Immer weniger Geburtshilfe

Hebamme verzweifelt gesucht

Immer mehr Schwangere haben Probleme, eine Hebamme für Hausgeburten, aber auch Schwangerschaftsvorsorge und Wochenbettbetreuung zu finden. Auf Grund der teuren Haftpflichtversicherung ziehen sich Hebammen aus der Geburtshilfe zurück oder geben den Beruf ganz auf.

Autor: Nina Braun

Immer weniger Hebammen in der Geburtshilfe

Hebamme Geburtshilfe
Foto: © colourbox

Hebamme verzweifelt gesucht: Ceylan Yarici ist nicht entspannt, obwohl das für sie gerade jetzt wichtig wäre. Schließlich ist sie schwanger und sucht seit Wochen eine Geburtshelferin. Fast 30 Hebammen hat sie schon durchtelefoniert – ohne Erfolg.

Damit bekommt auch die werdende Mutter Ceylan Yarici die Auswirkungen eines Streits zu spüren, der hinter den Kulissen seit langem schwelt. Die berufliche Haftpflichtversicherung von Hebammen wird immer teurer. Die Prämiensumme hat sich von 2002 bis 2014 mehr als verzehnfacht. So muss eine freiberufliche Hebamme, die auch außerklinische Geburten (als Hausgeburt, in einem Geburtshaus oder als Beleghebamme) betreut, mittlerweile über 6.200 Euro jährlich nur für ihre Berufshaftpflichtversicherung bezahlen. Ohne diese Versicherung dürfen Hebammen nicht arbeiten. Sie springt ein, wenn die Geburtshelferin einen Fehler macht und in der Folge Entschädigungen zahlen muss, etwa weil das Kind behindert ist.

Die hohen Kosten für die Versicherung haben weitreichende Folgen, die mittlerweile auch bei den schwangeren Frauen ankommen. Der Hintergrund: Insgesamt gibt es rund 20.000 Hebammen in Deutschland. Davon arbeiten knapp 3.000 in der freiberuflichen Geburtshilfe. Nach Schätzungen des Hebammenverbands haben sich zwischen 2008 und 2010 rund 25 Prozent der freiberuflichen Hebammen aus der Geburtshilfe zurückgezogen und in den letzten vier Jahren noch einmal 15 bis 20 Prozent. Einige geben ihren Beruf komplett auf, andere arbeiten nur noch in der Betreuung der Frauen vor und nach der Geburt.

Hebammen beraten anders

Eine davon ist Marietherese Osterholt. Sie bietet seit rund einem Jahr nur noch Vorgeburtliche- und Wochenbettbetreuung an und ist jetzt schon bis Februar 2016 ausgebucht. „Ich muss jede Woche mindestens zehn Frauen absagen“, sagt die Hebamme.

Die schwangere Yarici kennt solche Absagen, gibt aber nicht auf. Die Mutter von zwei Kindern weiß aus eigener Erfahrung, dass eine Hebamme andere Dienste anbietet als ein Arzt. „Eine Hebamme berät einfühlsamer, nimmt sich mehr Zeit und gibt ganz praktische Tipps, etwa zu Liegepositionen oder der Atmung“, sagt die 31-Jährige. Rat könnte die Mainzerin jetzt gut gebrauchen, sie hatte bereits eine Frühgeburt und war auch schon während dieser Schwangerschaft mit Blutungen im Krankenhaus. „Wegen dieser Erfahrungen gerate ich leicht in Panik,“ sagt sie und wünscht sich deshalb natürlich jemanden, der sie vor der Geburt beruhigt und den sie um Hinweise bitten kann. „Man hat immer Fragen, denn jede Schwangerschaft ist anders“, sagt Yarici. Und wenn man zum Arzt gehe, bekomme man häufig einfach eine Tablette.

Die Hebammen machen nicht mehr Fehler

Paradox an dem Streit zwischen den Versicherern und den Hebammen ist: Die Fehler, die die Hebammen machen, sind keineswegs mehr geworden. Dass die Prämiensumme trotzdem steigt, ist Versicherungslogik: Geburtsgeschädigte Kinder leben heute durch den medizinischen Fortschritt länger, was für die Versicherer die Kosten erhöht. Zudem sprechen Gerichte den Familien höhere Entschädigungen zu.

Und hier kommen die Krankenkassen ins Spiel. Sie holten sich die Entschädigungssummen bisher von den Berufshaftpflichtversicherungen. Die müssen immer höhere Beträge zahlen und erhöhen deshalb ihre Prämien für die Hebammen.

Hebammen und Krankenkassen: Noch keine Einigung

Seit 2012 sind die Krankenkassen nun gesetzlich verpflichtet, die Haftpflichtprämienerhöhungen für die Hebammen auszugleichen, sodass diese nicht die volle Summe bezahlen müssen. Das geschieht jedoch nur unzureichend, sodass im Juni 2014 der sogenannte Sicherstellungszuschlag gesetzlich festgeschrieben wurde. Den sollten Hebammen eigentlich ab Juli 2015 erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die Haftpflichtsumme nicht aufbringen können. Dafür müssen sie bestimmte Qualitätsnachweise vorlegen. Die Gespräche dazu, wie die Qualitätsnachweise aussehen sollen, sind aber gescheitert. Der Grund: Die Krankenkassen wollten bestimmte Ausschlusskriterien bei Hausgeburten festschreiben. Beispielsweise sollte nur noch bezahlt werden, wenn der errechnete Termin der betreuten Gebärenden nicht überschritten ist. Der Hebammenverband sieht darin eine Entmündigung von Frauen und eine Einschränkung des Berufsrechts von Hebammen. Die Verhandlungen sollen jetzt vor einer Schiedsstelle entschieden werden. 

Schwangere beklagen fehlende Hebammen

Bis es zu einer Einigung kommt, werden aber voraussichtlich noch einige Monate vergehen. Yarici wird ihr Kind dann vermutlich ohne die außerklinische Hilfe einer Hebamme bekommen haben. Damit ist sie nicht die einzige in Deutschland. Rund 2.300 Frauen haben sich auf der Landkarte der Unterversorgung des Hebammenverbands eingetragen, weil sie eine Hebamme suchen. Yarici kennt alleine drei weitere schwangere Frauen, die keine Hebamme gefunden haben und immer noch suchen. Jüngst berichtete „Spiegel-Online“ sogar von einem Krankenhaus in Bruchsal, das die Öffnungszeiten seines Kreißsaals vorübergehend einschränkte, weil es an Hebammen fehlte.

Aber auch wenn sich Hebammen und Versicherungen über die aktuelle Ausgleichszahlung einigen, ist das keine dauerhafte Lösung. Denn die Vereinbarungen gelten jeweils nur für eine bestimmte Zeit und müssen dann neu verhandelt werden. Weitere Vorschläge liegen zwar auf dem Tisch, eine spürbare Entspannung der Situation für Hebammen und Schwangere ist aber noch nicht in Sicht. Die Hebamme Marietherese Osterholt hat die Hoffnung darauf aber noch nicht aufgegeben: „Ich vermisse es, Geburten zu betreuen. Es ist das Vielseitigste und Interessanteste an meinem Beruf.“