Wieso kann ich mein Kind nicht lieben?

Hallo,

ich bin vor knapp 4 Monaten Mutter einer Tochter geworden. Ich bin 17 und wohne mit ihr im Mutter-Kind-Heim. Die Schwangerschaft war ungeplant. Der Vater wollte sie nicht. Ich wollte eigentlich eine Abtreibung, konnte es dann aber nicht. Ich habe davor bei meinem Vater gelebt, der ebenfalls für eine Abtreibung war. Meine Mutter, bei der ich, bis ich 12 war gewohnt habe, hat den Kontakt vor 3 Jahren abgebrochen. Es sind viele Dinge vorgefallen, die ihren Lebensgefährten betreffen. Aber das ist eine andere Baustelle.
Es geht mir darum, dass ich überhaupt keine Gefühle für meine Tochter empfinde. Ich füttere sie, ich wickel sie, ich bade sie und versorge sie so gut es geht. Aber ich bin froh wenn sie schläft und ich sie nicht um mich haben muss. Ich weiß das hört sich furchtbar an und ich fühle mich auch furchtbar, kann es aber nicht abstellen.

Mein Leben ist gerade eine Katastrophe. Ich wollte nächstes Jahr mein Abitur machen und dann mein Studium beginnen. Stattdessen sitze ich hier in diesem Heim mit all den gescheiterten Existenzen und heule jeden Tag. Ich hab niemanden, bis auf die Sozialarbeiterin und die Hebamme. Aber die sind kein Familienersatz.
Dabei hab ich mich die letzen Wochen der Schwangerschaft wirklich auf mein Kind gefreut. Aber mit der Geburt fing dann alles an. Ich wollte einen Kaiserschnitt, aber meine Hebamme hat immer wieder auf eine natürliche Geburt gedrängt. Es war einfach furchtbar und ich muss schon heulen, wenn ich nur daran denke. Ich hatte einen Klitorisriss, der nur sehr schwer verheilt und sehr schmerzhaft ist. Ich stand nach der Geburt unter Schock und konnte und wollte meine Tochter nicht sehen. Ich hatte niemanden, der zu mir stand. Mein Vater hat mich im KH nicht besucht. Erst 2 Wochen später, ist er vorbeigekommen. Und auch jetzt ist der Kontakt eher sperrlich. Das Schuljahr muss ich wiederholen, weil ich zuviele Fehlzeiten hatte. Aber ich weiß gar nicht wie ich das schaffen soll. Das Schulleben scheint mir so weit weg und ich weiß auch nicht was das alles noch bringen soll. Mein Leben erscheint mir im Augenblick so kaputt. Manchmal denke ich, ich hätte abtreiben sollen. Es wäre besser für meine Tochter gewesen, denn sie hat es verdient geliebt zu werden. Und es wäre besser für mich gewesen, dann hätte ich mein Leben so weiterleben können.
Ich bin wirklich verzweifelt und weiß nicht was ich machen soll.

Ganz traurige Grüße
lalka

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hallo.

deine gefühle sind zu einem großen teil völlig normal!
du bist 17 … hast ungeplant ein kind ausgetragen, hattest eine beschissene geburt … ich persönlich sehe da jetzt auch keine gründe, freudig durch die Welt zu springen und das kind zu herzen und zu knuddeln.

ich könnte mir auch gut vorstellen, das du dich grad mitten im babyblues befindest. eine art Depression, die viele Mütter nach einer Geburt ereilt. ich möchte dir raten, darüber mit deiner Hebamme zu sprechen. vielleicht sogar einen Termin bei einem Psychologen zu machen. es kann dir geholfen werden. du musst es nur ansprechen. niemand kann dir in den kopf schauen.

du bist eine gute Mutter … auch wenn du es selber im moment nicht glaubst! du hast deiner Tochter das leben geschenkt. du versorgst deine Tochter. du hättest seit dem Zeitpunkt der Empfängnis andere … schlechtere Entscheidungen treffen können. HAST DU ABER NICHT und das macht dich zu einer guten Mutter!

du schreibst, das du dich im heim nicht wirklich wohl fühlst … aber du bist wenigstens nicht allein. klar ist das heim kein familienersatz. aber mal ehrlich, was hattest du denn vorher für eine Familie, in der dir jeder eine Abtreibung einreden wollte? so toll wird diese Familie also wohl kaum gewesen sein. such dir freunde. andere Mütter mit Kindern. geh vor die tür. sei stolz auf deine Tochter. überwinde das tief, in dem du dich befindest. tausch dich aus, du wirst sehen, du bist nicht die einzige Mutter, die glaubt, keine Gefühle für ihr kind zu haben!

dein leben kommt in Ordnung … schritt für schritt und mit deiner kleinen Tochter!
du kannst mich gern persönlich ansprechen, wenn du dich weiter austauschen möchtest.

alles liebe für dich.
a.

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Hi Lalka!
Ich glaube du bist, sicherlich auch durch die Hormone und deine Familiengeschichte etwas arg durcheinander. Möglicherweise steckst du auch in Wochenbettdepris drinnen was gut möglich ist. Ein wenig klingt es mir danach. Hast du mit deiner Hebamme mal darüber gesprochen? Denn ein Stück weit finde ich mich wieder in der Geschichte von dir. Mein Kind ist jetzt 9 Jahre alt ( ich liebe es bedingungslos) und damals lief auch alles durcheinander. Und mein Sohn war geplant, ich hatte ein wenig Hilfe, mein Mann nahm auch mal das Kind. Trotzdem ist nicht alles so gelaufen wie erhofft. Und ich habe auch eine Zeit gebraucht bis es besser lief. Und so ein Wurm, egal wie problemlos er ist verändert dein Leben doch gewaltig!

Ela#liebdrueck

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hi,

mein erster sohn war absolut geplant und heiß ersehnt. aber die geburt war der horror und es endete im not-ks. ich hatte wochenlang probleme, ihn anzunehmen. ich habe ihn versorgt, gestillt---und geheult. 3 wochen lang habe ich quasi durchgeflennt und ich war glücklich verheiratet, finanziell abgesichert, job etc. ich HÄTTE eigentlich überglücklich sein müssen.....aber ich hatte dauerhaft ein schlechtes gewissen meinem sohn gegenüber. nach ein paar wochen ging es dann, aber nach einem halben jahr bin ich wieder arbeiten gegangen, zwar nur 12 stunden die woche, aber ich musste RAUS! als ich arbeiten war, habe ich dann immer an meinen sohn gedacht und was ich alles verpasse--total verrückt.

was ich sagen will--mir hat es geholfen viel an die frische luft zu gehen, ich war oft stundenlang mit dem kleinen spazieren. und setz dich nicht unter druck! hormone sind fies und setzen einem oft zu. bei meinen anderen kindern hatte ich so gefühle übrigens nicht, kurz einen babyblues und das war es.

wenn es nicht besser wird, frag deine hebamme--sie weiß bestimmt einen rat.

alles gute #liebdrueck

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Nachdem was in den letzen Jahren alles so schief gelaufen ist in deinem Leben ist es kein Wunder, daß du mit der augenblicklichen situation überfordert bist.

Ist es nun wirklich ganz wichtig, daß du darüber sprichst. wende dich an die Sozialarbeiter im haus oder geh nochmal extren in eine beratungsstelle (pro familia z.b.)
schaut genau hin, wo es im moment fehlt.

Ist das eine Wochenbettdepression, bist du einfach überfordert und brauchst mehr Unterstützung? Wie sieht deine perspektive aus? wo brauchst du da noch Hilfe? usw.
oder ist es wirklich so, daß du im Moment das kind nicht ausreichend betreuen kannst.
auch dafür wäre es wichtig nach möglichen Lösungen zu schauen.
Vielleicht gibt es ja da möglichkeiten, mit denen du dich anfreunden kannst.
wichtig ist aber eben nun, daß du deine sorgen und ängste, deine gefühle nach außen trägst und dir hilfe holst.

LG

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Ich denke du hast keine Gefühle, weil dir die ersten Momente mit deinem Kind einfach fehlen. Du schreibst, du konntest und wolltest dein Kind zunächst nicht einmal sehen. Ich denke, das war für euch beide nicht gerade förderlich. Mit meinem Großen hatte ich das Problem auch. Meine Hebamme hat mir dann geraten das Bonding unbedingt nachzuholen. Viel direkter Körperkontakt ist dabei wichtig. Das hat geholfen.

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Du machst dir Gedanken um Dein Kind, du empfindest also durchaus etwas für dein Kind.
Ich glaube es kommt bei Dir im Moment einfach viel zusammen. Das würde die stärkste Frau umhauen, glaub mir das.
Die ersten Monate mit Baby sind für viele sehr hart, und leider sprechen nicht viele darüber das nicht alles prima ist, sondern das man sich in einem ständigen Zustand der Überforderung befindet. Viele Mütter wünschen sich ihr altes Leben zurück. Aber diese Zeit geht vorbei. Auch die Liebe zum Kind ist bei manchen einfach nicht ab Tag eins da.

Als mein erster Sohn per Not KS zur Welt kam, war ich monatelang nur mit mir beschäftigt, denn diese OP war für mich der Horror. Es hat wirklich lange gedauert bis ich Freude an meinem Kind empfinden konnte und ich denke rückblickend das ich eine Wochenbettdepression hatte. Ich habe , wie du, das Kind versorgt und mich gekümmert, aber echte Freude, Liebe (das man denkt einem platzt das Herz ) - das kam erst als der Kleine ca. 1 Jahr alt war.

Bei meinem zweiten Kind hats mich dann nach der Geburt umgehauen. Ich wollte nicht mehr, und ich war drauf und dran meinen Mann und die Kinder zu verlassen - ich dachte sie wären besser ohne mich dran, da ich eh nichts auf die Reihe bekam.
Ich zog die Notbremse und ging in die Mutter-Kind Ambulanz der psychatrischen Klinik. Mir wurden dort mehrere Wege aufgezeigt mir Hilfe zu suchen. Ich entschied mich dafür zu Hause zu bleiben und es mit einer ambulanten Therapie, sowie Unterstützung einer Haushaltshilfe zu versuchen. Heute, nach einem Jahr , geht es mir auf jeden Fall viel besser, mein Zustand ist mit dem damaligen garnicht zu vergleichen.

Deine Tochter und Du könnt es schaffen- mit Zeit und Geduld, sowie mit Hilfe! Es scheint im Moment alles unmöglich, ich kann das nachvollziehen. Du hast schon eine Hebamme und eine Sozialpädagogin an der Seite, denen du dich sicher anvertrauen kannst. Für die Schulzeit muss eine Betreuung für die Kleine gefunden werden. Die nächsten Jahre werden bestimmt nicht immer einfach, aber du wirst sehen:Ein Schritt nach dem anderen...und es geht immer weiter.

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Hallo,

als allererstes würde ich mich der Hebamme und der Sozialarbeiterin anvertrauen - sie sind für Dich da und können Dir sicher sagen, welche Möglichkeiten es in der Umgebung gibt, sie kennen Dich schon ein paar Monate (ich nehme an, Du wohnst mindestens seit der Geburt des Kindes dort?) und können vermutlich besser als wir einordnen, ob Du an dem Entschluss zweifelst, das Kind behalten zu wollen, weil Du Dich noch nicht reif für die Mutterrolle fühlst oder ob sogar eine beginnende Depression dahinter stecken könnte. Auch sowas kann nach einer Geburt vorkommen und dann bräuchtest Du ärztliche Hilfe.

Wie läuft denn der Alltag? Gab es bereits ein Hilfeplangespräch nach der Entbindung? Wie sehen die Ziele für die nächste Zeit aus bzw. was wurde im Hilfeplan vereinbart? Wie ist die Perspektive für Dich? Sollst Du in die Verselbstständigung, wieder zu den Eltern oder allein wohnen auf Dauer?

Allein Deine Worte zeugen jedoch davon, dass Du Dein Verhalten und Deine Gefühle reflektieren kannst - das ist gut, denn nur wenn Du Ängste und Befürchtungen und Gefühle auch äußern kannst, kannst Du Hilfe bekommen!

LG

a79

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Ich wurde ebenfalls ungeplant mit 17 Mutter,jedoch hatte ich eine unterstützende Familien und bin heute mit dem Vater von ihr Verheiratet
Du hast es nicht leicht und es wird auch nicht unbedingt leichter,das weißt du ja schon, aber geb nicht auf und verfolge deine Ziele,das ist unglaublich wichtig für dich und dein Kind!
Mach dein Abi und schaue das du studieren kannst bzw. einen guten Beruf erlernst
Sei deiner Tochter eine bessere Mutter als eine Eltern dir, glaub mir es wird sich lohnen
Ich tat mich am Anfang auch nicht leicht plötzlich Mutter zu sein aber jetzt,fast 17 Jahre später weiß ich das es sich gelohnt hat
Meine Tochter ist zu einem tollen Menschen heran gewachsen und auch meine Muttergefühle kamen nach einer Weile auf
Auch wenn du dein Leben nicht genau so wie vorher weiterleben kannst hast du trotzdem noch alles vor dir, du bist noch so Jung, du wirst einen tollen Mann (oder soll ich noch Jungen sagen? ;-) ) finden der dich unterstützt und auch dein Kind wird älter und pflegeleichter
Wie gesagt, geb nicht auf denn es wird sich für euch beide lohnen
In ein paar Jahren wirst du stolz auf das zurück schauen was du schon erreicht hast!

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Deine ersten paar Sätze treffen auf mich auch zu - allerdings im Jahr 1972, wo ein "uneheliches Kind" noch Stadtgespräch war und ein Affentheater ohnegleichen - samt fürchterlicher Jugendamtsmitarbeiter, die einen noch zusätzlich fertigmachten - ich weiß also schon, wie es Dir gerade geht.

Vertrau Dich bitte in dem Heim jemanden an, ich schätze mal, Du hast gerade eine richtige Depri - das bekommt man aber mit Hilfe wieder hin.
Du sorgst Dich sehr wohl um Dein Kind, aber Deine Psyche spielt gerade komplett verrückt - die Zukunfstängste kommen noch dazu.

Ich hab es irgendwann geschafft zu denken "wir zwei gegen den Rest der Welt, denen zeigen wir es" - und das hat auch geklappt, aber es war auch ein weiter Weg dorthin - Hilfe hatte ich garkeine, aber als ich wieder arbeiten ging nach 8 Wochen, das hat mir sehr geholfen.
Über Abtreibung brauchst Du nicht mehr nachdenken, das Thema ist ja durch - fertig.
Und Du wirst sicher noch eine ganz klasse Mama, wenn es Dir wieder besser geht.
Lass Dir im Heim helfen, dafür sind die da.
Ich wünsche euch beiden alles alles Liebe - ihr schafft das !!!!
Liebe Grüße von Moni