Toxische Familie?!

Hallo zusammen

Würde hier gerne mal neutrale Meinungen hören.

Ganz kurz zur meiner Geschichte. Es geht um meine Familie. Ich bin die älteste von drei Geschwistern, mein Bruder ist 1.5 Jahre jünger und dann habe ich noch einen Bruder der knapp zehn Jahre jünger ist. Dieser ist jetzt 23. Trennung der Eltern als ich 14/15 Jahre alt war.

So, nach Trennung Depression der Mutter. Verwahrlosung des Haushalts. Depression wurde nicht therapiert.

Zu mir: Hatte dann selbst mit Depressionen zu kämpfen gepaart mit selbstverletzendem Handeln (Ritzen) und Essstörungen. Bekam das aber ziemlich gut in den Griff. Habe dann auch mit 19 meinen jetzigen Ehemann kennengelernt und mittlerweile drei kleine Kinder. Bin jetzt 32.

Meine Brüder haben beide Suizidversuche hinter sich, Depressionen, PC-sucht (jüngste) Kiffen (auch der Jüngste). Der jüngste wohnt noch zu Hause, arbeitet nun 50% in Betrieb meines Vaters. Mehr geht nicht. Er ist kaum belastbar und hat Konzentrationsstörungen.

Bei uns wurde nie über Probleme gesprochen. Nie. Es wurde geschwiegen. Generell ist die Familieninterne Kommunikation sehr sehr schwierig. Man überlegt viermal ob und wie etwas gesagt wird. Aussagen werden einem im Mund verdreht und noch Jahre später vorgehalten. Viele Dinge blieben ungesagt. Nach dem Suizidversuch des älteren Bruders wurde weiergemacht wie wenn nichts gewesen wäre. Meine Bitten für Aussprachen und Aufarbeitung wurden immer ignoriert und abgewehrt. So kam es öfters zum Eklat vorallem aus meiner Seite nach Alkoholkonsum und dann sprudelt alles aus mir raus dies vorallem so mit 20/22. Ungefiltert. Dies führt dazu dass ich zum Störenfried der Familie erklärt wurde.

Nun zum aktuellen Fall. An einem Konzert letzte Woche kam mein Bruder (der Jüngste) zu mir und entschuldigte sich (nochmals) für Dinge die er mir vor 1.5 Jahren stark alkoholisiert und verwirrt an den Kopf warf. Daraufhin gestand ich ihm dass unsere Mutter mich nach seinem
Ausbruch übelst beschimpft hatte mit massiven Vorwürfen. Wenn ich konkrete Beispiele verlangte konnten keine genannt werden und dass mich ihre Anschuldigungen sehr verletzt hatten. Daraufhin wurde er wütend und beschuldigte mich erneut ich würde Unruhe stiften. Er hat das danach meiner Mutter erzählt und jetzt steht das wieder im Raum, ich bin schuld (weiss aber gar nicht recht an was?) aber drüber sprechen möchte niemand und es macht mich einfach nur fertig. Ich kann leider nicht noch mehr ins Detail gehen das würde den Rahmen sprengen, ist jetzt schon lang geworden.

Jedenfalls habe ich im Internet nun über toxische Familien gelesen und das trifft den Nagel auf den Kopf.

Ich Frage mich nun ob ich sogar der toxische Part bin... keine Ahnung. Denke nun über Kontaktabbruch nach...ich habe mein Leben sonst im Griff und auch ein intaktes soziales Umfeld...aber bei der Familie...da kommt es immer wieder zum Eklat:-(

Kann mir jemand vielleicht von seinen Erfahrungen berichten? Ich bin offen für Meinungen und Anregungen...ich weiss nicht wie ich nun weitermachen soll...

Danke!

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Hi

Es gibt Leute, die für Gespräche offen sind, und solche, die noch Zeit brauchen. Deine Familie ist der irrigen Meinung, dass man etwas totschweigen kann.

Nun, ich würde mal sagen, dein kleiner Bruder wird noch reden - ist aber jetzt einfach noch zu jung.

Weiter denke ich, dass du - alkoholisiert - kein Wunsch-Gesprächspartner bist. Daher verstehe ich, wenn Anwürfe deinerseits dann total verkehrt einfahren. Aber gut, du willst das aufarbeiten. Das finde ich gut.

Nur, zwingen kannst du keinen. Auf die Entschuldigung des Bruders hin wäre ein "ist okay, danke" wohl besser gewesen als wieder auf Fehler der Eltern zurückzukommen. Er meint, diese vor dir beschützen zu müssen.

geh zu dem Bruder hin, der versuchte sich umzubringen und sag ihm, wie sehr du froh bist, dass es nicht gelungen ist. Und ob er reden wolle. Das sdu wissen wollest, was der Grund war... Vlt. bewirkt es was.

Meine Schwester hat bis jetzt (sie ist 45) nie über unsere Vergangenheit reden wollen. Nie. Unser Adoptivvater war ihr Vater. Meine Nichten wussten noch nicht mal, dass wir einen andern Vater (und sie einen wetieren Opa) haben. Sie wollte nie von Missständen gewusst haben, meint, sie wäre wohl zu viel unterwegs gewesen, um was mitzubekommen. Das war fast witzig - in der ganzen Tragik - den bei der ersten Scheidung waren wir Kinder, bei der zweiten dann junge Tenager :-). Da ist man nicht soo viel unterwegs.

Aber jetzt kam der Moment, wo sie wie aus heiterem Himmel bei einem Spaziergang zu reden begann - wissen wollte was ich über unseren Vater weiss (ich bin die jüngere, ohne aktive Erinnerung an die Zeit, habe aber den Kontakt wieder aufgebaut). Plötzlich brach es aus ihr heraus.
Da wollte ich Jahrelang was aufarbeiten und sie blockte - und jetzt beschäftigt es sie.

Du siehst, es gibt halt bei allen verschiedene Zeitpunkte. Während ich schon lange drüber weg bin und grosse Schritte in Richtung Verzeihen machen konnte, konnte sie es gut verdrängen, einigermassen gut leben -und ist jetzt in der Phase.

Ist halt so.

Für die Mutter auch schwer - ich habe sie als Kind annähernd gehasst - nun beginnt meine Schwester als Erwachsene, ihr Vorhaltungen zu machen... Nun ja.

Daher mein Tipp. Sei offen, weiterhin. Aber dränge keinen. Selbst als ich mitten in einer Gesprächstherapie als Kind (!) Hilfe gebraucht hätte um Erinnerungne zu aktivieren.... war halt keiner Bereit. Wurde verdrängt. Oder halt gelogen.
Aber zwingen kann man keinen.

Nur weisst du- als Erwachsene darf man nicht mehr hassen, finde ich. Da hat man gelernt, wie man mit Problemen umgehen kann. Und wenn du die Familie als toxisch empfindest, dann halte dich so weit raus wie es halt geht.

Sie werden kommen...

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Vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag. Höre bei dir auch eine sehr tragische Familiengeschichte raus.

Du hast mir neue Ansichtspunkte aufgezeigt. Werde mir darüber Gedanken machen - vielen Dank. Ich bin allein für meinen inneren Frieden verantwortlich...das weiss ich. Aber diesen zu finden, finde ich wahnsinnig schwierig🙈

Alles Gute Dir

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Hey,
ich kenne das sehr gut. Brenzlige Themen totschweigen, verdrängen und so tun als wäre nix. Genau diese Strategie führt zur Depressionen. Wenn man das anspricht, bekommt man nur: "Wieso suchst du schon wieder Streit? Du, du du..."
Dabei will man bloß die Luft, die man schon fast schneiden könnte, bereinigen.
Kann mich nur dem Vorredner/rin anschließen: bleib offen aber dränge keinen zur Aussprache. Es braucht seine Zeit. Wenn sie blocken wirst du sie nicht erreichen und dir nur den Kopf blutig schlagen. Ziehe den Schuld-Schuh nicht an, lass die Beschimpfungen in dir keine Wurzel schlagen. Fokussiere dich auf dein stabiles Umfeld - das sind Menschen, die dich so lieben wie du bist.
Das Wichtigste für dich ist, daß du das aufarbeitest was dich belastet. Dabei muss man sich mit Dingen abfinden, auf die man selbst keinen Einfluss hat. Aber was du ändern kannst - ist deine eigene Sicht.
Bin selbst seit Jahren dabei und merke je mehr ich zu mir finde, desto besser wirkt sich das auf meine Familie aus und sie fangen von allein sich mit den Lasten der Vergangenheit zu beschäftigen.
Es gibt nämlich nicht nur den Teufelskreis, sondern auch den Engelskreis. Die eine gute Sache zieht eine weitere mit sich nach usw.
Wünsche dir ganz viel Selbstvertrauen und alles Liebe :-)

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vielen lieben Dank für deine Antwort. Du hast genau erfasst wie es bei uns läuft oder zumindest wie ich das Ganze empfinde...natürlich zweifle ich oft auch an meiner eigenen Wahrnehmung. Du hast recht, möchte jemand nicht reden oder sich den Problemen stellen oder erkennt evt. die Probleme nicht mal - dann kann man die Person auch nicht dazu drängen. Ich werde also nicht ein Gespräch "einfordern". Habe mir überlegt einen Brief zu schreiben, zu erklären dass mich das Gespräch von damals sehr verletzt hat, die Vorwürfe etc. Es mir leid tut, dass es nun so rauskam...ich aber nicht gute Miene zum Bösen Spiel machen werde und wir uns vorerst etwas zurück ziehen werden. Für ein klärendes Gespräch wäre ich aber gerne bereit, bei Bedarf.

Was meinst Du dazu? Ich kann einfach nicht mehr so weitermachen...das ging schon so oft so...bis zur nächsten Katastrophe.

Nochmals Danke für deinen Beitrag!

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Mit Briefen konnte ich tatsächlich viel erreichen. Erstens kanalisierst und richtest du deine Emotionen an die dafür zuständige Adresse (das entlastet enorm)
Zweitens schützt du damit deine eigene Familie, weil du deine Geschichte nicht an ihnen auslässt.
Und drittens ist ein Brief nicht so aufdringlich wie ein Gespräch und du wirst dabei nicht unterbrochen.
Schreibe bitte nur nicht aus einer negativen Emotion heraus (aus Frust, Wut...), sondern am besten in einem Moment wo du dich in deiner Mitte fühlst. Dann bleibst du vorwurfslos und nicht verletzend. (Ich schreibe meist spät Abends und schlafe noch mal drüber nach)
Wenn du deinen Fokus darauf richtest, daß du für ein besseres Miteinander kämpfst - kommen die "richtigen" Worte, die mit Herz und Liebe geschrieben sind. Versuche nicht in die Rechtfertigungs-, Belehrende- oder Vorwurfsschiene abzurutschen. "Ich-Sätze" statt "Du" - so fühlt sich keiner angegriffen.
Wenn du verstehst warum die so ticken wie die ticken, nimmst du ihre Anschuldigungen nicht mehr persönlich und kannst verzeihen. Das ist dein Ticket in die Freiheit. Kein Kommentar kann dich kränken, weil du selbst weist wie liebenswert du bist.
...freue mich sehr, wenn die paar Sätze dir irgendwie nützlich sein können.
Ich hab mich immer gegen den Kontaktabbruch geweigert - das ist der einfachste, aber nicht der beste Weg (zumindest für mich).
Die Liebe ist die stärkste Kraft, die alles ermöglicht und vor nix Halt macht. Ich bin in keiner Kirche, aber ich glaube an die Liebe.

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Ehrliche Meinung?
Dieses Verhalten der Familie wird sich niemals ändern nur du kannst dein Verhalten ändern.
Ich würde den Kontakt auf ein Minimal reduzieren, denn was dir nicht gut tut, tut deinen Kindern und Mann auch nicht gut. Du kannst nur ein gutes Beispiel für deine kleine Familie sein, für die anderen würde ich keine Verantwortung tragen wollen und mir den Kopf zerbrechen, wer wann was falsches gesagt hat.

lisa

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Vielen Dank für deine Meinung. Mein Mann ist auch dafür den Kontakt auf ein Minimum zu reduzieren. Ich denke das wird der nächste Schritt sein.

Vielen Dank und liebe Grüsse