Ein Interview

Kein eigener Computer und begrenzte Spielzeit!

Was können Eltern tun, damit Fernsehen, Gameboy und Computerspiele ihren Kindern nicht schaden? Diese Frage stellten wir Sigrid Witt, Referentin beim SuchtPräventionsZentrum in Hamburg.

Autor: Petra Fleckenstein

Am Anfang wird alles positiv erlebt

Mutter Kind Notebook
Foto: © Panthermedia, Yuri Arcurs

Während die Gefahren unbegrenzter Computernutzung im Kindes- und Jugendalter derzeit noch wissenschaftlich erforscht werden, hat Sigrid Witt vom "Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung" in Hamburg regelmäßig mit Eltern von Kindern zu tun, bei denen durch übermäßige Mediennutzung konkrete Probleme entstanden sind. urbia sprach mit der Referentin am SuchtPräventionsZentrum über den richtigen Umgang mit Computer und Co.

Sie beraten Eltern und Kinder, die zu viel Computer spielen oder fernsehen, können Sie bitte Beispiele nennen, wie es in diesen Fällen zu den Problemen gekommen ist?

Sigrid Witt: Es handelt sich oft um Kinder, die vorher schon einen Gameboy hatten, damit oft auch schon exzessiv umgegangen sind. Kinder, die viel alleine sind, die sich mit der Kontaktaufnahme und Kommunikation schwerer tun als andere, auch - je nach Problemlage - unterschiedliche Spiele bevorzugen: Aggressiv gehemmte Kinder spielen gerne Ballerspiele, um sich abzureagieren, sehr intelligente Jungen entwickeln Ehrgeiz bei Strategiespielen, Mädchen chatten gerne und dabei drohen in vielen Foren Gefahren. 70 Prozent aller Kinder, die chatten, haben Erfahrungen mit sexueller Belästigung.

Welche Folgen hat nach Ihrer Erfahrung zu häufige Bildschirmnutzung, welche Gefahren birgt sie?

Witt: Anfänglich wird alles positiv erlebt: Faszination, Wissensvermittlung, strategisches Denken, Erfolgserlebnisse durch Siege, Kooperation zum Beispiel bei LAN-Parties. Leider geht das exzessive Spielen über in Bewegungsmangel, gestörtes Essverhalten, veränderten Tag-Nacht-Rhythmus, Schlafarmut, mangelnde Konzentration, sinkende Schulleistungen und mangelnden Kontakt zu Familienangehörigen.

Was raten Sie zur Abhilfe?

Witt: Sich für das interessieren, was die Kinder tun, gemeinsam spielen, die Faszination kennenlernen, die Welt der Kinder erleben, neue Wünsche, Träume, Fantasien der Kinder kennenzulernen. Da sind auch unbeliebte Maßnahmen erforderlich: sich mit den Risiken beschäftigen, sich für die Altersbegrenzungen der Spiele interessieren, sich mit Jugendmedienschutz befassen, Raubkopien als strafbare Handlung erkennen und verhindern.

Ab welchem Alter dürfen Kinder Ihrer Meinung nach überhaupt vor den Fernseher oder Computer?

Witt: Jedes Kind ist anders, manche Kinder können durchaus schon im Vorschulalter verantwortungsbewusst und unter Aufsicht begrenzt am Computer sein. Dazu gibt es das sehr informative Buch: "Kids und Computerspiele" von Stefan Wink und Katharina Lindner, die selber Eltern sind.

Wie lange und wie oft dürfen Kinder diese Medien benutzen?

Witt: Jedes Kind, jeder Jugendliche kann ein anderes Zeitmaß vertragen. So lange Gesundheit, Freunde, Sport, Familienleben und Schulleistungen nicht leiden, werden Eltern schwer enge Grenzen aussprechen können. Aber da die Kinder heute auch schon in der Schule mit dem Computer arbeiten, sind in der Woche sicher zwei Stunden genug.

Absprachen und Grenzen müssen sein!

Sie beklagen, dass kaum jemand vorbeugend zur Beratung kommt. Was würden Sie denn empfehlen, damit es überhaupt nicht erst zu größeren Problemen kommt?

Witt: Nur, wenn die Eltern ihre Computer beruflich nutzen müssen, sollte ein Kind einen eigenen PC bekommen. Aber auch dann sollten PC und TV nicht im Kinderzimmer stehen, sondern in einem für alle zugänglichen Raum (Wohnzimmer z.B.), weil dann exzessiver Konsum auffällt und zu den in der Kindheit und Pubertät dringend notwendigen Auseinandersetzunge um Grenzen führt. Wenn nur jeweils ein Gerät in der Familie steht, müssen Absprachen und Regelungen getroffen werden. Genau das passiert nicht! Außerdem sollten die Eltern sich das Passwort vorbehalten.

Die Charité Berlin hat gerade eine Studie veröffentlicht, nach der exzessives Computerspielen durchaus zur Sucht mit den entsprechenden Symptomen werden kann. Wie ist Ihre Ansicht und Erfahrung dazu?

Witt: Ich sehe und erlebe das süchtige Verhalten von Schülern und teile den Standpunkt.

Häufig wird heute für Lernspiele am Computer geworben, die ein spielerisches Lernen bereits ab dem vierten Lebensjahr ermöglichen sollen. Wie stehen sie zu solchen Programmen?

Witt: Diese Programme sind für Eltern häufig der Anlass, ihrem Kind einen Computer zu kaufen und ins Kinderzimmer zu stellen. Aber bei den Lernspielen bleiben die Kinder nicht, die werden schnell uninteressant und dann kommen andere Sachen.

Gibt es noch etwas, das Sie zu diesem Thema gerne loswerden möchten?

Witt: Das Verteufeln von Medien bringt nur Widerstand, denn Erwachsene, die ein Medium nicht kennen, werden keine Gesprächsbereitschaft finden. Außerdem sind die meisten Eltern schlechte Vorbilder, was den TV-Konsum angeht, der ja wesentlich passiver in seiner berieselnden Wirkung ist als ein PC-Spiel, bei dem es um das eigene Tun, Betätigen, Technik beherrschen, das Geschehen mitbestimmen und die selbst erworbenen Erfolgserlebnisse geht.

Hier können sich Eltern über PC-Spiele informieren

Tipps von Sigrid Witt:

Material über Spiele findet sich u.a. in Computer-Zeitschriften (z.B. PC-Games, Game-Star). Sie enthalten Charts mit aktuell erfolgreichen Spielen und beschreiben Neuerscheinungen. Oft enthalten sie auch eine CD-Rom mit spielbaren Demo-Versionen.

Hintergrund-Informationen und pädagogische Einschätzungen sind in drei Online-Datenbanken enthalten:

  • spielbar.de - eine übersichtliche Datenbank der Bundeszentrale für politische Bildung. Dort werden verschiedene Computerspiele beschrieben und beurteilt. Die Website bietet auch pädagogische Fachaufsätze zum Thema Computerspiel und Links zu thematisch verwandten Sites.
  • Außerdem gibt die USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) Onlineauskunft. Wer Fragen zu einem speziellen Spiel hat, z.B. nach Alterseinstufung, Hersteller oder Vertreiber, oder zu welchem Genre ein Spiel gehört, findet hier Antwort. Unter dem Menüpunkt "Alterseinstufungen>Datenbank" kann man Angaben zu dem fraglichen Spiel finden und erhält den kompletten Informationssatz für das Spiel.
  • www.zavatar.de (listet alle Spiele auf, nach Genres und Altersangaben geordnet)

Weitere Infos:

  • Spiel- und Lernsoftware pädagogisch beurteilt ist die vom Bundesfamilienministerium geförderte, kostenlose Broschüre mit pädagogischen Beurteilungen aktueller Spiel- und Lernsoftware durch das ComputerProjekt Köln.
  • Die Initiative "Schau hin, was deine Kinder machen", eine Aktion für mehr Medienkompetenz. Ziel ist die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema "Kinder und Medien". Damit einhergehend gibt die Initiative Tipps und Informationen zu elektronischen Medienangeboten und deren Handhabung - in Verbindung mit gezielten ganzheitlichen Erziehungstipps für die 3- bis 13-Jährigen.
  • www.bundespruefstelle.de (zahlreiche Informationen zum Jugendschutz und zu verbotenen Medien jeder Art)
  • www.bundesnetzagentur.de: Regulierungsbehörde für Telekommunikation, überprüft z.B., ob Dialer oder 0900er Nummern legal sind.