Die Hausgeburt von Jonna Marit

Hallo liebe Schwangere, Mütter und Mitleser,

die Hausgeburt meiner Tochter Jonna liegt nun über einen Monat zurück und trotzdem fasziniert mich dieses Erlebnis immer noch ganz unfassbar.
Daher möchte ich euch hier darüber berichten und vielleicht auch der ein oder anderen Schwangeren Mut machen, den absoluten Luxus einer Hausgeburt zu erleben. Meine erste Tochter kam wegen einem sehr hohen geschätzten Geburtsgewicht bei meiner eher zierlichen Figur doch in "meinem" Kreißsaal statt zuhause zur Welt. Nun, beim zweiten Kind (das auch wieder auf 4,5 kg geschätzt wurde - per US, meine Hebamme und auch ich selbst ertasteten ein kräftiges, aber kleineres Kind als meine Ella - wir sollten recht behalten) ging der Wunsch nach einer Hausgeburt dann endlich in Erfüllung.
Ich war als Hebamme bis dato eine ausschließliche Kreißsaalhebamme und habe nur in meiner Ausbildung, über Kontakt mit anderen Kolleginnen und bei Hospitationen im Hebammenstudium die Möglichkeit gehabt, bei außerklinischen Geburten dabei zu sein. Als Schülerin im dritten Jahr damals durfte ich das erste Mal bei einer Hausgeburt dabei sein. Obwohl ich selbst schon 50 Kinder auf die Welt geholt hatte, viele, viele Geburten erleben durfte - es war so ganz anders als im Kreißsaal. Neu, fremd, faszinierend, anders - und rührte mich zu Tränen. Ich wusste - so sollte mal mein Kind geboren werden (bei Ella hatte ich aber dann auch eine tolle Geburt im Krankenhaus!).
Bei Jonna sollte sich dies tatsächlich erfüllen.

Am 9.10. ging es mir tags blendend, ich erledigte noch einiges, ging mit Ella zum Kleinkind-Musikgruppe, lief 1,5 Stunden mit dem Hund durchs Feld - kurzum, abends war ich hundemüde und schlief um 21 Uhr beim Lesen ein. Mein Mann ist Chirurg und hatte Spätdienst, er kam kurz danach nach Hause und wir legten uns gegen 23 Uhr ins Bett. Von Wehen oder anderen Geburtsanzeichen.
Um 1 Uhr ging ich, wie jede Nacht die letzten Wochen, zur Toilette um eine winzige Menge Pipi dort zu lassen ;-). Dabei entdeckte ich eine leichte Schmierblutung am Toilettenpapier, was mich aber natürlich nicht störte. Ich wühlte mich wieder ins Bett, ächzte als ich mich und meinen dicken Bauch gemütlich zu platzieren versuchte. Keine Chance. Mein Rücken tat weh - kannte ich schon, ich hatte die letzten Wochen der Schwangerschaft einen Kleinkrieg mit meiner Lendenwirbelsäule und meinem Ischias geführt. Ich schlief dann aber irgendwann doch wieder.

Um 2:30 Uhr dann wurde ich schlagartig wach, stand auf und wusste wieso - mir lief warmes Fruchtwasser die Beine herunter.
Leise lief ich ins Bad, stopfte mich etwas aus, zog eine trockene Hose an und legte mich danach auf die Couch, kontrollierte einmal kurz die Herztöne und rief kurz meine Hebamme an, mit der Bitte, sie solle weiterschlafen, es würde definitiv noch dauern. Ich glaub sie war nicht ganz undankbar darüber ;-).

Ich beschloss, auch noch zu schlafen. Predigte ich ja auch regelmäßig meinen Frauen, dass ein vorzeitiger Blasensprung kein Grund ist, sich Schlafmangel zuzulegen #schwitz.
Tja - wenn es so einfach wäre, wie es bei mir immer klingt, wenn ich es erzählte ;-). Trotzdem verbot ich mir, zu lesen oder fernzusehen, getreu dem Motto "Der Wille zählt!".
Wohl fühlte ich mich. Wie ich da so lag, wissend, dass mein Kind in absehbarer Zeit geboren würde, neugierig auf die Erfahrung der 2. Geburt (Wird es auch bei mir so sein, kommt auch mein zweites Kind dann irgendwann ganz zügig und leicht zur Welt?), trotz besseren Wissens ungeduldig, wollte, dass es losgeht.
Ich muss doch eingedöst sein, denn um viertel vor 4 wurde ich von einer schmerzhaften Kontraktion geweckt, die mich regelrecht schüttelte! Verpennt und gleichzeitig mit dem Puls auf gefühlten 180 vor Schock (jetzt so darüber zu schreiben klingts irgendwie lustig #rofl) stand ich auf und marschierte Richtung Bad, musste ich doch mal wieder. Kaum dort angelangt, die nächste Kontraktion...schmerzhaft, sehr schmerzhaft, vor allem im Lendenbereich (fühlt sich so ein Bandscheibenvorfall an?!). Ich eierte irgendwie vom Bad ins Schlafzimmer und weckte meinen Partner. Der hatte nix bemerkt und war leicht perplex als ich ihn mit den Worten "Blasensprung, jetzt Wehen, aaaaaahhhh!" weil die nächste Kontraktion heranrückte, aufweckte.
So oft Wehen? Und soooo schmerzhaft? War das bei Ella genauso? Nee, kann nicht sein, das war anders (jaja, das berühmte Schmerzgedächtnis nach der Geburt) #zitter!!!
Mein Mann rief unsere Hebamme an, berichtet ihr über mein Befinden und die Tatsache, dass ich gerade alle Fenster aufriss - mir war auf einmal sowas von heiß, so müssen Hitzewallungen sein (Bandscheibenvorall, Wechseljahre, was bescheren mir die Wehen als nächstes?)!

Es war 20 nach 4, als meine Hebamme und eine gute Freundin eintrafen - letztere war zur Betreuung meiner Tochter bestimmt, falls sie aufwachen sollte. Bislang schlief sie selig im oberen Stockwerk, während sich unser Geschehen unten abspielte.

Ich hatte keine Lust zu reden, kein Bock auf die alle (sorry!) - ich zog nach einer Herztonkontrolle ab ins Gästebad und duschte und tönte....duschte und tönte...duschte und schrie!!! Mein Gott, mussten die Wehen so verdammt oft kommen und so weh tun?! Ich war wie in Trance...ich, das rauschende heiße Wasser der Dusche, der Dunst der inzwischen das ganze Bad einhüllte.
Mir kam es vor, als gäbe es nichts anderes mehr - nur noch mich, meinen vor Schmerzen berstenden Rücken (ich merkte die Wehen wirklich fast nur im Rücken) und dieses Rauschen...ich merkte nicht wirklich, dass meine liebe Hebamme zwischendurch immer mal reinschaute, mal Herztöne hörte.

Laut meines Mannes war es kurz nach fünf als ich aus dem Bad kam - nackt, tropfend, tönend, schreiend. Ich bekam nicht mit, dass unser Wohnzimmer inzwischen fertig gerichtet war zur Geburt - das bekam ich erst hinterher mit.
Ich lief breitbeinig Richtung Sofa, drehte ab, hielt mich an einem Sessel fest und atmete um mein Leben! Mein Mann kam zu mir, ich drehte mich weg, ich wollte nicht berührt werden - ganz anders als bei meiner ersten Geburt, als ich nur nahe sein wollte. Ich hörte die Herztöne meines Kindes durch den Sonicaid meiner Hebamme, kräftig und laut.

Ich drehte mich um und sagte zur ihr "Jetzt!"...ich merkte, wie der Druck so stark wurde, dass ich nicht mehr dagegen angehen konnte.
Ich schrie so laut ich konnte, als ich dem Druck nachgab - einmal, zweimal dreimal - mein Rücken und auch ein anderer Körperteil schien zu zerspringen, ich konnte und wollte nicht mehr, ich krallte ich an meinen Mann, ich drückte und schrie - und dann schrie jemand anderes.

Es war 5.26 am Morgen des 10. Oktokber 2010. Jonna Marit war geboren.

Alles danach geschah wie im Rausch. Ich lag auf dem Sofa, in eineDecke gehüllt, Jonna erst im Arm und dann schnell an der Brust - mein Mann nah bei mir. Meine Hebamme und meine Freundin ließen uns alleine und die erste halbe Stunde gehörte nur uns.
Dann kam die Plazenta und wieder genossen wir eine halbe Stunde Dreisamkeit - dieses Gefühl, so unbeschreiblich, so schön - dieses perfekte Mädchen, das ich ganz allein geboren hatte. Eine irre Sache #ole #verliebt!!!

Irgendwann kamen die beiden anderen wieder rein, dies Mal mit einer Kanne Tee und einem Teller Brote. Gemeinsam aßen wir, Jonna bei mir an der Brust.
Es war richtig gemütlich.

Im Anschluss machte meine Hebamme die U1, untersuchte mich und meinen Damm (lediglich eine kleine Schürfung) , mein Mann weckte Ella die tatsächlich alles verschlafen hatte und meine Freundin räumte auf. Ella war sehr begeistert von ihrer kleinen, neuen Schwester und hat sie ganz stolz gehalten:-D mein Gott, war ich stolz.

Um 10 Uhr verabschiedete sich meine Hebamme und auch meine Freundin, dafür kam meine Mutter. Mit einem Geburtstagskuchen für unsere Jonna #mampf!
So verbrachten wir den 10.10.10, feierten Geburtstag und lagen abends irgendwann alle 4 im großen Bett, einfach schön.

Rundum: es war eine wunderbare, tolle, irrsinnig bereichernde Erfahrung - die ich jeder Mutter, die mag, auch wünschen würde!



Jonna Marit

10.10.10
05:26

4170 g
53 cm
36 cm

1

ein wunderschöner Bericht.

Leider hätte ich viel zu viel Angst mein Kind zu Hause zu bekommen. Mir ist es im Krankenhaus lieber, vorallem weil da auch gleich eine Kinderklinik ist.

Aber es war bestimmt ganz ganz toll.

2

Jeder wie er mag! Für mich war es genau der richtige und passende Weg.

Zur Info:
Rein statistisch ist eine Hausgeburt für das richtige Klientel (da wird sehr gesiebt) sicherer als eine Klinikgeburt, da weniger interveniert wird und Krankenhauskeime vermieden werden.
Die Niederlande haben zB einen großen Teil Hausgeburten und ein besseres kindliches Ergebnis als wir mit unseren Klinikgeburten.
Da wird momentan ganz viel geforscht und ich bin da bis vor der Elternzeit "mittendrin" gewesen, da ich gerade Midwifery studiere - eine ganz spannende Sache und ich konnte mich als deutsche Hebamme daher sehr bewusst und informiert für eine Hausgeburt entscheiden. Und die für mich sicherste Variante der Geburt (ist vielleicht auch berufsbedingt - viele Hebammen und Gynäkologinnen die ich kenne, haben zuhause oder im Geburtshaus geboren - haben alle viel gesehen im Krankenhaus).

Trotzdem würde ich die Entscheidung für oder gegen eine Haus-, Geburtshaus oder Klinikgeburt nie jemandem abnehmen wollen, ich bin als Hebamme immer sehr dafür, dass sich die Frauen rundum informiert und ausführlich aufgeklärt selbst entscheiden, wie und was sie wollen. Zumal ich bisher sowieso nur im Krankenhaus gearbeitet habe ;-).

7

Hallo !

Mir geht es genau andersherum. Ich hätte riesengroße Angst, in ein Krankenhaus zu gehen. Es wird soviel eingegriffen in den normalen Geburtsverlauf, da sind Komplikationen leider oft schon vorprogrammiert ...
Man kann aber ein Kind nur da bekommen, wo man sich sicher und geborgen fühlt - für die meisten ist dieser Ort eben das Krankenhaus, für mich definitiv die eigenen vier Wände :-)

Liebe Grüße,

Katrin mit Emilia-Sofie (bald 6), Nevio (4), beide zu Hause geboren, und Sohn Nr.2 (33.SSW), der hoffentlich auch eine Hausgeburt werden wird ...

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Erst einmal #herzlich lichen Glückwunsch zur Geburt Eurer Tochter!

Der Bericht ist wirklich ganz toll und ich wünsche mir für unser 2. Kind auch eine Hausgeburt. Hatte darüber auch schon mit meinem Mann gesprochen, er ist leider dagegen. Er hat zuviel Angst... Schade, unser Großer kam nach vorzeitigem Blasensprung und 3 Stunden Wehen in der Wanne im Kreißsaal zur Welt und es war so unkompliziert die Geburt (bis auf den Riss...). Mal sehen, vielleicht kann ich ihn irgendwann noch davon überzeugen, wir haben ja noch Zeit! :-)

Liebe Grüße und eine schöne Kennenlernzeit
nisi

4

#winke

Danke für Deinen Bericht. So sollte eine Geburt sein. GsD habe ich selbst zwei ähnlich schöne, selbstbestimmte Geburten im Geburtshaus erleben dürfen ohne ein Eingreifen durch Dritte, Medikamente, Wehentropf etc. Ich finde es schrecklich, wie hier sonst bei fast jeder geschilderten KH-Geburt in den Geburtsvorgang eingegriffen wird, statt die Frauen einfach gebären zu lassen. Endlich mal ein Bericht, der die Natürlichkeit der Geburt widerspiegelt #freu - nochmals DANKE #blume

Ich freu mich auch schon auf die 3. Geburt, die allem Anschein nach kurz bevor steht, auch wieder im Geburtshaus. Eine Hausgeburt hätte ich auch gerne, aber in das Krankenhaus, in das wir von hier aus im Notfall verlegt würden, kriegen mich keine 10 Pferde rein, wenn es sich im Vorfeld vermeiden lässt. Und im Geburtshaus ist es fast genauso schön #freu

Alles Liebe & Gute Euch Vieren!

Katrin (ET-8)

5

Ein wunder, wunder, wunderschöner Bericht!

Ich wünsche Euch von Herzen alles Gute!

wunschmamiii, die vielleicht in einem Geburtshaus ihr erstes Kind bekommen wird

6

Hallo !

Schön und mitreißend geschrieben, ich hatte fast Tränen in den Augen #heul
Nach zwei schönen Hausgeburten warte ich nun auf die dritte und bin schon sehr gespannt - Dein Bericht macht jetzt schon Lust auf die Geburt :-)
Ich finde es immer wieder faszinierend. Diese Schmerzen bzw. dieser Druck, die einen fast umbringen, dann plötzlich die Erlösung und ein kleiner, perfekter Mensch im Arm.
Ich wünsche viel Freude mit Eurem zweiten Mädchen !

Liebe Grüße,

Katrin mit Emilia-Sofie (bald 6), Nevio (4) und Sohn Nr.2 (33.SSW), der hoffentlich genau wie seine Geschwister zu Hause auf die Welt kommen wird

8

Ich habe gerade wieder dieses Gefühl von Urgewalt wenn ich deinen Bericht lese.

Wundervoll #verliebt

Ganz herzliche Glückwünsche

Denise (die das dritte Kind endlich zu Hause bekam)

9

Sooo schön geschrieben!! Ich durfte zwei Wochen vor Dir auch eine Hausgeburt erleben.
Habe mein fünftes Kind zu Hause vor dem Kamin im PLANSCHBECKEN bekommen.
Auch unser "Kleiner" hatte stolze Maße : 4650g, 54cm, 36,5cm

Es war eine wunderschöne Geburt.

Schade nur, daß es unser letztes Kind sein wird. :-(

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Einen Tag vor dir habe auch ich mein Kind zu Hause geboren.:-)

Ich kann mich dir nur in allem anschließen - es ist ein beglückendes, die Mutter mit so viel Stolz und Luebe erfüllender Moment, der mit nichts zu vergleichen ist...#herzlich

Nie wieder kriege ich freiwillig ein Kind zu Hause!

Danke für deinen Bericht! Toll geschrieben!#liebdrueck

LG, Ela

11

Schön, dass euch mein Bericht gefällt. Es war wirklich ganz toll und wenn ich damit nur eine Mutter dafür begeistern kann, selbstbestimmt (egal wo!) zu entbinden, dann hat es sich gelohnt darüber zu schreiben.