Schreienlassen/Verwöhnen - warum kommt das oft von älteren Generationen?

Hallo ihr Lieben,

weil so oft thematisiert wird, dass ältere Generationen immer die typischen "Lass das Baby mal schreien" oder "Das Baby wird viel zu sehr verwöhnt von dir"-Phrasen raushauen, habe ich mal einen interessanten Artikel für euch:

https://mobil.stern.de/nido/familienleben/familienleben--erziehung-vererbt-sich--7161008.html

Es geht um das Buch "Die (deutsche) Mutter und ihr erstes Kind", welches zu NS-Zeiten ein Bestseller war. Aus diesem Buch stammen all jene für uns heute grausamen Erziehungsmethoden, die wir oft ungefragt als Tipps erhalten. Dieses Buch wurde sogar noch bis 1987 aufgelegt.
Also, wenn ihr das nächste Mal wieder so einen "gutgemeinten Rat" hört, denkt dran, dass manche ältere Generationen es damals so gelernt haben und einfach auch oft nicht besser wussten. Da kann man nur froh sein, dass wir heute einen besseren Wissensstand haben.

LG

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Damals gab es ja auch ganz andere Lebensumstände. Wenn man einen Haufen Kinder hat, jede Windel auskochen muss, zusätzlich noch nen Bauernhof hat und kein Elterngeld bekommt... Dann hat man nachts einfach keine Kraft mehr, um stundenlang Einschlafbegleitung zu machen.

Meine Oma war in der Hinsicht auch ganz pragmatisch und hat ihre Kinder sicher nicht aus Boshaftigkeit schreien lassen. 🤷

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Es war damals aber so, dass propagiert wurde, wenn man das Kind tröstet, auf dem Arm trägt usw, dass es sich dann zum „Haustyrannen“ entwickelt und dem müsste man von Beginn an „entgegenwirken“ und das (oftmals) Neugeborene wurde sich selbst überlassen. Natürlich gab es auch damals schon vernünftige Leute, die den Quatsch nicht geglaubt haben, oder jemand wie deine Oma, der einen Haufen Kinder hat, wo es halt mal nicht anders geht, dass eines mal weint. Aber das ist ja was anderes, als „schreien lassen“ als erzieherische Massnahme, um dem Balg zu zeigen, wer das Sagen hat. Und noch vor 30 Jahren wurde meiner Mutter gesagt, füttern nur nach Uhrzeit und nachts gar nicht. Und Kind alleine schlafen und schreien lassen. Meine Mutter hat „nur“ gemacht, was die Fachstellen empfohlen haben. Das war ja auch nicht aus Bosheit. Trotzdem ungeheuerlich.
Harte Zeiten hin oder her, es gibt Urvölker, die tragen die Babys permanent, stillen jahrelang und würden ihre Kleinen niemals schreien lassen. Deren Leben ist auch kein Zuckerschlecken.
Das zeigt ja auch, wie tief in unseren Köpfen bis heute der Unsinn vom „verwöhnen“ verankert ist.

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Danke 🙏

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In der DDR gab es so einen Entwicklungskalender "Die ersten 12 Monate" - den hat meine Mama mir zum Spaß geschenkt, als unser Baby geboren wurde :-) Darin sind sowohl Erziehungs- als auch Pflegetipps, aber auch Tipps für die Mama, den Haushalt zu schmeißen. Damit bin ich gewissermaßen noch "groß" geworden. Unter anderem findet sich darin folgender - recht irritierender - Ratschlag:

Sinngemäß: Gegen 10 Uhr verlangt das Kleine nach einer zweiten Mahlzeit. Danach sollte es frisch gewickelt werden und wird etwa 2-3 Stunden schlafen. In dieser Zeit kann die Mutter das Haus beruhigt verlassen, um z.B. Einkäufe zu tätigen.

#schock

Ich habe NIEMALS das Kind alleine schlafend im Haus gelassen (Mein Onkel hat das gemacht. Wenn meine Cousine mittags schlief, sind sie 25 km entfernt einkaufen gefahren, "weil das Kind dabei ja nur stört"), aber damals war man da wohl noch entspannter. Obwohl z.B. meine Mutter das schon nicht mehr alles so gemacht hat, wie es dort stand. Aber mein Vater wurde von meiner Oma noch auf dem Topf angebunden, weil er noch nciht sitzen konnte. Trockenwerden in den 50ern #schwitz

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Besonders schlimm finde ich, dass noch in der Generation der heute ca 50 jährigen solche Praktiken vorkamen. Meine Schwiegermutter (in der DDR aufgewachsen, falls das relevant ist) erzählte mir, dass sie beide ihre Kinder (Jahrgänge 90 und 96 oder 97) nur alle 4h gestillt bzw per Fläschchen gefüttert hat, weil ihr das eben so gesagt wurde. Bei dem jüngeren war sie trotz Stillen dann in der Zwischenzeit sogar Arbeiten und ihre Mutter passte auf das Baby auf. Die war in dem Gespräch dann auch ein, dass der Kleine ihr dann meist schon sehr lange die Ohren voll geweint hat bis die Mutter endlich nach den 4h wieder zum Stillen heim kam und in der Zwischenzeit aber ja nichts zum Füttern da war.
Da musste ich mich ehrlichgesagt zusammenreißen um nicht zu fragen, warum sie denn lieber auf Empfehlungen gehört hat als auf ihr Kind zu achten (aus finanziellen Gründen musste sie übrigens eher nicht arbeiten)...
Meine Mutter hat es Gott sei Dank nie so gemacht obwohl auch bei ihr dieses Füttern nach Uhrzeit als normal angesehen wurde aber sie hat es eben nicht übers Herz gebracht uns nur wegen der Uhrzeiten weinen zu lassen.

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Also das mit den 4h Abständen wird noch heute so in den Krankenhäusern gepredigt und praktiziert. Zumindest wenn die Babies auf Station müssen. Hat mit DDR also nichts zu tun.

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Also in dem Krankenhaus, wo ich entbunden hab, wurde immer gesagt (und das war auch das, was meine Nachsorgehebamme sagte) bis das Geburtsgewicht wieder erreicht ist soll man spätestens alle 3h anlegen und wenn das Kind öfter will, dann gern auch einfach sofort nach Bedarf.

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Die Wissenschaft war noch vor 20 Jahren auf einem ganz anderen stand. Ich bin 34 Jahre alt und als ich geboren wurde, 1983, gab es noch kein rooming in im Krankenhaus. Da wurden alle bsbys nach der Geburt natürlich gleich auf das Baby Zimmer gebracht, die Mutter durfte sich von der Geburt erholen. Alle bsbys lagen in einem Zimmer und wurden nur zum stillen oder Flasche geben (wurde damals als besser angesehen) zur Mutter gebracht. Alle 4 Stunden. Von bonding oder füttern nach Bedarf hatte damals noch nie jemand was gehört. Msn wusste es schlicht nicht besser. Auch wurde geraten, Möhren Saft in die Flasche zu gebrn, damit das Kind eine gesunde Hautfarbe bekommt. Dass das nicht gut für die Verdauung von Babys ist, Ausritt damals einfach noch keiner. Es war vieles nicht böswillig. Auch schlief ich damals im eigenen kinderzimmer mit decke und nestchen, die Ursachen vom plötzlichen kindstod waren nicht nicht erforscht. Man vertraute auf die Aussagen von Leuten, die es wissen mussten. Die Forschung hst damals Dinge als gut angesehen, die mittlerweile eindeutig widerlegt sind. Aber man wusste es einfach nicht besser.

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Das würde ich so unterschreiben.
Aber was ich nicht verstehen kann, sind dann Diskussionen der älteren Generationen, dass uns das früher doch auch nicht geschadet hat. Heute ist der Stand der Wissenschaft ein anderer und wir Mütter halten uns daran (mal mehr mal weniger). Warum lässt man das nicht einfach gelten? Früher wurde es so und so empfohlen und die Mütter haben sich daran gehalten, heute wird es eben anders empfohlen und die Mütter halten sich daran. Vorwürfe sollten meiner Ansicht in beide Richtungen unterlassen werden.
Ich wurde als Kind teilweise stundenlang schreien gelassen, im Kinderwagen draußen auf dem Hof oder nachts. Die Bindung zu meiner Mutter ist meinerseits sehr gestört und auch so habe ich Probleme, Vertrauen zu anderen Menschen aufzubauen, mich zu öffnen usw. Sicher hat das auch was mit meiner Erziehung und Beziehung zu meiner Mutter generell zu tun, aber Grundpfeiler werden nunmal schon im Babyalter gesetzt. Dass mir das Schreien lassen nicht geschadet hat, würde ich so nicht unterschreiben. Trotzdem werfe ich es meiner Mutter nicht vor. Aber ich mache es anders und das soll gefälligst akzeptiert werden.

Wer weiß, was man alles schon wieder anders macht, wenn wir mal Großeltern werden. Ich hoffe, ich kann mich dann noch an heute erinnern ;-)

LG

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War bei mir genauso, auch 1983 geboren. Mit 3 Jahren musste ich operiert werden und 1 Woche im KKH bleiben. Meine Eltern durften mich nur bringen und abholen, man dachte damals es sei besser so, als wenn sich das Kind jeden Tag erneut trennen muss. Heute undenkbar, zum Glück!! Aber dennoch hat man auch damals nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

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ich bin 84 in Russland geboren. als meine Tochter kam haben wir mit meiner Mama viel diskutiert. hauptsächlich um zu warm anziehen und zusätzliche Flüssigkeit zur Milch. ich konnte nicht stillen und meine Mama meinte ich müsste jede Stunde etwas Wasser anbieten, den das Kind hätte Durst. ich habe ihr unzählige Artikel zum Lesen gegeben und hatte kaum Erfolg bis ich mit dem Satz kam "der Arzt hat gesagt..." das ziehte aufeinmal und so habe ich dann auch die Sache mit dem anziehen geklärt. ich sagte das ich beim Arzt war und über das schlafen im zu waren Zimmer geredet habe ich erklärte dann der Arzt habe gesagt das wäre sehr gefährlich usw meine Mama sage z.b immer wenn ihre Hände kalt sind friert das arme Kind doch bitterlich ich habe ihr das mit dem Nacken kontrollieren tauswnd mal erklärt aber erst als ich sagteder Arzt hat gesagt man solle im Nacken fühlen glaubte sie das. was ich sagen will ist das die Generation kein Internet hatte keine Quelle von Millionen Müttern und ihre Erfahrungen sondern eben nur freunde/Verwandte und den Arzt. und damals war halt vieles anders und vielleicht wird bei unseren Enkeln wieder einiges anders sein, wer weiß.

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Kinder, die satt, warm, trocken sind, müssen zufrieden sein. Wenn nicht, werden sie gewogen oder fest eingewickelt...all das scheint in Osteuropa heute noch Bestand zu haben. Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ich meine polnische Schwiegermutter reden höre, und sie will meine Ansichten dazu nicht begreifen.
Klar verstehe ich, dass sie damals für ihre Kinder auch das Beste wollte, was im Mangel von Gütern und Lebensmitteln nicht leicht war, aber wir haben 2018 und leben in Deutschland im Überfluss. Daher mache ich manche Dinge eben anders.
Ja, ich musste auch schon öfter zu der Notlüge "der Arzt hat gesagt" greifen, um mir Gehör zu verschaffen. Die ältere Generation ist halt autoritätsgläubig.

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Mein Lieblingsargument ;-)
"Der Arzt sagt,..." - das funktioniert immer ;-). Wenn der Arzt wüsste, was der so alles sagt :-p

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Das ist echt ein toller Beitrag. Aber auch zu gleich sehr krass, wie damals die Sicht war.

Mir fällt es immer sehr schwer, diese Tipps zu ertragen. Meine Kleine war ein Schreikind und wenn dann der Satz kam "Babys schreien nun mal, lass sie einfach schreien!"...
Ehrlich das war richtig hart für mich. Ja, meine Kleine schrie und zwar echt laut und lange, oft 5 Stunden und länger. Da kommt man an seine Grenzen. Und sie schrie nicht weil wir sie schreien lassen wollten, sondern weil wir nicht wussten was los war und wir konnten sie nicht beruhigen- egal was wir probierten...
Heraus kam letzten Endes das sie eine schwere Blockade im Nacken hatte. Sie hatte Schmerzen! Sie schrie also wegen den Schmerzen.

Auch jetzt, wenn ich an die Sätze mancher, gerade der Schwimu, denke, werde ich echt traurig und wütend.

Zum Glück haben sich in dieser Hinsicht die Zeiten geändert!

LG Bella

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Ich mache nicht was mir irgendwer sagt und ich diskutiere da auch nicht drüber.

Ich durfte mir jetzt schon oft anhören verwöhnt, etc. Aber warum soll ich denn meinen kleinen nicht tragen wenn er nahe braucht? Ich verlass mich voll und ganz auf mein Gefühl. Jedes Kind ist anders und da hilft mir weder ein Buch noch der Arzt.

Ich war ein Oma Kind (leider kam es bei meiner Trennung von meinem Ex-Mann zum Bruch). Wir hatten nie Streit oder Diskussionen oder ähnliches. Aber als mein großer vor zwölf Jahren geboren wurde, kam es zum ersten Streit. Immer wenn das Kind weinte, hab ich es ja verhungern lassen... Irgendwann hat es mich genervt und ich hab meiner Oma etwas direkter erklärt, dass ich mein Kind nicht verhungern lasse und nicht jedes quäken Hunger bedeutet...

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Huhu..
Meine Aussage zum Thema verwöhnen ist.

" ich geb meinem Kind das was es braucht Nähe und Liebe "

Dann ist das Thema für mich beendet.
Meine Mutter hat es bei enkelkind 5+6 Zwillinge schnell verstanden und hat sie einfach bei sich auf dem Bauch schlafen lassen. Bei enkelkind 2+3 (auch meine)würde immer gesagt verwöhn sie nicht damals war ich leider nicht ganz konsequent wie heute. Meine Kinder meine Erziehung. Bei 1+4 Meine Neffen dürfte sie nochmehr rein reden.
Fazit Von mir : meine sind besser erzogen aber keine Marionetten wie die anderen

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...nicht das Kind anbinden.