Vorsorgeuntersuchungen

Schwangerschaft: Wie zuverlässig ist der Ultraschall?

Schwangere geben viel auf die Ultraschalluntersuchungen ihres Ungeborenen. Wie treffsicher die Voraussagen zu Geschlecht, Größe oder Gesundheit eines Babys sind, hängt sehr von der Ausbildung des Arztes und vom Ultraschallgerät ab.

Autor: Gabriele Möller

Ultraschall: Geschlecht vom Baby nicht erkannt

Frau beim Ultraschall
Foto: © iStock, zoranm

"Schon in der 13. Schwangerschaftswoche wollte meine Gynäkologin erkannt haben, dass ich einen Sohn bekommen würde. In der 38. Schwangerschaftswoche schätzte sie das Geburtsgewicht des Babys auf 4.000 Gramm. Tja, es war dann aber kein Junge, sondern ein Mädchen. Und sie wog nur 3.200 Gramm", erzählt Cornelia Blankenberg.* Von solchen Erfahrungen beim Schwangerschafts-Ultraschall berichten Frauen immer wieder. Doch wie kommen diese Irrtümer zustande? Und wie zuverlässig sind eigentlich andere wichtige Voraussagen, zum Beispiel dazu, ob das Baby ausreichend wächst und sich zeitgerecht  entwickelt, oder ob es Anzeichen für eine Erkrankung oder Behinderung gibt?

Große Unterschiede bei Ultraschallgeräten

Das Equipment eines Arztes ist ein erster wichtiger Punkt in Sachen Treffsicherheit. Denn Ultraschallgerät ist nicht gleich Ultraschallgerät. Es gibt zunächst die "normalen" Geräte des niedergelassenen  Gynäkologen. Bereits hier ist es wichtig für die Genauigkeit, ob das Gerät schon zwölf Jahre oder erst ein Jahr alt ist. Dann gibt es die hochauflösenden (und entsprechend teureren) Geräte, wie sie vor allem Spezialpraxen für pränatale Diagnostik besitzen.

Der bei Eltern so beliebte 3-D- oder 4-D-Ultraschall dagegen zeigt zwar ein fast lebensgetreues, dreidimensionales Bild vom Baby, aber "in den meisten Fällen haben diese Geräte keine diagnostischen Vorteile", erklärt Professor Annegret Geipel vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) im urbia-Gespräch. "Manche Ärzte sind der Auffassung, dass sie bei der genaueren Überprüfung bestimmter Auffälligkeiten hilfreich sein können. In der Regel kommen sie aber vor allem dem Wunsch der Eltern entgegen, ihr Baby realistischer zu sehen", so Geipel, die die Abteilung Pränatale Medizin der Universitäts-Frauenklinik Bonn leitet.

Je höher die Qualifikation, desto zuverlässiger die Prognosen

Das verwendete Ultraschallgerät ist jedoch nur so gut wie der Arzt, der es verwendet. Die Genauigkeit der Vorhersagen hängt also auch von der Ausbildung des Gynäkologen ab. Frauenärzte können sich zertifizieren lassen für eine Anerkennung von der DEGUM. Je nach Anforderungen gibt es dabei die Stufen DEGUM I, II und III. Ein Großteil der niedergelassenen Frauenärzte hat keine DEGUM-Anerkennung.

Für eine DEGUM I-Anerkennung beim Schwangerschaftsultraschall muss ein Arzt Erfahrung nachweisen bei biometrischen Messungen des Kindes sowie bei der Darstellung bestimmter Organe zwischen der 19. und 22. Schwangerschaftswoche. Er muss jetzt auch sogenannte Hinweiszeichen auf Fehlbildungen erkennen und die Gebärmutter, die Fruchtwassermenge und die  Plazenta beurteilen können. Die meisten Punkte darf auch ein Arzt ohne DEGUM I-Anerkennung beim erweiterten Basisultraschall (zweites Schwangerschaftsdrittel) untersuchen, er muss sich dabei aber an den Vorgaben der DEGUM-Stufe I orientieren.

Für die Stufe DEGUM II braucht ein Arzt besonders hoch auflösende Ultraschallgeräte (und eine Dopplereinrichtung), muss Erfahrung mit der Diagnose von fehlgebildeten Feten nachweisen sowie bestimmte Prüfungen ablegen. DEGUM II haben überwiegend Ärzte in Spezialpraxen für vorgeburtliche Medizin. Stufe III können nur hochspezialisierte Ärzte in großen Zentren für pränatale Medizin erlangen.

Wie sicher ist die Geschlechtsbestimmung?

Wie zuverlässig aber beantwortet der Ultraschall nun konkret die brennenden Fragen werdender Eltern? In Sachen Geschlecht des Kindes gilt: "Beim normalen Vorsorge-Ultraschall liegt die Zuverlässigkeit der Geschlechtsbestimmung zwischen der 16. und 20. Schwangerschaftswoche bei ungefähr 90 Prozent. Beim Feinultraschall liegt sie schon ab etwa der 13. Schwangerschaftswoche bei etwa 80 Prozent und ist in der 20. Woche so gut wie sicher. Voraussetzung ist immer, dass das Kind günstig liegt", erläutert Prof. Annegret Geipel.

Wie schwer wird das Kind sein?

"Als ich in der 22. Woche beim Feinultraschall in einer Spezialpraxis war, schätzte der Arzt das Geburtsgewicht meines Babys auf 4.000 Gramm. Und er lag fast aufs Gramm richtig, mein Sohn wog bei der Entbindung 3.940 Gramm", erzählt Astrid Rheindorf aus Wuppertal. Doch die Treffsicherheit dieses Arztes mit DEGUM II-Status erzielt der normale Gynäkologe so früh nicht: "Zum Zeitpunkt der drei Basisuntersuchungen, also um die 10., 20. und 30. Schwangerschaftswoche herum, ist keine zuverlässige Schätzung des Geburtsgewichts möglich. Erst gegen Ende der Schwangerschaft, wenn der Gynäkologe noch einmal einen Ultraschall macht, oder die Schwangere sich in der Geburtsklinik vorstellt, ist eine Schätzung sinnvoll", erklärt Prof. Geipel.

Die modernen Ultraschallgeräte sind dabei bereits mit einer Software zur Bestimmung des Geburtsgewichts ausgestattet. "Hier gibt es dennoch eine durchschnittliche Abweichung um plus/minus zehn Prozent, das entspricht ca. 300 bis 400 g", so Geipel. Habe eine Frau bei der Untersuchung bereits  Wehen, könne die Genauigkeit der Schätzung abnehmen.

Ultraschall in der Frühschwangerschaft

Eine weitere Frage, die alle werdenden Eltern beschäftigt: Wird unser Baby gesund sein? Eine frühe Ultraschall-Untersuchung dazu ist die Nackenfaltenmessung zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche. Sie kann einen Hinweis auf eine eventuelle Trisomie 21 (Down-Syndrom) sowie andere Fehlbildungen oder Erkrankungen geben. Eine Trisomie 21 wird dabei mit einer Sicherheit von etwa 75 Prozent erkannt. Umgekehrt sind viele Babys mit auffälliger Nackentransparenz dennoch gesund, daher sollten Paare sich das Ergebnis gut erklären lassen.

Bei dieser Messung kommt es jedoch auf zehntel Millimeter an. Bietet ihr eigener Gynäkologe die Nackenfaltenmessung an, sollte eine Schwangere sichergehen, dass er über ausreichend Erfahrung verfügt: "Die Schwangere sollte ihren Arzt nach seiner Qualifikation fragen. Er sollte lizensiert sein von der Fetal Medicine Foundation (FMF) London oder der FMF Deutschland", betont Prof Geipel.

Werden Fehlbildungen zuverlässig erkannt?

Wie sicher werden eigentlich Fehlbildungen im Ultraschall erkannt? Bei den drei Basisuntersuchungen in der Schwangerschaft gilt:"Für leichte Fehlbildungen liegt die Zuverlässigkeit bei etwa 30 bis 40 Prozent, bei schweren Fehlbildungen bei etwa 60 Prozent", so Geipel. "Wenn der Gynäkologe sich bei einem Hinweiszeichen auf eine Fehlbildung unsicher ist oder er einen Bereich während seiner Untersuchung schwer darstellen kann, überweist er eine Schwangere für einen Feinultraschall zum Spezialisten", erläutert Geipel. Beim Feinultraschall dann wird in etwa drei Viertel der Fälle Entwarnung gegeben.

Umgekehrt gilt: Selbst mit hochauflösenden Geräten können nicht alle Fehlbildungen schon vor der Geburt erkannt werden (Fachleute gehen von einer Trefferquote von 80 bis 90 Prozent aus), und bei vielen Krankheiten gibt es gar keine äußerlich erkennbaren Veränderungen. 

Feinultraschall - am besten mit Erfahrung!

Manchmal bieten Gynäkologen den Feinultraschall in ihrer Praxis selbst an. Auch hier sollte frau sich nicht scheuen, nach der Qualifikation zu fragen. "Es gibt nur wenige niedergelassene Gynäkologen ohne DEGUM-Zertifizierung, die eine entsprechende andere Qualifikation aufweisen. In der Regel sind auf vorgeburtlichen Ultraschall spezialisierte Untersucher DEGUM-zertifiziert", erklärt Prof. Geipel. Es gibt aber eine Ausnahme: Auch Ärzte ohne DEGUM II-Anerkennung können nach Ablegen einer Prüfung bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eine Feinultraschall-Untersuchung vornehmen und die auch mit der Krankenversicherung abrechnen.

Besitzt ihr Arzt keine DEGUM-Anerkennung, kann eine Schwangere überlegen, lieber doch in eine Spezialpraxis zu gehen, um die Zuverlässigkeit der Untersuchung zu erhöhen. Denn zum Beispiel bei der Diagnose von Fehlbildungen "ist die Zuverlässigkeit stark abhängig von der Erfahrung des Untersuchers. Fehlbildungen treten jedoch in der normalen Praxis nur sehr selten auf. Daher können Frauen die Feindiagnostik als Selbstzahlerleistung in einer Spezialpraxis für pränatale Medizin in Anspruch nehmen", erklärt Prof. Geipel.

Wie sicher weiß man, ob sich das Kind gut entwickelt?

Eltern möchten aber auch wissen, ob ihr ungeborenes Baby gut gedeiht. Zwar wird beim erwähnten Feinultraschall auch untersucht, ob der Blutfluss über die Nabelschnur optimal ist oder der Mutterkuchen keine Auffälligkeiten zeigt - was sonst später zu einer Unterversorgung des Kindes führen könnte. Die drei regulären Schwangerschaftsultraschalle geben hier aber eher wenig Sicherheit: "Wachstumsretardierungen (-verzögerungen) können zwar manchmal schon früher gesehen werden, meist treten sie aber erst in der Spätschwangerschaft auf und werden dann auch erst festgestellt. Grund ist, dass sie oft durch eine nachlassende Funktion des Mutterkuchens verursacht sind, wie sie meist erst gegen Ende der Schwangerschaft zum Tragen kommt", erläutert Prof. Geipel. Trotzdem können Frauen beruhigt sein: Zur Sicherheit machen fast alle Frauenärzte in der späten Schwangerschaft noch eine weitere Ultraschalluntersuchung.

*Name geändert