Kolumne „Fröhliches Familienleben"

Pubertät: Die unruhigen Nächte kehren zurück

Wenn die Kinder größer sind, kann man endlich wieder länger schlafen? „Falsch!" sagt urbia-Kolumnistin Felicitas Römer. Wie ihre pubertierenden Kinder es auch ohne Fläschchen oder Windeln schaffen, sie um den verdienten Schlaf zu bringen, erklärt sie hier.

Autor: Felicitas Römer

Meine Teenies und ihr merkwürdiges Schlafverhalten

Felicitas Roemer

Sagte eine Freundin letztens gähnend zu mir: „Du hast es gut! Deine Kinder sind schon groß. Du wirst nicht ständig gestört, wenn du mal ein Buch lesen willst. Und kannst wenigstens schlafen, wann immer du Lust dazu hast.“ Sie seufzte herzzerreißend. Ich nickte stumm und biss mir auf die Zunge. Jetzt bloß nicht Falsches sagen. Es könnte sie womöglich desillusionieren. Dass sie als Mutter eines Säuglings davon ausgeht, dass meine Teenager schon „groß“ seien, kann ich durchaus nachvollziehen. Und ein bisschen Recht hat sie ja auch. Ich kann stundenweise das Haus verlassen, ohne einen Babysitter engagieren zu müssen. Ich kann auch gelegentlich mal in ein Buch lesen. Natürlich räumen meine „Großen“ auch hin und wieder den Tisch ab und führen den Hund Gassi.

In der Pubertät ist mentale Präsenz gefragt

Ich verschwieg meiner Freundin allerdings, dass ich noch nie soviel mentale Präsenz zeigen musste wie derzeit. Als ausdauernder Sparringpartner bei hitzigen Diskussionen zum Beispiel. Was bislang selbstverständlich schien, wird schließlich bei uns derzeit gründlich in Frage gestellt. Verhandlungsgeschick ist ebenfalls sehr gefragt. Heftige Gemütsschwankungen ernst, aber nicht persönlich zu nehmen, ist auch eine Kunst, die plötzlich gekonnt sein will. Ich erzählte meiner chronisch übermüdeten Freundin natürlich auch nicht, dass ich durchaus gelegentlich unter Schlafentzug leide. Meine Großen sind ja schließlich nachtaktiv. Am Wochenende zwinge ich mich gelegentlich, den Spätfilm durchzuhalten, um meine Tochter von einer Party abzuholen. Einmal fiel ich erschöpft in tiefe Träume, bevor ich kontrollieren konnte, ob sie zur vereinbarten Zeit wohlbehalten zu Hause eingetroffen war. Als ich um vier Uhr mit klopfendem Herzen hochfuhr und panisch in ihr Zimmer rannte, war ihr Bett leer. Glücklicherweise erreichte ich sie prompt per Handy. Verpennt entschuldigte sie sich. Der Film, den sie und ihre Freundin geschaut hätten, sei so langweilig gewesen, dass sie beide auf dem Sofa eingeschlafen seien. Seitdem stelle ich mir vorsichtshalber den Wecker.

Auch ich bin meiner Müdigkeit hilflos ausgeliefert

Doch auch unter der Woche sind die Nächte für alle Beteiligten fast immer zu kurz. Kaum sitzen mein Mann und ich spät abends in trauter Zweisamkeit schlapp auf dem Sofa, stürmt meine Tochter den Kühlschrank, schmeißt geräuschvoll Brote in den Toaster und stöhnt: „Boah, hab ich einen Hunger!“. Als hätten wir nicht eben erst zu Abend gegessen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit turnt drei Minuten später auch ihr Bruder herbei und kramt knisternde Chipstüten aus dem Vorratsschrank oder pult sich ein Eis aus der Gefriertruhe. Bis sich beide kauend und kichernd wieder in ihre Zimmer verziehen, ist immerhin so viel Zeit vergangen, dass ich mich mittlerweile meiner Müdigkeit hilflos ausgeliefert fühle. Kaum im Bettchen gelandet, klappert es schon wieder verdächtig auf der Treppe. „Lasst euch nicht stören, ich mach mir nur noch mal schnell einen Tee!“ flüstert meine Tochter rücksichtsvoll. Warum unser Wasserkocher in den frühen Nachtstunden einen solchen Mörderlärm verursacht, ist mir immer noch völlig schleierhaft. Tagsüber kommt er mir viel leiser vor!

Immerhin nutzen sie die Zeit für etwas Nützliches

Teenie 1 führt in der Küche ein hörbar amüsantes Telefonat mit einer Freundin. Teenie 2 verschwindet zwischenzeitlich klammheimlich für die nächste dreiviertel Stunde im Badezimmer, das leider direkt an unser Schlafzimmer grenzt und seinerzeit von jeglicher Schallisolierung unberücksichtigt blieb. Da hilft auch heftiges Türenklopfen nichts: „Ich bin eh noch nicht müde! Da kann ich doch wohl auch noch duschen gehen!“ ruft er hinter verschlossener Tür. Das klingt ja nun auch wiederum logisch. Warum soll er sich schlaflos im Bett wälzen, wenn er doch währenddessen etwas Nützliches tun kann. Und obwohl sich beide forthin wirklich Mühe geben, bei ihren nächtlichen Aktivitäten wenigstens leise zu sein, ist an elterlichen Schlaf noch lange nicht zu denken.

Dass meine „Großen“ morgens nur schwer bis gar nicht aus den Federn kommen, versteht sich wohl von selbst. Schuld daran ist ganz allein der Biorhythmus. Der verändert sich bei Jugendlichen nämlich. Was leidgeplagte Teenie-Eltern ohnehin schon wissen, ist nun auch wissenschaftlich bewiesen. Anhand von Hirnstrommessungen konnte man nämlich feststellen, dass sich der Aufbau des Schlafbedürfnisses in der Pubertät verlangsamt. Will heißen: Jugendlich werden einfach später müde! Speichelproben zeigten, dass sich der Zeitpunkt, an dem sich das Schlafhormon Melatonin bildet, bei Teenagern ungefähr um eine Stunde nach hinten verschiebt.

Der Hormonhaushalt meiner Kinder ist gegen mich – und gegen die erste Stunde

Der Schlafmediziner Jürgen Zulley weiß aus internationalen Studien, „dass der biologische Rhythmus sich in diesem Alter nach hinten verschiebt.“ Und fordert, dass der Unterricht für Jugendliche mindestens eine Stunde später beginnen sollte. Andere Schlafforscher plädieren sogar für einen Schulstart um 11 Uhr! Schade, dass deutsche Schulen dieses Wissen mal wieder beharrlich ignorieren und Jugendliche zwingen, quasi gegen ihren natürlichen Biorhythmus zu handeln. Indem sie nämlich früh aufstehen müssen. Eine der kontraproduktivsten Erfindungen ist hier wohl die Frühstunde, für die meine bemitleidenswerte Tochter um 5.30 Uhr das Bett räumen muss.

Kein Wunder, dass der folgende Schlafmangel zu Konzentrationsschwierigkeiten und schlechteren Noten führen kann. Lehrer sollten dann aber wenigstens Verständnis dafür aufbringen, wenn ihre Teenie-Schüler mal wieder kopfüber schnarchend auf dem Tisch hängen: Schließlich stellte eine Untersuchung der „US National Sleep Foundation“ fest, dass mehr als ein Viertel der elf- bis 17-Jährigen mindestens einmal pro Woche im Unterricht einschläft. Meiner Tochter ist das auch schon passiert. Die Lehrerin indessen muss selbst geschlafen haben – sie hat es nicht mal gemerkt.