Diese Gesellschaft

Mich beschäftigt ein Thema immer mehr - vielleicht weil ich langsam alt werde.
Mir gefällt nicht wie sich die Gesellschaft in Deutschland entwickelt. Ich habe das Gefühl dass es in die völlig falsche Richtung geht.
Immer mehr Digitalisierung, immer mehr KI, immer mehr "alles ist möglich", es gibt kaum Grenzen und wirkliche Werte ausser dem Wert, dass alles okay ist.
Alle sind auf dem Selbstverwirklichungstrip, Familien werden als Belastung und Einschränkung empfunden....
Mir ist das too much, aber ich nehme natürlich auch teil an dieser Gesellschaft.
Kennt ihr diese Gefühle und diese Sehnsucht nach etwas anderem was eben nicht so ist? Lebt ihr vielleicht anders inmitten dieser Gesellschaft?
Ich habe das Gefühl festzustecken obwohl man ja nie mehr Möglichkeiten hatte, sein Leben zu gestalten.

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Vielleicht verlässt du erst Mal deine Bubble? In meinem Umfeld haben die meisten Familie und die wenigsten empfinden diese als Belastung.

Der Digitalisierung stehe ich ambivalent gegenüber. Da müsste mehr politisch gestaltet werden, damit die Vorteile genutzt werden können, ohne dass wir unbemerkt von Algorithmen bestimmt und von Datenkraken überwacht werden.

Wo beobachtest du denn den Werteverfall? Ich arbeite an einer Schule und bin oft gerührt, was für feine Menschen da heranwachsen. Klar, Rüpel gibt's immer und überall. Aber das war auch schon immer so.

Mir ist wichtig, dass ich im Kleinen zum gesellschaftlichen Klima beitrage: Ein Lächeln, ein Hallo und ein Smalltalk kosten nichts. Ich versuche Hilfe anzubieten, wenn ich denke, dass diese gebraucht wird und oft erlebe ich, dass es aus dem Wald herausschallt wie man hineinruft. Ich begegne er freundlichen Menschen und finde unsere Gesellschaft so verkehrt nicht.

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"es gibt kaum Grenzen und wirkliche Werte ausser dem Wert, dass alles okay ist"
Ich verstehe es so, dass du dies auf die Lebensentwürfe deiner Mitmenschen beziehst und nicht auf irgend eine Technologie.

Die Alternative dazu ist, Menschen dafür zu verurteilen, wie sie sind.
Und falls du dir eine Gesellschaft wünscht, die deine Werte durchsetzt, weil eben nach deinem Gefühl manches nicht ok ist, dann bedenke, dass du in der Minderheit bist. Aber unsere Gesellschaft erträgt auch die, die der Meinung sind, dass alles viel zu modern ist.

Also kann es doch jetzt gar nicht so schlecht sein.

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Ich finde "diese Gesellschaft" entwickelt sich in die genau richtige Richtung. Für mein Empfinden war die Gesellschaft nie toleranter, aufgeklärter, gleichberechtigter, rücksichtvoller und freier als jetzt.

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Du bzw dein Text wirkt, als seist du unglücklich mit dir und deinem Leben. Änder es, man lebt nur einmal!

Ich kenne niemanden der seine Familie als
Belastung empfindet. Wir haben selber drei Kinder, eine große Familie und einen großen Freundeskreis. Ich erlebe eigentlich eher, dass viele ihre oft wenige Freizeit bewusster erleben möchte, MIT der Familie.

Digitalisierung? Was stört dich denn genau daran? Meine beiden Ältesten (12 und 10) sind in der Schule schon eine Weile auf IPads umgeswitcht, und ich empfinde das zB als enorme Bereicherung. Sie halten Kontakt mit Lehrern und Schülern so super einfach, brauchen nicht immer Bücher rumschleppen, lernen noch mehr mit der Technik umzugehen (Filme drehen, Powerpoints und vieles mehr).

Was ist an Selbstverwirklichung schlimm? Geht es nicht immer im Leben darum sich selber zu verwirklichen? Sei es beruflich oder privat? Nur dann wird man doch glücklich?!

Ich verstehe nicht wirklich wo du drauf hinauswillst.

Also mein Tip: änder dein Leben und werde glücklich.

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Was ich halt denke und teilweise so empfinde, ist, dass man bei so vielen Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung auch ganz schön resilient sein muss.
Es mag in gewisser Weise einfacher im Sinne einer kognitiven Entlastung gewesen sein, dass früher Biografien stärker vorgeschrieben waren.
Heute hat man halt die Qual der Wahl und es gibt auch nicht mehr so klare Rollenmodelle, an denen man sich orientieren könnte.

Ich hadere z.B. oft mit der Ausgestaltung meiner Mutterrolle als "Working mom". Ich finde es cool, dass ich heutzutage Vollzeit arbeiten kann UND Mutter sein kann, ohne als Rabenmutter zu gelten, eiere für mich aber gedanklich häufig rum, wie ich beiden Rollen am gerechtesten werde.

Vielleicht empfindet die TE Diversität als Überforderung?

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Absolut! Freiheit kann Überforderung sein! Da kann einem schwindelig werden... Am Ende bedeutet sie nämlich auch Verantwortung - für sich, die anderen, die eigenen Entscheidungen.

Wie schön wäre das, wenn einem das einfach jmd sagen könnte: wie, wohin und mit wem.

Der Kapitalismus ist da auch mit-ursachlich.

Nicht umsonst eines der zentralen Themen der Philosophie - verstärkt in den letzten 150 Jahren.

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Hallo,

ich bin voll bei Dir, ich finde die Gesellschaft auch fast täglich schräger.

Es wird allen immer wieder suggeriert, dass es möglich ist alles zu haben, alles kaufen zu können. Zur Not auf Pump. Kind und Karriere? Gar kein Problem. Das kleine Würmchen kann ja problemlos mit 8 Wochen in die 12h Stunden Betreuung gebracht werden, denn dafür sind die ja schließlich da/ironie off. Und deswegen ist es für Eltern auch gar kein Problem alles zu haben Kind und Karriere. Jahre später wundert man sich dann, wieso man in der Kinderpsychiatrie keinen Platz bekommt oder elend lange Wartezeiten hat.

Und weil Kind und Karriere so prima zu vereinbaren sind, steigt die Zahl derer, die an BurnOut und Depressionen leiden jährlich munter an. Das hängt aber nicht damit zusammen, dass man wieder alles mit aller Gewalt erreichen konnte, eben weil es ja so einfach geht /nochmal Ironie off.

Die Technik in allen Ehren aber wie oft standen mir schon Leute vor der Motorhaube, weil man selbst beim Laufen ununterbrochen den Blick auf das Handy gerichtet hat. Es scheint tatsächlich so eine Art Sucht zu sein? Ich habe keine Ahnung was die Leute ununterbrochen mit dem Teil so treiben. Ich für meinen Teil rufe jemanden an, wenn ich was zu klären habe und packe das Telefon dann wieder weg. Ich habe nie verstanden wieso sich einige die Mühe machen/soviel Zeit damit verschwenden zig Nachrichten hin- und her zuschicken, wenn die Sache mit einem 5-Minütigem Anruf gegessen wäre. Wahrscheinlich bin ich einfach zu alt für den Mist.

Bezüglich Partnerschaften ist mir das auch aufgefallen. Och heute gefällt mir die Nase meines Partners nicht mehr, also weg damit und der/die/das neue muss her. Die große Verliebtheit ist dann nach einem Jahr natürlich auch verfolgen und die eigentlich "Arbeit" an der Beziehung würde beginnen aber nein, dafür hat man ja keine Zeit, schließlich muss man so auf dem Handy noch mit 328 Personen zig Nachrichten verschicken (s.o.) und die Karriere hat man ja auch noch (s.o.) Also wann sollte man sich denn bitte noch mit dem Partner auseinander setzen.

Und dann mein größter Aufreger schlechthin: Gendern. Da stellen sich mir die Fußnägel hoch. Hat denn jetzt eine Frau auch nur einen Euro mehr verdient, weil es Fußabtreter:Innen heißt? Und wenn man das dann hardcore umsetzen möchte, freue ich mich darauf die erste Müllfrau zu sehen - da hört das Gendern aber vermutlich auf.

Also zusammen gefasst: Ja, ich finde auch die Gesellschaft wird immer merkwürdiger

LG
Tiffy

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"Gendern" ist für mich ein notwendiger Stolperstein in der Sprache, der auf zahlreiche Ungleichheiten zu Ungunsten der Frauen verweist, die es noch heute gibt.
Klar, ist der Putzfrau nicht unmittelbar damit geholfen, dass sie nun "Raumpflegerin" heißt, sicher gibt es nicht sofort mehr Inklusion, weil die "Aktion Sorgenkind" heute "Aktion Mensch" heißt und der Nord-Süfkonflikt wird nicht gelöst, indem wir unsere Gepa-Schokolade nicht mehr in Dritte-Welt-Ländern, sondern in Einen Welt-Läden kaufen. Aber all diese sprachlichen Veränderungen schaffen ein Bewusstsein, bringen Problemlagen in die Öffentlichkeit, lösen Reflexionsprozesse aus.

Ich finde es zu kurz gedacht zu sagen, gendern sei albern und unnötig. Just my two cents.

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Ich verstehe was Du mir eigentlich sagen willst oder generell ausdrücken möchtest. Und ja, es gibt viele Probleme zu lösen oder auf die dringenst aufmerksam gemacht werden muss. Aber sind wir mal ehrlich, muss dafür die Sprache derart verschandelt werden?

Inklusion ist bei mir auch so ein Aufreg-Thema. Ich weiß, dass mich jetzt viele wieder als arrogantes oder ignorantes A... bezeichnen. Ich weiß aber für mich selbst, dass es nicht so ist. ;-) Meine Tochter hat die Schule jetzt hinter sich und mich betrifft es mich/uns nicht mehr in der Form. Man sollte sich aber mal bewußt machen, dass diese auf-biegen-und-brechen-Inklusion nicht nur Gutes hervorbringt. Mir ist klar, dass sich kein Elternteil für sein Kind eine Förderschule/Sonderschule wünscht.
Die wurden hier im Saarland auch fast alle abgeschafft und alle Kinder werden regelbeschult. Was zum Ergebnis hatte, dass bei allen Beteiligten nur noch Frust entstanden ist. Die Lehrer hatten gar nicht ausreichend Zeit um auf alle einzugehen, die inklusiven Schüler kamen mit dem Stoff nicht mit, es gab Probleme mit einfachen Dingen (nicht funktionierende Aufzüge, Treppenabsätze zum Pausenhof usw. für Rolli-Fahrer unüberwindbar) und die "normalen" Kinder langweilten sich zu Tode, weil ein und das selbe Thema zum 100mal durchgenommen wurde. Und die paar Inklusions-Kinder noch immer nicht den blassen Schimmer hatten, was der Lehrer da vorne eigentlich von einem will.
Da sind jetzt weder die Kinder noch die Lehrer oder Eltern daran schuld, dass es nicht funktioniert sondern oftmals fehlende finanzille Mittel, die Umbaumaßnahmen oder die Einstellung von Fachkräften möglich machen.
Da ändert auch ein Mißbrauch der Sprache nichts daran.

Und es ist egal wie wir die Dritte-Welt nun heute nennen, solange die geiz-ist-geil Mentalität "in" ist, wird sich auch dort nichts ändern. Wobei man heuzutage wohl fast sagen kann, dass die Sparsamkeit in Bezug auf Lebensmittel bei vielen nichts mehr mit Geiz sondern mit Armut zu tun hat. Auch hier kann man die Sprache beugen, dehnen und mißbrauchen wie man will. Es ändert schlicht nichts daran, dass man für entsprechende Produkte keine 3€ mehr zahlen kann/will, damit es den Produzenten in Südarmerkika/Afrika besser geht.

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Alleine an den bisherigen Beiträgen ist zu sehen, wie gespalten die heutige Gesellschaft inzwischen ist. Das spürt man finde ich sehr deutlich an allen Ecken und Enden. Es gibt nur noch schwarz und weiß. Früher gab es noch Grauabstufungen dazwischen.

Das eigene Alter und Empfinden hat damit aber auch zu tun. Ich kann sehr gut verstehen, was die TE meint. Ich finde auch nicht alles toll "heutzutage".

Wäre ich zum jeztigen Zeitpunkt nochmal 20 würde ich das wahrscheinlich anders sehen, genau wie ich 1997 alles toll fand, wo ich 20 war. Wer da Ü40 oder Ü50 war, hatte sicherlich auch so seine Probleme mit der Gesellschaft und Neuerungen.

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"Wer da Ü40 oder Ü50 war, hatte sicherlich auch so seine Probleme mit der Gesellschaft und Neuerungen."
... & auch damals schon die Arroganz zu behaupten, dass früher alles besser war.

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Es geht doch nicht um Arroganz, sondern um ein persönliches Empfinden. Früher war nicht alles schlecht und heute ist nicht alles gut. Man kann sich aus beiden Dingen die Rosinen herauspicken.
Dennoch geht der Trend der Gesellschaft zum "unbedingten Ich" wo früher die Gemeinschaft auch einen hohen Wert hatte.

Es ist schön zu lesen, dass es Ausnahmen gibt und am Ende ist man natürlich seinen eigenen Glückes Schmied. Deswegen fragte ich nach Erfahrungen von Menschen die das ähnlich empfinden - wie gestaltet ihr euer Leben in einer Gesellschaft, die ihr so nicht unbedingt toll findet ohne zum Aussteiger zu werden.

Wen jemand das heute super findet, ist doch alles gut, dann einfach weitermachen.

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Ich gebe dir da Recht bzw. ich empfinde es ähnlich.
Wo ist das Feingefühl und wo sind die Grenzen.
Ich versuche trotzdem mein Leben so zu gestalten und mich davon nicht runter ziehen zu lassen.
Ich habe einen tollen Mann und bald zwei tolle Töchter.
Wir gehen beide Arbeiten und unterstützen uns in der Familie gegenseitig.
Meiner Mutter geht es nach langer Zeit wieder gut und auch der Rest unserer grossen Familie geht es gut.
Ich halte mich an den positiven Dingen fest, sonst würde ich durchdrehen glaube ich.
Man hat zwar mehr Möglichkeiten das Leben zu gestalten, aber ist das nötig?
Braucht man so viele Dinge?
Ist man dann glücklicher?
Ich denke da hat jeder seine eigene Antwort drauf.

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Das empfinde ich nicht so. Eher im Gegenteil.

Wir wohnen in der Nähe vom Ahrtal. Als letztes Jahr die Flutkatastrophe war, stand hier das öffentliche Leben fast still. Alle Gemeindemitarbeiter und Freiwillige Feuerwehr sind sofort rüber gefahren. Eine Welle von Spenden von Privatpersonen und Unternehmern. Später viele freiwillige Helfer.

Durch die Corona Pandemie habe ich das Gefühl, dass sich die Menschen mehr auf Familie und Freunde besinnen. Das Leben entschleunigt auf der einen Seite, auf der anderen wird alles digitaler, da es nicht mehr anders geht.

Ich habe schon das Gefühl, dass die Leute demütiger werden. Auf jeden Fall in meinem Umfeld.

Dauernörgler oder gar Querdenker hat man immer, aber die muss man aus seinem Leben ausschließen.

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Viele kamen allmählich zu der Überzeugung, einen großen Fehler gemacht zu haben, als sie von den Bäumen heruntergekommen waren. Und einige sagten, schon die Bäume seien ein Holzweg gewesen, die Ozeane hätte man niemals verlassen dürfen.