Wie Vater und Mutter, so der Nachwuchs?

Suchtgefahr bei Kindern alkoholabhängiger Eltern

Rund 2,65 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland haben eine alkoholabhängige Mutter oder einen Vater. Diese Kinder aus suchtbelasteten Familien stellen die größte Risikogruppe für Suchtstörungen oder psychische Erkrankung dar: Mehr als ein Drittel entwickeln im Laufe ihres Lebens selbst eine Abhängigkeitserkrankung.

Mann Alkohol Glas
Foto: © Panthermedia/ Torsten Tracht

In Deutschland wachsen etwa 2,65 Millionen Kinder und Jugendliche mit mindestens einem alkoholabhängigen Elternteil auf. Für die meisten dieser Mädchen und Jungen bedeutet diese Lebenssituation eine große psychische und soziale Belastung. Auch deshalb stellen Kinder aus suchtbelasteten Familien die größte Risikogruppe für Suchtstörungen oder psychische Erkrankung dar: Mehr als ein Drittel entwickeln im Laufe ihres Lebens selbst eine Abhängigkeitserkrankung. Wie spezielle Präventionsprojekte Kindern alkoholbelasteter Familien helfen können, selbst nicht süchtig zu werden, ist Thema beim Deutschen Suchtkongress in Frankfurt am Main. Die Gründe der "Vererbung" von Suchtproblemen innerhalb der Familie sind vielfältig. Vieles davon ist erblich bedingt. So reagieren männliche Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien körperlich oft weniger empfindlich auf Alkohol als Jungen aus unauffälligen Familien. Diese verminderte Sensitivität erhöht das Risiko übermäßigen Trinkens und damit auch für die Entwicklung einer Abhängigkeit. Sehr viel dominanter wirkt sich jedoch das Verhalten der Eltern infolge ihres Alkoholmissbrauchs aus: Stressvolle Ereignisse innerhalb der Familie – Streit, Gewalt, Desorganisation oder geringe familiäre Stabilität und Berechenbarkeit – beeinträchtigen die psychische Gesundheit der Kinder. Während einige wenige durch das negative Vorbild der Eltern abgeschreckt werden, führt die familiäre Erfahrung bei anderen Heranwachsenden oft dazu, dass sie später selbst zu Drogen greifen. Häufig "übernehmen" Jugendliche das Trinken ihrer Eltern auch als einen Akt der Problembewältigung.

„Obgleich diese Zusammenhänge bekannt sind, gibt es noch immer wenige in ihrer Wirksamkeit überprüfte Präventionsprogramme, die eine größere Anzahl von Kindern erreichen“, sagt Professor Dr. rer. nat. Michael Klein, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Suchtpsychologie aus Köln. „Wenn Eltern beispielsweise an einer Suchttherapie teilnehmen, erhalten deren Kinder nur in etwa zehn Prozent der Fälle ebenfalls Hilfe.“ Zudem erhöhe sich das Risiko einer Alkoholsucht auch durch den niedrigen Preis alkoholischer Getränke und dadurch, dass Jugendliche in Deutschland bereits im jungen Alter von 16 Jahren Alkohol kaufen könnten, so der Suchtexperte.

Professor Klein hat deshalb zusammen mit Kollegen im Jahr 2008 das Präventionsprogramm und Forschungsprojekt „Trampolin“ entwickelt. In bundesweit 25 Einrichtungen der Sucht-, Jugend- und Familienhilfe finden dabei wöchentlich Gruppentreffen für Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren statt, deren Eltern mit einer Alkoholabhängigkeit zu kämpfen haben. Die Jungen und Mädchen lernen dort unter anderem, wie Alkohol und Drogen wirken, was eine Sucht ist und wie sie entsteht. Außerdem sprechen sie in der Gruppe über die Situation in der eigenen Familie. „In Fantasiereisen und Rollenspielen erlernen die Kinder außerdem Stressbewältigungsstrategien, um mit der Sucht des Vaters oder der Mutter im Alltag besser umgehen zu können“, so Klein im Vorfeld des Suchtkongresses. Hierzu gehört auch der konstruktive Umgang mit den eigenen Gefühlen. Denn Betroffene, die negative Emotionen in kreative oder sportliche Aktivität kanalisieren, seien resistenter gegenüber belastenden Einflüsse von außen.

Die Treffen werden von ausgebildeten Gruppenleitern geführt und finden wöchentlich über einen Zeitraum von neun bis zehn Wochen statt. Auch für die Eltern gibt es Angebote. Darin sollen sie Gespür und Verständnis für die Bedürfnisse ihrer Kinder und die Auswirkungen der Sucht auf diese erlernen, gleichzeitig aber auch mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten als Eltern gewinnen.

Das Projekt „Trampolin“ wird vom Deutschen Institut für Sucht- und Präventionsforschung, Köln, und dem Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters, Hamburg, wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.