leben mit Pflegekind?

Es ist zwar lange noch nicht so weit, dass wir dieses Projekt in Angriff nehmen, aber, wenn wir finanziell auf eigenen Füßen stehen und der kleine aus dem gröbsten raus ist, wollen wir uns als Pflegefamilie zur Verfügung stellen.
Ich hab auch schon ein bisschen was deswegen gelesen.. rechtliche sachen hauptsächlich. Die menschlichen interessieren mich aber auch.

Meine frage gilt denen, die ein pflegekind haben. Wie geht/ging es euch?
Wie kommt das kind an?
Wie verhält es sich euch gegenüber?

Wie lang bleiben die kinder?
Wie geht's euch mit dem abschied und wie verbleibt ihr?
Wie ist die Beziehung zu euren leiblichen kindern?
Wer hilft euch?

Wie stark fühlt ihr euch unterstützt?

Meine Mutter hatte mal pflegekinder aus der nähe von tschernobyl aufgenommen. Das war sehr anstrengend... wir geschwister waren froh, als sie wieder weg waren #hicks
Meine Mutter hatte sie uns vorgezogen. Kein schönes Gefühl #contra
Später wohnten 2 austausschüler bei uns. Mit der einen stehe ich noch heute in kontakt. #pro

Wie geht/ging es euch mit euren pflegekindern?

LG uni #winke

1

Morgen,

Meine Oma hatte früher eine private Grosspflegestelle, in 30 Jahren über 600 Kinder, jeder Altersgruppe.

Manche blieben nur einen Tag, manche ihre komplette Kindheit und Jugend. Von diesen Langzeitkindern sagten einige auch "Mutti" zu ihr.

Meine Oma hat zwei leibliche Kinder. Ihr Sohn, mein Vater, der Erstgeborene. Er hat eher unter der Situation, nach eigenen Aussagen, gelitten. Weil er eben viel Zeit seiner Kindheit und Jugend in die alltäglichen Pflichten und Arbeiten involviert war. Er sagt selbst immer über seine Kindheit: "Ich hatte keine..."
Seine jüngere Schwester hatte es leichter. Leider weiß ich nicht allzuviel über sie zu berichten. Es gab oft Streitereien und Eifersucht. Mein Vater sagte mir mal, meine Oma hätte sie immer bevorzugt, hätte ihm sogar mal gesagt wie enttäuscht sie bei der ersten Geburt gewesen sei, das ein Junge geboren wurde. Kurzum: es besteht kein Kontakt zu meiner Tante, mein Dad untersagte mir früher den Kontakt zu seiner Schwester, die er "Ratte" nannte...
Aber gut, das war kurz abschweifend.

Was den Bezug zu den anderen Pflegekindern anging, kam es natürlich darauf an, wie lange sie Teil der "Familie" waren. An viele erinnere ich mich heute noch, weil sie über Jahre blieben und es beinahe wie Geschwister für mich waren. (Eine Zeitlang lebte ich selbst in dieser Grosspflegestelle, ca 2 Jahre).
Es war insgesamt familiärer als ein Heim, aber dennoch durchstrukturiert, mit festen Tagesabläufen, Regeln und Aufgaben, zweifelsohne war es unverkennbar, dass es eben eine Grosspflegestelle war.

Menschlich gesehen war es aber auch oft ein grosser Spass mit so vielen Kindern, meine Oma bemühte sich wirklich, jedem gerecht zu werden. Dabei wurde jedoch belohnt, wer sich verdient hatte, und gestraft, wer sich daneben benahm. Anders wäre es auch sicherlich nicht gegangen, sie hatte Nerven aus Stahl und Durchsetzungsvermögen. Konnte mütterlich sanft sein, aber auch hart durchgreifen...
Persönlich, durch die Erfahrung geprägt, könnte ich mir durchaus vorstellen, selbst ein Pflegekind aufzunehmen, hab es allerdings nicht vor. Doch was meine Oma hatte, wäre mir zu viel, sie und ihre Leistungen in Ehren - mein Ding wäre es nicht.

Alles Liebe
Bonnie

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Die Kinder, die in eine Pflegefamilie kommen, sind in den allermeisten Fällen traumatisiert, manche mehr, manche weniger.
Ein Pflegekind wird deshalb Eure ganze Kraft und Aufmerksamkeit brauchen, so dass es durchaus Probleme mit dem leiblichen Kind geben kann.
Es gibt Eltern, von denen einer seinen Job aufgibt, weil das Pflegekind eben alle Kraft braucht und ggfs. noch zu Therapien usw. gebracht werden muss.
Pflegekinder sind oftmals entwicklungsverzögert.

Solltet Ihr um der Kinder wegen ein Pflegekind aufnehmen wollen und bereit sein, alles zu geben, finde ich das i.O. und bewundernswert.
Mit dieser Einstellung hat man sicherlich auch nicht so ein Problem damit, dass das Kind irgendwann zur Herkunftsfamilie zurück geführt wird.

Solltet Ihr aber auf ein Kindersatz spekulieren, beispielsweise, weil Ihr kein weiteres Kind bekommen könnt, warum auch immer, halte ich das für sehr problematisch.

3

Oh. So habe ich das gar nicht gesehen! Darum also wandern manche Kinder von Pflegefamilie zu Pflegefamilie...

Danke dir für diesen Hinweis!

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Ja, viele unterschätzen die Traumatisierungen und kommen mit dem Kind nicht zurecht. Sie gehen mit den Nerven zu Fuß.
Wir haben übrigens diese Pflegeelternkurs vor ca. 4 Jahren absolviert, aber während des Kurse wurde uns bewußt, dass wir doch lieber die Finger davon lassen.
Was man vielleicht noch machen kann, ist Übergangspflege, aber für uns schien das zu unruhig, da Kinder kommen und Kinder gehen .... innhalb von Tagen.

5

Meine Schwiegereltern arbeiten als Pflegefamilie für das Jugendamt.

Sie arbeiten als Bereitschaftspflege und Kurzzeitpflegefamilie. Einen Jungen haben sie in Langzeitpflege, er lebt dort seit er neun Wochen alt war und bleibt dort 'für immer', das Sorgerecht würde den leiblichen Eltern entzogen, er nennt meine Schwiegereltern Mama und Papa und für meine Schwiegereltern ist er auch ihr Sohn. Er soll auch bald ihren Namen annehmen.

Meist bekommen meine Schwiegereltern junge Kinder, Säuglinge auch oft direkt aus dem Krankenhaus, manchmal Kindergartenkinder und noch seltener Grundschulkinder.

Umso jünger die Kinder sind, umso schneller sind sie wieder weg, es gibt viele Langzeitplätze die auf so kleine Kinder warten um ihnen ein Zuhause zu geben.

Die Säuglinge die sie aus dem Krankenhaus bekommt wurden der Mutter meist nach der Geburt weggenommen und haben einen Drogenentzug hinter sich oder die Mütter leben in einer Psychatrie etc

Die älteren Kinder haben ganz oft Gwalt, Missbrauch, Vernachlässigung hinter sich, manche kommen von Messieltern, haben Probleme Nahrung zu sich zu nehmen weil sie zuhause nur gammeliges bekommen haben.

Meine Schwiegereltern sind da schon sehr abgehärtet, die haben in den Jahren schon schlimmes erlebt mit diesen Kindern. Sie haben aber auch Ansprechpartner beim Jugendamt, es gibt dort verschiedene Angebote für Schwiegereltern.

Das älteste leibliche Kind meiner Schwiegeltern ist siebzehn Jahre alt und es gibt da auch keine Probleme, die meisten Kinder machen dort ja nur eine Weile 'Urlaub' sagt sie.
Bis auf der eine, aber der bleibt und ist ein fester Bestandteil der Familie und so wird er auch behandelt.

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Hallo!
Es gibt hier einen Club. Meld dich da mal an.

Wir selber sind Pflegefamilie. Viele deiner Fragen hängen signifikant von der Arbeitsweise deines Jugendamtes ab. Unseres hier ist sehr gut. Aber das ist leider nicht immer der Fall.
Es gibt grundsätzlich verschiedene Pflegefamilien. Bereitschaftspflege - da kommt ein Anruf vom JA das in einer halben Stunde das Kind vor der Tür steht, gebracht von z.T. Polizei oder JA aus akutester Kindeswohlgefährdung. Der Zustand des Kindes ist meist schlimm ( Gewalt, Vernachlässigung,...). Dann gibt es Kurzzeitpflege. Für eine bestimmte, kurze Zeit z.B. Während eines Klinikaufenthaltes der leiblichen Eltern,... Dauer meist unter einem Jahr. Und dann gibt es Dauerpflege. Das bedeutet bis zur Selbständigkeit des Kind des oder zum Erwachsenenalter.

Viele der Kinder sind traumatisiert. Einige waren im Mutterleib Drogen bzw. Alkohol abhängig und mussten bereits als Neugeborene einen Entzug machen. Alkohol ist schwer schädigend- ein Leben lang. Als Stichwort Fetales Alkoholsyndrom.

Kauf dir das Buch von Nienstedt und Westermann über Pflegekinder. Damit kann man lernen warum Pflegekinder z. B. Übertragungsbeziehungen brauchen,... Warum anfangs wider Erwarten meist alles sehr gut läuft und erst irgendwann später die echten Herausforderungen beginnen.

Besonders belastend sind häufig die Kontakte zur Herkunftsfamilie fürs KInd. Wer will schon gerne dem gegenüber sitzen der einen fast hat verhungern lassen, gequält hat o.ä. Für Kinder gibt es keine Lobby. Die müssen Dinge aushalten, die keine missbrauchte Frau aushalten müsste. Das ist leider bittere Realität wie man z.B. Im Fall Yagmur wieder sieht.

Und die allermeisten Pflegeeltern erleben, dass zumindest einer seinen Job aufgeben muss um dieser Herausforderung gerecht zu werden. Wer schafft es sonst all die Therapietermine, Besuchskontakte, Jugendamttermine, Weiterbildungen,... Unter zu bringen?

Lg, eva

7

Ich habe mir das ehrlich gesagt so vorgestellt, dass wir einem zusätzlichem kind einfach eine zeit lang eine natürliche familienumgebung bieten und es sich erholen kann.
Ich habe selbst für einige jahre im heim gelebt und da das bild erhalten, dass die meisten kinder einfach renitent sind... allerdings wurde uns dort auch immer wieder gesagt, dass WIR am heimaufenthalt schuld waren. Wir waren täter, keine opfer - deswegen erfuhr ich auch erst mit 17, was kindeswohlgefärdung ist.

Wie verdient man als pflegefamilie sein geld, wenn man wegen des pflegekindes nicht mehr arbeiten kann?

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Einer muss das Familieneinkommen sichern. Aber das zweite fehlende Einkommen wird nicht durchs Geld ausgeglichen, dass du vom JA bekommst. Du bekommst zwar einen Betrag fürs Kind, aber der ist real berechnet was Kinder aktuell verbrauchen (Lebensmittel, Wohnung, Auto,...) Und Du bekommst eine Art Aufwandsentschädigung für den Erziehungsaufwand ca 250 Euro. Evtl noch Kindergeld, aber nur bei bestimmten Vorraussetzungen. Reich wirst Du sicher nicht. Du zahlst nichts in die reguläre Rente und es besteht das Risiko von Altersarmut. Wenn Du von deinem Geld nicht etwas zur Seite legst.

Pflegefamilien sind fürs JA eine relative günstige Lösung Kinder unterzubringen verglichen mit Kosten für ein Heim. Da kostet der Platz zwischen 2000-15000 Euro pro Monat.
Lg, eva

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