Jedes zehnte Kind macht's mit links

Mein Kind ist Linkshänder

So manches Kind kann sich bis zum Schulalter nicht recht entscheiden, mit welcher Hand es schreibt. Falls Ihr Kind dazu gehört oder wenn es schon ein überzeugter Linkshänder ist, können Sie es mit diesen Tipps sinnvoll unterstützen

Autor: Dr. Andrea Schmelz

Die Händigkeit ist angeboren

Junge Linkshänder
Foto: © mauritius images/ image source

Welche Hand geschickter ist und darum im Alltag bevorzugt wird, ist angeboren. Die Händigkeit, also der bevorzugte Gebrauch der rechten oder linken Hand, ist abhängig davon, welche Gehirnhälfte motorisch dominant ist. Da die Nervenbahnen im Rückenmark auf die gegenüberliegende Körperseite kreuzen, ist beim Rechtshänder die linke, beim Linkshänder die rechte Gehirnhälfte stärker ausgeprägt.

Die meisten Menschen, ob Kinder oder Erwachsene, verwenden die rechte Hand. Etwa zehn bis 15 Prozent der Kinder malen und hantieren mit der linken Hand. Echte Beidhänder, bei denen beide Gehirnhälften gleich stark und infolgedessen auch beide Hände wirklich gleich geschickt sind, sind sehr selten. Beidhänder sind fast immer umgeschulte Linkshänder, die zum Malen, Schreiben und Essen die rechte, für andere Tätigkeiten aber die linke Hand benutzen.

Eine kleine Beruhigung für alle Eltern, die gelesen oder gehört haben, dass Linkshänder häufiger von Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) oder Konzentrationsstörungen betroffen sein sollen: Das gilt nur für Kinder, die auf die rechte Hand umtrainiert wurden. Wahre Linkshänder, die auch wirklich die linke Hand bevorzugt gebrauchen (dürfen), sind  nicht häufiger betroffen.

Erst im Kleinkindalter wird die Bevorzugung einer Hand deutlich

Babys greifen mit beiden Händen gleichermaßen. Erst ab dem achten bis 16. Monat fangen die Kleinen an, eine Hand zu bevorzugen, mit der nach einem Spielzeug oder dem Löffel gegriffen wird. Bei vielen Kindern hat sich ab einem Alter von 18 bis 24 Monaten die dominante Hand, also eine eindeutige Rechts- bzw. Linkshändigkeit, herausgebildet und wird meist auch dauerhaft beibehalten. 

Was steckt dahinter, wenn Ihr Kind sich nicht für eine Hand entscheiden kann?

Es kann vorkommen, dass Sie zunächst bemerken, dass eine Hand bevorzugt wird, Ihr Kind sich aber später doch für die andere Hand entscheidet. Linkshändige Kinder sind in dieser Hinsicht stärker „gefährdet“, weil ihnen – in der Regel unbewusst, weil eben so üblich – Besteck oder Stift rechts vom Körper hingelegt werden oder weil sie ihre rechtshändigen Eltern oder  Geschwister beobachten und spontan nachahmen. Letzteres ist bei besonders aufgeweckten Linkshänder-Kindern nicht selten der Fall.

Manche Kinder scheinen sich auch von Anfang an nicht für eine Hand entscheiden zu können und benutzen mal die eine, mal die andere Hand. Bei diesen Kindern stecken nicht selten feinmotorische Schwierigkeiten oder Koordinationsprobleme dahinter. 

So unterstützen Sie Ihr „unentschlossenes“ oder linkshändiges Kind

Achten Sie – speziell als Rechtshänder! – bewusst darauf, Ihr Kind selbst wählen zu lassen, welche Hand es benutzen möchte. Das erreichen Sie dadurch, dass Sie immer „neutral“ bleiben und z.B. Gegenstände möglichst in der Körpermitte anbieten. Damit Sie sich etwas darunter vorstellen können, hier ein paar Beispiele:

  • Bestreck legen Sie nicht rechts neben den Teller, sondern mittig auf den Teller.
  • Malstifte legen Sie mittig aufs Zeichenpapiers und nicht rechts daneben.
  • Wenn Sie Ihrem Kind etwas überreichen, halten Sie den entsprechenden Gegenstand nahe der Körpermitte, damit es nicht „automatisch“ mit der rechten Hand zugreift.
  • Beim Begrüßen darf Ihr Kind ganz selbstverständlich die linke Hand hergeben.
  • Verlieren Sie im Beisein Ihres Kindes am besten keine Worte über das Thema „Händigkeit“ – egal, welche Hand Ihr Kind bevorzugt.
  • Akzeptieren Sie die Hand, die Ihr Kind von sich aus benutzt. Können Sie deutlich erkennen, dass es lieber die linke Hand verwendet, ermuntern Sie es bei Zweifeln ruhig zum Gebrauch dieser Hand.

Woran erkenne ich, dass mein Kind Linkshänder ist?

Ab einem Alter von drei bis vier Jahren bekommen Sie durch aufmerksames Beobachten meist schon relativ zuverlässig heraus, welche Hand Ihr Kind bevorzugt. Beobachten Sie, mit welcher Hand es

  • mit dem Löffel isst
  • Zähne putzt
  • kleine Gegenstände (z.B. Holzperlen, ungekochte Nudeln, Legosteine) aus einem Gefäß holt oder in dieses hineinlegt
  • kleine Gegenstände zählt
  • einen kleinen Ball (z.B. Tennisball, denn der Ball sollte in eine Hand passen) wirft
  • würfelt
  • malt und/oder schreibt
  • Blumen gießt

Verwendet Ihr Kind je ca. viermal (also etwa gleich häufig) die linke wie die rechte Hand, steht die Händigkeit bei Ihrem Kind noch nicht fest. Verwendet es für sechs oder mehr Tätigkeiten dieselbe Hand, können Sie davon ausgehen, dass diese die bevorzugte Hand ist. Zu beachten ist dabei, dass die Nachahmung bei „Kulturtechniken“ wie Malen/ Schreiben oder Essen mit Besteck eine wesentlich größere Rolle spielt als bei typischerweise einhändig ausgeführten Tätigkeiten wie etwa kleine Gegenstände aufheben, zählen, Blumen gießen, waschen mit dem Waschlappen oder würfeln. Letztere sind daher in der Regel etwas zuverlässiger.

Sie können Ihrem Kind im Vorschulalter als „Schnelltest“ auch ein großes Blatt Papier vorlegen und ihm in jede Hand einen Stift geben. Bitten Sie es dann, mit beiden Händen gleichzeitig einen Kreis zu malen. Wenn der Kreis mit der linken Hand schöner geworden ist, ist Ihr Kind vermutlich Linkshänder.

Übrigens: Im Zweifelsfall können Sie Ihr Kind immer von einem Fachmann testen lassen. 

Wann eine professionelle Testung der Händigkeit zu empfehlen ist

Wenn sich bei Ihrem Kind bis zum vierten Geburtstag noch keine bevorzugte Hand herauskristallisiert hat, sollten Sie es von einem Fachmann testen lassen. Professionelle Händigkeitstests werden beispielsweise von Ergo- und Mototherapeuten, Heil- und Sonderpädagogen sowie (Schul-)Psychologen durchgeführt.

Eine frühzeitige Testung ist deshalb wichtig, weil die Schreibhand bis zum Schuleintritt eindeutig feststehen sollte. Da das Schreiben ein sehr komplexer Vorgang ist, an dem verschiedene Hirnareale beteiligt sind, führt ein Wechsel der Schreibhand (bei zu später Erkennung derselben) oft zu schulischen Problemen.

Falls Ihr Kind in der ersten Klasse auch nach mehreren Monaten immer noch bzw. immer wieder in Spiegelschrift schreibt, kann das auf eine Linkshändigkeit hinweisen. Auch dann ist ein Test durch einen Fachmann ratsam. Im Kindergartenalter allerdings gilt das Schreiben in Spiegelschrift als völlig normal. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es bei linkshändigen Kindergartenkindern häufiger bzw. ausgeprägter auftritt.

Welche Linkshänderprodukte sind sinnvoll?

Sie kennen es bestimmt selbst vom Nägelschneiden: Die Nägel der linken Hand lassen sich problemlos kürzen, aber sobald Sie mit der linken Hand hantieren, funktioniert die Nagelschere plötzlich nicht mehr so gut. Ein Linkshänder hat mit einigen Dingen des täglichen Lebens, die für Rechtshänder bestimmt sind, seine liebe Not.

Folgende Linkshänderprodukte sind daher sinnvoll:

  • Eine spezielle Linkshänderschere sollten Sie anschaffen, sobald Ihr Kind auszuschneiden beginnt. Mit einer Schere für Rechtshänder wird es zu einer falschen Haltung gezwungen. Hat Ihr Kind sich diese allerdings erst einmal – falsch – angewöhnt, hat es möglicherweise mit der Umgewöhnung an eine ergonomisch korrekte Linkshänderschere sogar Schwierigkeiten.
  • Spezielle Linkshänder-Schreibunterlagen sind sinnvoll ab dem Vorschulalter. Linkshänder haben nicht selten eine sehr verkrampfte Schreibhaltung. Mit einer entsprechenden Schreibunterlage, die die günstigste Lage des zu bemalenden bzw. zu beschreibenden Papierblattes vorgibt (um mindestens 30 Grad nach rechts unten gekippt), gewöhnt sich Ihr Kind gleich daran, das Blatt korrekt hinzulegen. Wenn Ihr Kind dann noch einübt, den Stift richtig zu halten (das Stiftende sollte in Richtung linker Ellbogen zeigen, die Hand wird unter der Zeile geführt), steht einem entspannten Schreiben nichts mehr im Weg.
  • Für die Schule sollten Sie Ihrem Kind einen speziellen Linkshänder-Füller sowie einen entsprechenden Spitzer kaufen.
  • Die Mithilfe in der Küche können Sie ihm erleichtern mit einem Linkshänder-Dosenöffner sowie einem Kartoffel- bzw. Gemüseschäler für Linkshänder.

Spezielle Linkshänderprodukte bekommen Sie häufig bereits im Schreibwarenhandel, ansonsten z.B. im Internet unter www.linkshandversand.de, www.linkshaender.de oder www.lafueliki.de.

Interessante Internetlinks für Linkshänder: