Erlebnis eines Down-Syndrom-Kindes: "Mama das schenke ich Dir..."

Hallo,

möchte hier ein Erlebnis erzählen, das mich sehr berührt hat, es ist schon etwas länger her...aber vielleicht möchte es trotzdem Jemand lesen:

Ich arbeite in einer Apotheke und wir haben auch unsere Stammkunden, zu denen zählte auch eine Frau mit einem Kind, welches das Down-Syndrom hatte.
Nun gut, Kind kann man vielleicht auch nicht mehr sagen, er war 24 Jahre alt - aber er hatte eine so wundervolle kindliche Art#sonne
Die Mama des Kindes hatte es nicht sehr leicht mit ihm, weil er einen Herzfehler hatte, wurde oft operiert...
Und dann kam es einmal, dass er (aus schutzrechtlichen Gründen darf ich keine Namen nennen), während die Mama mit ihren Medikamenten-Einkäufen beschäftigt war, eine Salbe aus dem Regal genommen hat und mühsam sein Kleingeld zählte. Es war sein Taschengeld, welches er in einem kleinen Beutel aufbewahrte.
Er schüttete das Kleingeld vor mir aus und bezahlte die Salbe. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, was er mit der Salbe wollte? die Mutter schaute auch ganz interessiert zu.

Dann lief er zu seiner Mama und sagte: Mama, das schenke ich DIR heute zu MEINEM Geburtstag, weil Du es oft nicht sehr einfach mit mir hattest. Danke dass Du mich bekommen hast und dass ich leben darf!
Die Mutter fing an zu weinen, wir fingen an zu weinen... Er hat es zwar nicht ganz so deutlich formuliert wie ich jetzt hier, aber man konnte diesen Sinn daraus verstehen.

Wir waren alle sehr traurig, als wir ein halbes Jahr später erfahren haben, dass er an Herzversagen gestorben ist.

Aber dieses Erlebnis berührt mich auch heute noch sehr und ich denke sehr gerne an diesen wundervollen Menschen zurück...er war wie ein Engel, der die Welt hier nicht so ganz verstehen konnte, weil er aus einer anderen Welt kam, einer sehr schönen Welt...

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Ja, das sind solche Erlebnisse, die das Herz ganz nachhaltig berühren.... #danke #liebdrueck


Herzliche Grüße
Sabine

... liebende Freundin von Inna (*1945, DS, Schilddrüsenunterfunktion und bis zu ihrem plötzlichen Tod 2006 topfit), Hannah, (*1986, DS, operierter Herzfehler, Skoliose, Hörgeräte beidseits, Brille und topfit), Lotte (*1989, DS, Brille und topfit), Verena (*1995, DS, inoperabler AV-Kanal mit Eisenmenger-Reaktion und Sonnenschein pur), Matthias (*2002, DS, erfolgreich operierter AV-Kanal und nun topfitter "Gummiball" ;-) ) und Eric (*2004, DS, West-Syndrom / BNS-Epilepsie und seit die Medikamente ausgeschlichen sind, blüht er auch wieder auf!!)

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Hallo Sam,

habe deinen Kommentar in der Antwort auf die traurig/schöne Geschichten des Jungen gelesen und interessiere mich für die Geschichte von Eric.
Meine Tochter ist 2002 geboren und hat auch DS und neben einer Schilddrüsenunterfunktion das West-Syndrom.
Am Herzen ist alles wieder ok. Das ist von alleine zugewachsen. Aber für die BNS-Krämpfe bekommt sie Ospolot, eines der harmloseren Medikamente, aber es ist halt jeden Tag Chemie. Du hast geschrieben, dass es Eric besser geht seit die Medikamente ausgeschlichen wurden. Kannst/darfst du mir mehr dazu erzählen. Ich weiß, dass du immer sehr gut informiert und interessiert bist, da ich schon öfter Kommentare von dir gelesen habe und vor einigen Wochen auch mal auf deiner Homepage war. Würde mich sehr freuen, wenn du mir schreibst.
Du kannst mir auch an sabinedolphin@web.de schreiben.

Liebe Grüße
Sabine

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Hallo Sabine!

Eric (*August 2004) hat wirklich ein bisschen zu oft "Hier, ich will auch!" gerufen, als es um die Vergabe von Besonderheiten ging ;-) Seine Eltern waren nach der Überwindung des Diagnoseschocks kurz nach seiner Geburt recht froh, dass ihr Sohnemann nur ein Chromosom mehr hat als andere. Kein Herzfehler, keine Probleme im Darmbereich usw.

Ich habe Eric Ende 2004 kennen gelernt und es ging sich super mit ihm an! Ende Januar habe ich Geburtstag und Verena und Ingo (Erics Eltern), waren mit ihm bei mir gewesen zum Kuchenessen. Als sie dann wieder gegangen waren, klingelte einige Zeit später das Telefon und Verena fragte, ob ich mich bei Epilepsie bei Down-Syndrom auskennen würde. Im Hinterkopf hatte ich da schon mal was gelesen, aber das nicht weiter vertieft.

Ich habe ihr empfohlen, gleich am nächsten Tag ein EEG schreiben zu lassen und hartnäckig zu bleiben, wenn man sie abwimmeln will. Sie blieb haftnäckig, die Hypsarrythmie wurde bestätigt und damit das West-Syndrom (BNS-Epilesie). Scheiße, scheiße, scheiße.


Eric hat in den bislang 16 Monaten nach der Diagnose so ziemlich das ganze Programm und die klassische Medikamentenleiter beim West-Syndrom mitgemacht. Von der Gabe von Vitamin B6 über Ospolot und und und (zeitweise hat er ich glaube 6 Medikamente parallel bekommen!) durchgemacht und wieder viel zu oft "Hier, ich auch!" gerufen:

Es ist ein Spezialist für seltene Sachen. Erst Down-Syndrom, dann West-Syndrom und dann Nebenwirkungen ohne Ende bis hin zur akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung! Der Horror. Seine Mutter hat ein feines Gespür dafür. Nach der Geburt gucke sie ihn an, sah seine Zunge und dachte "Down-Syndrom", wo andere sich erst auf die Chromosomenanalyse verlassen wollten. Sie sah die seltsamen Bewegungsmuster und dachte "Epilepsie", in der Klinik haben sie erst abgewunken, aber das EEG war eindeutig. Als mit der Gabe des Medikamentenwirkstoffes Valproat (das Medikamente war glaube ich Orifril) angefangen wurde, wurde Eric ein anderer Mensch, war dauerverschleimt, teilnahmslos, lachte nicht mehr usw. Dauernd bat sie darum, dieses Medikament abzusetzen, aber die ÄrztInnen machten ihr Angst, dass es dann noch schlimmer würde. Eric hat übrigens nie länger als höchstens wenige paar Tage nach einer neuen Medikamentenumstellung aufgehört zu krampfen!

Verena zitierte die Packungsbeilage, wies darauf hin, dass Eric alle Anzeichen von Bauchspeichel- oder Leberentzündung zeige, aber wieder kam nur so ein Kommentar wie "Das kann nicht sein, das ist sooo selten". Nach Entlassung aus Bethel (wo die Spezialisten arbeiten, sollte man meinen), hatten sie ihren Sohnemann daheim, der nur noch daneben war. Der Kinderarzt hatte den richtigen Riecher, machte eine Blutuntersuchung und kurze Zeit später war Eric in der Klinik in Herdecke.

Akute Bauchspeicheldrüsenentzündung, sofortige Absetzung von Valproat - und siehe da: Eric wurde wieder Eric! Krämpfe blieben allerdings, und so wurde weiter experimentiert mit den Medikamenten. Nichts half dauerhaft und so hat Verena den Entschluss getroffen, dass aktuelle (und wie so viele vor ihm ziemlich wirkungslose) Medikament auszuschleichen, ohne das nächste auf der Liste (ich glaube Topamax wäre dran gewesen) gleich einzuschleichen. Eric war nach dem Ausschließen also "drogenfrei" und krampft sehr, sehr viel weniger! Er ist wieder aufmerksam, auch körperlich wieder aktiv und gut gelaunt. Die Hypsarrythmie im EEG ist übrigens schon seit einigen Wochen nicht mehr nachzuweisen, d.h. eigentlich hat er kein West-Syndrom mehr, sondern eine noch nicht in einer Syndromkategorie einzuordnende Nachfolgeepilepsie :-(

Generell muss man sehr vorsichtig sein, Medikamente einfach abzusetzen bzw. auszuschleichen. Eric ist da sicher ein Sonderfall, denn so wie er teilweise gekrampft hat (Notfall(!)medikament nicht selten mehrmals täglich!!), war es klar, dass die Medikation ihm nicht hilft, sondern ihr hauptsächlich zurückwirft und aufhält in seiner Entwicklung. So war es ein, ja, auch von einer gewissen Resignation geprägter Versuch, es nach dem nächsten Scheitern mal ganz ohne Medikamente zu probieren. Ich habe Eric zuletzt vor 6 Tagen gesehen und da ging es im sehr gut und er war weitgehend (aber nicht völlig) anfallsfrei. Es wird sich zeigen, wie es weitergeht und sicher wird Erics Mama in nächster Zeit wieder seine Homepage aktualisieren :-)

http://www.ericmagnus.de

Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich auch über einen Austausch mit dir freuen würde. Allerdings kommt sie häufig nicht dazu, alle Mails zeitig zu lesen. Wenn du einverstanden bist, kann ich ihr gerne deine Mail-Adresse geben.

Liebe Grüße
Sabine (http://www.regenbogenzeiten.de)


Hier sind noch ein paar Links, die vielleicht auch interessant für dich sind:

http://de.wikipedia.org/wiki/West-Syndrom (West-Syndrom allgemein)

http://www.projekt-witchcraft.de/annaweb/startseite.htm (Anna hat Down-Syndrom und West-Syndrom)

http://www.cafamily.org.uk/Direct/w12.html (West syndrome support group)

http://www.infantilespasms.com/forum/index.php (The Infantile Spasms Community)

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Das war wunderschön!!! Ich bin total gerührt und hab sogar eine Gänsehaut bekommen.

Lg Anika#blume

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Hallo Anka.Maus
Ich muß sagen das mich Deine Geschichte sehr bewegt. Mir liefen sofort die Tränen. Meine Tochter wurde im Januar auch am Herzen operiert hat also einen korigierten Herzfehler. Wir waren im November da und dann Januar zur Op im Kh und da habe ich auch Kinder und auch eine Frau mit Down-Syndrom kennengelernt. Da ich mich um die Frau gekümmert, habe mit ihr und auch mit den Kindern gespielt. Meine Tochter war zu dem Zeitpunkt 9 Monate. Dahabe ich festgestellt was das für liebe Menschen sind. Was die für eine liebe haben und geben. Da können manche Leute sich eine Scheibe von abschneiden. Lieben Gruß Sylvi #sonne

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Hallo,
dieser Beitrag geht unter die Haut und Berührt wohl jede Mutter im Herzen.
Auch Menschen mit Down-syndrom verdienen unsere Liebe und Aufmerksamkeit.
Sie geben dies auch wieder zurück wie wir in dem ersten Bericht lesen konnten.

Nur Traurig ist das diese Menschen Teilweise wie Aussätzige behandelt werden.


LG Claudia

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Hallo Claudia
Ja so ist unsere Gesellschaft. Ich spreche da aus Erfahrung. Ich bin sehr stark Übergewichtig da kannst Du Dir sicher vorstellen wie ich behandelt werde. Gruß Sylvi

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Hi du!

Ganz ehrlich auch ich bekam eine Gänsehaut und hätte ein wenig weinen können bei deiner Geschichte. Die war so schön und gefühlvoll. Und da kann ich oft nicht verstehen, wieso Leute so ablehnend gegenüber Behinderten sind. Man sieht doch daran auch, das sie nicht weniger gescheit sind als wir. Nur manchmal eben ein wenig anders.

Gruß Ela

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Tja ich kann mich nur anschließen, Gänsehaut pur.

Ich zünde einfach mal eine #kerze für den wundervollen Mensch.

LG
Milli08

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Schnief,das war schön!
Und wenn man bedenkt wie viele Kinder im Klo runtergespült werden nur weil sie versehrt sind...............:-(
So ein Kind kann manchmal mehr geben als viele glauben

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"Mama, das schenke ich DIR heute zu MEINEM Geburtstag, weil Du es oft nicht sehr einfach mit mir hattest. Danke dass Du mich bekommen hast und dass ich leben darf!"

ich hoffe nicht, daß sich behinderte vor ihren mitmenschen mal entschuldigen müssen, daß es sie gibt.
so nett sich die geschichte anhört, so schlimm ist die aussage, des jungen. er scheint ja schon genug abneigung empfangen zu haben, sonst hätte er nicht dieses gespür entwickelt. sehr schlimm, sehr traurig.

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Guten Abend,

mein Sohn Jendrik hat auch das Down-Syndrom.

Ich bin tief berührt von der Geschichte.

Danke

Gruß
Jürgen

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Als ich im 5ten Monat schwanger war, teilte mein Frauenarzt mir lapidar mit, mein Kind habe wahrscheinlich Trisomie 21 (Down-Syndrom) und wenn ich abzutreiben wünsche, wäre das kein Problem!

Ich habe die Praxis verlassen und bin zu einer Ärztin gewechselt. Meine Tochter (heute 13) ist - glücklicherweise - gesund, aber ich hätte nie! deshalb abgetrieben.

Leider ist es so, dass Eltern, die zu ihren behinderten Kindern stehen, umso mehr schief angesehen werden, als es doch immer bessere diagnostische Möglichkeiten gibt.

Ich bin sicher die Mutter des Jungen, von dem Du erzählt hast, hat etwas einzigartiges bekommen.

Gruß

Manavgat