Warum muss mein Kind es immer schwerer haben als der Rest?

Guten Morgen,
Vorweg: mein Kind ist gesund, pfiffig, und wächst in sehr geordneten Verhältnissen auf. An sich ist also alles in Ordnung. Ich muss mich aber trotzdem einmal etwas ausheulen, weil fast alles mit Schwierigkeiten (behandelbar!) behaftet ist und ich damit nicht gut klarkomme.
Mein Kind war lange gewünscht, es hat von alleine aber nicht geklappt und wir sind in eine Kinderwunschklinik gegangen. Die Eizelle mit der es „funktioniert“ hat wurde von den Ärzten eigentlich schon aufgegeben, „zu alt“, weil die Hormonbehandlung wochenlang nicht anschlug und die eizelle nicht reifte, erst als sie mehrere Wochen alt war. Mein Mann und ich fragen uns tatsächlich inzwischen, ob die vielen kleinen Baustellen damit zusammenhängen könnten . Nun ja, Schwangerschaft war ok, allerdings BEL mit KS. Das Kind schrie viel alles normal, hieß es. Es schrie weiter, dauerhaft. Irgendwann hielten wir es nicht mehr aus und gingen zum Osteopathen. Viele Blockaden, diese wurden gelöst. Kind hörte auf zu schreien, fing Tage später wieder an. Alles zurückgerutscht. Wir wurden Dauergast in der osteopathie, es wurde immer besser. Mit fünf Jahren fiel auf dass mein Kind nicht hüpfen und schaukeln kann. Der Chiropraktiker behandelte es, es wurde besser. Sportliche Defizite sind trotzdem noch da, Treppen werden immer noch nicht altersentsprechend gelaufen usw. Mit drei Jahren äußerte der Kinderarzt den Verdacht das Kind sei hochsensibel. Es wurde keine Diagnostik gemacht, aber es passt. Schnell überreizt, Schwierigkeiten mit Veränderungen, Schwierigkeiten in größeren Gruppen etc. Wir haben ein Buch gekauft und es beschreibt das Kind bis ins letzte Detail. Als die ersten Milchzähne ausfielen fiel auf dass es kreidezähne hat, sieht übel aus. An sich auch nichts Wildes, aber schon wieder eine Baustelle. Gestern äußerte die Grundschullehrerin (1. klasse) den Verdacht auf dyskalkulie und Leseschwäche. Dort sind tatsächlich mMn gravierende Schwächen zu erkennen. Die Frustrationstoleranz meines Kindes ist gering, und trotzdem beißt es sich immer so durch, kann schwimmen, und schon sehr lange Rad fahren. Trotzdem ist da jetzt schon viel Frust, weil es merkt, dass es immer etwas schwieriger hat als der Rest (auch im Bezug auf die Geschwister). Es ist auch für mich so frustrierend. Es ist ein tolles Kind, aber es hat so viele kleine Baustellen dass die tollen Fähigkeiten im Alltag sehr untergehen. Vllt hat ja jemand eine schöne Erfolgsgeschichte von einem ähnlichen Kind die ein wenig trösten kann. Ich selbst bin immer einfach durchs Leben geschritten, und vielleicht deshalb auch selber so frustriert.

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Hallo,

als Mutter eines Kindes welches als Folge seiner Frühgeburt tatsächlich diagnostizierte Behinderungen hat, erscheint mir das was du über deine Tochter schreibst gar nicht dramatisch.

Sie scheint ein sensibles Kind zu sein, was ja aber nicht nur Nachteile hat! Feinfühlig zu sein kann auch eine große Stärke werden.
Unsportlichkeit ist ja nun auch nichts schlimmes und damit ist sie sicherlich nicht die einzige in ihrem Umfeld.
Kreidezähne sind natürlich nicht toll und auch Lernprobleme können einem Kind sehr zu schaffen machen, aber wie du selbst sagt: es ist alles behandelbar.
Beim Lesen wirkt es so als würdest du dich sehr an den Schwächen deiner Tochter festbeißen. Vermutlich aus Angst um ihre Zukunft?
Dabei hat sie sicherlich eine ganze Menge Stärken und braucht vielleicht mehr Bestätigung bzw. positives Erlebnisse, damit sie unter ihrem Schwächen nicht so leidet?
Vielleicht ein Hobby mit anderen Kindern pflegen in dem sie besonders gut ist, damit ihr beide wieder mehr auf ihre Stärken schauen könnt?

So oder so, sie wird ihren Weg gehen. :)

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Vielen Dank für deine liebe Antwort. Es sind natürlich gerade im Vergleich mit anderen Kindern absolute Lächerlichkeiten die mich beschäftigen, das ist mir klar. Und du hast vermutlich auch recht, dass ich die Probleme, die mein Kind hat, zu sehr in den Fokus nehme. Ich selbst war immer eine 1er-Schülerin, alles hat sofort geklappt, ich habe eine absolut unkomplizierte Schulbiographie. Auch sonst hatte ich es immer leicht. Der Perspektivenwechsel fällt mir schwer, warum mein Kind sich in Vielem so schwer tut. Und klar, ich mache mir Sorgen um die Schule. Nicht dass ich glaube es würde es nicht schaffen, sondern eher der Frust, den es heute schon hat. Gerade bei den Hausaufgaben wieder viele Tränen, sie haben heute subtrahiert. Kind versteht es nicht. Hat sich in der Pause dann gehauen, den Grund kann ich mir denken. Eh schon sensibel, und dann so viel Frust, dabei gibt es von zuhause keinen Druck. Den macht es sich selbst (hat im kindergarten schon viel geweint weil es Angst vor der Schule hatte, es nicht „gut“ genug ist. Wir wollen jetzt eine Sportart suchen die meinem Kind Spaß macht, in dem es gut ist. Ich hoffe wir müssen nicht zuviel durchprobieren.

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Hallo,

ich finde grundsätzlich ist jeder Mensch anders, jeder hat Talente und Schwächen, jeder kann was gut und anderes nicht so gut.

Meine Tochter ist sehr schüchtern, hat z.B. die ersten 3 Monate in der Schule kein Wort mit der Lehrerin gesprochen. Sie ist unsportlich, was haben wir alles probiert, naja... Leistungssportlerin wird sie zwar nicht, hat aber Spaß daran sich zu bewegen.
Als sie im Kindergartenalter war, haben alle Kinder im Hof zusammen gespielt - meine Tochter saß allein auf der Schaukel. Ich hab mir so viele Gedanken und Sorgen gemacht. Bis mir eine Freundin sagte, dass es ihr damit gut geht, dass sie selbst sich aus Situationen mit zu vielen Menschen rausnimmt - und fein damit ist.
In der Grundschule hat die Lehrerin auf Rechenschwäche getippt - mittlerweile ist sie in der 12. Klasse - mit Mathe als Leistungskurs. Jetzt, in der Oberstufe, ist sie das erste Mal richtig gut in etwas.

Ich finde es wunderbar, dass sie in keine Schablone passt. Ich unterstütze sie, in dem wie sie ist.
Ich selbst wurde jahrelang verbogen und verbiege mich heute noch oft - weil ich gar nicht mehr weiß, wer ICH bin und was ICH mag. So soll es ihr nicht gehen.

Sieh die ganzen kleinen Schwierigkeiten als Besonderheiten - in ALLEM steckt immer auch was positives, auch wenn es vielleicht nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Stärke Dein Kind in seinen Stärken.

Geholfen hat mir: nicht mit meinem Erwachsenenblick auf die einzelnen Situationen zu schauen - sondern wirklich versuchen, es aus der Sicht des Kindes wahrzunehmen. Hochsensibilität ist z.B. auch was wirklich tolles, Schwimmen Können in der 1. Klasse ist keine Selbstverständlichkeit (meine Tochter war 9!), Ehrgeiz - also sich durchzubeißen - ist eine tolle Eigenschaft, und so weiter...

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Danke für deine nette Antwort und deine Erfahrungen. Du hast recht, ich sollte mehr auf die Sachen gucken die gut laufen. Davon gibt es auch wirklich viele! Es ist eher ein besonderes Kind das immer wieder überrascht. Und in eine Schablone kann man es tatsächlich überhaupt nicht quetschen. Das hat sicherlich mein Mann vererbt. :-)

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Hey!

Ich glaube auch, dass du den Fokus sehr auf ihre Baustellen legst.
Wenn du mal in dich gehst, wirst du vielleicht auch Dinge finden, die nicht so super gelaufen sind. Aber wenn du eher positiv gestimmt bist, fällt dir das vermutlich gar nicht so auf.

"geweint weil es Angst vor der Schule hatte, es nicht „gut“ genug ist." Hast du dir mal Gedanken darüber gemacht, wieso deine Tochter Versagensängste entwickelt hatte, noch bevor sie überhaupt zur Schule ging?
Kann es vielleicht sein, dass ihr sie aufgrund der Vorgeschichte eher behütet habt und so den Eindruck vermittelt, dass sie mehr Hilfe braucht als andere oder nicht so gut ist?
Da würde ich wirklich ansetzen- denn diese Ängste werden sie ihr Leben lang einschränken, sodass sie vielleicht unter ihren Möglichkeiten bleibt.

Ich sehe oft, dass Kinder in der Schule schlicht zusammenbrechen, wenn ihnen bis dato alles in den Schoß fiel, aber nun die erste Herausforderung ansteht. Denen fehlt das Rüstzeug zu kämpfen.
Kinder, die schon immer arbeiten, lernen, mehr tun mussten... Wissen, dass sie arbeiten müssen, aber sie dann mit der richtigen Technik Erfolg haben werden.
Das wird schon 😀

Liebe Grüße
Schoko

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Liebe TE,

ich wollte dir gerne antworten, da ich selbst so ein Kind war/bin. Natürlich gibt es immer Menschen, denen es noch schlimmer geht, das macht eure Probleme aber nicht weniger wichtig. Ich will nicht lügen, es ist nicht einfach.

Ich habe in meiner Kindheit alles mitgenommen: Übergewicht, unterdurchschnittliche Attraktivität, schlimme Hautprobleme, schiefe und teils sogar von vornherein fehlende Zähne, zu viel Zahnfleisch, seltene Krankheiten, Hormonstörungen, Schlafprobleme da stark nachtaktiv, super wuschelige Haare, Noten immer im unteren Drittel der Klasse, wenig Geld, Hochsensibilität, Zwangsstörungen etc.
Es sind hier nicht die einzelnen Problemchen, die mit immer schwer auf dem Herzen lagen, sondern die Summe aller.

Um meine Defizite auszugleichen, arbeitete ich immer drei mal so hart, während ich aber auch an dreimal so viele Dinge denken musste, und drei mal so viele Dinge erledigen musste. Das hat mich auf Dauer so zermürbt, dass ich mit Mitte 20 ein Burnout hatte, und mich lange vor der Welt verschloss. Manche meiner obigen Beispiele mögen sich lächerlich anhören, aber ich wollte es immer nur in wenigstens einem Bereich einfach haben, „normal“ sein. Das Gefühl immer kämpfen zu müssen, nie mal Pause zu haben, machten mir das Leben schwer.

Mein Rat an dich als „so ein“ Kind: stärken, Pausen machen und Prioritäten setzen. Beispiel: Ich wünschte meine Eltern wären bei meinem Übergewicht und meinen Zähnen nicht eingeknickt, auch wenn ich stur war. Stattdessen vielleicht weniger Mathenachhilfe, denn damit hatte ich nach dem Abitur echt gar nichts mehr zu tun.

Findet heraus, ob euer Kind besser mit kurzweiligem hohen Stress und längeren Ruhepausen danach, oder längerfristigem milderen Stress zurecht kommt. Nicht versuchen zu viel zu kompensieren, das kann später nach hinten losgehen. Langfristig denken, Limits erkennen und dann auch mal die Kirche im Dorf lassen. Eventuell könnte therapeutische Begleitung infrage kommen, solange diese nicht als zusätzliche Belastung wahrgenommen wird.

Ich wünsche euch von Herzen alles Gute. Euer Kind ist super so wie es ist und es wird seinen Weg gehen. Ich bin trotz all meiner Problemchen letztendlich zu einem sehr lebensfrohen Menschen geworden, auch wenn es bis heute nicht immer leicht war/ist. Euer Kind schafft das ganz sicher auch ♥️

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Hallo,

bitte geh mit Deinem Kind so schnell wie möglich in ein SPZ oder zu einem Kinderpsychiater und lass es ordentlich diagnostizieren. Nur so kann es die Hilfe und Förderung bekommen die es braucht, oder ihr wisst dass es alles gar nicht so schlimm ist und die Dinge überdramatisch gesehen werden.

Hört bitte auf Euch und Euer Kind zu bemitleiden sondern geht los, seid ergebnisoffen, nehmt die Diagnosen die kommen an und fangt an zu fördern wenn dies empfohlen wird. Halbherzige Diagnosen vom Kinderarzt und Selbstbestätigung in einem Buch hilft keinem Kind weiter, denn in den meisten Fällen sind die Probleme viel vielschichtiger als man es so erfassen kann und selten wird das Problem damit erfasst und gelöst.


Wir haben ein Extremfrühchen auch mit 1000 Baustellen inkl. ADHS, aber er geht inzwischen gerne in die 2, Klasse, er wurde aber schon mal von Anfang an ein Jahr zurückgestellt, aber wir rennen auch seit 8 Jahren ständig ins SPZ und zum Kinderpsychiater und hatten teilweise bis zu 3 Förderterminen die Woche. Aber viele dieser Baustellen sind bereits hinfällig, und die Leseschwäche die zb lange vor der Einschulung schon im Raum stand ist inzwischen (vielleicht auch dank jahrelanger Logo) zum Glück passee.
Auch oder gerade bei Kindern mit Schwächen merkt man richtige Förderung. Dazu muss aber die Diagnose stimmen.


Aber ihr müsst aufhören Euer Kind als das arme kleine zu sehen. Seht die Stärken, hebt sie hervor, nehmt die Schwächen an und fördert sie da. Sucht Euch zur Not selber seelsorgerische Hilfe, denn wie ein Kind damit umgeht hängt stark davon ab wie die Eltern damit umgehen, und da kann Euch auch ein Psychologe selber helfen.

Alles Gute Euch!

Bearbeitet von Inaktiv
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Wer suchet der findet?!
Irgendwie klingt das ein bisschen danach als wären die Defizite hausgemacht.

Wäre das Kind denn tatsächlich nicht gehüpft wenn ihr mit ihm Hüpfspiele gemacht hättet? Vielleicht fehlen euch Ideen und Kontakt zu anderen Eltern mit Kindern...um da Vergleiche etc zu haben.

Ist er vielleicht einfach nur schlecht in Mathe weil er keine Lust auf Mathe hat?

Ich weiss ja nicht, ob das alles so Hand und Fuß hat was du da erzählst. Schließlich hat der Kinderarzt ja nichts diagnostiziert was in die Richtung auffäliig oder unnormal ist / eine Behandlung bedarf und ein Kinderpsychologe auch nicht, richtig?

Ist er vielleicht doch ein relativ normaler Junge und ihr steigert euch da ein bisschen rein?! Kreidezähne..eigentlich nichts, was ich groß thematisieren würde oder so ein Drama ist soweit ich weiss.

Und wie kommst du darauf, dass sowas nur euch betrifft? Heutzutage liest und hört man doch ständig über Defizite. Die Kinder dürfen oftmals nicht mal mehr kindisch sein.

Du vermischst euren damaligen Kinderwunsch/ damaliges Reifungsproblem schon sehr arg mit der derzeitigen Entwicklung eures Kindes wie ich finde..

Bearbeitet von Inaktiv
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"Kreidezähne..eigentlich nichts, was ich groß thematisieren würde oder so ein Drama ist soweit ich weiss"

Da irrst du leider.
Meine Tochter hat das an den Milchzähnen. Einer wurde schon deshalb entfernt, weil er nicht zu retten war. Wir hoffen so inständig, dass die bleibenden Zähne verschont bleiben - sonst hat sie vermutlich ein Gebiss, bevor sie in Rente geht...
Von dem Aufwand, den es bedeutet, solche Zähne bis ins Erwachsenenleben hinein zu retten, mal gar nicht zu reden.

Ja, es gibt schlimmeres. Schlimmer geht immer. Aber es gibt auch OPs, deren Folgen nicht so unangenehm sind, wie tagelanges nicht-essen-können.

Und der TE hier zu unterstellen, sie hätte mit ihrem Kind nicht genug gehüpft... ohne Worte.
Offenbar hat das Kind noch Geschwister. Vielleicht ist die TE ja nur mit denen gehüpft...? #kratz

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Sie ist eben ein Mensch!
Mir fällt jetzt wahrscheinlich kein Mensch ein, der keine "Baustellen" hat.
Wegen Kreidezähnen, Dyskalkulie und einer Leseschwäche können doch die positiven Eigenschaften nicht untergehen! Dass man so komplett ohne kleiner Problemchen durchs Leben spaziert ist aber wirklich eine Seltenheit. Gerade deswegen sollte man sein Augenmerk vielmehr auf die positiven Eigenschaften legen.
Mein erster Sohn war ein Frühchen - ADHS, Kreidezähne, Stuhlinkontinenz, Dyskalkulie. Seine Baustellen. Es gibt genug Kinder, die es leichter hatten als er - aber auch genug, die es weit schwerer hatten. Wie man damit umgeht zählt. All das sind doch nur kleine Baustellen, die man entweder behandeln oder damit leben kann. Und wenn man sich mal die ganzen positiven Dinge aufschreibt, wird einem schnell klar, dass es da weit mehr gibt als negative :) die gehören gesehen, angesprochen, gelobt, an denen erfreut man sich.