Erfahrungsbericht

Unser Kind hat Neurodermitis

Erfahrungsbericht einer Familie, deren Kind seit dem Alter von drei Monaten an Neurodermitis litt: über die schwierige Suche nach den Ursachen und darüber, wie sie die Krankheit in den Griff bekommen haben.

Autor: Andrea Knipp-Selke

Neurodermitis: Kind wurde über Nacht krank

Erfahrungsbericht Kind Neurodermitis
Foto: © colourbox

"Wenn Dein Kind nachts nicht schlafen kann, weil es sich immer in den Kniekehlen kratzt, wirst Du wahnsinnig!", beschreiben Petra und Heiner Müller eine von vielen Nächten, in denen die Neurodermitis ihrer ältesten Tochter Anna ihnen den Schlaf raubte. Mit Kühlkompressen konnte der unerträgliche Juckreiz gelindert werden, so dass schließlich doch noch alle schlafen konnten.

Inzwischen sind solche Nächte eher die Ausnahme. Die fünfköpfige Familie hat die Krankheit ihrer Tochter gut im Griff. Niemand, der die heute sechsjährige Anna sieht, kommt auf die Idee, dass sie an Neurodermitis leiden könnte. Doch das war nicht immer so.

Wie aus heiterem Himmel

"Die Neurodermitis fing Knall auf Fall an, als Anna drei Monate alt wurde. Wir waren im Skiurlaub und praktisch über Nacht war das Kind übersät mit roten Flecken. Anna schrie, war völlig unruhig und es war grausam, weil Du nicht weiß, was das ist." Von den Mitreisenden als " Rabeneltern" beschimpft ("Das kommt von der Reise, was fahrt Ihr auch mit so einem kleinen Kind in Urlaub!") plagte die Müllers zunächst ein schlechtes Gewissen und sie waren ratlos. Wieder zu Hause war die Diagnose schnell klar: Neurodermitis.

Bestimmte Nahrung aussortieren

Damit hatten Petra und Heiner nicht gerechnet, nicht zuletzt, weil Anna schon wegen der Allergien ihrer Eltern voll gestillt wurde und sie gehofft hatten, ihre Tochter damit schützen zu können. Richtig schwierig wurde es erst, als Anna abgestillt wurde. Ein Allergietest ergab, dass Anna zu dem einen Drittel der Kinder gehört, die außer an Neurodermitis auch an Nahrungsmittelallergien (meist Kuhmilch, Hühnerei, Weizen) leiden. Mit diesem Wissen drehte sich nun bei den Müllers alles um die Ernährung ihrer Tochter.

Die Müllers griffen zu Sojamilch und hypoallergener Babynahrung. Lebensmittel und Speisen wurden durchprobiert: Nüsse, Fisch, Ei, Milch und Weizen waren tabu und die Kochbücher mit Neurodermitis-Rezepten füllen bei den Müllers inzwischen ganze Regalreihen. So bekamen sie die Reaktionen der Haut in den Griff.

Auch der Kindergarten machte mit

Als Anna in den Kindergarten kam, fand sie auch dort volle Unterstützung. Vater Heiner: "Das ist extrem wichtig, dass die Diät ernst genommen wird und dich niemand für blöd verkauft." Die Köchin des Kindergartens kochte für Anna Extra-Mahlzeiten und war selbst ständig auf der Suche nach neuen leckeren Rezepten.

Und weil es ihr dort so gut schmeckte, machte es ihr auch nicht viel aus, nicht das gleiche zu essen wie die anderen. "Natürlich gab es hin und wieder mal Probleme, weil Anna beim Nachbarn probiert hatte." Die Folge dieser verständlichen kleinen "Sünden" war nächtlicher Juckreiz, so dass Anna sehr schnell von sich aus die Teller der anderen in Ruhe ließ. Und zu Hause gibt es sowieso für alle das gleiche Essen.

Cortison hat Anna noch nie bekommen

Zweimal war Anna in ihrem Leben so krank, dass sie ein Antibiotikum benötigte, was rund drei Wochen später jeweils zu einer Verschlechterung ihrer Haut führte. Vater Heiner, selbst Arzt: "Das ist schon ein Problem. Wir haben es zwar auch mit einer homöopathischen Behandlung versucht, aber das war nicht erfolgreich. Und bei einem hochfiebernden Kind mit einer eitrigen Bronchitis gibt es für mich auch keine Alternative zu einem Antibiotikum. Alles andere ist Quatsch. Und wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass die Verschlechterungen nicht dauerhaft waren. Dann wurde die Haut eben zwei Wochen lang im besonderen Maße gepflegt und dann war alles wieder in Ordnung. Cortison-haltige Produkte haben wir bis jetzt noch nie benötigt."
Auch auf die üblichen Impfungen im Säuglingsalter wollten die Müllers nicht verzichten, Anna vertrug sie alle problemlos.

Zum Schlafen unter den Ventilator

In ihrer Lebensqualität fühlen sich die Müllers nicht eingeschränkt. "Natürlich kannst Du in keine Bäckerei gehen und musst zu allen Verwandten etwas mitnehmen. Und dann gibt es da auch noch die klassischen Problemzeiten Weihnachten, Karneval, Ostern und St. Martin, weil es da zu viel Süßes gibt.

Aber das ist alles machbar." Auch der Urlaub will sorgfältig geplant sein. "Schwitzen ist ganz schlecht, aber deswegen sind wir trotzdem in den Süden gefahren, nur eben nicht im Hochsommer." Wird es ihr trotzdem zu heiß, legt sich Anna auch gerne mal zum Schlafen unter den Ventilator im Hotelzimmer ("Den mussten wir dann nachts heimlich ausschalten.") oder duscht so kalt, dass jeder andere schon vom bloßen Zusehen eine Gänsehaut bekommt.

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Leben ohne Milch und Ei

Anna wurde im Sommer eingeschult. Ihre Neurodermitis ist so gut wie verschwunden. Inzwischen hat sie noch zwei jüngere Geschwister: die zweijährige Katharina und die fünf Monate alte Lisa. Beide wurden bzw. werden in ihren ersten sechs Lebensmonaten voll gestillt. Anders als bei Anna verzichtete Mutter Petra während dieser Zeit darauf, selbst Milch- und Eiprodukte zu sich zu nehmen. Ihre Entbehrungen wurden mit Erfolg belohnt: beide Töchter zeigen keinerlei Symptome einer Neurodermitis. "Ob es jetzt daran wirklich liegt, können wir noch nicht mal sagen. Es ist uns aber auch egal, wir finden das einfach klasse."

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