Wie Klein-Antonia das Leben sieht

Mein freches Baby-Tagebuch (1)

Tagebuch eines Babys: So ein Babyleben kann ganz schön anstrengend sein, meint zumindest Klein-Antonia, die hier für urbia über ihre Existenz in Windeln philosophiert. Für besondere Emotionen sorgt bei ihr etwa der süße Junge aus dem Rückbildungskurs oder die ewig gleiche Milchzufuhr.

Autor: Daniela Egert
Baby-Antonia-Tagebuch
Baby Antonia
Foto: © Daniela Egert

Hallo, liebes Tagebuch!

Hiermit bin ich das eventuell erste Baby mit einem „Online-Diary“, einem eigenen „Blog“ oder wie die großen Leute das nennen. Aber vielleicht sollte ich mich zunächst mal vorstellen. Mein Name ist Antonia, ich bin vier Monate alt, und ich habe bei urbia schon eine gewisse Vorgeschichte (siehe: „ Vorname verzweifelt gesucht“). Meine Eltern sagen, ich sei ein „Kaiserschnittkind“, ich habe aber keine Ahnung, was das sein soll. Nix Schlimmes, hoffe ich.

Eigentlich geht es mir ganz gut. Ganz im Gegensatz zu meiner Mama: Ab und zu befällt sie so eine Art Rede-Krankheit. Dann plappert sie ununterbrochen auf mich ein. Ihr großes Gesicht beugt sich dabei sorgenvoll zu mir herunter. Echt peinlich. Ich schäme mich dann vor meinen Baby-Kollegen im Rückbildungskurs, zu dem sie mich einmal die Woche schleppt. Besonders den Jungen mit den großen Kulleraugen, den sie immer neben mich legen, finde ich süß. Leider ist er bisher nicht auf meine Annäherungsversuche eingegangen und hat nur weiter vor sich hingesabbelt. Mein heimlicher Schwarm! Bis ich gemerkt habe, dass er ununterbrochen an seinem Schnuller saugt und noch dazu ein echtes Mama-Kind ist. Frauen – und dazu zähle ich nun mal – können mit solchen Kerlen nichts anfangen. Mit diesem Schicksal bin ich allerdings nicht alleine. Erst letzte Woche hat meine Mama gemeckert, dass mein Vater noch ein richtiges Muttersöhnchen ist. Und der ist älter als vier Monate, glaube ich. Doch zurück zu diesem „Rückbildungskurs“. Es geht dabei erschütternderweise gar nicht um mich, sondern da hockt eine Horde schwitzender Mütter im Kreis und versucht, irgendwelche Körperteile dahin zurückzukriegen, wo die ursprünglich mal hingehörten. Brav lasse ich mich also in die Raummitte bringen, wo sie für uns Babys einen Haufen Stillkissen nebeneinander legen.

Mein Menüplan ist reichlich einfallslos

Apropos Stillkissen: Ich kriege Hunger. Oder ist es nur die Empörung darüber, dass ich hier ausnahmsweise mal nicht im Mittelpunkt stehe? Egal, ich brülle jedenfalls lautstark los und nötige meine Mama dadurch, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu richten. Sie hört tatsächlich auf, sich mit ihrem deplatzierten Schlüsselbein auseinanderzusetzen und stillt mich mehr oder weniger verschämt in einer Ecke. Na also, ich habe gewonnen. Grinsend sauge ich los.
Mein Menüplan ist bis dato leider reichlich einfallslos. Muttermilch, Muttermilch und wieder nichts als Muttermilch. Daran ist nur diese Hebamme schuld, die meiner Mama eingeredet hat, das wäre gut für mich. Die Frau hat ja keine Ahnung! Na ja, ich will meine Erzeugerin nicht enttäuschen - sie strengt sich so an, also gebe ich mich bei jeder Mahlzeit entsprechend begeistert. Wobei: Meine Mama kommt am Nachmittag mit so einem komischen Plastikfläschchen aus der Küche, in dem eine orange Flüssigkeit hin- und herschwappt. Sie klärt mich auf, das wäre Karottensaft und schaut dazu so beglückt, als hätte sie mir soeben eröffnet, dass ich die kleine Onassis-Erbin bin. So toll schmeckt das Zeug nun auch wieder nicht, als ich vorsichtig daran nuckle. Hoffentlich werde ich nicht gelb davon wie die Simpsons. Übrigens kein Wunder, dass sich Mama manchmal schrullig verhält. Die Arme ist fast vierzig - JAHRE, nicht Monate, wie ich zuerst angenommen hatte. Jeden Morgen stürzt sie sich so verzückt auf mich, als hätte sie mich noch kein einziges Mal gesehen oder als wäre es das letzte Mal. Manchmal hat sie sogar richtige Tränen in den Augen, wenn sie mich ansieht. Warum nur bringe ich die ewig zum Heulen? Vor Rührung, sagt sie dann zu meinem Papa. Ach so. Vielleicht ist das ja so bei älteren Leuten. Ich werde mich in Nachsicht üben, auch wenn ich das dauernde Geheule nicht mag.

Meine vollen Windeln machen sie glücklich

Meine Eltern bestehen nebenbei bemerkt darauf, dass ich nach dem Essen rülpse. „Bäuerle machen“ nennen sie das und haben es sehr wichtig damit. Warum sie sich so über schlechtes Benehmen freuen, ist mir nicht ganz klar. Auch dass meine vollen Windeln die beiden geradezu glücklich machen, entzieht sich meinem Verständnis: Es stinkt. Gnädig lasse ich mir nach dem Wechseln den Po eincremen. Über mir am Wickeltisch hängt dabei so ein Mobile, von dem fette Häschen aus Stoff herunterbaumeln. Ich mag sie nicht, die plumpsen mir immer so ins Gesicht, aber meine Mama findet die "einfach nur süß!". Arme Verblendete, sie meint tatsächlich, dass sich meine Anlagen schneller entwickeln, wenn ich diese blöden Langohren mit den Augen verfolge. Bald glaube ich selbst, dass ich mich mehr anstrengen muss. Das Baby der Nachbarn (dämlicher Streber!) hat sich in meinem Alter schon fünfmal stündlich gedreht, während ich es mir immer noch auf dem Rücken bequem mache – aber vielleicht ist das ja auch die wahre Intelligenz. Manchmal schaut mich meine Mama wegen meiner beharrlichen Dreh-Verweigerung mit gerunzelter Stirn an und seufzt. Was soll's: Ich setze dann mein wirkungsvollstes Babyface mit dem zahnlosesten Lächeln der Weltgeschichte auf. Das wirkt immer. Tatsächlich, jetzt lächelt sie wieder. Ich kann mich also entspannen. Und das mit dem Rumwälzen kriege ich demnächst auch noch hin.