Immer mehr Kinder werden geheilt

Krebs bei Kindern

Krebserkrankungen bei Kindern sind glücklicherweise selten. Jährlich erkranken rund 1.800 Kinder neu an Krebs. Doch die gute Nachricht lautet: Etwa 80 Prozent aller krebskranken Kinder können geheilt werden. Bei manchen Krebsarten liegen die Heilungschancen inzwischen sogar bei 95 Prozent.

Autor: Andrea Schmelz

Krebs: Kleinkinder trifft es am häufigsten

Krebs bei Kindern
Foto: © colourbox

Krebs im Kindesalter ist bei Kleinkindern zwischen einem und vier Jahren am häufigsten. Bei ihnen treten vorwiegend Tumore auf, die sich aus embryonalem Gewebe entwickeln (erkennbar an der Endung „-blastom“ in der Tumorbezeichnung). Ab dem 6. Lebensjahr werden Krebserkrankungen etwas seltener, wobei die Häufigkeit dann bis ins Jugendalter gleichbleibt. Jungen sind nahezu doppelt so häufig betroffen wie Mädchen.

Leukämie und Hirntumore bei Kindern am häufigsten

Bei den nachfolgend aufgezählten Häufigkeiten handelt es sich um den Anteil der genannten Krebsart bezogen auf alle im Kindesalter in Deutschland auftretenden Krebserkrankungen. Ein Beispiel: Bei jährlich 1.800 Krebs-Neuerkrankungen im Kindesalter handelt es sich in 34 Prozent um eine Leukämie (entsprechend 612  Kinder in ganz Deutschland). 34 Prozent bedeutet also nicht, dass 34 Prozent aller Kinder an Leukämie erkranken!

  • Leukämie (Blutkrebs): 34 Prozent, wobei es sich bei Kindern fast ausschließlich um akute Formen handelt, die unbehandelt schnell zum Tod führen würden
  • Hirntumore: knapp 22,5 Prozent
  • Lymphdrüsenkrebs (Lymphome): knapp 11,5 Prozent, wobei so genannte Hodgkin-Lymphome und Non-Hodgkin-Lymphome unterschieden werden
  • Tumore des Nervensystems (überwiegend Neuroblastome): 7,5 Prozent
  • Weichteilsarkome: 6 Prozent, meist Rhabdomyosarkome
  • Nierentumore (Wilmstumor = Nephroblastom): knapp 6 Prozent
  • Knochentumore: 4,5 Prozent, vorwiegend Osteosarkome und Ewing-Sarkome
  • Keimzelltumore: 3 Prozent
  • Augentumore (Retinoblastom): 2 Prozent

Heilungschancen dramatisch verbessert

In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts kam die Diagnose einer Krebserkrankung im Kindesalter fast einem Todesurteil gleich. Damals überlebten weniger als 10 Prozent der Kinder einen Zeitraum von fünf Jahren. Fünf Jahre zu überleben ist deshalb so bedeutungsvoll, weil nach diesem Zeitraum ein beschwerdefreier Krebspatient mit hoher Wahrscheinlichkeit als geheilt angesehen werden kann. Heute ist die durchschnittliche Fünfjahres-Überlebensrate bei Krebs im Kindesalter auf 81 Prozent angestiegen. Je nach Krebsart und abhängig davon, ob bereits Metastasen (Tochtergeschwulste) bestehen, können die Fünfjahres-Überlebensraten allerdings deutlich vom Durchschnittswert abweichen. So liegt die Fünfjahres-Überlebensrate für den häufigsten Augentumor im Kindesalter, das Retinoblastom, bei über 97 Prozent, während bei einer speziellen Leukämieform, der akuten myeloischen Leukämie (AML), nur 59 Prozent der Kinder fünf Jahre überleben. Inzwischen leben dank verbesserter Heilungschancen über 28.000 junge Menschen in Deutschland, die ihre Krebserkrankung überwunden haben.

Beste Therapie nach einheitlichen Standards

Diese Erfolge in der Krebsbehandlung ließen sich erzielen, weil heute fast alle  Kinder im Rahmen von so genannten Therapieoptimierungsstudien nach einheitlichen Standards der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie, basierend auf dem neuesten Wissenstand, therapiert werden. Dabei kommen je nach Krebsart unterschiedliche Verfahren zum Einsatz: Operation, Bestrahlung, Chemotherapie (hierbei gibt es meist mehrere mögliche Kombinationen verschiedener Anti-Krebs-Mittel). Die verwendeten Standards werden nach Auswertung der Studien immer wieder iert, sodass die Prognose verbessert werden kann oder die Therapie bei gleichen Heilungschancen weniger Nebenwirkungen verursacht.

Leukämie: Blutkrebs mit Überproduktion weißer Blutkörperchen

Es gibt zwei Formen von Blutkrebs bei Kindern: In 80 Prozent handelt es sich um eine akute lymphoblastische Leukämie (ALL), bei der die Fünfjahres-Überlebensrate 90 Prozent beträgt. In 20 Prozent besteht eine akute myeloische Leukämie (AML), bei der die Heilungschancen mit knapp 60 Prozent bis heute weniger gut sind. 

Weil im Knochenmark Unmengen von Leukämiezellen (= unreife, funktionsuntüchtige weißen Blutkörperchen) produziert werden, kommt die normale Blutbildung von roten Blutkörperchen und Blutplättchen (wichtig für die Gerinnung) zu kurz.

Daraus erklären sich viele der Symptome einer akuten Leukämie:

  • Abgeschlagenheit,
  • Fieberschübe,
  • gehäufte Infekte, von denen sich das Kind nicht richtig erholt,
  • geschwollene Lymphknoten,
  • Blässe, Nasenbluten,
  • Zahnfleischbluten,
  • gehäuft blaue Flecken,
  • Bauchschmerzen

Die Behandlung erfolgt durch Chemotherapie, die eventuell mit einer Bestrahlung kombiniert wird. Bei bestimmten Formen der Leukämie bzw. bei einem Wiederkehren der Erkrankung nach Chemotherapie wird eine Stammzelltransplantation durchgeführt. Dafür muss zuerst durch hochdosierte Chemotherapie und meist auch Bestrahlung das Knochenmark des Patienten ausgeschaltet werden. Anschließend bekommt der Patient eine Infusion mit gesunden Blut-Stammzellen aus dem Knochenmark eines geeigneten Spenders.

Besonders gute Überlebenschancen in Deutschland

Die gute Nachricht zu dieser bei Kindern häufigsten Krebsart: In einer internationalen Studie (April 2017), über die im Fachmagazin The Lancet Haematology berichtet wird, kam heraus, dass die Überlebenschancen für an Blutkrebs erkrankte Kinder in keinem Land so hoch sind wie in Deutschland. Londoner Wissenschaftler hatten dafür Daten von fast 90.000 Kindern in 53 Ländern ausgewertet.

Hirntumore bei Kindern: nur ein Drittel ist bösartig

Bösartige Hirntumore machen gut ein Fünftel aller Krebserkrankungen bei Kindern aus. Es handelt sich dabei um Wucherungen im Gehirn, in Nervenwasserräumen, Hirnhäuten oder Hirnnerven. Zwei Drittel der Hirntumore sind allerdings gutartig. Sie verursachen zwar Beschwerden, jedoch wachsen sie langsam und dringen nicht in das umliegende Hirngewebe ein. Bösartige Gehirntumore nehmen schnell an Größe zu und wachsen in das umgebende Gewebe hinein. Zu den bösartigen Hirntumoren gehören z.B. Medulloblastome, Glioblastome und Ependymome. Die Fünfjahres-Überlebensrate ist abhängig von der Art des Hirntumors. Die im Kindesalter am häufigsten auftretenden Medulloblastome weisen eine Fünfjahres-Überlebensrate von über 80 Prozent auf.

Mögliche Symptome eines Hirntumors können sein: zunehmende  Kopfschmerzen (insbesondere morgens auftretende), häufiges Erbrechen, ohne vorher gegessen zu haben (z.B. morgens nach dem Aufstehen), Schwindel, Krampfanfälle (epileptische Anfälle), Schwäche eines Armes oder Beines, verlangsamtes Sprechen, neu aufgetretenes Schielen oder auch eine Wesensänderung.

Hirntumore werden in aller Regel möglichst vollständig operativ entfernte. Danach schließt sich häufig noch eine Bestrahlung und/oder Chemotherapie an.

Lymphdrüsenkrebs ist in bis zu 95 Prozent heilbar

Lymphome (Lymphdrüsenkrebs) werden in so genannte Hodgkin-Lymphome (auch als Morbus Hodgkin bezeichnet, nach dem Arzt Dr. Thomas Hodgkin) und Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) eingeteilt, die sich nur histologisch (durch Gewebeuntersuchung) unterscheiden lassen und von denen es jeweils verschiedene Unterarten gibt. Bestimmte Formen des NHL sind eng mit der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) verwandt.

Die Fünfjahres-Überlebensrate ist abhängig von der Art des Lymphoms. Bei Hodgkin-Lymphomen im Kindesalter beträgt sie 95 Prozent. Folgende Beschwerden können auf ein Lymphom hinweisen: geschwollene Lymphknoten (üblicherweise schmerzlos),  Fieber, Müdigkeit, Krankheitsgefühl, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust, starker Juckreiz am ganzen Körper. Die Behandlung besteht aus Chemotherapie und Strahlentherapie.

Neuroblastome (Tumore des Nervensystems): oft ein Zufallsbefund

Neuroblastome entwickeln sich aus Zellen des Nervensystems, die für die Funktion von Herzschlag, Darm- und Blasentätigkeit zuständig sind. Sie können überall dort im Körper auftreten, wo diese speziellen Nervenzellen zu finden sind, am häufigsten aber in der Nebenniere und entlang der Wirbelsäule. 90 Prozent der kleinen Patienten sind jünger als sechs Jahre, zu 40 Prozent sind Babys vor dem ersten Geburtstag betroffen. Je nach Tumorstadium sind die Fünfjahres-Überlebensraten sehr unterschiedlich. Speziell bei jüngeren Kindern und so lange sich keine Metastasen gebildet haben, ist die Prognose gut. Neuroblastome können sich sogar spontan ohne Behandlung zurückbilden. Bei älteren Kindern mit Metastasen sind die Heilungsaussichten auch mit Therapie ungünstig.

Bei vielen Kindern verursacht das Neuroblastom keine Beschwerden und wird zufällig bei einer Untersuchung entdeckt. Es können jedoch auch unterschiedliche Symptome auftreten, je nachdem, wo der Tumor sitzt: Spielunlust, Appetitlosigkeit, Schwellungen, Knochenschmerzen, Hinken, Blutergüsse ums Auge. Auch Lähmungserscheinungen, hoher Blutdruck oder anhaltende Durchfälle sind möglich.

Die Therapie ist abhängig vom Krankheitsstadium. Üblicherweise besteht sie aus Operation und Chemotherapie, teilweise wird sie durch eine Bestrahlung ergänzt.

Weichteilsarkome können überall im Körper vorkommen

Zu den Weichteilsarkomen zählt eine Reihe unterschiedlicher, bösartiger Tumore, die in Muskeln, Bändern, Gelenken oder im Nervengewebe? vorkommen. Die meisten dieser Weichteiltumoren treten um das sechste Lebensjahr auf. Sie wachsen schnell und setzen früh Metastasen, sodass sie unbehandelt innerhalb weniger Wochen oder Monate zum Tod führen können. Am häufigsten finden sich Rhabdomyosarkome, die von der Skelettmuskulatur ausgehen. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Lag die Fünfjahres-Überlebensrate Ende der 70er Jahre noch bei 30 bis 40 Prozent, überleben heute durchschnittlich 70 Prozent der betroffenen Kinder.

Weichteilsarkome verursachen je nach Sitz und Ausdehnung des Tumors unterschiedliche Symptome: tastbare Knoten oder sichtbare Schwellungen, Lähmungserscheinungen und Bewegungsausfälle, schmerzende Muskeln, Glieder und Knochen. Die Behandlung richtet sich nach Art, Lage, Größe und Ausdehnung des Tumors und umfasst üblicherweise Operation, Chemotherapie und Bestrahlung, häufig in Kombination.

Nephroblastome (Wilmstumore) treten im frühen Kindesalter auf

Nephroblastome enthalten meist embryonale Vorläuferzellen von Nierengewebe. Diese Tumoren, die vorwiegend im Alter zwischen einem und fünf Jahren auftreten, wachsen rasch und bilden schnell Tochtergeschwulste, sodass 10 Prozent der Kinder bei Erstdiagnose bereits Metastasen haben. Trotzdem bestehen gute Heilungsaussichten. Etwa 90 Prozent der betroffenen Kinder können geheilt werden.

Anfänglich macht ein Wilmstumor keine Beschwerden, das Kind fällt häufig nur durch einen aufgetriebenen Bauch auf. Später können Symptome wie Bauchschmerzen, Erbrechen, Verstopfung oder Fieber hinzukommen.

Die Behandlung besteht meist aus einer Chemotherapie, gefolgt von einer operativen Entfernung des Tumors. Gelegentlich wird auch zuerst operiert. Selten muss zusätzlich eine Bestrahlung erfolgen. 

Knochentumoren betreffen überwiegend Jugendliche

Sowohl Osteosarkome als auch Ewing-Sarkome gehen – anders als Metastasen anderer Krebsarten – direkt vom Knochengewebe aus. Sie entwickeln sich überwiegend bei Jugendlichen während der pubertären Wachstumsphase. Osteosarkome betreffen in über 50 Prozent das Kniegelenk. Ewing-Sarkome entwickeln sich vor allem im Bereich des Beckens, der Ober- und Unterschenkel sowie in den Rippen. Beide Arten von Sarkomen wachsen schnell und bilden früh Metastasen. Sofern der Tumor komplett entfernt werden konnte und sich noch keine sichtbaren Metastasen gebildet haben, beträgt die Fünfjahres-Überlebensrate 60 bis 65 Prozent.

Typische Beschwerden sind Knochenschmerzen an der Stelle der bösartigen Geschwulst, mitunter auch Schwellung, Rötung und Fieber, gelegentlich Lähmungserscheinungen. Manchmal führt eine Bagatell-Verletzung an der Stelle des Tumors zu einem Knochenbruch, der bei einigen Patienten das erste Symptom darstellen kann. Die Behandlung besteht typischerweise aus einer Kombination von Chemotherapie und Operation.

Keimzelltumoren treten im Säuglingsalter auf

Keimzelltumoren (z.B. Teratome, Dottersacktumore, Germinome) entstehen aus entarteten Stammzellen bzw. Vorläuferzellen der Keimdrüsen während der Embryonalzeit. Sie können gutartig oder bösartig sein und an unterschiedlichen Stellen des Rumpfes oder auch Kopfes vorkommen. Meist entstehen sie im Steißbeinbereich, in den Eierstöcken, in den Hoden oder im Zentralnervensystem. Betroffen sind hauptsächlich Kinder unter einem Jahr, daneben auch Kleinkinder. Eine Heilung ist heute für über 80 Prozent der Patienten möglich. Vor 25 Jahren konnten nur etwa 20 Prozent der Kinder mit Keimzelltumoren geheilt werden.

Welche Beschwerden durch einen Keimzelltumor verursacht werden, ist abhängig vom Ort des Tumors. Bei einem Steißbeintumor kann eine Schwellung zwischen Steißbein und After auftreten. Eierstocktumoren verursachen z.B. unklare Bauchschmerzen und eine Zunahme des Bauchumfanges sowie eventuell eine verfrühte Pubertät. Bei Hodentumoren ist eine Hodenschwellung zu beobachten. Sitzt ein Keimzelltumor im Gehirn, kann er sich durch Doppelbilder, Kopfschmerzen, Erbrechen auf nüchternen Magen, Sehstörungen und eine Bewusstseinsminderung bemerkbar machen Keimzelltumoren werden, abhängig vom Tumorstadium, meist durch eine Kombination von Operation und Chemotherapie behandelt.

Augentumore: meist nur ein Auge betroffen

Der häufigste Augentumor bei Kindern ist das Retinoblastom, das von den Zellen der Netzhaut (Retina) ausgeht. Es tritt in 85 Prozent einseitig auf. In den selteneren Fällen eines beidseitigen Retionblastoms liegt eine familiäre erbliche Komponente vor. Betroffen sind fast ausschließlich Babys und Kleinkinder. Über 97 Prozent der erkrankten Kinder können heute dank moderner Behandlungsmethoden langfristig geheilt werden.

Retinoblastome fallen im Frühstadium nur durch das weiße Aufleuchten der Pupille beim Fotografieren auf. Seltener schmerzt das betroffene Auge, ist gerötet oder geschwollen. Erst im fortgeschrittenen Stadium kann es zur Beeinträchtigung des Sehvermögens oder gar Erblindung kommen.

Zur Behandlung kommen verschiedene Therapieverfahren infrage. Ist nur ein Auge betroffen, wird dieses meist operativ entfernt. Bei Befall beider Augen kann im Frühstadium eine den Augapfel erhaltende Therapie (Strahlen-, Laser-, Chemo-, Kryotherapie) erfolgen. Im Falle von Metastasen wird zusätzlich zur Operation eine Strahlen- oder Chemotherapie durchgeführt.

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