Kleine Stars vor der Kamera

Soll mein Kind zum Kindercasting?

Die Auswahl von Talenten vor laufender Kamera bei einer sogenannten Casting-Show ist das eine. Kleinere Aufträge über eine Casting-Agentur das andere. Erfahren Sie hier, welche Möglichkeiten Kinder haben, die gerne im Rampenlicht stehen.

Autor: Erik Paschen

Zwischen Show und Casting

Mädchen Castingfoto
Foto: © panthermedia.net/ Christoph Hähnel

Wenn ein Kind plötzlich Popsongs einstudiert oder den Kleiderschrank plündert und scheinbar neu laufen lernt, dann sollten sich die Eltern darauf einstellen, dass sie demnächst folgende Erklärung dazubekommen:  „Ich will zum Casting!“.

 Als Fernsehzuschauer  kennt man natürlich die Shows mit Bohlen und Klum. Selbst derjenige, der bei diesen Spektakeln lieber wegzappt, kann dem Hype nicht entkommen. Auch die seriösen Zeitungen berichten zum Thema und interviewen  in regelmäßigen Abständen Psychologen, die Castingshows als traumatische Erfahrung für die Teilnehmer geißeln. Die letzte Welle rollt durch den Blätterwald, seit RTL sogar Kinder ab acht Jahren für die DSDS Kids-Show suchte.

Nun gibt es selbstbewusste Kinder, die großen Spaß am  Rollenspiel haben, die sich gerne verkleiden und auch beim Umgang mit fremden Erwachsenen keine Scheu zeigen. Solche Kinder werden immer wieder gesucht. Nicht für die große Show im Fernsehen, sondern für echte Castings. Wer also überlegt, ob er dem Drängen des Sprösslings nachgeben soll, könnte eine Alternative anbieten. Dafür muss man aber selbst den Unterschied zwischen einer  Show und einem Casting für einen konkreten Auftrag kennen.

Deutschland sucht... nicht die Wirklichkeit

Was als Show im Fernsehen zu sehen ist, ist nur ein verzerrtes Abbild der Wirklichkeit. Sie folgt einem Drehbuch, das nach dem immer gleichen Erfolgsrezept abläuft. Das Hauptziel ist eine hohe Einschaltquote, um Werbung möglichst teuer verkaufen zu können. Also müssen Siege und Niederlagen, Überraschendes und Emotionen gezeigt werden. Weil die Wirklichkeit das in der nötigen Konzentration nicht bietet, wird sie am Schneidetisch neu geschaffen. Aus unzähligen Stunden Videoaufnahmen werden wenige Minuten im Fernsehen gezeigt. Einzelne „Filmschnipsel“ werden so aneinander gereiht, dass aus einem kurzen Verhalten eine Charaktereigenschaft und aus einem Charakter eine schräge Type wird. Der Ausgeflippte, der Nullbegabte, die eitle, intrigante Prinzessin, der Zuschauer soll sich amüsieren oder fremdschämen, aber immer wieder auch sich mit jemanden freuen, der was kann und eine Runde weiter kommt. Schließlich sind das die Vorbilder für die 30.000 Kandidaten der nächsten Staffel. Wer es tatsächlich in die nächste Runde schafft, muss damit rechnen, dass an diesem gewünschten Charakter weiter gearbeitet wird. Was die Kandidaten anziehen, welche Lieder sie singen, wird fremdbestimmt. Wer sich anders verhält als erwartet, hat kein Recht darauf, dass die Aufnahmen gezeigt werden. Es geht also nicht nur darum, ob man sich von Bohlen oder Klum vor Millionenpublikum beschimpfen lassen will, sondern auch darum, dass sich manch einer nicht wiedererkennt, wenn er später seinen Auftritt im Fernsehen anschaut.

Sind die Kandidaten jünger, urteilt die Jury milder. Das Publikum hätte kein Verständnis, wenn ein achtjähriges Mädchen von Dieter Bohlen lächerlich gemacht werden würde. Aber auch hier muss man sich als Eltern im Klaren sein, wie anstrengend bereits die Vorbereitung zu Show ist. Ein riesiger Stab von Mitarbeitern folgt einem durchgetaktetem Arbeitsablauf. Im Finale gleißen die Scheinwerfer und dann ist plötzlich alles vorbei. Nicht viele Kinder sind einer solchen Ausnahmesituation gewachsen. 

Das ursprüngliche Casting

Aber es gibt auch ein stilles Casting, jenseits der großen Show. Agenturen suchen immer wieder Jugendliche und Kinder, ja sogar Babys. Mal winkt ein Fotoshooting, mal ein kurzer Auftritt in einem  richtigen Film. Ob Babybrei oder Schokoriegel, das siebensitzige Familienauto oder die Lebensversicherung, mit Kindern auf den Fotos verkaufen sich die Produkte gleich noch mal so gut. Es muss aber nicht immer Werbung sein. Zeitschriften lockern ihre Artikel mit sogenannten Themenbildern auf. Zu einem Beitrag über  Kindererziehung sucht der Fotoredakteur natürlich ein Bild mit Eltern und Kindern. Beim Film sind es oft nur wenige Sekunden, in denen der kleine Laienschauspieler zu sehen ist. Aber auch für kleine Rollen werden immer wieder neue Gesichter gesucht. Schließlich kann man Kinder nicht wie die großen Profis von Filmset zu Filmset schicken.

Erst landet man in der Kartei

Bis es soweit ist, heißt es aber: Vor dem Casting kommt die Kartei. Die Agenturen erneuern regelmäßig ihre Bestände, ganz unabhängig von konkreten Aufträgen. Erst wenn ein Hochglanzmagazin  oder die Werbeleute des Schokoriegelherstellers einen Darsteller suchen, werden ein paar Auserwählte gecastet.

Auch hier gilt für die Eltern, sich genau zu informieren, was auf den Nachwuchs zukommen könnte. Dann sollten sie sich fragen, ob die Persönlichkeit ihres  Kindes zu dieser Herausforderung passt.

Eva Plackner, von der Berliner Agentur gesche reimers, hat über die Jahre schon viele Hundert Kinder erlebt. Sie rät zunächst ganz pragmatisch: “Geben Sie dem Drängen der Kinder nicht gleich nach. Oft  entspringt der Wunsch einer kurzlebigen Laune. Klären Sie ihren Nachwuchs auf, was hinter den Kulissen passiert. Wenn Kinder nach drei Monaten immer noch echtes Interesse zeigen, dann können Sie sich auf die Suche nach einer guten Agentur machen.“ 

Kinder Casting: Die richtige Agentur

Eine gute Agentur zeichnet sich zunächst darin aus, dass sie keine Aufnahmegebühr verlangt. Wenn doch, sollte sie nicht höher als 40 Euro sein und erst fällig werden, wenn ein konkreter Job ansteht. Ein paar aussagekräftige Fotos, Maße, Haar- und Augenfarbe, vielleicht noch die Hobbies oder speziellen Fähigkeiten der Kinder per Mail verschicken, das schreiben die Agenturen auf die Wunschliste auf ihrer Homepage. Manche stellen bereits daraus eine sogenannte Setkarte zusammen, die meisten aber laden dann zum Fotoshooting ein, damit ein Profi die Kleinen ins rechte Licht rückt. Auch das muss noch nichts kosten. Seriöse Agenturen verlangen erst dann  eine Gebühr, wenn die Kinder eine CD mit den Aufnahmen mit nach Hause nehmen wollen.

Sind meine Daten sicher?

Manche Agenturen stellen die Fotos mit Namen und anderen Daten auf die Homepage. Gedacht als Service für die Kunden ist das aus  Datenschutzgründen bedenklich. Andere vergeben Codewörter an Interessenten, damit diese dann durch den Karteikasten surfen können. Manchmal sieht man auch nur eine Hälfte des Gesichtes. Erst wenn ein Kunde einen konkreten Auftrag hat, stellt die Agentur eine Sammlung passender Kandidaten ohne Adressdaten zusammen. So ist es sicherer, dass die Fotos in die richtigen Hände geraten.

Fragen an den beruflichen Werdegang eines Agenten sollten schon erlaubt sein. Agent kann sich jeder nennen und ein Caster-Diplom gibt es auch nicht. Für Eva Plackner ist es von Vorteil, wenn die Agenten als ehemalige Schauspieler oder als Mitarbeiter von Produzenten das Gewerbe kennen: das Erkennen von Talenten, das Fingerspitzengefühl im Umgang mit den unerfahrenen Teilnehmern.

Strenger Jugendschutz

„Seriöse Agenturen haben immer das Wohl des Kindes im Sinn“, betont auch Inez Stenwald von der Agentur TIVINI. „Im Vordergrund steht der Spaß und nicht die Karriere. Die Schule darf genauso wenig darunter leiden, wie die sonstigen Verpflichtungen aus Verein und Hobby. Spätestens wenn durch das Casting ein richtiges Engagement zustande kommt, müssen die Eltern, das  Jugendamt, die  Schule und der Hausarzt eine Einverständniserklärung unterschreiben. Das schreibt das Jugendschutzgesetz auch so vor.“ Gesetzlich vorgeschrieben sind auch die Arbeitszeiten. Drei- bis Sechsjährige dürfen maximal zwei Stunden am Tag arbeiten, die älteren eine Stunde mehr.

Ehrgeizige Eltern haben keine Chance

Das gewisse Fingerspitzengefühl, das ein erfahrener Agent mitbringen sollte, hilft manchmal auch in ganz anderer Hinsicht. „Wir wollen aus gutem Grund immer sofort die Eltern kennenlernen, weil wir die sogenannten, sorry für diesen Ausdruck, Ehrgeizeltern erkennen wollen. Immer wieder merken wir, dass die Kinder gar nicht wollen, sondern die Eltern puschen. Dann wird die Familie zum Wohle des Kleinen ebenso wieder nach Hause geschickt, wie bei dem Verdacht, dass der Nachwuchs zum Hauptverdiener werden soll.“

Casting und Engagement: So läuft es ab

Wenn bei der Agentur der Auftrag für ein Casting eingeht, dann gibt es ganz unterschiedliche Vorgaben. Mal interessiert nur das Alter, mal werden auch Augenfarbe und ein ganz bestimmter Charakter vorgegeben. Die Agentur verschickt dann einen Strauß von Setkarten. Der Kunde wählt schließlich die Kandidaten für das Casting aus. Oft bekommen die Kinder schon vor dem Termin Infos zur Spielszene oder den Text und können zu Hause üben. Beim Casting selbst werden die Kinder vor laufender Kamera interviewt und dürfen dann die Szene vorspielen. Manchmal ist dann eine „Fernsehfamilie“ in der Besetzung dabei, wie sie auch später im Film vorgesehen ist.

Dann heißt es warten. Mit ganz viel Glück klingelt ein paar Tage später das Telefon: „Du bist dabei!“

Die Gage muss verhandelt werden

Den Vertrag handelt die Agentur mit dem Produzenten aus. Erst dann bekommt der Produzent die Kontaktdaten vom Kind bzw. den Eltern. „Einen festen Tariflohn darf man in dieser Branche allerdings nicht erwarten“, erläutert Eva Plackner: „Das geht los mit 150 Euro für ein Fotoshooting, einmalig gedruckt, und kann bis zu Tagesgagen von 500 Euro gehen. Die Rechte gelten oft für ein Jahr. Wenn die Kampagne länger laufen soll, wird neu verhandelt. Die Agentur erhält vom Honorar etwa 15 Prozent.

Inez Stenwald macht noch auf ein Phänomen aufmerksam, das in der Branche für Unruhe sorgt: „Ehrgeizige Eltern versuchen ihr eigenes Kind zu vermarkten, oft noch Babys,  nennen sich Agentur und verscherbeln die Tochter für Dumpingpreise – Hauptsache, es kommt in die Medien.“ Das leitet zu einem besonders heiklen Thema über.

Babycasting

Für die Werbung sind sie unverzichtbar und selbst eine Tatortkommissarin musste schon mit Windeln und Waffen abwechselnd hantieren. Die Suche nach den ganz Kleinen funktioniert oft nach dem Prinzip Streetcasting. „Es werden immer mehr Babys gesucht, als im Angebot sind. Denn was der Zuschauer nicht weiß: Wenn im Werbespot scheinbar nur ein Kind zu sehen ist, sind am Set mindestens fünf Babys da. Nicht nur, weil man nie weiß, wie die Kleinen drauf sind, sondern weil von einem Baby der Arm, von dem anderem die Hand und vom dritten der Kopf aufgenommen wird“, erklärt Eva Plackner.  Deshalb geht sie auch mal auf die Straße, in Drogeriemärkte oder zum  Babyschwimmen und spricht Mütter mit Kinderwagen an. Allerdings schränkt sie ein: „Kinder unter zwei Jahren vermittele ich für den Film nicht. Es gibt inzwischen so gute Dummies und Tricktechnik, dass der Zuschauer gar nicht merken würde, wenn die Filmmutter nur eine Silikonpuppe im Arm halten würde.“ Die Kleinsten genießen aber auch vom Gesetz her einen besonderen Schutz. Kinder bis drei Jahren dürfen nicht weisungsgebunden arbeiten. Man darf sie also nicht auffordern, etwas Bestimmtes zu tun, geschweige denn eine Gemütslage wie Trauer oder Freude zu spielen.

Zum Glück sind bei Aufnahmen mit Kindern fast immer fröhliche Gesichter gefragt. Und darum geht es ja auch: Es soll den Kinder Spaß machen.