Schlaganfallpatienten - wer kennt sich aus?

Morgen,

Ich hab den Eindruck, mein Vater ist nach seinem 2. Schlaganfall (der 1. war ist Jahre her) der selbe Mensch geblieben - aber auch nicht derselbe.

Motorisch hat er keine Beeinträchtigung zurückbehalten, nur die "Altlast" aus dem ersten Schlaganfall von damals. Auch die Sprache ist soweit flüssig, manchmal etwas stockender und langsamer, kaum merklich jedoch, Außenstehende würden gar nicht glauben, das er einen Anfall hatte.

Dieser ist übrigens zwei Monate, ca., her. Ich besuchte ihn jetzt das erste Mal, seit einer Woche bin ich bei ihm, er ist zu Hause, von Reha frühzeitig entlassen, auf eigenen Wunsch.

(Offiziell hat er Konzentrationsschwäche, Orientierungsprobleme, Probleme mit Kurzzeitgedächtnis)
Ich empfinde, dass er nicht nur Veränderungen in seiner Persönlichkeit hat: er ist ruhiger geworden, zuvor war er ein schnell aufbrausender Mensch. Er hängt meiner Stiefmutter am Rockzipfel, beinahe kindlich, und weitere Kleinigkeiten.
Außerdem bringt er tägliche Zusammenhänge durcheinander, Kleinigkeiten, das tut er aber nicht stetig. Er hat lichte Momente und Tageszeiten, da ist's schlimmer.

Kleine Beispiele:
Zu Jahreswechsel fragten wir ihn, welches Jahr denn sei. Er, wie aus der Pistole geschossen: "19......", dann überlegte er länger, meinte "Zweitausend......undvierzehn".
Gut soweit.

Aber am nächsten Tag wusste er es schon wieder nicht.

Genau wie die Uhr auf der Terrasse. Die geht noch nach Sommerzeit. Eigentlich weiß er das, weil wir uns darüber vor ein paar Tagen unterhalten hatten. Heute morgen nahm er sie jedoch um mir die Uhrzeit zu sagen (sie ist durch das Küchenfenstern erkennbar). Ich sagte zu ihm, dass sie doch falsch ginge, er solle doch auf die Uhr i n der Küche schauen. Da wusste er nicht, was ich meine, warum sie denn bitte falsch ginge?!

Dann fragte er mich, wann ich denn nun vorhätte, mein Kind zu bekommen? Er wolle mich gerne dann besuchen kommen. Ich sagte ihm, das es doch Anfang Februar ist aber ich doch selbst nicht genau wüsste wann. Er war erstaunt und fragte ernsthaft, wieso ich das nicht weiß. Ich müsste mich doch endlich mal entscheiden, wann ich vorhätte, mein Kind zu bekommen....
Lange Rede, kurzer Sinn. Er ist tatsächlich oft so verwirrt und man muss ihm die einfachsten Dinge wie ein kleines Kind erklären - und dann gibt es Momente, da ist er klar im Kopf wie eh und je.

Und dann gibt's Momente am Tag, da wird sein Zustand beinahe lethargisch, er wird bleich, starrt nur vor sich hin, scheint woanders zu sein... irgendwie beunruhigend. Meist hat er dann ziemlich hohen Blutdruck (trotz Medikamenten) und meine Stiefmutter, zum Glück Altenpflegerin, kümmert sich dann fachgerecht um ihn.
Morgen reise ich wieder ab. Zum einen mit gutem Gefühl, weil ich froh bin, dass er noch bei uns ist, den Anfall überlebte. Zum anderen aber Sorge ich mich.

Kann ich damit rechnen, dass diese Zeiten, wo er diese Verwirrungszustände / Black Outs hat, im Laufe der Zeit besser werden - oder ist anzunehmen, dass es vielleicht schlimmer wird?

Meine Stiefmutter ist mit ihm alleine, sie sind vor 1 1/2 Jahren weiter weg gezogen (750 km von uns entfernt) um sich ihren Traum von Alter zu erfüllen (ein für die bezahlbares Haus mit großem Grundstück in der Uckermark).
Allerdings hat sie auch ihre gesundheitlichen Probleme und ich weiß nicht, sollte der Zustand meines Vaters schlimmer werden, wie sie die Pflege dauerhaft schaffen soll. Er braucht unbedingt Aufsicht. Sie sagte mir, beim letzten Mal, bevor ich kam, fuhr sie einkaufen für uns. Sie sagte ihm mehrmals, sie sei gleich wieder da, er wollte nicht mit. Als sie von einkaufen zurück kam, hatte er sich, zu Fuß bereits auf den Weg gemacht und war schon beinahe im 4 km entfernten Nachbarort. Er konnte sich nur erinnern: Meine Frau ist weg!

Nicht, warum und wohin sie ist. Er dachte, sie sei abgehauen oder sonst was. Deshalb wollte er sie suchen gehen... :/

Wer hat Erfahrungen diesbezüglich? Wie sehen die Prognosen aus?

Danke!
Bonnie

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hallo,

ich hatte 2010 eine schwere hirnblutung--also einen blutigen schlaganfall.
ich meine, dass ich ganz die alte bin, bis auf meine motorischen beeinträchtigungen.
mein mann dagegen nennt mich oft das 4. kind, weil ich mit meinen söhnen so viel rumalbere und naiv bin--das war ich allerdings auch schon vor meiner hirnblutung....
naja, ich weiß nicht, wie alt dein vater ist, aber kann es sein, dass sich eine demenz eingeschlichen hat? wobei viele schlaganfallpatienten probleme mit dem kurzzeitgedächtnis haben. am besten fragst du mal im schlaganfallforum nach, da gibt dir bestimmt einer eine kompetente antwort.

lg

2

Hallo,

Danke für deine Antwort.

Nun, er wird dieses Jahr erst 55 Jahre alt. Ist allerdings, auf Grund seiner Krankheit, mittlerweile Frühverrentet.

Das mit Forum für Schlaganfallpatienten werde ich machen, gute Idee, daran dachte ich nicht, lustigerweise.

Denkst du, das es sowas wie eine, durch Schlaganfall ausgelöste, Demenz gibt? Seinem Verhalten nach wäre das schlüssig, wenn auch bitter. ;/
Leider kenne ich mich mit der ganzen Materie überhaupt nicht aus, werde mich informieren.

Ich hoffe inständig, das es zumindest nicht schlimmer wird... Mensch, ist so schlimm zu sehen, wie sich der Verstand des Menschen verabschiedet, der all die Jahre meiner Kindheit und Jugend die wichtigste Bezugsperson war. :(
Klar, wir hatten auch oft Differenzen, schwere Jahre waren dabei. Aber effektiv ist das alles, rückblickend, unwichtig - wenn er doch nur wieder er selbst werden kann...

Dir auch alles Gute und danke nochmals!
Bonnie

4

huhu,

in diesem forum bin ich auch http://www.das-schlaganfall-forum.de/Forum

alles gute deinem vater!

lg

3

Hallo,

Bei meiner Oma war es ähnlich, sie hatte 2 sehr schwere Schlaganfälle von denen sie sich allerdings nicht mehr erholen konnte (wollte sie letztendlich selbst auch nicht mehr).
Sie find zeitweise immer an vornedran Vergangenheit zu erzählen, dass ihr Jugendfreund gleich kommen würde um sie zu besuchen, was sie dann unternehmen werden usw.
Zu anderen Zeiten war sie wieder im hier und jetzt, vor allem wenn ich mit meinem Sohn zu Besuch war, war sie sehr klar.
Sie hatte allerdings auch starke persönlichkeitsveränderungen.
Die Ärzte sagten damals es wäre normal so und nicht absehbar in wie weit die Leute sich wieder ganz erholen.
Bei ihr war definitiv alles zu viel um wieder gesund zu werden, durch ihre körperlichen Einschränkungen hatte sie sich sowieso aufgegeben.

Ein damaliger Lehrer von mir, mit ebenfalls starken Schlaganfall hat sich zu fast 100% erholt.
Er war öfter zu Besuch und wirkte die erste zeit doch manchmal eher abwesend und verwirrt, irgendwann hat er allerdings sogar stundenweise wieder unterrichtet und ihm war fast nichts mehr anzumerken.
Du siehst also man kann da kaum eine Prognose zu stellen, es kommt auf den Allgemeinen Zustand des betroffenen an und ich glaube auch ganz viel auf den eigenen Willen.
Ebenso kommt es drauf an welche hirnregion betroffen sind und in wie weit andere Teile des Hirns diese Aufgaben übernehmen können.

ich wünsche euch alles Gute und LG

5

Hallo,

alle, der von dir geschilderten Probleme passen zu seiner Diagnose.

Eine endgültige Aussage lässt sich auf Grund des kurz zurückliegenden Ereignisses noch nicht treffen.

Ich hoffe dein Vater lehnt weitere Therapien nicht ab und deine Stiefmutter ist vom Sozialdienst gut beraten worden.

Du kannst mir gerne eine PN schicken. Ich bin Logopädin und arbeite auch mit Schlaganfallpatienten.

LG Reina

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Mein Mann hatte vor knapp 10 Jahren einen Schlaganfall und wurde wirklich sofort richtig behandelt. Trotzdem ist er nicht mehr der gleiche wie vorher gewesen.
Und ganz schlimm ist es, wenn er dazu noch zu wenig trinkt - dann vergisst er alles.
Es gibt Phasen, da merkst Du ihm garnichts an, als Fremder sowieso nicht und es gibt Phasen, da kann man nur hoffen, dass sie bald wieder vorbei sind. Da muss ich ihm auch alles sagen und erklären.
Ich bete nur, dass er keinen zweiten Schlaganfall bekommt, er ist medikamentös sehr gut eingestellt (sehr wichtig !!!!) und ich hoffe es eben.
NIEMAND kann Dir leider eine Prognose abgeben, bei den einen bildet sich fast alles zurück, bei anderen kommen Ausfälle noch hinzu. Das Gehirn bleibt unberechenbar.
Alles Gute !
Liebe Grüße von Moni