Fakten übers Kinderkriegen und das Älterwerden

Was jede Frau über Fruchtbarkeit wissen sollte

Was wir in der Schule über Fruchtbarkeit und Fortpflanzung lernen, soll uns zunächst helfen, Schwangerschaften zu vermeiden. Vielleicht ist uns deshalb oft nicht bewusst, wie schnell diese Zeit der Fruchtbarkeit auch wieder vorübergeht und wie deutlich die Chancen auf ein Kind mit dem Alter sinken.

Autor: Kathrin Wittwer

Spätes Mutterglück

Kinderwunsch Fakten
Foto: © fotolia.com/ W. Heiber Fotostudio

Wir hören ständig davon, dass Frauen immer später Mütter werden – gut 29 Jahre sind Erstgebärende bei uns inzwischen im Durchschnitt –, lesen über die zahlreichen 40- und sogar von über 50-jährigen, die (angeblich) auf natürlichem Wege ein Kind bekamen. Und selbst über Frauen im Rentenalter, die mit Hilfe der Reproduktionsmedizin wundersamer Weise noch nach der Menopause Mutter wurden. All das geschieht, all das ist möglich. Und schließlich werden wir heutzutage ja ziemlich alt, viel älter als Frauen früher – warum also nicht auch Babys noch nach der Lebensmitte bekommen?

Fünf Fakten über Fruchtbarkeit und das Älterwerden

Was aus unserer Sicht logisch und sinnvoll wäre – wir müssen doch auch erst mal den Job auf die Reihe kriegen, einen Schwung Karriere machen, uns etwas austoben und obendrein den richtigen Mann finden –, beeindruckt unsere biologische Fruchtbarkeit aber herzlich wenig, und sie nimmt auch keine Rücksicht darauf, wie lange wir jung bleiben wollen oder uns jung fühlen. Stattdessen unterliegt das wichtigste Gut unserer Fruchtbarkeit, unsere Eizellen, ganz natürlichen, unaufhaltsamen Alterungsprozessen. So easy, wie wir uns mit dem späte(re)n Kinderkriegen denken mögen, ist es deshalb längst nicht für alle Frauen.

Da waren’s nur noch…: Der Eizellenvorrat schrumpft

Zunächst einmal ist die Natur ja ausgesprochen großzügig: Mit Ende des fünften Schwangerschaftsmonats hat ein weiblicher Fötus sage und schreibe etwa sechs bis sieben Millionen sogenannte Oozyten auf Lager, also Eizellen, die später in den Eierstöcken reifen und bei Befruchtung zu einem Baby heranwachsen könnten. Das war es dann aber auch, noch mehr neue Zellen werden für den Rest des Lebens einer Frau nicht mehr gebildet. Im Gegenteil: Schon mit der Geburt wird sich der Zellvorrat auf ein bis zwei Millionen verringert haben, und bis zum hierzulande offiziellen Durchschnittsalter der Menopause mit 51 kämpfen sich lediglich ein paar hundert, maximal ein paar tausend Zellen durch.

Allein mit dem weiblichen Zyklus lässt sich dieser drastische Schrumpfprozess nicht erklären: Bereits zur Pubertät, wenn es mit der Periode überhaupt erst losgeht, sind von der ursprünglichen Fülle höchstens noch 500.000 Eizellen übrig. Und die monatlich etwa 20 Kandidaten, von denen es in der Regel einer zum Eisprung schafft (insgesamt durchschnittlich 400 im Leben einer Frau) summieren sich auch nicht zu dermaßen hohen Verlusten.

Nein, hinter diesen steckt ein von der Natur vorgesehener, programmierter Zelltod, Apoptose genannt. Der läuft stetig ab. Und recht zügig: Mit 30, also dem Alter, in dem Frauen heute häufig ihr erstes Kind bekommen, tummeln sich noch etwa zwölf Prozent der einstigen Eizellreserve in ihren Eierstöcken, mit 40 stehen nur etwa drei Prozent zur Verfügung, weniger als 50.000. Und zu 80 Prozent geht dieser Prozess rein auf das Konto des Älterwerdens, völlig unabhängig davon, wie gesund eine Frau lebt (Rauchen allerdings gilt als Beschleunigungsfaktor), wie oft sie menstruiert, wie lange sie die Pille nimmt oder wie viele Kinder sie bekommt.

Weil sich die verbleibenden Follikel aufgrund von veränderten Hormonkonzentrationen (die sich in Bluttests messen lassen und eine Einschätzung des Vorrats ermöglichen) nicht mehr so leicht zur Reifung stimulieren lassen, finden mit schmelzendem Mengen auch weniger Eisprünge statt.

Warten macht nicht jünger: Auch die Qualität der Eizellen nimmt ab

Noch bedeutender als die geringe(re) Quantität ist allerdings, dass die „Restbestände“, egal wie viele oder wenige es ganz konkret noch sein mögen, jetzt eben schon älter sind und mit zunehmender Wahrscheinlichkeit nicht mehr die allerbeste Qualität haben. Aus Kinderwunschbehandlungen weiß man, dass Eizellen mit dem Alter ordentlich abbauen, dass DNA und Proteine zerfallen, Chromosomenunregelmäßigkeiten vorkommen, Zellkomponenten ihre Funktion verlieren. Bei einer etwa 40-Jährigen können bereits 60 Prozent (manche sagen nur 30, andere mehr als 80 Prozent) der Zellen nicht mehr in Ordnung, ergo gut die Hälfte aller Eisprünge eines Jahres eigentlich nicht für eine Schwangerschaft geeignet sein, und so steigen unter anderem das Fehlgeburtsrisiko und die Wahrscheinlichkeit von Gendefekten beim Kind.

 

Warum sinkt bei Frauen die Fruchtbarkeit? 

Da ist doch gar nichts. Oder? Die Menopause schleicht sich fast unmerklich an

Mit 40 nimmt die Fruchtbarkeit ab, final Schluss ist mit der Menopause: So haben es die meisten Menschen pi mal Daumen abgespeichert. Beide Annahmen sind jedoch etwas zu optimistisch: Bereits ab 35 beginnt ein deutlicherer Sinkflug unserer Fruchtbarkeit, fünf Jahre früher als von der Mehrheit gedacht – und lange, bevor wir davon etwas spüren. Wir mögen uns jugendlich fühlen und aussehen, ein Spiegelbild unserer Eizellen ist das nicht zwangsläufig. Auch fruchtbarkeitsstörende Krankheiten wie Endometriose kommen mit der Zeit häufiger vor.

Und was die Menopause angeht: Egal, in welchem Alter eine Frau diese erlebt (bei einem Durchschnittsalter von 51 können manche schon mit 40 betroffen sein, andere erst mit 60), die ersten Anzeichen dafür kommen schon gut ein Jahrzehnt davor, signalisieren längere, unregelmäßigere Zyklen und ausbleibende Perioden, dass sich das Fruchtbarkeitszeitfenster schließt. 41 wird als Durchschnittsalter fürs letzte Kind angegeben, gut die Hälfte aller Frauen kann jetzt schon unfruchtbar sein. Mit 45 hat kaum noch jemand eine Chance auf ein Kind. Aus Studien von Naturvölkern weiß man, dass dort von den Frauen, die erst mit 40 einen Mann fanden, 64 Prozent kinderlos blieben, im Vergleich zu nur sechs Prozent derjenigen, die schon in ihren 20ern geheiratet hatten.

Als ein Indikator, ob man selbst die Menopause eher früher oder später erleben wird, kann der Zeitpunkt der Menarche, also der allerersten Periode, dienen. Je später die kam, umso später wird wahrscheinlich die Menopause einsetzen. Durchschnittlich liegt die Menarche bei uns zwischen zwölf und 13 Jahren. 

Übrigens gibt es durchaus Wissenschaftler, die sagen, keine Panik, mit 35 ist beim Gros der Frauen eigentlich noch alles ok. Die Mehrheit ist sich aber einig, dass es ab diesem Alter so schnell abwärts geht, dass Frauen sich dessen unbedingt bewusst sein sollten – nicht nur für den Zeitpunkt ihres ersten Kindes, sondern vor allem, wenn sie noch weitere Kinder wollen. Blind darauf verlassen, dass sie selbst zu den Glückspilzen gehört, denen das Alter nicht allzu problematisch in den Kinderwunsch reinpfuscht, sollte sich da lieber keine Frau.

 

Was sind die Ursachen für Fehlgeburten?

Talfahrt: Die Chancen auf eine Schwangerschaft halbieren sich zwischen 20 und 40

Pauschal lässt sich sagen: Ganz grundsätzlich stehen die Chancen auf eine Schwangerschaft geringer als die meisten Frauen glauben. Selbst in der Hochzeit ihrer Fruchtbarkeit bis Mitte 20 liegt die Wahrscheinlichkeit pro Zyklus nur bei etwa 25 Prozent (bei Sex zwei Tage VOR dem Eisprung). Deshalb kann es locker ein Jahr dauern, bis der Test positiv anzeigt – und mit dem Alter dauert es tendenziell länger. So haben bei den Twens über 80 Prozent die Chance auf ein Kind innerhalb eines Jahres, bei den Anfangdreißigerinnen noch 75 Prozent, mit Mitte 30 maximal zwei Drittel, mit 40 weniger als 50 Prozent, manche sagen sogar unter 40 Prozent.

Wunder gibt immer wieder, aber nicht immer: Die Reproduktionsmedizin hat Grenzen

Weil die Fruchtbarkeit eben mit steigendem Alter sinkt, wird bei Kinderwunsch ab 35 häufiger die Reproduktionsmedizin zu Hilfe genommen. Die macht wie so ziemlich jede Technik enorme Sprünge in kurzer Zeit, beweisen Möglichkeiten wie das Social Freezing. Aber auch hier, warnen Experten, wird trotz aller Fortschritte zu schnell aus Einzelerfolgen abgeleitet, mit Technik ließen sich Natur und Alter ganz einfach überlisten und alle Probleme beheben. Ein Mediziner kann jedoch nur versuchen, aus dem, was vorhanden ist, das Beste zu machen, Wunder vollbringen eher nicht. Der Vorrat an Eizellen lässt sich nicht mehr aufstocken, gealterte Zellen lassen sich nicht mehr verjüngen. Und so sehen auch bei künstlicher Befruchtung die Schwangerschaftschancen einer jüngeren Frau (um die 30 Prozent) wiederum deutlich besser aus als über 40 (nur etwa fünf Prozent).

Dass dies tatsächlich an den Eizellen und nicht zum Beispiel an einer müden Gebärmutter liegt, zeigt der Vergleich zwischen erfolgreichen Schwangerschaften nach künstlicher Befruchtung älterer Frauen mit a) eigenen, also recht alten Eizellen und b) gespendeten Eizellen jüngerer Frauen: Mit letzteren haben ältere Frauen eine ähnlich hohe Chance, ein Kind auszutragen, wie die unter 35, während die Rate bei den eigenen Zellen wie erwartet deutlich absinkt. Mit Eizellen einer Mittvierzigerin geht die Erfolgsaussicht gen Null. In Deutschland sind Eizellspenden aber nicht erlaubt.

Fruchtbarkeit: Hoffen, vertrauen und vor allem nicht rauchen

Natürlich trifft das, was Statistiken sagen, selten hundertprozentig auf uns persönlich zu, schließlich geht es um Mittelwerte und Wahrscheinlichkeiten. Natürlich gibt es deshalb große Unterschiede, wann, wie schnell und wie stark die Fruchtbarkeit jeder einzelnen Frau sinkt – manche können schon Anfang 30 malade Eizellen haben, andere eben Mitte 40 doch noch irgendwie ein Kind bekommen. Da haben unter anderem die Gene und ein Faktor namens Rauchen ein Wörtchen mitzureden. Dass sich Rauchen negativ auf die Fruchtbarkeit auswirkt, ist erwiesen: Raucherinnen brauchen durchschnittlich länger, um schwanger zu werden und haben auch ein höheres Risiko für Fehlgeburten. Im Winter 2015 hat zudem eine Studie eine Studie des Roswell Park Cancer Institutes in Buffalo mit 95.000 Testpersonen ergeben, dass auch Passivrauchen die Fruchtbarkeit beeinrächtigt: Frauen, die starkem Rauch ausgesetzt waren, kamen durchschnittlich 13 Monate früher in die Wechseljahre als andere und hatten ein um 18 Prozent größeres Risiko, Fruchtbarkeitsprobleme zu bekommen. Die Betroffenen hatten entweder als Kind mehr als zehn Jahre mit einem Raucher zusammengewohnt, mehr als 20 Jahre mit einem zu Hause rauchenden Partner gelebt oder mehr als zehn Jahre lang mit im Zimmer rauchenden Kollegen gearbeitet.

Natürlich kann frau also hoffen und vertrauen, und mit ein wenig Geduld kann es mit dem Kinderkriegen trotz Aufschiebens ins höhere Alter durchaus klappen. Zwar wird in der Medizin bereits das unheimliche Wort „Unfruchtbarkeit“ bzw. „Subfertilität“ benutzt, wenn ein Paar nicht in den ersten zwölf Monaten eines Babywunsches schwanger wird. Doch von denen, die sich davon nicht abschrecken lassen und nicht aufgeben, dürfen sich immerhin zwischen 40 und 60 Prozent im Laufe des zweiten Jahres über einen positiven Schwangerschaftstest freuen.

Eine Garantie auf Erfolg oder eine Ideallösung für das Zeit-Dilemma, in dem viele Frauen zwischen Karriere, Partnersuche, Kinderwunsch und Älterwerden stecken, gibt es aber leider nicht.

Gut wissen: zweimal Sex pro Woche führt schneller zum Kind, ältere Männer eher nicht

Ein Tipp zum Schluss: Pro Woche zweimal Sex statt nur einmal erhöht die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres schwanger zu werden, deutlich, und zwar unabhängig vom Alter. Ein dritter Liebesabend in der Woche hat keinen weiteren Beschleunigungseffekt. 

Und: Grade für Frauen um die 35 mag gut zu wissen sein, dass auch die scheinbar ewig junge Fruchtbarkeit der Männer offenbar Ermüdungserscheinungen zeigt. Haben Mittdreißigerinnen einen Partner im gleichen Alter, stellt sich eine Schwangerschaft häufiger bereits im ersten Jahr ein, als wenn der Mann schon Ende Dreißig ist. Bei letzterer Konstellation also vorsichtshalber gleich ein bisschen mehr Geduld und Zeit einplanen.