Hilfe für kleine Patienten

Mein Kind muss ins Krankenhaus

Jedes zweite Kind muss irgendwann einmal ins Krankenhaus. Nicht nur für die kleinen Patienten, für die ganze Familie ist das eine enorme Belastung. Doch mit einer guten Vorbereitung, Zuversicht und liebevoller Zuwendung können Eltern einem Klinikaufenthalt seinen Schrecken nehmen.

Autor: Sabine Ostmann

Vorbereitung: Offen reden und nichts verschweigen

Kind Krankenhaus Teddy
Foto: © iStockphoto/ JLBarranco

Fremde Menschen in weißen Kitteln, Furcht einflößende Gerätschaften, Angst vor Schmerzen – die Aussicht, ins Krankenhaus zu müssen und womöglich sogar operiert zu werden, macht vielen Kindern Angst. Zum Beispiel Lara. Die Fünfjährige leidet unter einer seltenen Knochenerkrankung. In wenigen Wochen muss sie in einer orthopädischen Kinderklinik operiert werden. Je näher der Termin rückt, desto bedrückter ist das sonst so fröhliche, aufgeweckte Mädchen. Abends möchte sie nicht schlafen gehen, sondern ganz lange mit Mama kuscheln. Nachts wacht sie oft auf und weint. Tagsüber im Kindergarten reagiert sie immer häufiger trotzig und aggressiv. Und Lara hat tausend Fragen: „Wieso muss ich ins Krankenhaus? Was machen die da mit mir? Wann kann ich denn wieder spielen? Kommt Mama auch mit?“ Ihre größte Sorge: „Ich habe solche Angst, dass es weh tut.“

Kinderängste ernst nehmen

Es muss keine seltene Krankheit sein: Eine Blinddarmentzündung, ein gebrochenes Bein, manchmal auch eine schwere Erkrankung – rund zwei Millionen Kinder kommen jährlich ins Krankenhaus. Einige von ihnen müssen länger dort bleiben – eine enorme Belastung für die Kleinen. Und für ihre Eltern. Wie wird mein Kind das verkraften? Wie kann ich ihm am besten über diese Zeit hinweghelfen. Und wie soll ich es auf Krankenhausaufenthalt oder auf eine Operation vorbereiten? Fragen, die sich auch Laras Mutter Ruth stellt. Sie leidet unter derselben Knochenerkrankung wie ihre Tochter. Auch sie wurde als Kind mehrfach operiert und weiß daher sehr genau, was Lara bevorsteht. „Es hat keinen Sinn, Lara etwas vorzumachen“, bemerkt die 36-Jährige nüchtern. „Kinder merken so etwas sehr genau. Ich versuche möglichst gelassen zu bleiben und offen mit meiner Tochter über den Krankenhausaufenthalt und die Operation zu sprechen. Ich verschweige ihr nicht, dass es wehtun kann, erkläre ihr aber auch, dass sie dann sofort Medikamente gegen die Schmerzen bekommt.“

Eltern können eine Menge dazu beitragen, dass der Klinikaufenthalt für Kinder nicht zum traumatischen Erlebnis wird. Das beginnt schon bei der Vorbereitung. Wenn Mutter und Vater Optimismus und Gelassenheit ausstrahlen, überträgt sich dies auch auf das Kind. „Nehmen Sie die Ängste und Sorgen Ihres Kindes unbedingt ernst. Verharmlosen Sie nichts – auch wenn möglicherweise schmerzhafte Untersuchungen oder eine Operation anstehen“, rät Professor Dr. Frank Riedel, Ärztlicher Direktor des Altonaer Kinderkrankenhauses in Hamburg. „Verzichten Sie auf Versicherungen wie ‚Es tut gar nicht weh’. Solche Versprechen können nicht eingehalten werden und führen nur dazu, dass das Kind sein Vertrauen verliert und sich noch mehr ängstigt. Offenheit ist in jedem Fall besser. Das gilt auch für schwerere Erkrankungen. Kinder werden bei solchen Themen oft unterschätzt. Dabei sind sie viel belastbarer als man denkt, selbst wenn es um ernste oder sogar lebensbedrohliche Krankheiten geht.“

Gute Vorbereitung hilft Ängste abbauen

Je mehr die Eltern über die Erkrankung und eine mögliche Operation wissen, desto mehr Sicherheit gewinnen sie und desto besser können sie ihr Kind auf den Krankenhausaufenthalt vorbereiten und ihm vermitteln, dass dies ein Ort ist, wo man ihm hilft, wieder gesund zu werden. Aus diesem Grund sollten sie sich selbst so früh wie möglich umfassend informieren: Wie sieht die Behandlung aus? Welche Maßnahmen sind geplant? Ist eine Operation unumgänglich? Welche Chancen, welche Risiken bestehen? Und vor allem: Welches Krankenhaus ist überhaupt das richtige für mein Kind?

Die Frage gilt es zunächst, in Abstimmung mit dem behandelnden Haus- oder Kinderarzt,  zu klären. Entscheidend sind dabei natürlich die besonderen medizinischen Erfordernisse. Je nach familiärer Situation kann auch die Wohnortnähe ein wichtiges Kriterium sein. Auch die Krankenkasse kann bei der Suche nach der besten Klinik behilflich sein. Sie muss in jedem Fall kontaktiert werden, wenn es darum geht, ob Mehrkosten, etwa für den Transport in ein weiter entferntes Krankenhaus, übernommen werden. Sinnvoll kann es auch sein, bei einer Patientenberatungsstelle oder einer Selbsthilfegruppe um Rat zu fragen.

Welches Krankenhaus ist das richtige?

Da Kinder nicht einfach kleine Erwachsene sind, sollten sie wenn möglich in einer Kinderklinik oder auf einer Kinder- und Jugendstation behandelt werden, die ihren besonderen Bedürfnissen gerecht wird. Hier verfügen die Ärzte über eine spezielle Fachausbildung in der Kinder- und Jugendmedizin; auch Psychologen und das Pflegepersonal sind entsprechend geschult. Die Räumlichkeiten sind meist fröhlich und kindgerecht gestaltet und bieten Möglichkeiten zum Spielen, Basteln oder Lesen.

Manche Krankenhäuser stellen umfangreiche Informationen ins Internet, mitunter auch kindgerecht aufbereitet, oder sie bieten sogar Stationsbesichtigungen für Eltern und Kinder – eine gute Möglichkeit, die Schwestern und die Atmosphäre auf der Station vorab kennen zu lernen. Das hilft oft schon, Ängste abzubauen. Um das Kind spielerisch auf den Krankenhausaufenthalt vorzubereiten, kann man auch Bilderbücher zum Thema lesen oder mit dem Arztkoffer zu Hause Krankenhaus spielen.

Im Krankenhaus: Wie Eltern ihren Kindern helfen können

Trotz Personalknappheit und begrenzter Mittel sind Kinderkrankenhäuser bemüht, den kleinen Patienten die Anpassung an die fremde Umgebung so einfach wie möglich zu machen. Das Pflegepersonal ist nicht nur medizinisch ausgebildet, sondern auch sonst auf die Bedürfnisse und Probleme der Schützlinge eingestellt. Die Besuchszeiten werden in der Regel sehr großzügig gehandhabt – auch andere Kinder sind als Besucher erlaubt. Kinder, die das Bett verlassen dürfen, können sich im Spielzimmer oder auf dem Spielplatz beschäftigen; bei längeren Aufenthalten gibt es auch Schulunterricht.

Der Klinikalltag kann massive Ängste auslösen

Dennoch kann der Klinikalltag mit seinen einschüchternden Abläufen, unangenehmen Untersuchungen, Schmerzen und Alleinsein bei Kindern massive Ängste auslösen. Manchmal kann es sogar zu Schlafstörungen, Einnässen oder Panikreaktionen kommen. „Je jünger das Kind und je schwerer die Erkrankung, desto wichtiger ist deshalb die Nähe der Eltern – sie vermittelt Sicherheit und Geborgenheit, tröstet und nimmt viele Ängste. Liebevolle Zuwendung aktiviert die Selbstheilungskräfte und hilft, Traumatisierungen zu vermeiden“, erklärt Professor Riedel.

Gerade kleinere Kinder bis zum Grundschulalter leiden unter dem Gefühl des Ausgeliefertseins und der Trennung von der Familie. Und weil ihr Zeitempfinden noch nicht sehr ausgeprägt ist, kommen ihnen wenige Tage schnell wie eine Ewigkeit vor. In diesen Fällen sollten Mutter oder Vater mit dem Kind in der Klinik bleiben, damit sie beim Aufwachen und beim Einschlafen da sind und ihrem Kind das Gefühl vermitteln „Ich bin immer bei dir“. Unter Umständen können die Eltern auch einen Teil der Pflege ihres Sprösslings übernehmen. Die meisten Kinder lassen sich lieber von ihren Eltern waschen als von einer fremden Pflegeperson. Ganz wichtig ist, dass die Eltern die Anweisungen der Ärzte und des Pflegepersonals befolgen. Vor allem aber sollten sie ihr Kind nicht spüren lassen, welche Sorgen sie sich machen, sondern stattdessen Optimismus und Zuversicht ausstrahlen.

Im Notfall selber untersuchen lassen

Auch bei Untersuchungen oder Behandlungen hilft es sehr, wenn die Eltern ihr Kind beruhigen und motivieren – und so den Ärzten eine Brücke bauen. „Bei Arztgesprächen dürfen sich Kinder nicht ausgeschlossen fühlen, denn das verstärkt ihre Angst und Unsicherheit“, so Riedel. „Damit das Kind Vertrauen gewinnt, ist es am besten, wenn erst der Arzt und später die Mutter noch einmal in ihren Worten dem Kind erklärt, was genau gemacht wird. Es hat auch keinen Sinn zu schimpfen, wenn sich ein Kind gegen eine Untersuchung wehrt. Im Notfall kann die Mutter die Harmlosigkeit z.B. eines Ultraschall-Checks bei sich demonstrieren, das kann eine Untersuchung enorm erleichtern. Wenn die Eltern uns Ärzten vertrauen, tun es auch die Kinder.“

Spiele und Besuch bringen Abwechslung

Besonders wichtig ist die Anwesenheit der Eltern in der ersten Phase bis sich das Kind eingewöhnt hat und Kontakt zu anderen kleinen Patienten geknüpft hat. Außer bei absolut ruhebedürftigen Patienten ist ein Mehrbettzimmer für Kinder deshalb die bessere Wahl. Die Kinder im Krankenhaus haben ähnliche Probleme zu bewältigen; sie trösten sich gegenseitig und lenken sich beim Spielen ab. Hat das Kind sich eingewöhnt, ist die ständige Anwesenheit eines Elternteils nicht mehr erforderlich, es genügt, wenn Mutter oder Vater bei wichtigen Untersuchen dabei sind und ihr Kind regelmäßig besuchen.

Spiele, Erzählen, Vorlesen – damit bringen Eltern ihre kranken Sprösslinge auf andere Gedanken. Dabei sollten ruhig auch andere Kinder einbezogen werden – vor allem Mitpatienten, die nur selten  Besuch bekommen. Grundsätzlich sollten Kinder möglichst jeden Tag besucht werden. Nicht nur die Eltern, auch Oma und Opa, Geschwister oder Schulfreunde sind willkommen – nur nicht alle gleichzeitig. Bei längeren Krankenhausaufenthalten ist es deshalb sinnvoll, wenn die Eltern die Besuche koordinieren.

Der Abschied von den Eltern fällt Kindern im Krankenhaus besonders schwer. Deshalb ist es wichtig, dem Kind schon eine Weile vorher zu sagen, dass man nun bald gehen muss und ihm zu erklären, wann man wiederkommt. Ein kleines Mitbringsel lenkt vom Abschiedsschmerz ab, vor allem, wenn es etwas ist, das nach Zuhause riecht: ein Lieblingsstofftier, Fotos von der Familie oder ein Kissen von Mama.

Einfach da sein und trösten

„Ruhig erklären, was im Krankenhaus passiert, was die Ärzte machen und wenn das alles nicht hilft: Trösten, in den Arm nehmen und einfach nur da sein.“ So versucht auch Laras Mutter Ruth ihrer Tochter die Angst vor den Untersuchungen und dem Krankenhausaufenthalt zu nehmen. „Lara hat besonders Angst vor Spritzen. Da lasse ich mich beim Arzt dann erst mal selber pieksen – das hilft meistens“, erzählt sie. „Und zu Hause ist dann der Teddy dran.“ Dass sie und ihr Mann während der Zeit, die Lara in der Kinderklinik verbringen muss, wechselweise bei ihrer Tochter sind, ist für sie selbstverständlich. „Lara soll wissen, dass immer jemand für sie da ist. Das macht vieles leichter.“

Wenn Mama mit ins Krankenhaus kommt – was zahlt die Kasse?

Die Erkenntnis, dass die Anwesenheit der Eltern im Krankenhaus den Heilungsprozess maßgeblich fördern kann, hat sich mittlerweile auch bei Kliniken und Krankenkassen durchgesetzt. In den meisten Kinderkrankenhäusern ist es heute selbstverständlich, dass auch ein Elternteil gemeinsam mit dem Kind aufgenommen wird. Grundsätzlich angebracht ist dies bei Neugeborenen, Säuglingen und Kindern bis zu sechs Jahren, ganz besonders, wenn das Kind bösartig erkrankt oder sein Zustand lebensbedrohlich ist. Auch wenn therapeutische Techniken gelernt werden müssen, ist die Unterstützung durch Eltern sinnvoll.

Voraussetzung für die Mitaufnahme eines Elternteils und die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist eine medizinische Indikation, die der behandelnde Krankenhausarzt (nicht der Hausarzt!) stellen muss. Liegt diese Indikation vor,  übernehmen die Krankenkassen in der Regel bis zu 45 Euro pro Tag für Unterbringung und Verpflegung.

  • Bezahlter Krankenpflege-Urlaub

Angestellte Mütter und Väter von Kindern unter zwölf Jahren haben grundsätzlich Anspruch auf Freistellung von der Arbeit: Pro Jahr und Kind kann jeder Elternteil maximal 10 Tage (bei mehreren Kindern insgesamt maximal 25 Tage) zur Pflege seines kranken Kindes freigestellt werden. Alleinerziehende haben Anspruch auf 20 Tage Freistellung pro Jahr und Kind (maximal 50 Tage bei mehreren Kindern).

  • Haushaltshilfe

Leben im Haushalt weitere Kinder unter zwölf Jahren, die nicht anderweitig betreut werden können, übernimmt die Krankenkasse ggf. die Kosten für eine Haushaltshilfe. Ist der Anspruch auf bezahlte Freistellung arbeits- oder tarifvertraglich ausgeschlossen oder bereits ausgeschöpft, können sich gesetzlich Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld unbezahlt freistellen lassen. Sie erhalten dann von ihrer Krankenkasse ein sogenanntes Kinderkrankengeld in Höhe von 70 Prozent des Bruttoeinkommens. Privatversicherte haben keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld. Wenn ein Elternteil privat und der andere pflichtversichert ist, gilt die Versicherung, bei welcher das Kind mitversichert ist.

Service: Buchtipps und Links

Zum Weiterlesen

  • Susa Hämmerle und Kyrima Trapp: Heut gehen wir ins Krankenhaus.
    Annette Betz Verlag, 9,95 Euro
  • Astrid Hille, Dina Schäfer und Melanie Garanin: Was hört der Arzt in meinem Bauch? In der Praxis und im Krankenhaus. Velber Verlag, Reihe Spielen und Lernen 16, 9,95 Euro
  • Janosch: Ich mach dich gesund, sagte der Bär.
    Verlag Beltz & Gelberg, 9,95 Euro
  • Patricia Mennen und Antje Flad: Teddy muss ins Krankenhaus.
    Ars Edition, 12,95 Euro
  • Christine Nöstlinger und Christiane Nöstlinger: Mini muss ins Krankenhaus.
    Dachs-Verlag, 9,60 Euro
  • Liane Schneider: Conni im Krankenhaus (Audiobook).
    Hörbuch Hamburg, 7,95 Euro

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