Große Schwester auf Zeit

Kinderbetreuung durch Au-pairs

Au-pair-Mädchen kommen nach Deutschland, um Sprache und Kultur kennenzulernen. Dafür machen sie sich bei der Kinderbetreuung und im Haushalt nützlich. Wie Familien ein geeignetes Au-pair finden, welche Rechte und Pflichten zu beachten sind und wie das Zusammenleben klappt, liest du hier.

Autor: Sabine Ostmann

Familienmitglieder auf Zeit

Au-Pair-Mädchen mit Kindern
Foto: © iStockphoto.com/ lostinbid

Was tun, wenn der Kindergarten um 15.00 Uhr schließt, die Eltern aber erst um 17.00 Uhr Feierabend haben? Einen Babysitter für zweieinhalb Stunden am Tag engagieren? Funktioniert nicht zuverlässig. Die Großeltern einspringen lassen? Die haben auch nicht immer Zeit. Familie Heinze entschied sich deshalb für ein Au-pair-Mädchen: Am frühen Nachmittag holt die junge Estin Maive die vierjährigen Zwillinge Benny und Josef ab und spielt mit ihnen, bis die Eltern zu Hause sind. Dann bereitet sie das Abendessen für die Familie zu. „Maive ist ein echter Schatz“, sagt Christine Heinze über ihr Au-pair-Mädchen. „Sie geht sehr liebevoll mit den Kleinen um, wie eine große Schwester. Wir alle mögen sie sehr.“

Kinder betreuen, im Hauhalt mithelfen und dabei Deutsch lernen: Au-pair-Mädchen – Jungen sind die große Ausnahme – kommen zu uns, um ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen und unsere Kultur kennen zu lernen. Sie sind dabei nicht auf sich allein gestellt, sondern sie leben in einer Familie – eine günstige Alternative zu kostspieligen Sprachreisen und Schüleraustausch-Programmen und für viele die einzige Weiterbildungsmöglichkeit. Auch die Gastfamilien profitieren von den Familienmitgliedern auf Zeit, die sich um die Kinder kümmern und kleinere Hausarbeiten erledigen.

Die meisten Au-pairs stammen aus Nicht-EU-Staaten

Maive, das Au-pair-Mädchen der Familie Heinze, stammt aus Estland – und ist damit eine Ausnahme. Denn die meisten Au-pairs in Deutschland kommen heute aus Staaten außerhalb der EU. Und ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken: Während vor zehn Jahren weit über 20.000 visumpflichtige Au-pairs nach Deutschland kamen, sind es heute weniger als 6.000 pro Jahr. Die Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig: Die jungen Leute finden andere Möglichkeiten des Kulturaustauschs spannender. Deutsch verliert als Fremdsprache gegenüber dem Englischen an Attraktivität. „Außerdem ist das Au-pair-Programm in Deutschland nicht sonderlich attraktiv“, erklärt Judith Liehr vom Bundesverband der Au-pair-Vermittler, Gasteltern und Au-pairs. „In anderen Ländern ist das Taschengeld höher und die Familien beteiligen sich stärker an den Reisekosten oder den Gebühren für Sprachkurse. Weiterhin ist es für viele junge Menschen aus Nicht-EU-Staaten sehr schwierig, ein Au-pair-Visum zu bekommen.“

Umgekehrt kommen besonders viele Au-pairs in anderen Ländern aus Deutschland: „Die Bundesrepublik ist das Entsendeland Nummer 1“, stellt Judith Liehr fest. Die meisten deutschen Au-pairs zieht es übrigens in die USA, nach Australien oder nach Südeuropa.

Familien, die ein Au-pair aus einem Drittstaat aufnehmen möchten, müssen längerfristig planen, da das bürokratische Procedere bis zur Visaerteilung drei Monate oder mehr dauern kann. Das Au-pair benötigt für den Visaantrag nicht nur den unterschriebenen Au-pair-Vertrag, sondern auch ein offizielles Einladungsschreiben der Gastfamilie sowie eine offizielle Erklärung, dass die Gasteltern das Au-pair versichern und alle vom Au-pair verursachten Kosten tragen. Auch die Arbeitsagentur muss der Au-pair-Vermittlung in diesem Fall zustimmen. Stammt das Au-pair-Mädchen aus einem EU-Staat, benötigt es für die Einreise lediglich einen gültigen Personalausweis und eine Arbeitserlaubnis.

Agenturen übernehmen die Vermittlung

Zwar können Familien auch auf eigene Faust ein Au-pair suchen, doch angesichts der bisweilen umfangreichen Formalitäten ist es sinnvoll, sich an eine Vermittlungsagentur zu wenden. Gute Agenturen beraten die Familien, unterstützen sie bei Antragstellungen und stehen in intensivem Kontakt mit ausländischen Partneragenturen. Sie begleiten Gasteltern und Au-pair nicht nur in der Vermittlungsphase, sondern stehen ihnen auch während des Au-pair-Aufenthalts bei Fragen oder Problemen zur Verfügung. Manche Agenturen veranstalten auch regelmäßig Treffen für Au-pairs und/oder Gasteltern in der Region. Die Vermittlungsgebühr wird zwischen den Gasteltern und der Agentur frei vereinbart. In der Regel liegt sie zwischen 300 und 600 Euro. Von den Au-pair-Mädchen darf die Agentur maximal 150 Euro Honorar verlangen.

Auch im Au-pair-Geschäft gibt es schwarze Schafe. Woran also erkennen Familien, ob die Agentur gut und seriös arbeitet? „Sie sollten darauf achten, dass die Agentur Mitglied unseres Bundesverbandes ist“, rät Judith Liehr. „Dann erfüllt sie unsere hohen Qualitätsstandards. Weitere Qualitätsmerkmale sind eine RAL-Zertifizierung des Bundesfamilienministeriums oder die Mitgliedschaft in der IAPA, dem Internationalen Verband der Au-Pair-Vermittler.“ Bei diesen Agenturen, so Liehr, können Eltern sicher sein, dass das Au-pair über ein Gesundheitszeugnis verfügt, einen Sprachtest absolviert und bereits Erfahrung im Umgang mit Kindern gesammelt hat.

Damit mögliche Au-pair-Kandidatinnen einen Eindruck von der Familie gewinnen, füllt diese einen Fragebogen aus, in dem sie die Familienmitglieder vorstellt, ihren Alltag, die Wohnsituation und die Anforderungen an das Au-pair beschreibt. Dies wird ergänzt durch Fotos der Familie, ihrer Wohnung – vor allem des Zimmers für das Au-pair – sowie Informationen zu Stadt/Region, Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten. Im Gegenzug erhält die Familie Fotos und Bewerbungsbögen interessierter Au-pairs mit Angaben zu Sprachkenntnissen, Interessen sowie Erfahrungen bei Kinderbetreuung und Hausarbeiten. Haben Gastfamilie und Au-pair sich füreinander entschieden, setzt die Agentur einen Vermittlungsvertrag auf, der die Rechte und Pflichten sowie gemeinsame Absprachen regelt.

Rechte und Pflichten eines Au-pairs

Au-pair bedeutet „auf Gegenseitigkeit“ – und das ist wörtlich zu nehmen: Das Au-pair soll in die Familie integriert sein und an gemeinsamen Unternehmungen teilnehmen. Das bedeutet natürlich auch, dass es sich an die Gewohnheiten im Hause der Gasteltern anpasst. Im Idealfall profitieren Au-pair-Mädchen und Gastfamilie voneinander; oftmals entstehen aus diesem Verhältnis dauerhafte Freundschaften. Allerdings gab es auch immer wieder Fälle, in denen Au-pairs als billige Haushaltshilfen ausgenutzt wurden. Deshalb legte das Bundesfamilienministerium 2005 die Rechte und Pflichten von Au-pairs und ihren Gastfamilien detailliert fest.

  • Zeitrahmen: Der Au-pair-Aufenthalt ist auf ein Jahr begrenzt. Eine Verlängerung ist nicht möglich.

  • Alter: Das Au-pair darf bei Antragstellung nicht jünger als 17 Jahre alt sein, wenn es aus den EU/EWR-Staaten oder der Schweiz kommt (ansonsten gilt mindestens 18 Jahre alt) und nicht älter als 26 Jahre sein.

  • Aufgaben: Kinderbetreuung und leichte Hausarbeiten (Einkaufen, Bügeln, Aufräumen, einfache Mahlzeiten zubereiten. Ein Au-pair ist kein Ersatz für eine Haushalts- oder Putzhilfe. Deshalb sind schwere Haushaltstätigkeiten sowie eine Mitarbeit im Betrieb der Familie untersagt.

  • Arbeitszeit: maximal sechs Stunden am Tag und dreißig Stunden in der Woche – einschließlich Babysitting. Am besten besprechen Gasteltern und Au-pair die anfallenden Aufgaben, so dass das Au-pair seine Freizeit planen kann. Mehrarbeit muss durch Freizeit ausgeglichen werden.

  • Urlaub: Pro Monat stehen dem Au-pair zwei Tage Urlaub zu, außerdem müssen mindestens vier Abende sowie 1,5 Tage wöchentlich am Stück arbeitsfrei sein. Wenigstens einmal im Monat müssen die 1,5 Tage Freizeit auf ein Wochenende fallen. Für Sprachkurse, kulturelle Veranstaltungen, den Besuch des Gottesdienstes muss das Au-pair Mädchen frei bekommen.

  • Wohnung: Dem Au-pair steht ein eigenes, abschließbares Zimmer von mindestens acht Quadratmetern Größe mit Badbenutzung zu.

  • Ernährung: Wenn möglich sollten die Gasteltern auch Besonderheiten bei der Ernährung berücksichtigen. So sollte einer gläubigen Muslima selbstverständlich kein Schweinefleisch angeboten werden.

  • Taschengeld: Einem Au-pair-Mädchen stehen 260 Euro Taschengeld im Monat zu. Die Kosten für den Sprachkurs muss es selbst tragen, allerdings sind die Gasteltern verpflichtet, dafür die Fahrtkosten zu übernehmen (idealerweise in Form einer Monatskarte).

  • Sprachkurs: Die Gasteltern sind verpflichtet, dem Au-Pair die Möglichkeit zu einem Deutsch-Sprachkurs in seiner Freizeit zu geben und sich mit 50€ monatlich an den Kosten zu beteiligen.

Versicherung: Gasteltern müssen für das Au-pair eine Versicherung abschließen. Spezielle Au-pair-Versicherungen umfassen Kranken-, Unfall-und eine Haftpflichtversicherung. Wichtig: Die Haftpflichtversicherung sollte unbedingt auch eine Berufshaftpflicht für Au-pairs einschließen. Denn die Privathaftpflicht tritt nicht ein, wenn ein Au-pair für einen Moment die Aufsichtspflicht vernachlässigt und die Kinder in dieser Zeit Schäden anrichten. Eine Au-pair-Versicherung kostet je nach Anbieter 30 bis 40 Euro pro Monat.

Mit Geduld und Toleranz klappt das Miteinander

Familie Heinze ist von ihren Au-pair Maive rundum begeistert: „Zwar ist Estland nicht so weit entfernt, aber es gibt doch ein paar kulturelle Unterschiede. Maive erzählt unseren Kindern zum Beispiel Märchen aus ihrer Heimat und versucht gerade, uns allen das Lied ‚U Kuusepuu’, das ist ‚O Tannenbaum’ auf Estnisch, beizubringen. Das finden wir sehr bereichernd.“ Die Zwanzigjährige erwidert die Zuneigung ihrer Gastfamilie: „Die Deutschen gelten bei uns immer als etwas distanziert und kühl. Aber davon merke ich nichts: Alle haben mich sehr freundlich aufgenommen. Am Anfang hatte ich etwas Heimweh. Aber ich habe hier noch eine zweite Familie gefunden, in der es sehr fröhlich zugeht. Das ist schön.“

So harmonisch wie bei Heinzes geht es nicht in allen Au-pair-Familien zu. Mitunter machen unbesiegbares Heimweh, Überforderung oder kulturelle Missverständnisse beiden Seiten das Zusammenleben schwer. „In solchen Fällen hilft nur Reden“, sagt Judith Liehrs. „Denn meist verursachen falsche oder zu hohe Erwartungen und mangelnde Kommunikation Probleme zwischen Au-pairs und Gasteltern. Viele Au-pairs sind am Anfang sehr unsicher. Aus Angst, etwas falsch zu machen, verhalten sie sich eher passiv. Gasteltern dagegen erwarten oftmals, dass das Au-pair-Mädchen viele Dinge im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung von alleine sieht – aber wie soll ihr das gelingen, wenn sie es von zu Hause nicht kennt? Solche Probleme lassen sich nur aus dem Weg räumen, wenn man darüber spricht.“

Die Kinder auf das Au-pair vorbereiten

„Man muss einfach etwas Geduld miteinander haben“, meint auch Susanne Heinze. „Wir haben von Anfang an klar über unsere Erwartungen und Vorstellungen gesprochen. Wir haben mit Maive intensiv über unsere Erziehungsregeln gesprochen und die Gewohnheiten und Vorlieben unserer Kinder. Über die ‚Spielregeln’ bei uns im Haus und alles, was sonst noch wichtig ist. Außerdem haben wir uns immer wieder gefragt: Wie würden wir uns wünschen, dass sich die Gasteltern verhielten, wenn unsere Tochter das Au-pair-Mädchen wäre? Dann sieht man manches anders.“

Ganz wichtig, so Susanne Heinze, sei es, auch die Kinder auf das neue Familienmitglied vorzubereiten. „Wir hatten schon etwas Angst, dass unsere beiden Energiebündel dem Au-pair auf der Nase herumtanzen. Deshalb haben wir viel mit ihnen über das Au-pair-Mädchen gesprochen. So waren die Kinder schon neugierig auf Maive und haben sich sehr auf sie gefreut. Wir haben ihnen klar gemacht, dass Maive für sie eine Spielkameradin, so etwas wie eine ältere Schwester ist, aber dass sie eben auch auf sie hören müssen, wenn sie ihnen etwas verbietet.“

Um Au-pair und Kinder miteinander vertraut zu machen, sollten sich die Eltern unbedingt genug Zeit nehmen. Idealerweise begleiten sie das Au-pair in den ersten Tagen, halten sich dann aber immer mehr im Hintergrund, wenn sie merken, dass das Au-pair und die Kinder Freundschaft schließen. Bei Fragen oder wenn Probleme zwischen Au-pair und den Kindern auftreten, sollten die Eltern telefonisch erreichbar sein. Ganz wichtig ist es auch, dem Au-pair regelmäßig Feedback zu ihren Fortschritten und Leistungen zu geben, damit sie schnell an Sicherheit gewinnt.

Was tun, wenn die Chemie einfach nicht stimmt?

Meist können Startschwierigkeiten zwischen dem Au-pair-Mädchen und der Gastfamilie mit Toleranz und gegenseitigem Verständnis überwunden werden. Wenn das nicht gelingt, versuchen auch die Agenturen zwischen beiden Seiten zu vermitteln. Wenn dennoch gar nichts geht und die Chemie überhaupt nicht stimmt, kann das Au-pair-Verhältnis mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen von beiden Seiten aufgelöst werden. Bei schwerwiegenden Gründen ist sogar eine fristlose Kündigung möglich.

Für Familie Heinze und ihr Au-pair Maive kommt eine vorzeitige Trennung überhaupt nicht infrage. Im Gegenteil: „Wir sind schon etwas bange vor dem Tag, an dem Maive wieder nach Estland geht“, bekennt Christine Heinze. Darauf versuchen wir Benny und Josef gerade vorzubereiten. Aber wir bleiben auf jeden Fall mit Maive in Verbindung. Nächstes Jahr besuchen wir ihre Familie, die in der Nähe von Tallinn lebt. Und übernächstes Jahr kommt wahrscheinlich Maives jüngere Schwester als Au-pair zu uns.“

Zum Weiterlesen

Weiterführende Links

  • www.apsev.de:  Website der Au-pair Society e.V. – Bundesverband der Au-pair-Vermittler, Gasteltern und Au-pairs mit umfassenden Informationen und Merkblättern zu Vermittlung, Aufenthalt und Versicherungen.
  • www.guetegemeinschaft-aupair.de: Informationen zu Vermittlungsagenturen, vergibt das RAL-Qualitätssiegel der Bundesregierung.
  • www.au-pair-vij.org: Der Verein für Internationale Jugendarbeit der Diakonie bietet ein Au-pair-Portal mit Vermittlung und umfassenden Informationen für Au-pairs und Gastfamilien