Mehr Hilfen, aber noch immer ausgegrenzt

Wie geht es Müttern von Down-Syndrom-Kindern heute?

Wissenschaftler haben die Situation von Müttern mit Down-Syndrom-Kindern heute mit der von vor 30 Jahren verglichen. Fazit: Heute gibt es mehr Hilfen und den Eltern geht es besser, sie müssen sich aber auch häufiger Vorwürfe anhören.

Folge von Pränatal-Diagnostik: Stärkere Ausgrenzung?

Mutter Tochter Down Syndrom
Foto: © iStockphoto.com, alvar

Mütter von Kindern mit Down-Syndrom haben es heute in vielerlei Hinsicht leichter als vor 30 Jahren. Allerdings fühlen sie sich immer noch stark aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Das berichten Sonderpädagogen der Uni Würzburg und aus dem Saarland.

Die Wissenschaftler haben die heutige Situation der Mütter mit der Lage Anfang der 70er-Jahre verglichen. Das war möglich, weil sie für ihre Studie auf 282 Fragebögen zurückgreifen konnten, die von 1969 bis 1972 am Max-Planck-Institut für Psychiatrie (München) ausgefüllt wurden. Darin äußerten Mütter von Down-Syndrom-Kindern ihre eigene Einstellung zu ihrem behinderten Kind und berichteten auch über dessen Akzeptanz im sozialen Umfeld.

Was für die Vergleichsstudie besonders spannend war: Es gab damals noch keine flächendeckende genetische Pränataldiagnostik. Heute lässt sich das Down-Syndrom vor der Geburt mittels Fruchtwasseruntersuchung diagnostizieren. Falls das Kind betroffen ist, entscheidet sich laut Projektleiter Dr. Erwin Breitenbach die Mehrheit der Schwangeren für eine Abtreibung: "In diesem Licht könnten Menschen mit einer angeborenen Behinderung zunehmend als 'vermeidbare Last' erscheinen, eine verstärkte Ausgrenzung der Betroffenen und ihrer Familien wäre denkbar."

Müttern von behinderten Kindern geht es heute besser

Ob das wirklich so ist, wollten die Würzburger Forscher klären. Sie legten dazu eine überarbeitete Form des ursprünglichen Fragebogens Eltern von Down-Syndrom-Kindern vor. Außerdem befragten sie auch Eltern von Kindern mit einer geistigen Behinderung unklarer Ursache sowie - als Vergleichsgruppe - Eltern von nicht behinderten Kindern. 926 Fragebögen kamen ausgefüllt an die Forscher zurück.

Hier einige Ergebnisse: Die psychische Verfassung der Mütter von Kindern mit Down-Syndrom hat sich offenbar wesentlich verbessert. Zwar schätzen sie den erzieherischen Mehraufwand nach wie vor als sehr hoch ein, jedoch leiden sie weniger unter emotionaler Anspannung oder der Furcht, etwas falsch zu machen. Auch der Wunsch, das Kind würde besser nicht leben, hat im Vergleich zu damals deutlich abgenommen.

Mehr Unterstützung, aber auch Vorwürfe

Die Mütter berichten heute auch viel häufiger, dass sie von Verwandten und Freunden Unterstützung erfahren. Trotzdem fühlen sie sich in gleichem Maße ausgegrenzt wie in den 70er-Jahren. "Dieser Widerspruch hat uns gewundert", sagt Breitenbach. Die Mütter hätten oft das Empfinden, die Gesellschaft spreche ihrem Kind das Lebensrecht ab - "wir sehen das als Folge der Pränataldiagnostik", so Breitenbach. Immerhin 25 Prozent der Befragten wurde schon einmal der Vorwurf gemacht, ihr Kind sei "vermeidbar" gewesen.

Fazit der Forscher: Die Pränataldiagnostik bedroht die gesellschaftliche Stellung von Eltern mit Down-Syndrom-Kindern, da sie wesentlich häufiger mit Schuldvorwürfen konfrontiert werden als etwa Mütter und Väter, deren Kind eine geistige Behinderung unklarer Ursache hat. Gleichzeitig aber gelinge es den Eltern der Down-Syndrom- Kinder viel besser, die mit der Behinderung verbundene Belastung zu verarbeiten. "Der Nutzen einer frühen und eindeutigen Pränataldiagnostik scheint die Risiken zu überwiegen", sagt Breitenbach: Je früher die Diagnose feststeht, desto eher beginnt bei den Eltern der Verarbeitungsprozess und umso besser kommen sie zurecht.

Aus diesem Grund lehnen die Wissenschaftler die Pränataldiagnostik nicht ab. Sie sind aber der Meinung, dass die Aufklärung der Bevölkerung und die Schwangerenberatung vor einer Pränataldiagnostik wesentlich forciert werden müssen. Vor allem sei es nötig, verstärkt über die Risiken der Pränataldiagnostik zu informieren.(idw)

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