Werdende Mütter besonders gefährdet

Schweinegrippe: Impfung in der Schwangerschaft?

Wie gefährlich ist die Schweinegrippe für Schwangere und den Fötus? Sind Grippemedikamente geeignet oder sollten sich Schwangere lieber impfen lassen, wie die STIKO empfiehlt? Und wie steht es um kleine Kinder? Wir haben Experten befragt.

Autor: Gabriele Möller

Schwangere haben erhöhtes Risiko für schweren Verlauf

Schwangere mit Tabletten

Trotz aller Vorfreude werden die meisten Schwangeren zumindest gelegentlich von verschiedenen Befürchtungen geplagt – auch ohne die momentan grassierende Schweinegrippe. Nun kommt auch noch die Sorge hinzu, was eigentlich passiert, wenn man sich als Schwangere mit der Schweinegrippe ansteckt. Ist sie für das Baby schädlich? Wie gefährlich sind die Grippemedikamente? Sollte man sich lieber nun, da der Impfstoff da ist, gleich impfen lassen? Aber auch Eltern von Kleinkindern sind beunruhigt, ist doch das Immunsystem der Jüngsten noch nicht voll ausgereift. urbia stellt die Ansichten von Experten zum Thema „Neue Grippe“ im Hinblick auf Schwangere und Kleinkinder vor.

Experten raten zu Grippemitteln

Leider profitieren Schwangere nicht immer davon, dass die Infektion bei den meisten Schweinegrippefällen eher milde verläuft. „Werdende Mütter haben ein vierfach erhöhtes Risiko dafür, dass eine H1N1-Infektion schwer verläuft, und dass lebensbedrohliche Lungenentzündungen und Atemprobleme auftreten“, betont der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) in München unter Berufung auf eine Studie, die im US-Fachblatt „Lancet“ vorgestellt wurde. Forscher hatten dabei die Anzahl der schwer Erkrankten und Toten unter den Schwangeren in den USA untersucht. Grund für die besondere Gefährdung in der Schwangerschaft ist, dass die Abwehrkräfte bei Schwangeren oft geschwächt sind und dass Lunge und Herz durch die Schwangerschaft sowieso schon belastet sind, eine Infektion der Atemwege also schlechter wegstecken können. Hohes Fieber kann in der Früh-Schwangerschaft die Entwicklung des Babys stören, in der späteren Schwangerschaft kann es eine Fehl- oder Frühgeburt auslösen. Manche Fachleute befürchten auch, dass die Plazenta durch die Viren beeinträchtigt werden könnte.

Die meisten Experten raten deshalb, Schwangere bei den ersten Anzeichen einer Grippeinfektion frühestmöglich mit Tamiflu oder Relenza zu behandeln. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, innerhalb der ersten 48 Stunden ein antivirales Mittel zu verabreichen. Schwangere mit Grippesymptomen sollten sich „auf jeden Fall“ Tamiflu verschreiben lassen, findet auch Bernhard-Joachim Hackelöer von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Doch diese Medikamente wurden noch nicht explizit auf ihre Nebenwirkungen für Schwangere und Ungeborene untersucht. Es wurden jedoch bisher keine Komplikationen bei Mutter und Ungeborenem bekannt, wenn die Mittel eingenommen wurden. Trotz der Unsicherheit scheint eine Nutzen-Risiko-Abwägung zugunsten der Medikamente auszufallen. Manche Ärzte empfehlen zudem auch eine vorbeugende Einnahme, sofern die Schwangere Kontakt zu einem Erkrankten hatte.

Impfung? Nicht alle Experten sind dafür

Da läge es doch nahe, sich einfach impfen zu lassen. Manche Fachleute sehen das genauso: „Schwangere sollten sich als eine der ersten Gruppen impfen lassen, um ihr Erkrankungsrisiko zu minimieren. Bei einer Impfung jenseits des ersten Schwangerschaftsdrittels sind von Grippe-Impfstoffen keine Risiken für Mutter und Kind zu erwarten“, betont Dr. Michael Wojcinski vom Bundesverband der Frauenärzte (BVF). Das passt zeitlich, denn die WHO berichtet, dass die „Neue Grippe“ vor allem für Frauen im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel erhöhte Risiken berge. Das Paul-Ehrlich-Institut, das dem Bundesgesundheitsministerium untersteht, ist ebenfalls für eine Impfung an Schwangeren: „Alle bisher vorliegenden Daten zeigten, dass das H1N1-Virus bei ihnen zu schweren Erkrankungen, Komplikationen und auch auffällig vielen Todesfällen führt“, erklärte Johannes Löwer, Präsident des Instituts, das u. a. zuständig ist für die Genehmigung von Impfstoffen.

Jedoch teilen nicht alle Experten diese Ansicht. Wegen des hohen Zeitdrucks und um ausreichende Mengen an Impfstoff herstellen zu können, fügen die Pharmaunternehmen dem neuen Impfstoff nämlich eine Verstärkersubstanz mit dem Namen AS03 bei. Diese spart bis zu drei Vierteln an reinem Impfstoff ein. Man kann also mit der gleichen Grund-Impfstoffmenge die vierfache Anzahl an Einzeldosen produzieren. Auch erweitern Verstärker den Impfschutz, der auch dann noch besteht, falls sich das Virus H1N1 durch Mutationen verändern sollte. Solche Verstärker sind aber in ihren Risiken speziell für Schwangere noch nicht erforscht. Manche Wissenschaftler, wie der Bremer Pharmakologe Prof. Peter Schönhofer, sprechen in Bezug auf die Impfungen sogar von einem „Menschenversuch“. Auf diese Bedenken hat das Robert-Koch-Institut inzwischen mit der Empfehlung reagiert, Schwangere sollten mit einem "nicht-adjuvantierten Spaltimpfstoff" geimpft werden, der voraussichtlich ab Dezember 2009 zur Verfügung steht.

Offizielle Empfehlung: Schwangere sollen sich impfen lassen

Es klingt, als müssten sich Schwangere zwischen dem Teufel und dem Beelzebub entscheiden. Und tatsächlich wird sowohl die Impfung als auch die Behandlung mit Tamiflu wohl immer eine Gratwanderung zwischen Risiko und Nutzen sein. Es zeichnet sich aber ab, dass die Mehrheit der Fachleute eine Impfung für sinnvoll hält. Zumindest hat sich die am Robert-Koch-Institut angesiedelte Ständige Impfkommission (STIKO) am 8. Oktober in ihrer offiziellen Impfempfehlung festgelegt. Die STIKO hat in einer siebenstufigen Rangliste bestimmt, welche Bevölkerungsgruppe am dringendsten geimpft werden sollte. Demnach sollte sofort mit der Impfung der ersten drei Rangstufen begonnen werden: Das sind Beschäftigte in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Rang 1), chronisch Kranke (also auch Babys und Kleinkinder) ab einem Alter von sechs Monaten (Rang 2) und Schwangere (vorzugsweise ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel) und Wöchnerinnen (Rang 3).

Für Studien, die die Impffolgen für eine große Anzahl geimpfter Schwangerer beobachten könnten, blieb zuvor allerdings nicht viel Zeit. "Es liegen derzeit noch keine Ergebnisse über Wirksamkeit und Sicherheit der verschiedenen Impfstoffe vor", sagte Ulrich Heininger, stellvertretender Vorsitzender der Ständigen Impfkommission, im Vorfeld. "Dementsprechend haben wir auch keine Daten zu Schwangeren." Das Robert-Koch-Institut befasst sich mit Krankheitsüberwachung und –vorbeugung und ist dem Bundesgesundheitsministerium angegliedert.

Beim Thema Schweinegrippe sind auch die Hebammen, die oft einen ganzheitlicheren Blick auf die Schwangeren haben als die Schulmedizin, zurückhaltend. Der Verband Deutscher Hebammen (VDH) gibt seinen Hebammen keine Empfehlungen zur Beratung der Schwangeren pro oder contra Impfung: „Dazu sind wir juristisch nicht berechtigt“, betont Pressesprecherin Dr. Edith Wolber gegenüber urbia. „Wir verweisen ausdrücklich auf die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts“, was übrigens auch für Fragen zu anderen Impfungen in der Schwangerschaft gelte. „Eine Regel des Instituts besagt zum Beispiel, dass normalerweise in der Schwangerschaft keine Lebendimpfungen verabreicht werden sollten.“ (Bei der Impfung gegen die Schweinegrippe handelt es sich um einen Totimpfstoff).

Einen hundertprozentigen Schutz vor der Grippe wird es auch mit Impfung nicht geben. Wie auch bei der normalen Grippeschutzimpfung sind gesunde Menschen mit normalem Immunsystem bis zu 90 Prozent geschützt.

Wie gefährlich ist die „Neue Grippe“ für kleine Kinder?

Die Schweinegrippe trifft neben Schwangeren auch die Kleinsten überdurchschnittlich oft besonders hart: "Kinder unter fünf Jahren haben ein erhöhtes Ansteckungsrisiko und meistens auch schwerere Verläufe als der Rest der Bevölkerung“, erklärt Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut. Erfahrungen aus England, wo die Pandemie bereits weiter fortgeschritten ist, zeigen: Hier mussten jüngere Kinder bisher drei Mal häufiger in stationäre Behandlung als Patienten aus anderen Altersgruppen. Diese Zahlen decken sich auch mit Erfahrungen, die bereits in den USA gemacht worden sind. Trotzdem rät das Institut zur Prophylaxe zu keinen besonderen Maßnahmen. "Die normalen Hygieneempfehlungen, wie regelmäßiges Händewaschen, sich nicht anhusten usw., das gilt für Schwangere und Kleinkinder wie für alle anderen", sagt Glasmacher.

Die Frage, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich das eigene Kind (zum Beispiel in Krippe oder Kiga ansteckt), ist schwer zu beantworten. Es gibt nur grobe Schätzungen, und die auch nur in Bezug auf die Gesamtbevölkerung: Momentan erkranken etwa 400 Menschen täglich neu. Während einige Experten davon ausgehen, dass sich bis zu einem Drittel der Deutschen infizieren könnten, rechnet der Virologe Peter Wutzler von der Universität Jena von jetzt bis Februar 2010 mit fünf Prozent der Menschen. Fachleute empfehlen überwiegend keine Schließung der Kindergärten oder ein Fernhalten des eigenen Kindes. Solche Maßnahmen könnten die Ansteckung letztlich kaum verhindern, da das Kind ja auch außerhalb der Einrichtungen auf andere Kinder treffe.

Die Impfung empfiehlt das Robert-Koch-Institut in erster Linie chronisch kranken Kindern ab einem Alter von sechs Monaten. Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat sich nach anfänglichem Zögern dieser Empfehlung angeschlossen und rät auch zur Impfung von Kindern unter drei Jahren, ab dem vollendeten sechsten Lebensmonat.

Der BVKJ begründete die geänderte Empfehlung mit der zunehmende Zahl von Erkrankungen bei Kindern aller Altersgruppen sowie die verbesserte Datenlage bei Impfungen dieser Kleinkinder. Allerdings betreffe die Empfehlung vor allem Kinder, die ein chronisches Leiden wie Asthma bronchiale, Stoffwechselerkrankungen oder Herzfehler haben. Diese sollten möglichst schnell geimpft werden.

Krankenkassen übernehmen die Impfkosten

Die Impfung gegen die „Neue Grippe“ wird sowohl von den gesetzlichen als auch den privaten Krankenkassen übernommen, und zwar für die Risikogruppen sowie für die Normalbevölkerung. Die Kosten sollen auch nicht durch Beitragserhöhungen ausgeglichen werden. Geplant ist, 50 Millionen Impfdosen zur Verfügung zu stellen (die für zunächst 25 Millionen Menschen ausreichen, da zweimal geimpft werden muss). Zunächst werden Risikopatienten, medizinisches Personal, Bedienstete von Polizei, Rettungsdiensten etc. geimpft. Da ständig weiterer Impfstoff produziert wird, können sich auch „Normalsterbliche“ bald auf Wunsch impfen lassen. Für Befremden sorgte allerdings die Nachricht, die Bundeswehr habe für ihre Mitglieder einen anderen Impfstoff bestellt als den, der für die Normalbevölkerung vorgesehen ist.

Weiterführende Informationen

  • Persönliche Beratung zur „Neuen Grippe“ gibt es kostenlos unter: 0800 - 44 00 55 0 bei der Hotline des Bundesgesundheitsministeriums (montags bis donnerstags von 8 bis 18 Uhr, freitags von 8 bis 12 Uhr). In Sonderfällen (Neuigkeiten zur Infektion) ist die Hotline auch an Wochenenden und Feiertagen erreichbar.
  • Täglich aktualisierte Informationen zum Thema Schweinegrippe gibt es beim Robert-Koch-Institut
  • sowie beim Bundesgesundheitsministerium
  • Unter der URL www.keine-schweinegrippe.de bietet die Gesellschaft für Lernmedien "cogni.net" ein kostenloses E-Learning zur Schweingrippe mit dem Ziel, das Ansteckungsrisiko zu verringern.