine sehr gute Bekannte versorgt auch ihre Mutter.....noch geht's......LG Moni

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"Du wirst nichts machen können"

Unsinn.

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Aber weiss man denn, ob es der Dame in ihrer jetzigen Betreuung gut geht? Es ist doch nur eine Vermutung. :-( Würde ein Kind so schreien würden wir doch auch was tun.

Mein ehemaliger Vermieter hatte auch seine an Demenz erkrankte Mutter im Haus. Er ließ sie tagsüber allein und wir hörten sie oft nach ihm rufen. Eines nachts ist sie aus dem Haus und hat sich im stockfinsteren Garten verlaufen. Wir und die anderen drei Parteien im Haus wurden um halb vier geweckt, weil die alte Dame völlig verzweifelt im Hilfe schrie. Es war wie im Horrorfilm - ich hatte von diesem Kreischen Albträume. Ich habe die Polizei angerufen, mein Mann ist runter um sie zu suchen.
Ihr Sohn war in der Nacht nicht Zuhause sondern bei seiner Freundin. Seine Mutter ging einige Tage später in eine Einrichtung.

LG
Muriel 🐇

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Ich würde mich umgehend an den sozialpsychiatrischen oder allgemeinen sozialen Dienst der Stadt wenden! Die können dann mal rausfahren, nach dem rechten sehen und Hilfen anbieten.

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Hallo.

Danke für eure vielen verständnisvollen Antworten.

Wir sind hier in eine alt eingesessene Nachbarschaft gezogen, in der man sich gegenseitig kümmert, Jeder kennt Jeden. Der Nachbar, den ich erwähnte, besucht sie gelegentlich. Manchmal sitzt die schreiende Dame im Garten, es ist auch eine Pflegekraft anwesend (Umfang weiß ich nicht). Im Haus sind noch Wohnungen zu vermieten, da wird Interessenten gesagt, dass es zu Lärmbelastung kommen kann. Das dürfte auch vertraglich geregelt sein. Das weiß ich, da sich mal eine Bekannte über zwei Ecken für eine der Wohnungen interessierte. Damals interessierte mich bereits die mietrechtliche Seite.

Also irgendwelche öffentlichen Stellen zu informieren halte ich für aussichtslos. Die Dame ist ja nicht verwahrlost, sie fristet ihr Dasein in Wohnung und Garten, wird versorgt und schreit halt, was laut Google eine häufige Begleiterscheinung von Demenz ist. Ich denke nicht, dass da nach einer Meldung etwas anders laufen würde.

Auch über den Lärm Beschwerde zu führen, halte ich bei Eigentum (Freunde) für aussichtslos, bzw irrsinnig, denn was soll man denn tun? Bevor man etwas erreichen könnte, ist sie vermutlich eh gestorben.

Mein Kopfkino führt mich aber auch an andere Stellen. Wie schrecklich so etwas ist, stellt euch vor, ihr seid alt und liegt im Heim und ein Zimmernachbar schreit andauernd so? Alles, alles ganz furchtbar. Gestern war aber auch ein sehr extremer Tag, da hat sie bereits vormittags in einer bisher nie erreichten Frenquenz permanent über 3 Stunden geschrien und wir mussten im Vorgarten arbeiten, sodass wir es die ganze Zeit anhören mussten. Das hat mich gestern sehr ausgewühlt.

LG

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Meine Mutter ist fortgeschritten dement und schreit nie. Sie zetert vielleicht mal oder ruft aus dem Fenster (selten, wenn sie jemanden sucht oder erwartet), aber richtiges Schreien habe ich noch nie von ihr vernommen.
Sie ist aber fast lückenlos von Familienangehörigen und freiwilligen Helfern betreut und sehr selten alleine.

Für mich hört sich das so an, als sei die alte Dame entweder viel alleine, denn wäre jemand dort, würde sie eher nicht schreien... oder sie behandeln sie schlecht? Schwierig zu sagen, aber ich würde mich an eine Organisation wie Alzheimer Hilfe oder Das Rote Kreuz wenden und nachfragen, was man tun könnte, um die Pflegesituation und den Zustand der Dame zu überprüfen.

Vollzeitpflege eines Dementen ist nervenaufreibend und anstrengend, da sind nicht viele Menschen für gemacht und man muss teilweise sehr einfühlsam sein, das können auf Dauer sowieso die wenigsten. Vielleicht sind ihre Angehörigen total überfordert?

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Sorry, aber dann kennst du dich nicht aus! Demente Leute schreien auch durchaus, wenn sie in Gesellschaft sind!

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Wie genau demente Menschen reagieren, ist unterschiedlich.
Vielleicht hat diese Dame in ihrem Leben ein Trauma erlitten und erlebt das jetzt immer wieder.

Gerade die Generation, die den Krieg miterlebt hat, hat häufig verdrängte Erinnerungen an sehr belastende Situationen, die zum Vorschein kommen, wenn der Kopf nicht mehr richtig funktioniert.
Der Opa meines Mannes ist mal operiert worden, weswegen er durch den Wind war und hat dann die Pflegekräfte angegriffen, weil er dachte, sie seien feindliche Russen. Er hat geglaubt, sein letztes Stündlein hätte geschlagen, als die ihn festgehalten haben.

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