Beginnende Demenz oder Nachwirkungen der Chemo?

Hallo zusammen,

es geht um meinen Vater (68).

Er hat seit 2006 ein niedrigmalignes Non-Hodgkin-Lymphom, welches 2006 bestrahlt wurde und im Sommer bis Dezember 2011 mit Chemo behandelt werden musste, welche ein Shift in ein hochmalignes Lymphom verursachte. Daraufhin bekam er bis Ende Juni eine weitere, heftige Chemo, die ihn fast das Leben gekostet hätte. Er hat es aber überstanden und bis jetzt ist sein Lymphsystem weitgehend unauffällig.
Er hat auch im Sommer eine Reha gemacht.

Allerdings gibt es jetzt andere Dinge, die mir Sorgen machen. Vergesslichkeit/Unkonzetriertheit und Erschöpfung schiebe ich erst mal auf die Chemo.
Allerdings hat er auch körperlich stark abgebaut. Manchmal torkelt und schwankt er wie ein Betrunkener, er stürzt auch relativ häufig.
Dazu kommt, dass er manchmal Wortfindungsprobleme hat. Nicht nur, dass er manche Dinge vergisst, ständig die selben Sachen erzählt (manchmal innerhalb weniger Minuten), er hat teilweise auch ganz andere Erinnerungen an Situationen, die vor kurzem stattgefunden haben (er scheint Sachen falsch zu verknüpfen).

Neulich habe ich in der Familie eine meiner Kindheitserinnerungen erzählt. Einige Tage später erzählt er eine ähnliche Erinnerung als seine eigene. Die hat er vorher nie so erwähnt.
Ein weiteres eingeartiges Beispiel war, dass ich ihm erzählt habe, welches Buch meine Schwester meinem ältesten Sohn zu Weihnachten schenken wird. Kurz danach kommt er mit exakt dem Titel als Nikolausgeschenk an, behauptet er wäre zufällig darauf gestoßen (es ist aber ein eher ausgefallenes Buch) und kann sich nicht an unsere Unterhaltung erinnern.

Seine Persönlichkeit hat sich auch verändert. Es fällt ihm zunehmend schwerer, mit unbekannten Menschen angemessen zu kommunizieren. Er reagiert dann oft über und unangemessen. Mit seinem Bruder war er oft nicht einer Meinung, früher hat er einfach darüber hinweg gesehen, jetzt fängt er an zu streiten oder flüchtet einfach.
Er wird zunehmend distanzloser. Er hat eine eigene Wohnung in unserem Haus. Er kommt jetzt regelmäßig täglich mehrmals einfach zu uns hoch (früher war das nicht so), lässt seine Tür offen stehen, damit er möglichst alles mitbekommt, schaut immer, wer uns besuchen kommt. Wenn wir nach Hause kommen stürzt er immer an die Tür und schaut, wenn wir gehen, will er wissen, wohin wir gehen, weshalb, usw. usw.

In seiner Familie gab es zwei Demenz-Fälle. Einmal sein Großvater väterlicherseit und seine Tante väterlicherseits. Beide waren aber über 80 bzw sogar 90 als die Demez auftrat.

Kennt sich jemand aus? Können diese Dinge auch Nebenwirkung der Chemotherapie sein oder könnte das Anzeichen einer Demenz sein? Er ist regelmäßig in ärztlicher Behandlung, aber das sind Situationen, die er gut bewältigen kann.

Viele Grüße
Sakirafer

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Kann alles sein. Richtige Altersdemenz oder von der Chemo. Die Chemo kann auch das Nervenzentrum (Gehirn/Rückenmark) schädigen.

Habe mal jemand mit einem Non-Hodkin während einer Kur kennengelernt. Sie hatte 3 Jahre Therapie durch, bei ihr war durch die Chemo die komplette Motorik und das Sprachzentrum kaputt.

Man kann das wieder aufbauen, mit Ergo, Physio.... Ob man es jemals wieder ganz herstellen kann, kann niemand im Vorwege beantworten.

Nun ist Dein Vater sicherlich auch nicht mehr der Jüngste. Gerade wenn es erbliche Vorbelastung bei Demenz in der Familie gibt, KANN es natürlich auch sein, dass das eingesetzt hat.

Zieh mal einen Arzt zu rate, aber generell kann so was auch von Chemotherapien kommen.

LG Janette

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Hallo Janette,

vielen Dank für deine Antwort. Du hast Recht, am sichersten wäre es, mit dem Arzt zu sprechen.

Mein Vater hat vorsorglich schon vor längerer Zeit alle Ärzte von der Schweigepflicht entbunden, so dass alle seine Kinder Auskunft von Ärzten erhalten können.

Ich hoffe darauf, dass es "lediglich" Schäden durch die Chemo sind, die vielleicht nicht mehr rückgängig gemacht werden können, aber sich auch nicht wesentlich verschlechtern.

Liebe Grüße

Sakirafer

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Hallo,

So wie du es schilderst, hört es sich schon nach Demenz an, auch die Distanzlosigkeit: Der Patient wird unsicher und klammert sich an die Grundfesten in seinem Leben.

Es gibt verschiedene Formen der Demenz. Nicht alles ist Alzheimer (siehe Link)
Neurologen haben bestimmte Testverfahren, um Demenz zu diagnostizieren. Es wäre schon wichtig, früh gegen zu steuern - sofern er noch Lust hat auf Ärztemarathon:/

http://www.wegweiser-demenz.de/vaskulaere-demenz.html

LG rauke

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Hallo Rauke,

vielen Dank für deine Antwort, auch wenn sie mich doch etwas beunruhigt hat, denn es würde ins Gesamtbild passen.

Mein Vater hatte bereits zwei Herzinfarkte und letztes Jahr im Sommer eine Lungenembolie. Auch sein Vater, Bruder, Neffe sowie Schwester hatten verschiedene Herzinfarkte, Schlaganfälle und Thrombosen.

Aber es ist tatsächlich so, dass mein Vater im Moment einen absoluten Horror vor langwierigen Untersuchungen und Krankenhausaufenthalten hat. Ich versuche ihn nun zu motivieren.

Viele liebe Grüße

Sakirafer

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Guten Morgen,

ich finde das schwer zu sagen. Meine Tochter bekam z.B. unter Therapie eine Chemo, die stark Neurotoxisch wirkt. Sie fällt seither oftmals unvermittelt hin ohne zu wissen warum.

Auch wurde sie Kopfbestrahlt, was bei ihr zur folge hatte, dass sie sich nun nur schwerlich konzentrieren kann und sogar anfängt starkt zu schwitzen, wenn sie kognitiv beschäftigt ist.Allerdings wurde sie auch mit 54 gy ausschließlich am Kopf bestrahlt.

Was Du beschreibst würde ich mal mit den behandelnden Onkologen besprechen und auch evtl. mal ein MRT vom Kopf machen lassen.

Ich könnte auch sein, dass er der Belastung nicht gewachsen ist und nun ein psychisches Problem hat.
Ich würde ( wenn möglich) direkt und offen mit ihm sprechen und mit ihm gemeinsam überlegen, was man tun könnte.

lg
Barzo