Physiotherapie nach Vojta

Hallo,

ich hoffe jemand von euch kann mir von ihren Erfahrung zu dieser Therapieform berichten.

Ich erkläre kurz die Situation, mein Sohn ist 6,5 Monate alt und entwickelt sich laut der U5 vor zwei Wochen motorisch etwas langsamer als gleichaltrige.

Er dreht sich bspw. seitdem er 4 Monate ist sehr gut über seine rechte Seite auf den Bauch, robbt häufig rückwärts und zieht sich aus einer halbliegenden Position hoch zum Sitzen. Er kann sich allerdings nicht über seine linke Seite auf den Bauch drehen und der Handstütz fällt ihm noch sehr schwer, er übt ihn allerdings seit einigen Wochen schon. Und wenn man ihn an den Händen hochzieht, dann hält er das Köpfchen nicht so gut (hat der Arzt geprüft, nicht ich).

Nun hat uns der Arzt Krankengymnastik verschrieben, was ich eigentlich gut finde, weil ich dachte, dass dann spielerisch mit ihm einige Bewegungsabläufe eingeübt werden und ich diese mit ihm zu Hause auch übe.

Nun waren wir gestern zum ersten Mal bei der Physiotherapie und dort wurde die Therapieform Vojta bei ihm angewendet. Er hat während der gesamten Behandlung geschrien und geweint und musste sich danach sogar übergeben. Er tat mir so leid, es war für ihn und für mich eine Qual.
Ich weiß nicht, ob wie wir so eine weitere Behandlung überstehen sollen und ich frage mich, ob das wirklich notwendig ist. Ja, er braucht etwas Unterstützung, aber muss die Therapie so radikal sein?
Ich werde am Montag beim Kinderarzt anrufen und mit ihm sprechen, ob das wirklich die richtige Behandlungsmethode ist. Ich hoffe aber, dass mir in der Zwischenzeit jemand von seinen Erfahrungen diesbezüglich berichten kann.

Entschuldigt den langen Text🙈

Ich freue mich auf eure Antworten.

Viele Grüße

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Da ich so ein Kind habe das sämtliche dieser Therapien durch hat, wegen Einseitigkeit, Asymmetrien, Entwicklungsverzögerung, nur ich glaube viel umfassender als das bei euch jemals der Fall sein wird, möchte ich dir dazu zuerst den Zahn ziehen, dass da in diesem Alter viel spielerisch erfolgt. Das Problem ist, die Kinder sind noch gar nicht in der Lage Anweisungen durch den Therapeuten zu verstehen und effektiv (!) umzusetzen, wie dreh dich doch mal so und mach doch mal den Arm so und das Bein so. Geht halt nicht wirklich therapeutisch effektiv mit Handpuppe und Liedchen trällern. Es muss etwas korrigiert werden, unbequeme Haltungen müssen eingenommen werden, die anstrengend sind und das frustriert und tut leider oft auch etwas weh. Die Therapeuten sind für viele Babys immer schnell rote Tücher.

Dennoch:
Stell dir vor, du hast verkürzte Muskulatur einseitig oder etwas ist blockiert bei dir. Ich weiß nicht, ob du schon mal solche Probleme hattest. Reha nach einer OP, wo Fehlhaltungen korrigiert werden müssen oder sowas wo du mal irgendwie ne richtige Verspannung hattest, wo du dich nicht richtig drehen konntest oder deinem Arm hoch bewegen konntest oder sowas in der Art. Ist vielleicht nicht genauso, aber so in etwa. Das gibt dir vielleicht ein bisschen Verständnis für das Gefühl.

Automatisch nimmt man eine Schonhaltung ein und benutzt bevorzugt die Seite, die sich besser bewegen lässt. Und nun stell dir vor der Zustand hält über viele Monate an und löst sich nicht auf, weil du allgemein noch nicht besonders mobil bist, dann kann folgendes passieren. Es entwickelt sich eine starke Seite, das ist die die bewegt werden kann, während die die nicht richtig bewegt werden kann schwach bleibt. Die starke Seite versucht dann die ganze Zeit die Aufgaben der anderen zu ersetzen, wodurch sie mitunter überbelastet wird und verkrampft. Die schwache ist immer weniger gegenüber der starken in der Lage die nötige Körperspannung aufzubauen um beidseitig symmetrische Bewegungsabläufe umzusetzen. Und die Anforderungen an diese motorischen Bewegungsabläufe steigen mit dem Alter des Kindes. Deshalb gibt die schwache Seite oft nach, wenn das Kind versucht sie zu benutzen. Z.B. in den Stütz gehen klappt nicht, weil das nicht funktioniert, wenn eine Seite davon nicht richtig funktioniert. Die schwache Seite gibt nach. Das Kind knickt ein und ist entsprechend unzufrieden und weniger motiviert es weiter zu versuchen.

Das langfristige Ende bei Nichtbehandlung neben den motorischen Problemen können dann auch orthopädische werden, Wirbelsäulenkrümmung, Fehlhaltungen..... Hinzu kommt eine erhöhte Unfallneigung, wegen dieser mangelnden Körperkontrolle.

Wodurch kommt das:
Einseitige Lage im Mutterleib, weil ein Unverhältnis zum Platzangebot und der Kindsgröße da ist, ist eine häufige Ursache, die immer mehr zunimmt, da die Kinder durch unsere Ernährung größer/schwerer werden als früher. Es kommt oft dazu, dass die Kinder oft länger in bestimmten Positionen liegen und mitunter einen sehr eingeschränkten Bewegungsradius haben, der manchmal zum Nachteil für eine Körperseite ist. Eine weitere häufige Ursache ist der Geburtsvorgang. Sich durch den Geburtskanal schieben und wenn dann vielleicht doch gezogen oder Saugglocke benutzt werden muss, aber auch durch die plötzliche Entnahme bei einem KS, kann es halt nicht nur bei dir sondern auch beim Kind dazu kommen, dass es ein paar Kollateralschäden davon trägt, sprich bei Babys sind Blockaden häufig.

Bei einem Teil der Babys die von ihren Eltern als viel weinend eingestuft werden, spielen Blockaden oft unbemerkt eine Rolle.

Nun, bin ich kein Arzt, und kann nicht einschätzen wie viel davon auf dein Kind zutrifft. Aber die einseitige Entwicklung momentan ist schon ein Grund etwas genauer hinzugucken und zumindest aufmerksam zu sein.

Spontan würde ich sagen, erste Anlaufstelle Osteopathie. Meine Tochter ist schon Teeny, sie kann reden und mir erklären, was das für sie bringt und sie liebt Osteopathie. Es tut zwar unter der Behandlung leider weh, aber hinterher ist ihre Bewegungsfähigkeit ganz anders und sie schwebt mir quasi übers Parkett ;). Und das liebt sie. Blöderweise hat sie so viele Probleme, dass wir davon nicht loskommen werden. Bei fast allen reichen ein paar Sitzungen im Babyalter völlig aus.

Daher....auch da wird dein Baby, dass das alles noch nicht versteht, vermutlich weinen. Ist aber sehr effektiv. Es gibt aber große Qualitätsunterschiede. Wenn dann geh zu einem der wirklich einen sehr guten Ruf genießt und nicht nur die ersten Kenntnisse aufgebaut hat. Osteopathie ist allerdings oft Selbstzahlerleistung. Informiere dich am besten bei deiner KK. Viele übernehmen wegen der Effektivität bei Kindern einige Sitzungen doch. Meine übernimmt 6 pro Jahr.

Nun zu Vojta.....ja hatten wir auch.....aber fand ich ehrlich gesagt im Nachgang nicht optimal. Wie ich gelernt habe, wird häufig Vojta benutzt, weil das die meisten Physiotherapeuten erlernen. Das können eigentlich fast alle. Und es ist eine der wenigen Behandlungen, die sich eben auch bei Babys einsetzen lassen und zu Forschritten führen. Ich persönlich empfand die Osteopathie bei einem guten Osteopathen (leider hab ich im Babyalter keinen so fähigen erwischt) aber besser. Außerdem hat mir ein Spezialist für Orthopädie, manuelle Therapie, einer von diesen wenigen die echt Ahnung haben, gesagt, Therapie nach Bobath wäre besser gewesen. Ich habe auch schon von mehreren anderen Eltern gehört, dass insgesamt Bobath besser ankommt. Problem, der Therapeut muss das können. Physiotherapie - größte Lehre meines Lebens diesbezüglich- ist NICHT gleich Physiotherapie. Hätte mir das Mal einer vorher gesagt. Es kommt immer auf den Therapeuten an, was der alles für Scheine und Befähigungen hat. Es gibt auch einfach welche die sind einfühlsamer und kenntnisreicher als andere.


Es gibt auch welche die beides können und mischen. Ich persönlich würde daher sagen, wenn du Zweifel an der Therapie und dem Therapeuten hast, dann hör dich um, auch vielleicht nach einem der beides kann und probiert Mal Bobath aus. Aber ja, es wird anstrengend und dein Baby wird wahrscheinlich weinen und es bedeutet wahrscheinlich auch zeitweise Schmerzen oder ein unangenehmes Gefühl, was sehr hart sein kann, manchmal mehr für die Eltern als für die Babys ;).
Natürlich kannst du abwarten, wenn es noch nicht so dramatisch ist, aber wenn dein Kind vielleicht doch relevant dieses Problem hat, dann rate ich dir, es lieber jetzt zu machen als später die Folgen zu tragen.

Ich kann dir von meiner Tochter sagen, dass wir ein sehr enges tolles Verhältnis haben und kein Urvertrauen abhanden gekommen ist oder sowas trotz therapeutischer "Babyfolter" und dass sie sich an rein gar nichts davon erinnert und dass die motorischen Erfolge schon wichtig sind für die Gesamtentwicklung. Wenn ich nicht gut klettern, hüpfen, toben kann und immer irgendwas noch nicht kann, was alle anderen in dem Alter motorisch schaffen , dann geht das irgendwann doch aufs Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit. Momentan habt ihr das Problem zwar nicht und Babys entwickeln sich halt ganz verschieden, da ist noch genug Zeit für viel Entwicklung nach oben, aber das ist zumindest das Problem, weshalb Kinderärzte da genauer hingucken und zur Physiotherapie scheuchen.

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Vielen lieben Dank für deine hilfreiche und ausführliche Antwort!!

Beim Ostheopathen waren wir schon einige Male, es ist dadurch eindeutig besser geworden, aber reicht leider noch nicht aus.

Bzgl. der Therapieform nach Bobath werde ich mich mal erkundigen, vllt. ist das ja eine Alternative für uns.

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Unsere Maus war von Geburt an ziemlich schief und auch etwas hypoton. Sie drehte sich zwar zeitgemäß, aber vor allem die Rumpfspannung lies zu wünschen übrig. Wir bekamen schon mit 10 Wochen Physio nach Bobath verordnet. Sie ist jetzt auch 6,5 Monate alt und bei der U5 diese Woche war die KiÄ sehr zufrieden. Wir haben noch 6 mal Physiotherapie, dann können wir es wohl beenden.
Bobath ist wohl die sanftere Methode. Unser Mädchen allerdings schreit sich allerdings auch immer die Seele aus dem Leib; aber sie fremdelt auch sehr stark, das ist eigentlich das Hauptproblem. Die Therapeutin macht es so toll, aber es hilft nichts. Sie schreit und macht meistens nicht mit🙈

Manchmal war’s tatsächlich furchtbar anstrengend für sie, aber nie schmerzhaft. Je älter sie wurde, desto mehr konnte man spielerisch machen, z.B. Übungen mit einem größeren Ball-diesen konnte sie nur halten, wenn sie auch die Beine hochnahm. Beine runter-Ball weg, das hatte sie schnell begriffen. Die Therapeutin zeigte mir vor allem ganz ganz viele Übungen und auch Tragegriffe für Zuhause, sodass die Kleine im Alltag immer „trainierte“. Ich finde, das hat uns am meisten weitergebracht. Die halbe Stunde bei der Physio ist nach wie vor eine Tortur.

Voitha ist glaub viel extremer, ich würde mal nachfragen, ob nicht Bobath auch möglich wäre. Allerdings bin ich da auch kein Experte.

Wünschen euch auf jeden Fall alles Gute😊

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Hallo,

Ich bin natürlich auch kein Arzt oder Physiotherapeut und keiner von uns sieht dein Kind, ich wollte dir nur mal von uns erzählen... als ich deinen Text gelesen habe, war ich nämlich doch etwas irritiert 😅 das klingt für mich nämlich völlig normal und gut entwickelt - aber wie gesagt, sowas kann ein Arzt natürlich tausend mal besser beurteilen!
Mein Sohn hat sich zumindest auch wochenlang nur über eine Seite gedreht und auch laaaaaange nur über eine Seite hingesetzt (gerobbt ist er erst viel später und nur ganz kurz, dafür ist er mit allem anderen früh dran). Heute geht das über beide Seiten, dafür läuft er nur an der rechten Hand (links geht auch aber tausend mal wackeliger 🙈).
Die Kinderärztin war immer begeistert und sehr zufrieden mit seiner Entwicklung. Hatten die U4 zb bei einer Vertretung und auch die sagte, dass die Kinder oft eine Lieblingsseiten haben und das erstmal nicht schlimm ist, solange die andere Seite irgendwann folgt).
Jetzt kann ich natürlich nicht beurteilen ob es bei euch auch nur das ist oder mehr dahinter steckt, ich würde aber auf dein Gefühl hören und bei einer so radikalen Therapie wie Vojta (die sicherlich oft nötig und hilfreich ist) noch einmal schauen, ob das wirklich notwendig ist.
Wie gesagt, dass ich nur meine Meinung und Erfahrung, ich will dich nicht von der Therapie abbringen oder beurteilen ob dein Kind eine braucht oder nicht!

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Ich sehe das ganz ähnlich wie meine Vorrednerin...ich kann nur von uns persönlich berichten. Man sprach bei uns immer wieder davon, dass sie nicht besonders stark ist und die Muskeln ausgeprägter sein könnten. Besonderen der Oberkörper. Sie hat (wie tausende andere Babys auch) die Bauchlage gehasst und lag seelenruhig und zufrieden auf dem Rücken. Sonst nichts. Sie drehte sich einfach gar nicht. Nachdem man mich total kirre gemacht hat, hat uns unser Kinderarzt eine Orthopädin/Ostheopathin empfohlen zu der wir auch gefahren sind. Sie war relativ entspannt, meinte, dass es zwar ausbaufähig sei aber nichts dramatisches. Wir fragten trotzdem, ob wir Physiotherapie benötigten und sie meinte...joooaaaa, könnte man machen. So suchten wir uns eine Therapeutin heraus und sie zeigte uns die Übungen nach Vojta und ich fand es schrecklich !!!!!!!! Ich durfte nicht eingreifen in der Zeit, wo sie behandelt wurde, nur gut zusprechen. Ich wusste von Anfang an, das mache ich nicht und hatte ein furchtbar schlechtes Gefühl. Die Therapeutin zeigte mir immer wieder an der vojta Tafel, wie zurück meine Tochter war und wo sie eigentlich sein müsste. In der dritten Std oder so reichte es mir und ich sagte ich, dass ich denke, dass alle Kinder sich unterschiedlich entwickeln und ich die Therapie abbrechen werde. Meine innere Stimme sagte mir einfach, dass wir gerade mit Kanonen auf Spatzen schießen. Ungelogen, ca. 1,5 Wochen später, von jetzt auf gleich, drehte sie sich. Und auch sofort wieder zurück. Eine Weile nur über die eine Seite und dann auch über die andere. Sie war einfach nur langsamer. Und das auch nur motorisch !!! Sie plappert sooo viel, hatte bereits mehrere Zähne und konnte ganz früh kleinw Sachen greifen. Nur die Grobmotorik hinkte hinterher 🤷🏻
Die Sache ist, hätte ich mit Vojta weitergemacht, hätte ich gedacht, dass es so viel in so kurzer Zeit gebracht hat 🤦🏻‍♀️
Inzwischen robbt sie, sitzt und versucht sich hochzuziehen. Ja...das machen viele Kinder schon viel früher, sie erst mit knapp einem Jahr...🤷🏻🤷🏻🤷🏻 Aber uns bricht dabei kein Zacken aus der Krone. Für mich klingt die Entwicklung deines Kindes super und ich würde in Ruhe abwarten, was sich ergibt. Kinder können plötzlich von heute auf morgen viel mehr 😊 alles gute

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Wir haben es nach ca. 3 Sitzungen abgebrochen. Die ersten beiden Sitzungen waren noch ganz gut und mein Sohn war gut drauf. Bei der 3. Sitzung sollte sein Nacken behandelt werden und er hat Rotz und Wasser geweint und sich sogar übergeben. Wir haben abgebrochen und sind nie wieder da hingegangen. Ich habe mich wie eine totale Rabenmutter gefühlt, weil er so gelitten hat. Er hat sich danach von ganz alleine weiterentwickelt. Ich finde es viel zu früh, da mit Krankengymnastik einzugreifen, wenn dein Kind es doch nun auch alleine übt. Ich finde man muss nicht immer alles mitmachen, nur weil ein Arzt etwas gesagt hat. Ein anderer Arzt sieht es vielleicht wieder anders. Ich persönlich würde noch etwas warten, ob es sich nicht von alleine bessert. Dann kann man immer noch weitersehen.

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Vielen Dank für eure Antworten!

Ich stimme der Mehrheit von euch zu und mein Gefühl sagt mir, dass diese Art von Therapie nicht das Richtige für uns ist. Vielleicht ist es ja auch tatsächlich so, dass der Arzt nur etwas an seinen Fortschritten auszusetzen hat, weil mein Sohn sich nicht nach Lehrbuch entwickelt... Jedes Kind hat neunmal sein eigenes Tempo. Ich weiß es einfach nicht und bin natürlich verunsichert.
Ich werde versuchen eine etwas sanftere Therapieform für meinen Sohn zu bekommen, falls dies möglich ist und sonst warten wir vllt. etwas ab.

Ich wünsch euch einen schönen Sonntag:-)