Was hat mein Kind?

Hallo, vielleicht kann mir jemand helfen?

Mein Sohn (fast 9) hat schon einige Jahre ein paar Auffälligkeiten und ist manchmal auch schwer zu händeln. Wir haben von der Kinderärztin auch schon eine Überweisung zur Psychologin bekommen, aber wir kommen dort nicht so einfach rein und wir haben zudem Angst, dass er versteht, was für eine Ärztin es ist, und ihn das noch unsicherer macht. Hier eine Auswahl seiner Verhaltensweisen:

- Er hasst die Schule und alles, was damit zu tun hat, fällt ihm seelisch schwer. Er weint oft, wenn er zu Hause etwas für die Schule tun muss und bekommt Wutanfälle. Er hat dort Freunde und die Lehrer und Erzieher sind sehr nett. Das System Schule stößt ihn ab. Er geht auf eine kleine, freie Schule. Seine Leistungen sind besser geworden, aber er tut sich schwer, weil er einfach keine Motivation hat. Die Lehrer sagen es liegt allein an der Motivation und Träumereien.

- Er ist oft sehr schüchtern und zurückhaltend, wenn er außerhalb der Familie ist, zu Hause lässt er den Druck ab und unterdrückt unter anderen seinen kleinen Bruder körperlich. Auch uns Eltern gegenüber zeigt er oft keinen Respekt - egal, ob wir es auf der ruhigen Ebene versuchen oder streng sind. Ein Nein wird kategorisch abgelehnt, obwohl wir seit Jahren sehr konsequent sind und Neins durchziehen (als er klein war, war das anders).

- Er sieht alles negativ. Seine Tage sind geprägt von Schimpfereien und Beschwerden. Hat er einen tollen Tag bei einem Freund verbracht, geht seine Laune in den Keller, wenn ich ihn ahole. Dann freut er sich nicht, dass 90% seines Tages toll waren, sondern ärgert sich über die 10%, die jetzt Abendbrot und Schlafengehen ausmachen. In der Schule fällt auf, dass er selten fröhlich ist.

- Er kaut Fingernägel, beißt sich die Wangen auf und hat sich auch schon Haut von den Füßen gerissen.

- Er kann keinen Blickkontakt halten.

- Er ist sehr speziell mit Anziehsachen. Er will immer nur Jogginghosen anziehen.

- Ich habe das Gefühl, dass er Frust mit Essen kompensiert. Es ist schlank und macht Vereinssport und wir achten sehr auf eine gesunde Ernährung, aber wenn er frei wäre, würde er wahrscheinlich sehr viel essen.

- Er ist teilweise sehr empathisch, teilweise absolut null interessiert an den Gefühlen anderer.

- Er wollte schon mit 3 Jahren alle Entscheidung für sich selbst treffen.

Das sind einige seiner Verhaltensmuster. Ich weiß nicht, was ihn umtreibt. Er ist sehr sensibel, aber auch sehr in sich gekehrt. Ich kenne einige Verhaltensweisen aus meiner eigenen Kindheit und frage mich immer, wieso tut er das auch und wie kann ich ihm helfen? Er wächst ganz anders auf als ich. Wir sind sehr liebende Eltern, uns geht es auch finanziell gut, wir sind auch sozial gut vernetzt und schauen, dass sie Kinder viel Zeit mit Freunden verbringen können. Wir haben Haustiere und versuchen wirklich, dass es unseren Kindern seelisch gut geht, sie aber trotzdem fit werden für das Leben da draußen als selbstständiger Erwachsener.

Je älter unser Sohn wird, desto fieser die Konflkte. Wir haben Angst, dass wir ihn als Jugendlichen nicht mehr greifen können.

Wer kann uns helfen? Die Schule hält sich raus.
Sollen wir zum Psychologen oder eher zum Psychiater? Oder sollen wir noch abwarten?

Ich bin dankbar für jeden Tipp.


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Puh, das kann alles und nichts sein; beim Lesen dachte ich an irgendetwas im Spektrum von Hochsensibilität, AD(H)S und irgendetwas im Autismusspektrum.

Warum habt ihr so Angst vor Psychologen? Mein Kind weiß, dass ich hingehe und Kumpels von ihm und dass neben dem Körper auch die Seele weh tun kann und dass es neben neurotypischen auch ganz viele neuroatypische Menschen gibt und dass das normaler ist, als wenn alle gleich ticken würden?

Mit Unterstützung könnte er Strategien erlernen, wie er mit dem Alltag besser zurecht kommt. Er scheint auf jeden Fall sehr reizoffen und wenig frustrationstolerant zu sein. Dinge, an denen man gut arbeiten kann.

Bearbeitet von Wachtelei
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> Puh, das kann alles und nichts sein; beim Lesen dachte ich an irgendetwas im Spektrum von Hochsensibilität, AD(H)S und irgendetwas im Autismusspektrum. <

Nicht alle, aber einige und ähnliche Symptome hatte der hochbegabte Sohn einer Bekannten. Wäre ja auch ne Sache, die man beim KiA oder Psychologen mal ansprechen könnte.

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Auf keinen Fall abwarten!!!

Ihr braucht weitere Meinungen, Schulberatungsstelle ansprechen, auch wenn Schule sich raushält, die dürfen sich einmischen und eine Ergotherapie vom Kinderarzt anfordern mit, unter anderem, den Worten : psychisch funktionelle Behandlung.

So als Start. Da gibt es kompetente Meinungen zu deinem Kind, dann kann man überlegen, wie es weitergeht.

Bearbeitet von das-erste-huhn
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Also erst mal: Warum sollte er das negativ sehen? Viele Kinder gehen heutzutage zum Therapeuten, das hat doch das Image von "ich bin verrückt" oder "mit mir stimmt etwas nicht" eigentlich schon lange verloren, oder?

Was dein Sohn ganz sicher hat ist Stress: Er kaut Nägel und Wangen, weint oft, ist schüchtern, hasst die Schule, sieht alles negativ.
Damit kannst du ihm den Therapeuten erst mal so verkaufen, dass der ihm helfen soll, den Stress in seinem Leben zu reduzieren oder damit anders umzugehen, damit es ihm besser geht, damit er fröhlicher und ausgeglichener wird. Also: Es ist nichts falsch mit ihm, es soll ihm nur besser gehen.

Natürlich könnte man jetzt hier Verdachtsdiagnosen nennen. Das werde ich erst mal nicht tun. Für eine Vorbesprechung mit dem Therapeuten wäre mMn eine Liste wie in der Fragestellung, angereichert mit konkreten Beispielen, sinnvoll.

Ich würde eher den Fokus auf Hilfen setzen. Was würde ihm helfen? Bspw. was genau hasst er am System Schule? Überlege und recherchiere und diskutiere mit ihm, ob es Wege gäbe, das zumindest teilweise zu verbessern. Was müsste passieren, damit er sich in der Schule wohler fühlen würde? Könnte er da auf einzelne Lehrer zugehen (oder ihr als Eltern) und Vorschläge machen, die im Rahmen der Schulregeln umsetzbar wären?

Wir hatten eine Weile in der Familie die Regel, abends 10 Dinge zu nennen, die am Tag gut waren. Dies haben wir vor allem gemacht, weil mein Bruder aufgrund von Downsyndrom in einer geschützten Werkstatt arbeiten "musste" und dort teilweise unterfordert war, teilweise aber auch mit Regeln überfordert war und hin und wieder mit Mitarbeitern - also anderen Menschen mit Behinderung - aneinander geriet. Nach einiger Zeit fand er dann Aspekte, auf die er sich am Tag freuen konnte.

Für deinen Sohn könnte es hilfreich sein, so etwas schriftlich festzuhalten, wie in einer Art Tagebuch. Was war am Tag schön? Was war das Schönste? Rückblick: Was war Montag, Dienstag, Mittwoch etc. schön? Worauf freut er sich am WE?

Bei meinem Bruder (der aufgrund der Behinderung Probleme hatte, frei zu äußern, was ihn belastete oder einfach selten frei von Werkstatt oder Schule erzählte) haben wir auch oft gefragt, mit wem er geredet oder gespielt hat, mit wem er zum Mittagessen am Tisch saß, was er mit wem besprochen oder gespielt hat. Das war in dem Fall extrem mühsam. So kann man aber dem Sohn halt bewusst machen, dass er Freunde hat, was ihn mit denen verbindet, wen er ansprechen kann, wenn ihm langweilig ist oder er einsam ist.

Diese Listen kann man dann am WE immer durchgehen und sich bewusst machen, was dieWochenhighlights waren und worauf man sich in der Folgewoche wieder freuen kann. Eventuell könnte es auch sinnvoll sein, seine "guten Eigenschaften" aufzuzählen: Was schätzt er an sich, was kann er gut, was schätzen andere an ihm (Vereinskollegen, Freunde, Verwandte). Was fällt ihm zu, was hat er mit Mühe gemeistert und beherrscht es jetzt hervorragend? Worauf war er in der Woche stolz?

Man könnte auch abends 15 min besprechen: Was war furchtbar am Tag, was war super? Nicht, dass er glaubt, er dürfte sich jetzt nichts mehr von der Seele reden!
Aber er soll regelmäßig die Liste mit den schönsten Erlebnissen durchlesen und sich bewusst machen, was sein Leben lebenswert macht.
Und bei den negativen Aspekten überlegen, wie man die so verändern könnte, dass man sich etwas daran freuen kann.Also bspw: Wie kann man das Abendessen und das Zubettgehen so verändern, dass beides nicht als Last empfunden wird?
Nota bene: ER soll das überlegen, nicht IHR sollt das anbieten!

PS
Für euch könnte es sinnvoll sein, Listen mit möglichen Stressfaktoren für ihn zu führen (die er nicht sieht) und darüber nachzudenken, welche man verhindern kann und für welche man einen Ausgleich finden kann und wenn ja, welchen. Also, keine Kompensation, sondern z.B.Sport oder Entspannungsübungen nach Stressfaktoren. Oder auch davor, um den Stress zu minimieren.
Aber bitte auch ehrlich überlegen, ob es in der Familie Aspekte gibt, die den Stress eventuell erhöhen, obwohl keiner das bewusst macht!

Bearbeitet von Toschkalee
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"Wir hatten eine Weile in der Familie die Regel, abends 10 Dinge zu nennen, die am Tag gut waren."

Das ist eine wirklich gute Sache, das machen wir hier auch. Mir wurde es damals, als ich an Depressionen erkrankt war, vom Therapeuten mitgegeben, jeden Tag 3 Dinge aufzuschreiben, die schön/positiv/angenehm waren. Die den Tag schön gemacht haben.

Und am Ende der Woche oder alle paar Wochen mal im Heft blättern und lesen, was so alles Schönes passiert ist.

Es lehrt vor allem auch, Dinge anders wahrzunehmen. Den Sonnenschein überhaupt erst zu sehen. Das fand ich interessant. Ich hatte das Gefühl, dass ich allein dadurch, dass mir ein Lächeln im Supermarkt auffiel, schon besser drauf und positiver gestimmt war.

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PS Noch: Der Absatz über euch als liebende Eltern etc.: Nur, weil dein Sohn Stress hat und das zeigt, selbst, wenn einige Ursachen davon in der Familie liegen, müsst ihr euch als Eltern nicht in Frage stellen!

Es kann sein, dass ihr die besten Absichten habt und auch viel Wissen, dass aber ganz bestimmte Abläufe oder Regeln einfach für deinen Sohn als Individuum nicht passen!
Diese könnte man ja ändern.

Daher würde ich mir täglich notieren, welche Konflikte es gab, was die ausgelöst hat (was als Grund genannt wurde), was in der Familie evtl. dazu beigetragen haben könnte, ob man das ändern könnte und will. Man will ja vielleicht nicht alles ändern. Aber möglicherweise kann man dann anders damit umgehen.

Deshalb ist man aber kein schlechter Mensch.

Sage wir mal - fiktives Beispiel - einer in der Familie muss oft sein Instrument spielen, damit es ihm gut geht. Ein anderer in der Familie bekommt davon Kopfschmerzen. Der eine braucht das Üben, der andere die Ruhe. Dann ist die Lösung ja nicht, dass einer verzichtet, sondern wie man das räumlich und zeitlich so organisiert, dass beide zu ihrem Recht kommen. Wenn der Übende aber nicht weiß, dass da ein anderer immer Kopfschmerzen bekommt und sich wundert, warum die Stimmung zu schlecht ist, kann sich auch nichts verbessern!

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Hallo,

dein Sohn hat sehr viele Parallelen zu meinem Sohn (12).

Er wurde vor einem Jahr als Autist diagnostiziert. Seit 2 Jahren geht er einmal wöchentlich zur Ergotherapie und zur Psychotherapie was ihm unheimlich geholfen hat.

Wenn du Fragen hast, kannst du mich gern privat anschreiben.

LG

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Versuch dich frei zu machen davon dass Psychologische Behandlung ein Makel sind und es schlimm ist zum Psychologen zu gehen. Wenn es körperliche Beschwerden sind gehst du doch auch so lange zum Arzt bis man die Ursache kennt. Und da es erstmal um Feststellungen und nicht um Medikamente geht würde ich sagen Psychologe. Bleibt dran und schaut zeitnah nach einem Termin. Denn viel schlimmer wäre dass ihr gar nichts macht. Dazu wirkt das alles was du schreibst viel zu ernst.

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Eine Diagnostik beim Kinder und Jugendpsychiarter wäre der richtige Weg

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Hey!

"wir haben zudem Angst, dass er versteht, was für eine Ärztin es ist, und ihn das noch unsicherer macht." Das stößt mir gerade sehr auf. Da sitzt euer 9-jähriges Kind, hat enormen Leidensdruck, zeigt selbstverletzendes Verhalten und ihr überlegt, ob das Label an der Praxis ein Stigma sein könnte und es verunsichert. Das macht mich echt wütend. Nehmt die Überweisung doch und handelt endlich. Was glaubt ihr, wie geht das Leben eines Kindes weiter, dem es im Alter von 9 Jahren schon so dreckig geht?

Ich bin neurodivergent und habe bisher 3 Diagnosen aus dem Bereich erhalten. Für mich war es eine Erleichterung zu wissen, warum ich mich so anders fühle.

Deine Schilderungen können alles mögliche sein; Hochbegabung, adhs, Hochsensibilität, ASS. Die Symptome überlappen sich schon in manchen Teilen. Ich würde damit nicht zu irgendwelchen Psychologen gehen, sondern in Ambulanzen für den jeweiligen Schwerpunkt.

"Wer kann uns helfen? Die Schule hält sich raus." Ich würde an einer freien Schule nicht unbedingt erwarten, dass man mich in dieser Hinsicht gut berät. Dort sind nicht unbedingt pädagogisch fundiert ausgebildete Lehrkräfte- an den Regelschulen sieht es schon manchmal mau aus. Die Lehrkräfte, die ich kenne und die an einer freien Schule arbeiten, haben alle keine ausreichende Qualifikation, um im staatlichen Schulsystem zu arbeiten.

Wie schätzt du denn seine Konzentration ein? Konnte er als Kleinkind spielen? Kann er sich mit Dingen länger beschäftigen? Hat er Freunde? Bewegungsdrang? Findet er schnell Freunde? Wann hat er begonnen zu sprechen?
Wenn du magst, kannst du mir privat schreiben.

Liebe Grüße
Schoko

Bearbeitet von schokofrosch
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Na ja, es mag sein, dass das in deinem Umfeld so ist, aber man muss schon unterscheiden zwischen den freien Schulen. Die anerkannten freien Schulen folgen demselben Lehrplan haben die selben Prüfungen und auch nicht weniger kompetente Lehrkräfte.

Hier wie dort ist das Kind halt einer von 20 Schülern und es ist in diesen Fall in erster Linie das Kind, das ein Problem hat, nicht die Schule, die ihm eines macht. Es ist Sache der Eltern, ihm hier zu helfen und, wie andere schon schrieben: Es ist allerhöchste Zeit dafür (soll kein Vorwurf an die TE sein).

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Es tut mir leid, aber eurem Sohn habt ihr mit 9 immer noch keine Hilfe organisiert? Bitte kümmert euch schleunigst um einen Termin beim SPZ und natürlich sollte er dringend zum Psychologen/Psychiater. Was ist es denn für ein Problem, dass er versteht wo er hin geht? Natürlich darf und soll er das wissen. Er muss sich ja selber total unwohl fühlen. Ein Psychologe ist absolut nichts schlimmes. Es scheint ja bei euch Eltern diesbezüglich schon Vorurteile zu geben. Das ist ein Arzt der einem hilft. Bitte kümmert euch jetzt wirklich schnell um alles. Er ist ja bereits total Verhaltensauffällig. Der arme Junge. Durch sein Verhalten erkennt man ja seinen enormen Leidensdruck. Ihr hättet schon viel eher reagieren sollen

Bearbeitet von juli111