Frage an alle Krankenhaus Mitarbeiter!?!?

Hallo ihr lieben, vielen Dank was ihr da leistet!

Ich möchte nicht respektlos sein oder so, ich möchte einfach nur ehrlich wissen wie es derzeit in den KH aussieht.. Seit ihr wirklich überbelegt und ruft ihr nach Hilfe weil ihr zu viele Corona Patienten habt?

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Ich kann Dir nur von VOR Corona berichten, da waren wir mit unserem Frühchen auf ITS, schon damals herrschte in einem stinknormalen Sommer da soviel Betrieb dass Risikoschwangere ins 120 km entfernte Klinikum verwiesen wurden weil keine Kapazitäten da waren. Wir lagen teilweise mit 8 Babies in einem Raum, Inkubator, Stuhl, Inkubator, Stuhl, danach auf Normalstation war ich mit meinem Kind in einer schnell als Patientenzimmer hergerichteten Besenkammer untergebracht die so schmal war dass ich aufstehen musste damit die Pflegerin an mir vorbei zum 2. Kind in dem Raum gehen konnte.
... Eine OP unseres Sohnes im Winter '14 wurde kurzfristig - nachdem er stundenlang nüchtern in Vorbereitung lag, abgeblasen weil kein ITS Bett mehr für danach frei war!

Im Winter in Grippewellen sieht es ähnlich aus, unsere Nachbarin lag in der Grippewelle 17/18 in unserem Krankenhaus auf dem Flur der Notaufnahme weil kein Zimmer mehr frei war, ihre Angehörigen haben sie dann auf eigene Gefahr mit nach Hause genommen.

Ich möchte jetzt auch nicht respektlos sein aber wer glaubt dass deutsche Krankenhäuser Corona "brauchen" um an ihre Grenzen zu kommen hat in den letzten Jahren wohl vieles nicht mitbekommen.

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Ich arbeite zwar nicht im Krankenhaus aber wir haben schon seit Jahren einen Pflegenotstand. Nicht erst durch Corona.
Es fehlen im ganzen Gesundheitssystem Ärzte, Pfleger, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, med. Fachangestellte usw.
Vor 4 Jahren haben schon Altenpfleger Frau Merkel darauf aufmerksam gemacht. Geändert hat sich nicht viel, die Gehälter sind immer noch lachhaft für das was die Leute leisten.

Als ich vor 13 Jahren im Krankenhaus als Patient war, hab ich eines Nachts starke Schmerzen bekommen. Ich drückte auf den Alarm. Als nach 15 Minuten immer noch keiner kam, ging meine Zimmernachbarin mit mir auf den Flur um nach der Schwester zu suchen. Diese kam keuchend die Treppe runter gelaufen. Gab mir Schmerzmittel und erklärte mir, sie wäre für 2 Stockwerke!! verantwortlich. Sonst war keiner da.
Das war vor 13 Jahren. Heute sieht es nicht viel besser aus.

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An die Frage hänge ich mich mal ran, weil ich schon sehr unterschiedliche Aussagen gehört habe...Von "alles ist total schlimm" bis "alles ist wie immer, nichts ist schlimm" (und das aus einem Corona-Hotspot)...daher interessiert mich das auch.
In den Statistiken im Internet sieht man nur, dass die ITS zu 88-90% ausgelastet sind, davon aber 12-33% Corona-Patienten, der überwiegende Teil also ja noch andere...oder sehe ich das falsch?

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Ja, nu, aber wenn das System schon ohne Corona aufgrund Personalmangel an seinen Grenzen ist, dann sind 12 bis 33 Prozent on top zu viel und bringen es zum Kippen. Und daran wirst du so schnell nix ändern können.

Nicht jedes Pflegepersonal kann z.B. Beatmung fachkundig betreuen.

Und dann haste ratzfatz doch wieder ein Triage-Problem: werden die Kräfte durch 12 bis 33 Prozent Corona gebunden, fehlen sie woanders.

Ich kenne zwei Intensivschwestern, die liefen schon vor Corona auf dem Zahnfleisch, die eine war lange draußen mit Burnout... jetzt geht es denen noch beschissener.

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Ich bin noch in Elternzeit, habe aber guten Kontakt zu meinen Kollegen und ja, die Lage ist schlimm.
Die Prozentzahlen, wie viele Betten auf der ITS belegt sind, trügen. Die Anzahl der Betten ist ziemlich egal, zur Not kann man eine Turnhalle umfunktionieren. Das Problem sind die Pflegekräfte und davon gab es schon vor der Pandemie viel zu wenig. Es wurde teilweise schon vor der Pandemie Triage angewendet und das auch auf Kinder-ITS (eine Freundin arbeitet dort).
Eine Freundin sagt: 80% der Covid-Patienten im KH kommen auf die ITS und davon sterben nahezu 100%. Viele RTWs melden sich gar nicht mehr an, sondern stehen einfach vor der Tür, dann kann man sie nicht abweisen.
Die Kollegen vor allem in der Pflege gehen am Limit. Ein Studienfreund hat erzählt, dass in seinem Krankenhaus sogar schon Ober- und Chefärzte aus anderen Abteilungen in der Pflege einspringen.

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Hallo,
Damit nun niemand Angst bekommt, ich bin selbst in einer COVID Selbsthilfegruppe und dort sind wirklich einige die auf der ITS waren und beatmet wurden und teilweise mehrere Wochen im Koma lagen.
Die sind quicklebendig, noch nicht wieder fit aber haben das überlebt.
Wenn bei deiner Freundin in der Klinik nahezu 100%, also alle die beatmet werden sterben, dann stimmt das was nicht.
Überleg mal was Deine Aussage, dass alle sterben die wegen Covid beatmet werden müssen, jetzt mit Angehörigen macht.

Ich würde die Klinik in der deine Freundin arbeitet definitiv meiden falls du mal ins Krankenhaus musst😷.

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Vor zwei Tagen: Unfall auf der Autobahn, drei Schwerverletzte, die im örtlichen Kreiskrankenhaus nicht mehr aufgenommen werden konnten und 70 km weit gefahren/geflogen wurden.
Dasselbe gilt für ein KrHs in 25 km Entfernung und eines 50 km entfernt.
Im Altenheim, in dem meine Tochter arbeitet, werden Bewohner wirklich erst ins KrHs gebracht, wenn es garnicht mehr vermeidbar ist bzw. Akutfälle eintreten.
Nicht allein die Betten sind das Problem, es fehlt das Fachpersonal, ganz besonders bei Beatmungsfällen.
Nein, momentan möchte ich in kein KrHs müssen, wer weiß, wo ich landen würde 😒
LG Moni

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Gestern noch mit einer Freundin darüber gesprochen. Ihre Stieftochter arbeitet im Krankenhaus und sie sagt, bei ihnen ist es nicht so schlimm. Das kann aber in anderen Krankenhäusern ganz anders aussehen. Es gibt wohl KH ohne Covid Stationen und dort herrscht teilweise Kurzarbeit.
Ich hatte auch gesagt, dass das Problem der schlechten Arbeitsbedingungen lange bekannt ist und es bisher niemanden wirklich interessiert hat. Sie meinte, ihre Stieftochter sagt das sei gar nicht so wild. Die Bezahlung sei besser als in vielen anderen Berufen und das einzig blöde wären halt die Schichten. Ich kann es nicht beurteilen, das ist halt das, was sie mir gesagt hat.
Eine andere Freundin wurde jetzt in drei Krankenhäusern und bei 4 Ärzten wegen Personalmangel abgewiesen obwohl es ihr wirklich schlecht ging und sie im 9. Monat schwanger ist. Der Grund waren aber nicht zu viele Patienten oder überfüllte Stationen, sondern dass das Personal zum impfen abgezogen wurde. Auch wurde die geplante OP der Tochter einer anderen Freundin aus dem selben Grund abgesagt. Alle verfügbaren Pflegekräfte sind zum impfen eingeteilt. Einerseits ist das natürlich gut, dass es da vorwärts geht, andererseits finde ich es sehr bedenklich, dass man einfach abgewiesen wird obwohl ja keine "echte" Not herrscht.

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Es ist wirklich teils etwas unterschiedlich.
Die Zahlen der ITS Belegungen trügen massiv, denn Laien können mit diesen Zahlen abolsut (und das meine ich wirklich so!) nichts anfangen.

Wir haben generell 18 Betten auf unserer ITS, es wurde umgerüstet und jetzt haben wir insgesamt 23 und bei Bedarf können 3 OP Säle und der Aufwachraum mit 5 Beatmungen belegt werden.

Eine Beatmungsmaschine zu bedienen ist nicht von heute auf morgen erlernt, das ist soooo komplex und braucht einfach das Know-how.

Wir haben momentan immer zwischen 4 und 9 Covidfälle, fast alle immer intubiert.
Eigentlich haben wir eine 1:3 Betreuung, dh ein Pfleger betreut 3 Patienten.
Tja momentan sieht es eher wie 1:5 aus, weil kein Personal vorhanden.
Das ist fahrlässig!

Wisst ihr wie hoch aufwendig ein Patient mit Covid und Beatmung ist?
Es gibt Dienste, da kommt man aus diesem Zimmer kaum raus.
Monitor, x Perfusoren, x Infusionen, gefühlt 100 BGAs pro Schicht, weil der Patient immer wieder einbricht mit seinen Vitalparameter, dann hast du eben gerade so den einen Patienten stabil bekommen und dann geht das bei Patient x wieded von vorne los...

Dreht mal einen 130 kg Mann mit Beatmung und x Schläuchen um 180 Grad auf den Bauch.
Da werden 6 Mitarbeiter benötigt, im Idealfall 5 von der Pflege und ein Arzt, dh in dem Augenblick sind nur 1 bis 2 andere Pfleger/innen für den Rest der Station verantwortlich, da braucht nur eine Reanimation reinzukommen und schon sind die anderen Patienten nicht mehr betreut.

Unsere peripheren Stationen sind überbelegt, das weiß ich aus erster Hand und kann es bei Bedarf auch an der Stationsgrafik sehen.
Da liegen in einem 3-Bettzimmer 4 Patienten zB.

Vor Corona war es bereits manchmal kaum machbar, 3 Notfälle auf einmal, sei es Verkehr oder Herzstillstand und dann evtl noch der Reafunk innerhalb des Hauses, so viele Fachkräfte hatten wir kaum im Dienst und Covidpatienten sind eben einfach aufwändiger, aber es fehlt das zusätzliche Personal und dh nicht, dass auf einmal die anderen Notfälle/Erkrankungen nicht mehr existent sind, sodass du dich seelenruhig um genau diese Patienten kümmern kannst.

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Ich habe das zurückliegende Jahr als Kunde unser Gesundheitswesen in der Schweiz in zwei Zuständen erlebt. Entweder total leer (beim Kinderarzt, weil die Erkältungssaison quasi ausgefallen ist oder nach einem Bagatellunfall, wo man mich zu normalen Zeiten auch mal einige Stunden auf einen Facharzt hätte warten lassen) oder Zustände wie im Feldlazarett.